Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.11.2021, RV/7100329/2016

Schätzung bei einer Pizzeria

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2012 -2014 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum eine Pizzeria.

Die im Jahr 2015 durchgeführte Betriebsprüfung für die Jahre 2012 und 2013 sowie Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum Jänner bis November 2014 stellte zusammengefasst folgende Mängel und Unstimmigkeiten fest:

- kein Datenerfassungsprotokoll,
- Lücken in den fortlaufenden Bonierungen,
- getätigte Bonierungen wurden gelöscht,
- fehlende Rechnungsnummern,
- Kalkulationsdifferenzen bei den Pizzakartons und bei der Salami,
- Auffälligkeiten bei der für das Jahr 2013 durchgeführten Tischauswertung.

Daher erhöhte die Betriebsprüfung im Schätzungswege den gesamten Umsatz für alle drei Jahre um jeweils 30 %.

Gegen die von der Abgabenbehörde im Sinne der Feststellungen der Betriebsprüfung abgeänderten Bescheide erhob der Bf. Beschwerde. Diese enthielt im Wesentlichen folgende zusammengefasste Begründung:

- Verweis auf den Durchführungserlass zur BarbewegungsVO,
- aufgrund der fortlaufenden Nummern entsprechen die übergebenen Daten einem Datenerfassungsprotokoll,
- die gelöschten Bonierungen betragen lediglich 6 % der verkauften Pizzen mit Salamibelag,
- die Lücken in den fortlaufenden Bonierungen stellen nur 2,03 % der gesamten Bonierungen dar,
- zu den Kalkulationsdifferenzen und der Tischauswertung wird auf die Stellungnahme vom verwiesen,
- Die erklärungsgemäße Festsetzung der Abgaben wird beantragt.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung ist die Abgabenbehörde auf die einzelnen Beschwerdepunkte eingegangen.

Der eingebrachte Vorlageantrag des Bf. enthielt kein weiteres Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die ursprünglichen Bonierungen der einzelnen Wunsch-Zutaten wurden bei der Pizza ***1*** wieder gelöscht und nicht aufbewahrt. Es handelt sich dabei um etwa 6 % der verkauften Pizzen mit Salamibelag bzw. 1,7 % vom gesamten Pizzaverkauf.

Die elektronischen Daten wiesen bei der fortlaufenden Nummerierung Lücken im Ausmaß von durchschnittlich rund 2 % auf.

Es liegt ein Datenerfassungsprotokoll vor, das mangelhaft ist.

Der Einkauf von Salami und von Pizzakartons war wesentlich höher als der errechnete Verbrauch. Der Salamieinkauf um durchschnittlich 16,25 % und der Pizzakartoneinkauf um durchschnittlich 44,50 %.

Bei der Tischauswertung für das Jahr 2013 liegen Differenzen vor.

Es wurden mehr Pizzen verkauft als in den Unterlagen aufgezeichnet.

Beweiswürdigung

Zu diesen Sachverhaltsfeststellungen gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Gelöschte Bonierungen:
Dem Bericht der Betriebsprüfung ist zu entnehmen, dass bei der Bestellung der Pizza "***1***" (Pizza mit Wunschbelegung) in der Registrierkassa boniert wird welche Auflage der Kunde wünscht, damit der Koch weiß, wie er die Pizza zu belegen hat. In den übermittelten elektronischen Daten sind diese Bonierungen nicht ersichtlich.

In der Stellungnahme der steuerlichen Vertretung vom (in Folge: Stellungnahme) wird diesbezüglich ausgeführt, dass sich allein aus dem Umstand, dass bei den Pizzen "***1***" der Belag nicht ersichtlich ist, nicht ergibt, dass die der Abgabenbehörde übergebenen Daten nicht einem Datenerfassungsprotokoll iSd BAO entsprechen. Weiters wird auf den Durchführungserlass zur Barbewegungsverordnung, BMF-010102/0004-IV/2/2006, Punkt 1.2.1. verwiesen.

In der Beschwerde wird dieses Vorbringen wiederholt und zusätzlich angemerkt, dass die Bezeichnung der Pizza genüge und der Belag nicht ersichtlich sein müsse, da der Preis unabhängig von der gewünschten Auflage immer gleich bleibt. Weiters mache die Pizza "***1***" im Schnitt lediglich 6 % der Pizzen mit Salamibelag aus.

Dieser Prozentsatz kann auch anhand der von der Betriebsprüfung angestellten Kalkulationen berechnet werden. [OZ 22, S. 1]

Im Verhältnis zu den insgesamt verkauften Pizzen, beträgt der Anteil der verkauften Pizzen "***1***" lediglich ca. 1,7 %. [OZ 21, S. 522]

Weder in der Stellungnahme noch in der Beschwerde oder im Vorlageantrag wurden Gründe dafür angegeben, weshalb die bereits bonierten Pizza-Zutaten der Pizza "***1***" gelöscht wurden.

Lücken in der fortlaufenden Nummerierung:
Die elektronischen Daten, die der Abgabenbehörde auf einem USB-Stick übergeben wurden, beinhalten in zwei Spalten eine fortlaufende Nummerierung. Einerseits die Spalte "***2***" und andererseits die Spalte "***3***".

Die Spalte "***2***" enthält eine fortlaufende Nummerierung für jede einzelne Bonierung. Die Spalte "***3***" beginnt jeden Tag wieder neu mit der Nummer 1 und zählt die Bestellvorgänge. Das heißt, in einer Nummer können - je nach Bestellung - gleichzeitig mehrere Speisen und/oder Getränke boniert sein.

Die Betriebsprüfung hat für die Spalte "***2***" folgende Anzahl an Lücken festgestellt: 2012: 1.025; 2013: 785; 2014: 1.239.

Zur Spalte "***3***" erfolgte stichprobenweise eine Überprüfung mehrerer Tage, wobei jeweils Lücken festgestellt wurden. Diese Lücken waren laut Bericht der Betriebsprüfung für die steuerliche Vertretung nicht erklärbar.

In der Stellungnahme wird bezüglich der Lücken der Spalte "***2***" ausgeführt, dass diese Spalte die Grundlage für die Rechnungsnummer sei. Die Spalte würde dann keine Lücken enthalten, wenn jede Bonierung einer Rechnung entspreche. Da allerdings die einzelnen Bonierungen eines Tisches fallweise zu einer Rechnung zusammengefasst werden, ergeben sich in dieser Spalte die Lücken.

Die Betriebsprüfung wendet in ihrem Bericht ein, dass die Nummer von "***2***" für jede einzelne Buchungs- bzw Bonierzeile vergeben werde. Es könne sich daher nicht um Rechnungsnummern handeln. Hingegen werde die "Bonnummer" ("***3***") für jeden Bestellvorgang vergeben, der in der Regel mehrere Buchungs- bzw Bonierungszeilen enthält.

In der Beschwerde werden die von der Betriebsprüfung festgestellten Lücken ("***2***") der Gesamtsumme der Bonierungen gegenübergestellt, woraus sich Lücken im Ausmaß von lediglich 2,03 % ergeben. Dies könne nicht als erheblich bezeichnet werden und rechtfertige keinen 30 prozentigen Umsatzaufschlag für alle drei Jahre.

Zu den festgestellten Lücken ("***3***") wird weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag etwas vorgebracht.

Zu dem Argument des Bf., die Rechnungsnummern entsprechen den Nummern laut "***2***" ist folgendes anzumerken:

Auf den im Arbeitsbogen befindlichen Rechnungen [OZ 24, S. 63, 68, 97-98] ist keine Nummer enthalten, die der fortlaufenden Nummerierung der Spalte "***2***" entspricht. Es ist vielmehr gar keine Rechnungsnummer enthalten.

Datenerfassungsprotokoll:
Die vorgelegten elektronischen Daten enthalten ua die chronologische Aufzeichnung der einzelnen Bonierungen (mit Datum und Uhrzeit) und eine fortlaufende Nummerierung.

Wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt wurde, zeichnet sich ein Datenerfassungsprotokoll dadurch aus, dass die erfassten Buchungsvorgänge chronologisch geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht erfasst werden (insbesondere durch Datum, Uhrzeit und fortlaufende Nummerierung von Einzelbuchungen).

Es liegt somit ein Datenerfassungsprotokoll vor, das aufgrund der oben beschriebenen Lücken und gelöschten Daten jedoch mangelhaft ist.

Pizzakartons:
Entsprechend den Ausführungen der steuerlichen Vertretung in der Stellungnahme erfolgte die Bonierung des Gassenverkaufes auf freie Tische im Lokal und auf die Tischnummern 61-72, 100-105 sowie 601, wenn die anderen Tische belegt waren.

Da der Gassenverkauf somit in den Aufzeichnungen nicht separat ersichtlich ist und auch nicht abgegrenzt werden kann, lässt sich der Verbrauch von Pizzakartons nicht nachprüfen.

Der Stellungnahme ist auch zu entnehmen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum rund 30.400 Pizzen verkauft wurden. Dies steht im Widerspruch zu der Summe der verkauften Pizzen laut übermittelter elektronischer Daten. Hier beträgt die Stückzahl der verkauften Pizzen für den Zeitraum 01/2012 - 11/2014 26.512 Stück (wohl gemeint 26.502). (Aufgliederung: 2012 - 9.826 Stück; 2013: 9.138 Stück; 1-11/2014: 7.538 Stück) [OZ 18, S. 6 sowie OZ 21, S. 522]

Der Pizzaverkauf gemäß der Stellungnahme liegt somit 14,71 % über dem der elektronisch übermittelten Daten. Obwohl die unterschiedlichen Zahlen im Bericht der Betriebsprüfung angeführt sind, wurde diesbezüglich weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag ein weiteres Vorbringen erstattet.

Die Prüferin hat in ihrer Kalkulation den von der steuerlichen Vertretung in der Stellungnahme angegebenen Gassenverkauf im Ausmaß von 20 % übernommen.

Bei der Anzahl der verkauften Pizzen laut den elektronischen Daten ergibt dies im streitgegenständlichen Zeitraum einen Gassenverkauf von 5.300 Stück. (26.502*20%)

Im selben Zeitraum wurden 10.950 Stück Pizzakartons eingekauft. (Aufgliederung: 2012: 4.450 Stück; 2013: 3.600 Stück; 1-11/2014: 2.900 Stück) [OZ 22, S. 5]

Dies ergibt eine Differenz von 5.650 nicht verbrauchter Pizzakartons. Selbst wenn - wie in der Stellungnahme ausgeführt wird - davon auszugehen ist, dass einige Pizzakartons auch für die Mitnahme von nicht fertig konsumierten Pizzen im Lokal verwendet wurden, ist es nicht glaubhaft, dass dies in einem solchen Ausmaß stattgefunden hat.

Auch unter Zugrundelegung der Anzahl der verkauften Pizzen laut Stellungnahme iHv 30.400 Stück, verbleiben immer noch 4.870 Stück (bzw 44,47 %) nicht verbrauchter Pizzakartons. (30.400*20%=6.080; 10.950-6.080=4.870=44,47%)

Die vorliegenden Differenzen bei den Pizzakartons konnten nicht aufgeklärt werden.

Salami:
Aufgrund der Salami-Verprobung [OZ 22] der Betriebsprüfung ergibt sich zwischen dem Wareneinkauf und dem Verbrauch eine Differenz in Höhe von durchschnittlich 16,25 %.
(2012: 6,41 %; 2013: 16,47 %; 2014: 25,88 %)

Der von der steuerlichen Vertretung in der Stellungnahme reklamierte Schwund in Höhe von 2,5 % wurde von der Prüferin miteinberechnet.

Außer einem Verweis auf die Stellungnahme wurde weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag ein Vorbringen zu dieser Differenz erstattet. In dieser Stellungnahme wurde neben dem Schwund lediglich eingewendet, dass ein Warenvorrat zu berücksichtigen sei. Beziffert wurde ein etwaiger Warenvorrat nicht und Inventuren wurden auch nicht vorgelegt.

Im Bericht der Betriebsprüfung wird in der Tz. 5 die Salami-Kalkulation zusammengefasst dargelegt. Der Salami-Verbrauch pro Pizza als Hauptbelag und Nebenzutat sowie der Schwund wurden mit den Angaben des Bf. bzw der steuerlichen Vertretung angesetzt.

Für die Pizza ***1***, bei der die Gäste den Belag frei wählen können, ist die Prüferin - mangels geeigneter Unterlagen - davon ausgegangen, dass diese Pizzen zu 100 % als Hauptbelag Salami aufwiesen.

Die Verprobung der Betriebsprüfung ist schlüssig und nachvollziehbar. Argumente, die die berechneten Differenzen aufklären könnten, wurden keine vorgebracht.

Tischauswertung:
Für das Jahr 2013 wurde durch die Betriebsprüfung eine Auswertung durchgeführt, bei der dargestellt wurde, welcher Tisch an welchem Tag mit dem Kassensystem bebucht wurde. Die Tische Nr. 2; 21 und 12 seien, im Vergleich zu den anderen Tischen, kaum bebucht worden.

Dazu wird in der Stellungnahme vorgebracht, dass es den Tisch Nr. 2 nur noch im Kassensystem gebe, allerdings nicht mehr im Lokal; Tisch Nr. 21 sei der Tisch am Kamin und werde nur boniert, wenn Gäste auf eine Pizza warten und ein Getränk konsumieren; Tisch Nr. 12 wurde an Tisch Nr. 11 für größere Belegschaften angefügt.

Dem wird im Bericht der Außenprüfung entgegnet, dass im gesamten Kalenderjahr 2013 Buchungen für den Tisch Nr. 2 nur an 7 Tagen stattgefunden haben, wobei die letzte am stattfand. Dass der Tisch aus dem Lokal entfernt wurde, könne somit nicht der Grund sein. Andere Tische werden durchschnittlich an 100 bis 250 Tagen im Jahr über das Kassensystem angesprochen. Die Begründung zu Tisch Nr. 21 sei nicht nachvollziehbar, da den elektronischen Daten auch verbuchte Speisen zu entnehmen seien. Außer der Anzahl der Tage könne kein Unterschied zu den anderen Tischen erkannt werden. Es sei daher davon auszugehen, dass Tischumsätze fehlen.

In der Beschwerde wurde diesbezüglich, außer dem Verweis auf die Stellungnahme, nichts weiter vorgebracht.

Die mangelnde Bebuchung des Tisches Nr. 12 konnte aufgeklärt werden. Für die anderen beiden Tische liegen unaufgeklärte Differenzen im Jahr 2013 vor. Insgesamt verfügt das Lokal über 40 Tische.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Angefochten ist die Zulässigkeit der Schätzung und deren Höhe.

§ 131 BAO idF BGBl. I Nr. 20/2009 lautet auszugsweise:
"(1) […] Die gemäß den §§ 124 oder 125 zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie die ohne gesetzliche Verpflichtung geführten Bücher sind so zu führen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle vermitteln können. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Dabei gelten insbesondere die folgenden Vorschriften:
[…]
Z 6. […] Werden zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen oder bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle Datenträger verwendet, sollen Eintragungen oder Aufzeichnungen nicht in einer Weise verändert werden können, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr ersichtlich ist. Eine Überprüfung der vollständigen, richtigen und lückenlosen Erfassung aller Geschäftsvorfälle, beispielsweise durch entsprechende Protokollierung der Datenerfassung und nachträglicher Änderungen, soll möglich sein.
[…]"

§ 163 BAO idF BGBl. I Nr. 99/2006 lautet:
"(1) Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 entsprechen, haben die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

(2) Gründe, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse Anlass geben, die sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen, liegen insbesondere dann vor, wenn die Bemessungsgrundlagen nicht ermittelt und berechnet werden können oder eine Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht möglich ist."

§ 184 BAO lautet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Gemäß § 163 Abs. 1 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, grundsätzlich die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich.

Wie § 131 Abs. 1 Z 6 BAO zu entnehmen ist, sollen bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen mittels Datenträgern, Eintragungen oder Aufzeichnungen nicht in einer Weise verändert werden können, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr ersichtlich ist. Eine Überprüfung der vollständigen, richtigen und lückenlosen Erfassung aller Geschäftsvorfälle, beispielsweise durch entsprechende Protokollierung der Datenerfassung und nachträglicher Änderungen, soll möglich sein.

In der Beschwerde wird auf den Durchführungserlass zur Barbewegungsverordnung (BMF-010102/0004-IV/2/2006, 1.2.1. Allgemeines) verwiesen. Dort wird ausgeführt, dass aus § 131 BAO eine Verpflichtung, die einzelnen Produkte und Dienstleistungen zum Zweck der Losungsermittlung festzuhalten, nicht abzuleiten ist. Wenn auf diesen Absatz des Durchführungserlasses zur Barbewegungsverordnung Bezug genommen wird, so muss auch der in der Verordnung angeführte übernächste Satz berücksichtigt werden: "Wenn Aufzeichnungen geführt werden, die über die Aufzeichnung der einzelnen Bareingänge hinausgehen und die für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind […], sind diese aufzubewahren."

Wie in der Beschwerde angeführt wird, ist es richtig, dass die Pizzazutaten bei der Bonierung nicht notwendigerweise anzuführen sind. Werden sie allerdings - wie im vorliegenden Fall beschrieben - boniert, damit der Koch weiß, wie er die Pizza zu belegen hat, dann handelt es sich um Grundaufzeichnungen, die aufzubewahren sind. Das nachträgliche Löschen dieser Bonierung wiederspricht auch der oa Bestimmung des § 131 Abs. 1 Z 6 BAO, da es sich dabei um eine Änderung der Aufzeichnung handelt und der ursprüngliche Inhalt nicht mehr ersichtlich ist. Es ist dabei nicht nur der ursprüngliche Inhalt nicht mehr ersichtlich, sondern ohne das Wissen um diese Vorgehensweise ist nicht einmal ersichtlich, dass zuvor eine andere Bonierung stattgefunden hat.

Auch die Lücken in den fortlaufenden Bonierungen (Spalten "***2***" und "***3***") widersprechen dem oben angeführten § 131 Abs. 1 Z 6 BAO.

Die Vermutung ordnungsgemäßer Führung der Bücher und Aufzeichnungen im Sinne des § 163 Abs. 1 BAO besteht somit nicht.

Allerdings berechtigen formelle Mängel von Büchern oder Aufzeichnungen gemäß § 184 Abs. 3 BAO nur dann zu einer Schätzung, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass das Ergebnis der Bücher bzw. Aufzeichnungen nicht mehr glaubwürdig erscheint. (Ritz, BAO6, § 184 Tz 9 mit Verweis auf )

Die gelöschten Aufzeichnungen sowie die Lücken in den Bonierungen - jeweils in einem Ausmaß von lediglich rund 2 % - sind nicht derart schwerwiegend, dass deshalb das gesamte Ergebnis der Aufzeichnungen nicht mehr glaubwürdig erscheint.

Neben der Nichtaufbewahrung von Grundaufzeichnungen begründet auch das Vorliegen von Kalkulationsdifferenzen eine Schätzungsbefugnis. (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3, § 184, Rz 5 mit Verweis auf )

Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, bestehen Differenzen in der Verprobung der Pizzakartons in Höhe von durchschnittlich ca. 44,50 % und bei der Salami in Höhe von durchschnittlich 16,25 %. Weiters wurde in der Stellungnahme eine um 14,70 % höhere Anzahl an verkauften Pizzen angegeben, als sich in den Aufzeichnungen finden.

Diese Differenzen sind im Gegensatz zu den gelöschten Aufzeichnungen und den Lücken in den Bonierungen jedenfalls als schwerwiegend einzustufen. Aufgrund dieser Differenzen erscheint das Ergebnis der Aufzeichnungen, zumindest im Bereich der Pizza-Umsätze, nicht mehr glaubwürdig und berechtigt - vielmehr verpflichtet - daher zur Schätzung gemäß § 184 Abs. 3 BAO in diesem Bereich.

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (zB ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ). Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (zB ; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (zB ). (Ritz, BAO6, § 184 Tz 3)

Berücksichtigt man die prozentuell festgemachten Differenzen und Mängel bei der Salami (rund 15 %) und bei den Pizzakartons (rund 45 %) sowie die selbst behauptete Differenz beim Pizzaverkauf (rund 15 %) in Verbindung mit den Differenzen bei der Tischauswertung und den fehlenden Rechnungsnummern, ergibt sich, dass die von der Betriebsprüfung vorgenommene Höhe der Schätzung mit 30 % angemessen ist. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass die 30 % in den festgestellten Differenzen bei den Pizzakartons Deckung finden und dann noch ausreichend Kartons für die Mitnahme nicht fertig konsumierter Speisen übrigbleiben.

Die gravierenden Kalkulationsdifferenzen wurden ausschließlich im Bereich des Pizza-Verkaufes festgestellt. Die förmlichen Mängel der Aufzeichnungen, die auch die anderen Speisen und Getränke betreffen (Lücken in den Bonierungen) sind, wie bereits ausgeführt, nicht als schwerwiegend zu beurteilen. Eine Schätzung auch in diesem Bereich, wie sie von der Abgabenbehörde vorgenommen wurde, ist daher nicht gerechtfertigt.

Um den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen, hat das Bundesfinanzgericht daher die Pizzaumsätze im Schätzungsweg um 30 % erhöht.

2012 20132014
Pizzaumsätze (OZ 24, S. 3) 68.200,69 70.185,76 63.974,93
Schätzung30 %20.460,2121.055,7319.192,48

Einkommensteuer:
Im Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2014 wurde die entsprechende Erhöhung des Grundfreibetrages gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 EStG nicht berücksichtigt. Das Bundesfinanzgericht bringt daher noch 1.477,50 Euro (3.900,- abzüglich der bereits geltend gemachten 2.422,50) in Abzug.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2012 2013 2014
laut Bescheid 79.787,53 74.552,32 66.040,44
abzgl Schätzung Betriebsprüfung -56.869,24 -57.999,14 -49.828,27
Schätzung Bundesfinanzgericht 20.460,21 21.055,73 19.192,48
Anpassung Grundfreibetrag - 1.477,50
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 43.378,50 37.608,91 33.927,15

Umsatzsteuer:
Gesamtbetrag Bemessungsgrundlagen 2012 2013 2014
laut Bescheid 246.433,37 251.329,59 231.153,47
abzgl Schätzung Betriebsprüfung -56.869,24 -57.999,14 -49.828,27
Schätzung Bundesfinanzgericht 20.460,21 21.055,73 19.192,48
Gesamtbetrag Bemessungsgrundlagen:
210.024,34 214.386,18 201.097,88

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

In der Beschwerde wird für den Fall der Erledigung der Berufung durch einen Berufungssenat der Abgabenbehörde zweiter Instanz der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Bedingte Anbringen sind unzulässig (Ritz, BAO6, § 85 Tz 3 mit weiteren Verweisen), weshalb eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (Höhe der Umsätze) war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vor (vgl ).

Es war daher gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 163 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 131 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100329.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at