TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2021, RV/5101073/2017

Besteuerung deutscher Renteneinkünfte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für 2010, 2011 und 2012, betreffend Einkommensteuer 2010, 2011 und 2012 und über die Festsetzung von Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2010 und 2011, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I.Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Erklärungen 2010, 2011 und 2012 langten elektronisch beim Finanzamt am , und ein.

Die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2012 ergingen erklärungsgemäß (ohne ausländische Einkünfte).

Laut Aktenvermerk vom wurden dem Beschwerdeführer (infolge Bf.) die Formulare "L1i zur ANV 2010 bis 2014" von Seiten des zuständigen Finanzamtes G zur Beantwortung (Frist bis ) ausgehändigt, weil ausländische Einkünfte (deutsche Renten) aufgrund der Bescheide des Finanzamtes N vom bekannt wurden.
Die Formulare L1i für 2010 bis 2014 zur Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (L1) oder Einkommensteuererklärung (E1) langten (per Post) am beim Finanzamt G ein.

Die ausländischen Pensionseinkünfte wurden "als unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" (siehe L1i) vom Bf. erklärt.

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2010, 2011 und 2012 (bzw. 2013) gem. § 303 (1) BAO wieder auf und erließ neue Sachbescheide für 2010, 2011 und 2012 (bzw. 2013) sowie die Anspruchszinsenbescheide 2010 und 2011.

Die Wiederaufnahmebescheide 2010, 2011 und 2012 (bzw. 2013) erhielten folgende gleichlautende Begründung:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden.

Die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen neuen Einkommensteuerbescheide (Sachbescheide) 2010, 2011 und 2012 datiert vom wiesen (gegenüber den Bescheiden vom , und ) ausländische Einkünfte, die für die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes herangezogen werden, aus.

Der Bf. brachte Beschwerden datiert vom ua. gegen die Wiederaufnahmebescheide 2010 bis 2012, Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 und Anspruchszinsenbescheide 2010 und 2011 ein.

Aus den Begründungen geht im Wesentlichen zusammengefasst hervor:

"Vorbemerkung:

Ich lege Wert auf folgende Feststellung. Seit September 2008 bin ich Bezieher einer inländischen Invaliditätspension. Im Februar 2009 wurde mir eine ebensolche Rente aus Deutschland zugesprochen, 2010 dann meine Rente aus den Niederlanden.

Nach dem Erhalt des Deutschen Rentenbescheides habe ich mich bei meinem damaligen Finanzamt (L-Stadt) erkundigt, was ich in Steuerlicher Hinsicht bzgl. der ausländischen Rente zu tun hätte. Der zuständige Sachbearbeiter erklärte mir, "vorerst einmal gar nichts", ich solle abwarten, bis sich das Deutsche Finanzamt bei mir meldet, und dann eben entsprechend handeln.

Dass die ausländischen Einkünfte einem sogenannten "Progressionsvorbehalt" unterliegen, und daher bei der inländischen Steuererklärung anzugeben sei, hat er mir nicht gesagt!
Dass es diesen "Progressionsvorbehalt" gibt, habe ich erst im Oktober 2015 vom Finanzamt
G erfahren.

Ich meine, der Sachbearbeiter hätte mir das mitteilen müssen, bzw. ich hätte als Österreichischer Bürger und Steuerzahler das Recht auf eine richtige Beratung seitens der Finanzbehörde.

Da eben dieses Recht verletzt wurde, sehe ich mich nun mit mehreren Steuernachzahlungen konfrontiert, welche für mich äusserst belastend sind.

Ich habe zu keinem Zeitpunkt Einkünfte verschleiert oder Steuern hinterzogen, ich habe kein Geld in ausländischen "Schwarzgeldkonten" oder dubiosen Stiftungen geparkt und kann mir auch keinen Steuerberater leisten und sehe mich nun aufgrund einer schlampigen Beratung seitens der Finanzbehörde eben durch die selbe Behörde diskriminiert.

………….

Begründung:

Die Begründung über den Wiederaufnahmebescheid 2010, 2011, 2012 ergibt sich aus der Vorbemerkung.

Einkommensteuerbescheid 2010, 2011, 2012, ich halte diesen Bescheid für mangelhaft,
- da die Ausländischen Einkünfte vom Betrag her unrichtig sind,
- Bezüglich des Progressionsvorbehaltes, da ich meine Deutschen Rentenzahlungen in Deutschland (FA N) bereits versteuert habe.
- ich bin der Ansicht, dass der ursprüngliche Bescheid 2010 aufgrund der 5 Jahresregel nicht mehr geändert werden kann.

Ich beantrage die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bis zur Erledigung der Beschwerden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (1) BAO betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2012, vom als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:
"In der Bescheidbegründung des Wiederaufnahmebescheids gem. § 303 (1) BAO vom betreffend Einkommensteuer für 2010 bis 2012 wurde angeführt, dass das Verfahren wiederaufzunehmen war, weil die in der Begründung des Sachbescheids näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht wurden und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Weiters wurde ausgeführt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt wurde, im vorliegenden Fall überwog das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen konnten nicht als geringfügig angesehen werden.

In der Begründung des Sachbescheids wurde ausgeführt, dass "die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Auslandspensionsbezüge beim Erstbescheid nicht berücksichtigt wurden. Was den in Ihrer Beschwerde angeführten Einwand betrifft, dass Ihnen vom damaligen Wohnsitzfinanzamt mitgeteilt worden wäre, dass Sie vorerst nichts zu unternehmen bräuchten, da die Besteuerung Ihrer ausländischen Pensionsbezüge noch nicht geklärt sei, ist auszuführen, dass sich der Umfang der Offenlegung vor dem damaligen Wohnsitzfinanzamt nicht dokumentieren lässt.

Im Steuerakt des ho. Finanzamts liegt über die behauptete Auskunftserteilung kein Aktenvermerk vor. Desgleichen liegt diesbezüglich weder ein Schriftverkehr, noch eine schriftliche Anfrage und folglich auch keine Auskunftserledigung vor, wodurch eine damit einhergehende rechtliche Bindungswirkung ausgelöst und somit diesbezüglich der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt worden wäre.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Ergehen eines Bescheids, der sich später als unrichtig erweist, als solches weder den Schluss auf eine Genehmigung, noch auf eine mangelhafte Bearbeitung durch die Abgabenbehörde zulässt, weil das System der Abgabenverwaltung die Überprüfung von Abgabenerklärungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. in unterschiedlichen Verfahrenssituationen vorsieht. Zum Teil erfolgt demnach die erstmalige Überprüfung von Erklärungsinhalten erst nach Ergehen eines Bescheids.

Aufgrund dieser Umstände war das Finanzamt berechtigt - weil Tatsachen oder Beweismittel in einem abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind (im konkreten Fall der Zufluss von ausländischen Pensionsbezügen, die in Österreich zwingend zur Progressionsbesteuerung heranzuziehen sind) -, die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (1) BAO betreffend Einkommensteuer für 2010 bis 2012 zu veranlassen.

Mit einer Beschwerdevorentscheidung wurden die Beschwerden vom gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010, 2011 und 2012, jeweils vom als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:

"Ihre deutschen Pensionsbezüge werden in Österreich von der Steuer befreit (vgl. Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland). Österreich berücksichtigt jedoch die deutschen Pensionsbezüge bei der Berechnung der Steuer für das übrige Einkommen, das in Österreich zu versteuern ist (vgl. Art 23 DBA Österreich-Deutschland). Durch den Progressionsvorbehalt kommt es daher nicht zu einer Doppelbesteuerung, sondern zu einer Gleichstellung zwischen jenen Abgabenpflichtigen, die ausländische Pensionsbezüge beziehen mit jenen, die eine oder mehrere Pensionen von österreichischen Quellen erhalten. Der Progressionsvorbehalt ist in Österreich zwingend vorzunehmen".

Mit einer Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerden vom gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2010 und 2011, jeweils vom als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:

"Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen. Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Grundlagenbescheid getroffene Entscheidung unzutreffend ist.

Der Bestreitung der Anspruchszinsen lediglich auf Grund einer Unrichtigkeit des Einkommensteuerbescheides ist zu entgegnen, dass Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden sind. Wegen dieser Bindung ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er im anhängigen Abgabenberufungsverfahren entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (z.B. Gutschriftzinsen als Folge des Wegfalles einerrechtswidrigen Nachforderung). Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid, daher erfolgt keine Abänderung des ursprünglichen (hier angefochtenen) Zinsenbescheides (vgl. Ritz, BAO-Handbuch, 128)."

Aus dem mit Schriftsatz vom eingebrachten Vorlageantrag geht im Wesentlichen folgendes hervor:

"… Meine Beschwerde hat sich in erster Linie gegen den sogenannten "Progressionsvorbehalt" gerichtet und daran hat sich auch nichts geändert.

Geändert hat sich allerdings die Argumentation des Finanzamtes G, hinsichtlich meines Einwandes, der nur allzu berechtigt ist.

Ich verweise an dieser Stelle auf meinen Antrag vom , bezüglich der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014, dort habe ich ausführlich beschrieben, unter welchen Umständen ich von diesem "Progressionsvorbehalt" erfuhr.

Der Bearbeiter meines Steueraktes sieht sich veranlasst, meine Einwendung vom , wo ich die Auskunfterteilung (oder Nichterteilung) des damaligen Wohnsitzfinanzamtes (L-Stadt) beschrieben habe wie folgt abzuwerten, ich zitiere aus der Berufungsvorentscheidung:

Im Steuerakt des ho. Finanzamtes liegt über die behauptete Auskunftserteilung kein Aktenvermerk vor. Desgleichen liegt diesbezüglich weder ein Schriftverkehr, noch eine Anfrage und so weiter und so weiter!
Dazu halte ich fest:
Ich habe mich telefonisch beim FA
L-Stadt erkundigt! Wenn dieses Auskunftsbegehren auf dem falschen Kommunikationskanal (weil telefonisch), so hätte mich der Mitarbeiter des FA darauf hinweisen müssen.
Wäre das der Fall gewesen, so hätte ich diese Auskunft eben schriftlich eingefordert! Ich muss und kann als Bürger und Steuerzahler nicht wissen, ob und wie derlei Anfragen von den Finanzbeamten zu dokumentieren sind und schon gar nicht kann ich kontrollieren ob die Dokumentation überhaupt, richtig und vollständig erfolgt ist.
Mir deshalb aus diesem Sachverhalt einen Vorwurf zu machen, das ist schlicht und einfach Diskriminierend.
Und dagegen verwehre ich mich auf das entschiedenste!

Weiters steht in der Berufungsvorentscheidung, dass es durch den "Progressionsvorbehalt" NICHT zu einer Doppelbesteuerung kommt.
Das bezweifle ich.
Ich habe meine Deutsche Rentenzahlung ordnungsgemäß beim FA N versteuert und auch die angefallene Steuer zur Gänze entrichtet.
Da das Österreichische Finanzamt den Bruttobetrag der Deutschen Rente für den "Progressionsvorbehalt" heranzieht, und es keine Möglichkeit gibt, die bereits in Deutschland entrichtete Einkommensteuer abzuziehen, liegt hier sehr wohl eine "Doppelbesteuerung" vor.
In meiner Beschwerde vom führe ich in der Begründung unter anderem an, dass ich der Ansicht bin, dass meine ausländischen Einkünfte vom Betrag her unrichtig sind, diesem Einwand ist das FA
G nicht nachgegangen.
Eigentlich ein weiterer Grund, Beschwerde einzulegen.

Abschließend halte ich fest:
Zu keinem Zeitpunkt habe ich Einkünfte verschleiert, Steuern hinterzogen und sehe mich dennoch auf Grund einer "schlampigen Beratung (oder Nichtberatung)" der Finanzbehörde mit einer ungerechtfertigten Steuernachzahlung in der Höhe von mehreren Tausend Euro konfrontiert; Einer Steuernachzahlung, die mich und meine Familie über Gebühr belastet, allein schon dadurch, weil diese Nachzahlungen in Summe etwa ein Viertel meines Jahreseinkommens betragen würde.

Ich ersuche daher, die Berufungsvorentscheidungen in meinem Sinne zu verwerfen.

Aus dem vom Bf. genannten Antrag vom geht zum "Thema Progressionsvorbehalt" im Wesentlichen folgendes hervor:

"…In erster Linie richten sich meine Beschwerden gegen den sogenannten "Progressionsvorbehalt".
Mit der Zuerkennung meiner Renten aus Deutschland und den Niederlanden habe ich mich beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt (damals
L-Stadt) erkundigt, was ich nun Steuerlich zu tun hätte! Mir wurde gesagt, was die Ausländischen Renten betrifft, solle ich abwarten, bis sich die Ausländischen Finanzämter bei mir melden. Davon, dass diese Ausländischen Bezüge einem "Progressionsvorbehalt" unterliegen, wurde mir nichts gesagt.

Erst, nachdem sich das Finanzamt N bezüglich einer Steuererklärung gemeldet hat, und ich die erforderlichen Unterlagen beim FA G bestätigen liess, erfuhr ich dort, dass es so etwas wie den Progressionsvorbehalt gibt. Das war am …."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Aufgrund des Vorbingens des Bfs. "ich bin der Ansicht, dass meine ausländischen Einkünfte vom Betrag her unrichtig sind, diesem Einwand ist das FA G nicht nachgegangen" wurde dem Bf. mit Vorhalt vom die vorgelegten L1i für 2010, 2011 und 2012 zur Kenntnis und zur Äußerung übermittelt und ersucht, die ausländischen Einkünfte anhand einer Berechnung bekanntzugeben und den Schriftverkehr vorzulegen. Für die Beantwortung wurde der vorgemerkt.

Mit Schreiben vom teilte der Bf. im Wesentlichen mit, dass der genannte Termin nicht eingehalten werden könne.

Das Erkenntnis des BFG für die Jahre 2013 und 2014 ist am zu RV/5101493/2016 ergangen.

Da der Vorhalt vom nicht beantwortet wurde, wurde dem Bf. mit Schreiben vom mitgeteilt, dass das Erkenntnis aufgrund der Aktenlage ergeht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (infolge Bf) hat seinen Wohnsitz in Österreich an der Wohnsitzadresse ***Bf1-Adr*** (laut ZMR seit , vorher befand sich der Wohnsitz in L) und bezieht auch eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt.

Dem zuständigen FA G wurde laut Aktenvermerk vom bekannt, dass der Bf. ausländische (deutsche) Pensionseinkünfte bezieht, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, daher wurde dem Bf. die Formulare L1i zur ANV für 2010 bis 2014 zur Beantwortung ausgehändigt.

Die ausgefüllten Formulare L1i zur Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung (L1) oder Einkommensteuererklärung sowie die deutschen Bescheide des FA N vom ua für die Jahre 2010, 2011, 2012 wurden vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht übermittelt.

Die ausländischen Pensionen wurden "unter Progressionsvorbehalt steuerbefreiten Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" vom Bf. erklärt.

Aus den deutschen Bescheiden vom ergibt sich der Jahresbetrag der Rente für 2010 von 1.935,00 €, für 2011 von 1.945,00 € und für 2012 von 1.976,00 €.

Aus der Begründung geht hervor, dass die Veranlagung von Amts wegen, anhand der vorliegenden Angaben Ihres Rententrägers, erfolgt sei. Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich steht der Bundesrepublik Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Renten aus der deutschen Sozialversicherung zu (Art. 18 Absatz 2 DBA). Es wurde eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht durchgeführt".

Mit Bescheiden vom wurden die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2010, 2011 und 2012 (sowie 2013) gem. § 303 (1) BAO wiederaufgenommen, die neuen Sachbescheide 2010 bis 2012 (bzw. 2013 und 2014) und die Anspruchszinsenbescheide 2010 und 2011 erlassen.

Die einzige Änderung in den Sachbescheiden - abgesehen von den darauf beruhenden Neuberechnungen - war die Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte.
Auf das Erkenntnis betreffend die Jahre 2013 und 2014 vom , RV/5101493/2016 wird verwiesen.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom FA elektronisch übermittelten Aktenteilen sowie aus den Einkommensteuerbescheiden des FA N vom sowie den vorgelegten Formularen L1i für 2010, 2011, 2012 zur Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung (L1) oder Einkommensteuererklärung vom .

Der Vorhalt vom wurde nicht beantwortet.

Dass neue Tatsachen und Beweismittel dem zuständigen Finanzamt G erst nach Einkommensteuerbescheiderlassung 2010, 2011 und 2012 bekannt wurden, ergibt sich nicht nur aus den Beschwerden, wenn es da lautet "Erst, nachdem sich das Finanzamt N bezüglich einer Steuererklärung gemeldet hat, und ich die erforderlichen Unterlagen beim FA G bestätigen ließ, erfuhr ich dort, dass es so etwas wie den Progressionsvorbehalt gibt. Das war am ", sondern auch aus dem Aktenvermerk vom , den am übermittelten L1i vom sowie den deutschen Bescheiden vom .

Das vage Vorbringen des Bfs in den Beschwerden "Nach dem Erhalt des Deutschen Rentenbescheides habe ich mich bei meinem damaligen Finanzamt (L-Stadt) erkundigt, was ich in Steuerlicher Hinsicht bzgl. der ausländischen Rente zu tun hätte. Der zuständige Sachbearbeiter erklärte mir, "vorerst einmal gar nichts", ich solle abwarten, bis sich das Deutsche Finanzamt bei mir meldet, und dann eben entsprechend handeln" verhilft den gegenständlichen Beschwerden nicht zum Erfolg.

Inwieweit das Finanzamt L von den ausländischen Renten tatsächlich Kenntnis erlangt hat, konnte aufgrund des Vorbringens des Bf. nicht festgestellt werden. Es fehlen konkrete Hinweise und Anhaltspunkte hinsichtlich des Sachbearbeiters/in, des Zeitpunktes der Kenntnisnahme durch das Finanzamt L sowie auch des Umfanges der Kenntnis über die ausländischen Einkünfte.

Gegenständlich spielt die "Kenntnis" des Finanzamtes L keine Rolle, zumal das zuständige Finanzamt G laut Aktenvermerk vom , laut deutschen Bescheide vom , den übermittelten L1i Formularen vom und laut Vorbringen des Bf. erstmals nach Erlassung der Erstbescheide 2010, 2011 und 2012 davon vollständig Kenntnis erlangt hatte. Dies wird vom Bf. auch nicht bestritten.

Sollte der Bf. in Zusammenhang mit dem Ermessen und seinem Vorbringen im Vorlageantrag "Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, Einkommen zu verschleiern oder Steuern zu hinterziehen. Es ist mir auch keineswegs zur Last zu legen, dass ich mich nicht informiert hätte, und dabei von der Finanzbehörde unvollständig informiertwurde" die Manuduktionspflicht gem. § 113 bzw. Rechtsbelehrungspflicht ansprechen, die für steuerlich nicht vertretene Beschwerdeführer bzw. Personen gilt, so wird vom Bf. nicht dargelegt, inwiefern diese verletzt wurde. Vom Bf. wurde nämlich nicht vorgebracht bzw. behauptet, dass er vom zuständigen Finanzamt diesbezüglich eine Auskunft verlangt hätte.

Auch eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben ergibt sich aus dem Vorbringen des Bf. nicht. Ob und inwiefern eine solche vorliegt, wurde vom Bf. nicht aufgezeigt.

Rechtslage:

Streitpunkte sind:
A) Verjährung 2010
B) amtswegige Wiederaufnahme betreffend Einkommensteuer 2010, 2011 und 2012
C) Rechtmäßigkeit, der vom Finanzamt vorgenommenen Besteuerung der deutschen Renten im Wege des Progressionsvorbehaltes betreffend Einkommensteuer 2010, 2011 und 2012
D) Anspruchszinsen 2010 und 2011

A) Verjährung betreffend Einkommensteuer 2010:

a) Sachverhalt:
Der Einkommensteuerbescheid 2010 datiert vom .
Dem Bf wurde laut Aktenvermerk vom die Formulare L1i zur ANV für 2010 bis 2014 ausgehändigt. Mit langten die angeforderten L1i beim Finanzamt ein. Die deutschen Bescheide des Finanzamtes N vom liegen im Akt auf.
Der Wiederaufnahmebescheid sowie der Einkommensteuerbescheid 2010 ergingen am und wurden dem Bf auch zugestellt.

b) Rechtsgrundlagen:

§ 207 Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 idgF lautet:

(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebührennach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß §17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. (…)

§ 208 BAO, BGBl. Nr. 194/1961 idgF lautet:

(1) Die Verjährung beginnt,

a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird; (…)

§ 209 BAO BGBl. Nr. 194/1961 idgF lautet:

(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfristum ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfristverlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) geltenals solche Amtshandlungen. …

§ 303 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) … oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c )…,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 304 BAO BGBl. Nr. 194/1961 idgF FvwGG 2012, BGBl I 2013/14 ab lautet:
Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.

c) Erwägungen:

Der Erstbescheid (Einkommensteuer 2010) vom erfolgte unstrittig rechtzeitig.
Der Abgabenanspruch ist am entstanden, womit die Abgabenfestsetzung innerhalb der in § 207 Abs 2 BAO iVm § 208 BAO vorgesehenen 5 Jahre erfolgte.

Für den Eintritt der Verjährung gilt gem. § 207 BAO grundsätzlich, dass diese für die Einkommensteuer fünf Jahre nach Entstehen des Abgabeanspruches (§ 208 BAO) eintritt. Im Beschwerdefall ist dies der .

Werden innerhalb der Verjährungsfrist des § 207 BAO jedoch nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist gem. § 209 Abs 1 BAO um ein Jahr.

Da die Erlassung eines Abgabenbescheides eine solche Amtshandlung darstellt (zB ; ; siehe auch Ritz, BAO6, § 209 Tz 10 mwN, ), tritt die Verjährung für die Einkommensteuer 2010 im Beschwerdefall am ein.

Der Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich Einkommensteuer 2010 samt damit verbundenem Einkommensteuerbescheid 2010 wurden am erlassen und zugestellt. Damit erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen innerhalb der Verjährung.

Somit ist für das Jahr 2010 keine Verjährung gegeben.

B) Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010, 2011 und 2012
a) Rechtsgrundlage und rechtliche Ausführungen
:

Gemäß § 113 BAO hat die Abgabenbehörde den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

§ 303 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a)…, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c)…,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Abgabenbehörde hat im angefochtenen Bescheid auf § 303 Abs. 1 BAO und das neu Hervorkommen von Tatsachen und Beweismittel verwiesen.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz, BAO, 5. Auflage, § 303 Tz 21, mwN).

Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta; zB ).

Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach hA aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 303 Tz 31, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel vorliegen auf den Wissensstand auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen im jeweiligen Veranlagungsjahr an (zB -0177; , 99/15/0120; , 2006/15/0367; , 2009/15/0161; , 2008/15/0005, 0006).

b) Erwägungen:
Die Abgabenbehörde hat in den angefochtenen Bescheiden 2010, 2011 und 2012 auf § 303 Abs. 1 BAO und das neu Hervorkommen von Tatsachen und Beweismittel verwiesen. Das Finanzamt hat die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt.

Durch den vom Bf. angeführten Wohnsitzwechsel von L nach E () änderte sich auch die Zuständigkeit der Behörde.

Aufgrund des Sachverhalts und der vorliegenden Unterlagen ist dem Finanzamt G erstmals laut Aktenvermerk vom durch dem Bf. bekannt geworden, dass der Bf. ausländische (deutsche ua) Einkünfte bezieht, die zum Progressionsvorbehalt heranzuziehen sind.

Dies ergibt sich nicht nur aus den übermittelten Unterlagen L1i vom und den deutschen Bescheiden vom , sondern auch aus dem Vorbringen des Bf vom wenn es da lautet "Mit der Zuerkennung meiner Renten aus Deutschland und den Niederlanden habe ich mich beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt (damals L-Stadt) erkundigt, was ich nun Steuerlich zu tun hätte bzw …. "Erst, nachdem sich das Finanzamt N bezüglich einer Steuererklärung gemeldet hat, und ich die erforderlichen Unterlagen beim FA G bestätigen liess, erfuhr ich dort, dass es so etwas wie den Progressionsvorbehalt gibt. Das war am ".

Dies wird weder vom Bf. noch vom Finanzamt bestritten.

Wenn nun der Bf. seine Auffassung, es seien keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel für das zuständige Finanzamt G hervorgekommen, auf die Behauptung stützt, das Wohnsitzfinanzamt L habe von den als Wiederaufnahmegrund geltend gemachten Umständen bereits Kenntnis gehabt, so verkennt der Bf. ,dass die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt, so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Davon kann im vorliegenden Fall für 2010, 2011 und 2012 jedoch keine Rede sein aufgrund des sehr vagen und verkürzt dargestellten Ablaufes zumal steuerrechtlich relevante Feststellungen in diesem Zusammenhang fehlen bzw aktenmäßig nicht ersichtlich sind.

Außerdem bestand für das Finanzamt L in Entgegnung des Vorwurfes des Bfs "Ich meine, der Sachbearbeiter hätte mir das mitteilen müssen, bzw. ich hätte als Österreichischer Bürger und Steuerzahler das Recht auf eine richtige Beratung seitens der Finanzbehörde"Da eben dieses Recht verletzt wurde, sehe ich mich nun mit mehreren Steuernachzahlungen konfrontiert, welche für mich äußerst belastend sind, überhaupt keine Veranlassung, diesbezüglich Nachforschungen anzustellen. Seit der Wohnsitzverlegung nach E () war das Finanzamt L auch nicht mehr zuständig.

Abgesehen davon stünde selbst ein schuldhaftes Unterbleiben solcher Nachforschungen einer amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen (Stoll, BAO Handbuch, 726).

Aus der Sicht des zuständigen Finanzamtes G lagen neue Tatsachen und Beweismittel vor. Das zuständige Finanzamt hat erst nach Bescheiderlassung (, und ) Kenntnis von den neuen Tatsachen und den Beweismitteln erlangt. Dem wurde vom Bf. nicht entgegengetreten.

Ob den Bf. ein Verschulden trifft oder ihm die Kenntnis des Doppelbesteuerungsabkommens zugemutet werden kann ist irrelevant.

Aus den DBA ergibt sich auch keine Pflicht zum permanentem Datenaustausch, von einer "nicht ordnungsgemäßen Meldung" oder gar Verschulden einer Behörde kann daher keine Rede sein.

Die ausländischen Einkünfte wurden nun als einzige Änderungen in den wiederaufgenommenen Einkommensteuerbescheiden berücksichtigt.

Wenn der Bf. noch die Verletzung seiner Parteienrechte - nämlich der nicht richtigen Beratung bzw schlampigen Beratung durch das FA L aufgreift bzw. anspricht so ist dem entgegenzuhalten, dass die Begründung der Wiederaufnahmebescheide der Abgabenbehörde (FA G) zusammengefasst im Rahmen der Ermessensabwägung den oben für das BFG stichhältigen Grund enthält, der letztlich für die Ermessensabwägung ausschlaggebend war.

Das Vorbringen "… Ich habe mich telefonisch beim FA L-Stadt erkundigt! Wenn dieses Auskunftsbegehren auf dem falschen Kommunikationskanal (weil telefonisch), so hätte mich der Mitarbeiter des FA darauf hinweisen müssen. Wäre das der Fall gewesen, so hätte ich diese Auskunft eben schriftlich eingefordert!...".. verhilft den Beschwerden 2010 bis 2012 nicht zum Erfolg.

Wie bekannt, setzt § 113 BAO ein Verlangen der Partei voraus. Weder behauptet der Bf, dass er ein solches Verlangen gestellt habe, noch ist den Verwaltungsakten ein solches Verlangen zu entnehmen. Auch aus diesem Grund ist das Vorbringen unbegründet.

Mit dem Vorbringen hat der Bf. auch eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht aufgezeigt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Es gelang dem Bf. nicht, die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensfehlers der Abgabenbehörde aufzuzeigen.

Die gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2012 erhobenen Beschwerden erweisen sich demnach als unbegründet.

C) Einkommensteuer 2010 bis 2012: Progressionsvorbehalt der deutschen Rente

a) Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahresbezogen hat.

Einkommen ist nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 105 und 106a. Nach § 2 Abs 3 Z 4 EStG 1988 unterliegender Einkommensteuer auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25). Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, gilt gemäߧ 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, dass für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 maßgebend sind.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Gemäß § 25 Abs. Z 3 lit. c EStG 1988 sind Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Ist bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen, gilt für die Steuerberechnung gemäß § 33 Abs. 11 EStG 1988 Folgendes: Der Durchschnittssteuersatz ist zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer sind die Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) abzuziehen.

Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 DBA Deutschland idF. BGBl. III Nr. 32/2012 lauten:

"(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur imerstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden."

Art. 23 Abs. 2 DBA Deutschland idF. BGBl. III Nr. 32/2012 lautet auszugsweise:

"Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

(…)

d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden."

b) Erwägungen:

Der Bf. hat im Inland seinen Wohnsitz und ist damit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs 2 EStG 1988. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Bf. gilt aufgrund seines inländischen Hauptwohnsitzes unbestritten auch als eine in Österreich ansässige Person.

Neben seinen inländischen Pensionseinkünften bezog er im Streitjahr 2010, 2011 und 2012 Renten aus der deutschen Sozialversicherung und niederländische Renten.

Die niederländischen Renten sind unstrittig bzw. laut Beschwerde nicht angefochten.

Die deutschen Renteneinkünfte sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 25 Abs 1 Z 3 lit. c EStG 1988.

Nach Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland steht Österreich kein Besteuerungsrecht für diese deutschen Renteneinkünfte zu. (Siehe deutsche Bescheide vom ).

Sie unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland.

Die aus Deutschland bezogene Rente des Bf. ist nach Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland in Deutschland zu versteuern und in Österreich steuerfrei gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland. Jedoch dürfen derartige Einkünfte gem. Art 23 Abs. 2 lit. d bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).

Die Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt findet sich im § 2 EStG 1988, wonach das gesamte in- und ausländische Einkommen der Einkommensteuer unterliegt. Bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das (Gesamt-)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes ermittelt (vgl. etwa die zum insoweit inhaltsgleichen Art. 15 Abs 3 des (früheren) Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl.Nr. 221/1955, ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/15/0234, und vom , 2005/14/0099; vgl. auch , mwN).

§ 25 Abs 1 Z 3 lit. c EStG 1988 sieht auch nicht vor, dass derartige Pensionseinkünfte nur mit einem bestimmten Anteil zu erfassen wären ().

Die ausländischen Renteneinkünfte wurden daher 2010, 2011 und 2012 für Zwecke des Progressionsvorbehaltes erfasst. Dagegen wurde vom Bf. nichts mehr vorgebracht. Der Vorhalt vom wurde nicht beantwortet.

Zusammenfassend wird nochmals festgehalten, dass die deutsche Rente durch die Anwendung des Progressionsvorbehaltes in Österreich nicht besteuert wird, sie wird aber bei der Ermittlung des Steuersatzes für das übrige inländische Einkommen berücksichtigt. Die steuerpflichtigen inländischen Einkünfte werden mit jenem Steuersatz erfasst, der zum Tragen käme, wenn alle Einkünfte aus inländischen Quellen stammten. Dabei wird das Einkommen (Gesamteinkommen) nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes ermittelt, die auf dieses Einkommen entfallende österreichische Einkommensteuer eruiert, und sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird auf jenen Einkommensteil angewandt, welcher von Österreich besteuert werden darf.

Der Progressionsvorbehalt hat den Zweck, Personen mit in- und ausländischen Einkünften mit Personen gleichzustellen, welche lediglich inländische Einkünfte beziehen.

Durch die Einbeziehung der deutschen Rente in die in Österreich mit Progressionsvorbehalt zu versteuernden Einkünfte kommt es zwar zu einer steuerlichen Mehrbelastung, aber nicht zu einer Doppelbelastung, zumal mit dem Progressionsvorbehalt nicht die gesetzliche deutsche Rente ein zweites Mal besteuert wird, sondern lediglich die Steuerleistung von den übrigen Einkünften dem österreichischen Besteuerungsniveau angepasst wird ( und ).

Eine (auch nur teilweise) Anrechnung der dem Bf. vom deutschen Finanzamt vorgeschriebenen Einkommensteuer kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die deutsche Rente auf Grund des DBA Ö/D von der Besteuerung in Österreich ausgenommen ist (siehe obige Ausführungen). Die vom Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Einkommensteuern betrifft nur das übrige steuerpflichtige (inländische) Einkommen.

Festgehalten wird, dass gegen die Berechnung eines Progressionsvorbehalts auch aus unionsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestehen (vgl. ).

Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2012 sind daher als unbegründet abzuweisen.

D) Anspruchszinsen für 2010 und 2011:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaft­steuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzten Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgen­den Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO ist eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge. Dabei ist der Abgabenbehörde weder ein Ermessen eingeräumt noch kommt es auf ein Verschulden bzw. Nichtverschuldendes Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an (vgl. VwGH24.9.2008, 2007/15/0175).

Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2010 und 2011 wird darauf hingewiesen, dass diese an die Höhe der im Bescheidspruch der Einkommensteuerbescheide (Stammabgabenbescheide) ausgewiesenen Nachforderungen gebunden sind (Ritz, SWK 2001, S. 27 ff) und Zinsenbescheide daher nicht mit der Begründung anfechtbar sind, die zu Grunde liegenden Stammabgabenbescheide seien rechtswidrig.

Jede Nachforderung bzw. Gutschrift an Einkommensteuer löst (gegebenenfalls) einen
Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Eine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides erfolgt nicht (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 205, Tz 33,35).

Sollte dem Beschwerdebegehren teilweise Rechnung getragen werden, sind seitens der Abgabenbehörde erster Instanz vielmehr neue, den geänderten Einkommensteuerbescheiden Rechnung tragende Zinsenbescheide zu erlassen (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 35). Auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung wird verwiesen.

Die Beschwerden gegen die Anspruchszinsenbescheide der Jahre 2010 und 2011 sind daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugänglich.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 113 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 23 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 Abs. 1 und 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101073.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at