Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.10.2021, RV/7101071/2019

Keine nachträgliche Herabsetzung/Aufhebung des Säumniszuschlages mit der Begründung, die Abgabepflichtige habe auf ihre Vertriebspartner vertraut

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , St.Nr. ***BF1StNr1***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin (Bf), die ***1***, mit Sitz in ***2***, vertreten durch ***3***, einen Antrag auf Aufhebung der mit Bescheid vom festgesetzten Säumniszuschläge für den Zeitraum Jänner 2012 bis einschließlich April 2017 gemäß §217 Abs. 7 BAO sowie in eventu den Antrag auf Aufhebung bzw. Herabsetzung der mit Bescheid vom festgesetzten ersten Säumniszuschläge für den Zeitraum Jänner 2012 bis einschließlich April 2017 gemäß §217 Abs. 8 BAO. Für den Zeitraum von Jänner 2012 bis April 2017 waren Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 207.258,15 Euro festgesetzt worden.

Mit dem spruchgegenständlichen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag betreffend die Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen ab. Das Finanzamt begründete, wenn der Abgabenpflichtige eine Verlosung nach dem Glücksspielgesetz durchführe, dann sei es ihm auch zuzumuten, sich rechtzeitig über anfallende Steuern nach der geltenden Rechtslage in den jeweiligen Ländern zu informieren. Daher könne nicht mehr von einem Fehler gesprochen werden, der auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterlaufen könne.

Dagegen brachte die Bf. am Beschwerde ein, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde. Das Finanzamt führte aus:

"Die Bestimmung des § 217 Abs 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt.

Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann ( RV/5101646/2015 unter Verweis auf z.B. BFG 11,3.2015, RV/5101002/2012; RV/0390-L/04; RV/0793-L/04; RV/0695-L/09; RV/0611-L/11; vgl. auch 2003/13/0117 und 2003/15/0112 zu §212 BAO).

Dies ist mit dem Antrag nicht erfolgt, und auch nicht mit den Ausführungen in der Beschwerde.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Antrag und der Beschwerde ist zu entnehmen, dass sie keine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Säumniszuschlages geltend macht, sondern aus den angeführten Gründen um Abstandnahme von der Festsetzung desselben ersucht, da kein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs 7 BAO vorliege.

Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer dazu im Wesentlichen vor, sie habe aufgrund der Vertriebsstruktur und der dabei vorgenommenen Verpflichtung der sog. Lotterie-Einnehmer keine Kenntnis über das Anbot und den Vertrieb ins Ausland gehabt. Die damit zusammenhängenden Verpflichtungen zur Prüfung der Zulässigkeit seien den Vertriebspartnern, die als Handelsvertreter im Namen und auf Rechnung der ***4*** die Lose verkaufen, überbunden worden. Diese hätten die Rechtslage in den jeweiligen Ländern zu beachten gehabt. Dazu wird vorgebracht: "Sollten die LE (Anm.: Lotterie-Einnehmer) dessen ungeachtet Auslandsgeschäfte tätigen, sehen die mit den LE jeweils abgeschlossenen Vertriebsvereinbarungen eine Verpflichtung der LE vor, sich vorab zuverlässig und umfassend über die Rechtslage zu informieren sowie die in den jeweiligen Ländern geltende Rechtslage zu beachten."

Die ***4*** hätte sich daher auf die Einhaltung der Verpflichtung verlassen können. Datenmaterial sei ihr aufgrund der Vertriebskonzeption nicht zur Verfügung gestanden. Sie hätte grundsätzlich keine Daten zu den einzelnen Spielteilnehmern. Eine Auswahl oder Kontrollverschulden sei ihr nicht anzulasten.

Eine Verspätung ist dann entschuldbar, wenn der Abgabepflichtige die Versäumung der Zahlungsfrist weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen.

Allerdings sind Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden; dies gilt insbesondere bei selbstständiger Erwerbstätigkeit und bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind (vgl. neuerlich Ro 2014/17/0036 mwN), RV/5101646/2015.

Dies gilt nach Ansicht des Finanzamts umso mehr bei einem Unternehmen, das aufgrund einer Lotteriekonzession Klassenlotterie und ähnliche Glückspielangebote mit einem Umsatz (Lotterie-Einsätzen) von knapp 400 € Mio p.a. (2011 bis 2016), veranstaltet und anbietet, wovon auf den Vertrieb nach Österreich inkl. der Servicepauschale zwischen rd. 16,4 Mio € und 10,8 Mio € p.a. entfielen.

Dass dabei an ein konzessioniertes Glückspielunternehmen hohe Anforderungen zu stellen sind, hat das BFG zB. im Erk. vom , RV/7101099/2013 (Pkt. I. 2.3.) festgestellt. Nichts anderes gilt nach Ansicht des Finanzamts auch für ein in ***6*** ansässiges Unternehmen.

Allgemein hat das BFG im Fall eines international tätigen Unternehmens zur Erkundigungs- und Abfuhrverpflichtung, dort betreffend USt festgestellt, dass ein international tätiges Unternehmen dafür Sorge zu tragen hat, dass die (Umsatz)Steuer den nationalen Rechtsordnungen entsprechend abgeführt wird. Sofern es nicht im Stande ist, die Selbstberechnung bzw die Abfuhr dieser Abgabe selbst durchzuführen, hat sie sich eines Vertreters zu bedienen, wobei anzumerken ist, dass das Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist, zumal dem Vertretenen gegen den Vertreter, sollte sich dieser wirklich schuldhaft verhalten haben, ein Schadensersatzanspruch zusteht ( 86/16/0015).

Die fälschlicherweise in ***6*** gemeldete bzw abgeführte Umsatzsteuer stellt, selbst wenn diese betragsmäßig korrekt berechnet wurde, keinen ein grobes Verschulden ausschließenden Umstand dar, da die korrekte Abfuhr der Umsatzsteuer von einer international tätigen Wirtschaftstreibenden mit der Größe der Beschwerdeführerin abverlangt werden muss.

Wenn es die Beschwerdeführerin daher mehrere Jahre unterlassen hat, sich über die österreichische Steuerrechtsordnung zu informieren bzw sich in geeigneter Weise vertreten zu lassen, handelte sie auffallend sorglos, weswegen sie sich grobes Verschulden iSd § 217 Abs 7 BAO anzulasten hat. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht hat, dass sie einem Rechtsirrtum unterlegen sei, sondern lediglich, dass die in ***6*** erfolgte Meldung und Abfuhr der Umsatzsteuer auf einem entschuldbaren Versehen beruhe, ohne näher auszuführen, worin das Versehen tatsächlich bestanden hat. Da eine Verspätung nur dann iS des § 135 Abs 1 BAO entschuldbar ist, wenn dem Abgabepflichtigen ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann, wäre die Beschwerdeführerin diesbezüglich in der Beweispflicht. Selbst wenn man das Vorbringen dahingehend auslegen würde, dass das Versehen darin bestand, dass die Beschwerdeführerin der falschen Annahme unterlag, die Umsatzsteuer wäre in ***6*** zu melden und abzuführen, wäre dem die Rechtsprechung des VwGH entgegenzuhalten, wonach Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsaufassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen sind ( 98/17/0292; , 2002/17/0267; , 2001/13/0133), wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde.

Weiters erkannte der VwGH, dass einem Steuerpflichtigen, der eine internationale Geschäftstätigkeit entfaltet, zugemutet werden muss, sich über die steuerlichen Vorschriften derjenigen Länder zu informieren, in denen er seine Geschäfte abwickelt ( 2006/ 14/0054). Es kann daher von der Beschwerdeführerin jedenfalls verlangt werden, sich rechtzeitig über österreichische Rechtslage zu informieren."

Sinngemäß trifft dies auch auf die Bf. hier bezüglich der Glücksspielabgabe zu, auch wenn dafür in ***6***, wie eingewendet Lotteriesteuer, auch für die nach Österreich vertriebenen Lose entrichtet wurde. Im Übrigen ist hier auf die im Festsetzungsverfahren anhängigen Anträge, auch gern. § 48 BAO, zu verweisen und darauf, dass die anhängigen Säumniszuschläge auch nur von den nachträglich angemeldeten Glücksspielabgaben aus dem Österreichanteil der Lotterieverkäufe bemessen wurden.

Abgesehen davon, dass entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ein Verschulden des Vertreters der Bf. zuzurechnen wäre, hat sie auch nicht einmal behauptet, dass auch die Klärung steuerlicher Belange der Bf. den Vertriebspartnern überlassen wurde, diese auch die Steuerpflicht der Bf. als Anbieterin der Lotterie zu beurteilen gehabt hätten und dafür auch qualifiziert wären, kann sich die Bf. nicht auf ein fehlendes Verschulden berufen, wenn sie ein grundlegend für die Erfüllung ihrer Steuerpflicht ungeeignetes Konzept betreibt und - wie sie einwendet - unbeschadet auch anderer ihr obliegenden Kontrollpflichten, wie Jugendschutz oder Geldwäscheprävention nach dem (d)GwG sich damit begnügt, dass ihre Vertriebspartner allenfalls nur Umsatzzahlen liefern, aber die Spieler und deren Daten der Anbieterin nicht bekanntzugeben sind.

Wenn sich die Bf. selbst - wie sie angibt - jeder Möglichkeit begibt, ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und keinerlei Angaben zu den Kunden, die die Vertriebspartner ihr als Anbieterin der Lotterien vermitteln verlangt, dann ist darin nach Ansicht des Finanzamts kein minderer Grad des Versehen zu erblicken. Dass die Bf. die Möglichkeit hat und auch früher gehabt hätte, von ihren Vertriebspartnern auch alle notwendigen Kundendaten zu erlangen, ist wohl nicht zu bestreiten und wird auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Wenn daher die Bf. ein Anbieten und Vertrieb der Lose ins Ausland, insbesondere nach Österreich nicht ausdrücklich untersagt hat und auch entsprechende Kontrollmaßnahmen zur Durchsetzung des Verbots unterlassen hat, sowie auch nach dem eigenen Vorbringen keine Kontrollen durchgeführt hat, ob (nach internen Vereinbarungen zulässig) ins Ausland angeboten und verkauft wurde, liegt zumindest keine bloß leichte Fahrlässigkeit vor.

Im vorliegenden Fall kann es daher bei der geschildeten Sachlage nicht mehr als bloß minderer Grad des Versehens gewertet werden, dass die Bf. die anfallenden Glücksspielabgaben nicht rechtzeitig entrichtet hat. Dabei kann hier offen bleiben, ob diese aufgrund der möglichen Teilnahme vom Inland aus insgesamt nicht überhaupt höher wären.

Da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 217 Abs 7 BAO nicht vorliegen, war über den Antrag spruchgemäß zu entscheiden und ist die Beschwerde abzuweisen."

Mit Schriftsatz vom hat die Bf. Vorlageantrag eingebracht, welchen das Finanzamt mit folgender Stellungnahme an das BFG zur Entscheidung vorgelegt hat:

"Stellungnahme:

Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründung des Abweisungsbescheides sowie der Beschwerdevorentscheidung mit dem Antrag auf Abweisung.

Zum Vorlageantrag wird weiters ausgeführt:

Die im Vorlageantrag angeführten Offenlegungsschreiben vom und Schreiben vom sind in den Dokumenten zum VA angeschlossen. Soweit allfällige Abänderungen der Abgabe, sei es aufgrund abändernder Festsetzung aufgrund abweichender Beurteilung oder auch der Auswirkung eines allfälligen § 48 BAO-Antrages bzw. -Bescheides angesprochen werden, so ist wie auch selbst im VA ausgeführt darauf zu verweisen, dass allfällige Abänderung des SZ gem. § 217 Abs. 8 BAO im Nachhinein, nachdem die erklärte Abgabe abgeändert wurde, erfolgen würden. Gegenständlich sind allein die SZ zu den bisher erklärungsgemäß belasteten und nur verspätet einbezahlten Abgabenbeträgen. Die Richtigkeit der Abgaben der Höhe nach ist im Abgabenfestsetzungsverfahren zu beurteilen. Eine allfällige Anpassung der SZ würde im Nachhinein erfolgen.

Entgegen der im Vorlageantrag vertretenen Ansicht, die zitierten Judikate, wären auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, sind diese nach Ansicht des FA vergleichbar und die dortigen Aussagen auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Abgabepflichtige kann sich dabei auch nicht darauf berufen, dass die Akquise und Abwicklung im Aufgabenbereich der LE gelegen wäre und den LE die Einhaltung der relevanten gesetzlichen Normen oblegen wären und es sei dies einem Verbot des Auslandsgeschäfts gleichgekommen, vor allem in jenen Fällen, in denen der Verkauf von Lotterielosen im ausländischen Recht unzulässig wäre. Die Einwendungen, wonach lediglich aufgrund Fehlverhaltens der Vertriebspartner der Abgabpflichtigen selbst keine Kontrollmöglichkeit zur Verfügung stand und dass sie sich auf die Einhaltung der Verpflichtungen ihrer Vertriebspartner verlassen hätte, es sei ihr auch eine Überprüfung des vertragskonformen Verhaltens eines Vertragspartners (Anmerkung: LE) nicht zumutbar, sind nicht zutreffend.

Insbesondere auch aus der Darstellung des Sachverhalts und der Abwicklung der Lotterie mit den österreichischen Lotterieteilnehmern im Offenlegungsschreiben vom ergibt sich schon aus den eigenen Ausführungen zu Pkten. 2.4. und 2.5.1 zum Abschluss und Ablauf des Spielvertrags und insbesondere zu den Spielverträgen mit österreichischen Spielteilnehmern, dass der Antragstellerin ganz offenbar bewusst war, dass auch Anbahnungen, Anbieten und Abschluss der Lotterieverträge nach Österreich mit österreichischen Lotteriekunden erfolgten und an der Lotterie (aus österreichischer Sicht) vom Inland aus teilgenommen werden konnte. Dies zum Teil sogar bei der ***4*** selbst, zum Teil wurden solche bei der ***4*** eingehenden Bestellungen nach den eigenen Ausführungen aber auch an die sog. Lotterieeinnehmer (LE) weiterverkauft.

In Anbetracht dieser Umstände kann keinesfalls davon die Rede sein, ein Vertrieb und Anbieten in Österreich sowie die Ermöglichung der Teilnahme aus Österreich sei generell und insbesondere den Vertriebspartnern (im maßgeblichen Zeitraum) untersagt gewesen, wie im Vorlageantrag vorgebracht, hat doch die ***4*** selbst österreichische Kunden betreut und auch deren Bestellungen zum Teil selbst verwaltet, zum Teil an die LE verkauft. Dass die selbst betreuten Kunden dabei vom Umfang her nicht zahlreich waren, ändert an der Kenntnis des Anbietens nach Österreich nichts, auch nicht der Umstand, dass die Feststellung der von den LE - nach eigenen Angaben auch über Verkauf der Bestellungen von der ***4*** an die LE - nach Österreich verkauften Lose sich in der Folge schwierig gestaltete. Hätte die ***4*** von vornherein die Bestimmungen über die österreichische Glücksspielabgabe beachtet und den Geschäftsbetrieb entsprechend eingerichtet, hätten die erforderlichen Daten auch zeitgerecht von deren Vertriebspartnern erhoben werden können.

Aber auch wenn die Abgabepflichtige selbst nicht die Teilnahme von Österreich aus abgewickelt und durch Weiterverkauf der Bestellungen gefördert hätte, wäre es ihr bei gehöriger und zumutbarer Aufmerksamkeit kaum entgangen, dass die Bestellmodalitäten bzw. Bestell- und Registrierungsmasken von Vertretern (LE) bereits auf den weiteren deutschsprachigen Raum ausgerichtet waren, indem in einem drop-down-Menü beim Land bereits "***7***" zur Auswahl vorgegeben angeboten werden. Dass für die Lotterien daher eine Teilnahme aus Österreich möglich war und angeboten wurde, sei es auch durch die als Vertreter der ***4*** tätigen LE, die die Lose im Namen und für Rechnungder Abgabepflichtigenverkaufen, kann der Abgabepflichtigen daher nicht unbekannt geblieben sein bzw. wäre dies bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht unbekannt geblieben.

Dass es die Abgabepflichtige bei dieser Sachlage unterlassen hat, sich über eine Abgabepflicht in Österreich, allenfalls auch durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter zu informieren (sie gibt ja auch an, davon keine Kenntnis gehabt zu haben, weil ihr wegen vertragswidrigen Verhaltens der LE die "Aufnahme eines Österreich-Geschäfts" nicht bekannt gewesen sei), lässt nach Ansicht des FA die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt missen. Dazu wird auch nochmals auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Wenn die Bemühungen der Abgabepflichtigen iZm dem Offenlegungsschreiben angesprochen werden, so ändern diese für die Offenlegung iS einer Selbstanzeige gem. § 29 FinStrG - weit im Nachhinein - erfolgten Bemühungen zur Feststellung der Bemessungsgrundlagen, die bisher nicht erklärt wurden, nichts daran, dass die Erklärung und rechtzeitige Entrichtung der selbstzuberechnenden Abgaben bis dahin unterblieben ist und dies darauf zurückzuführen ist, dass die Abgabepflichtige nicht rechtzeitig vorgesorgt hat, die für die Steuerermittlung notwendigen Daten zu erhalten, soweit überhaupt die Besteuerung auf die bloß tatsächlichnach Österreich verkauften Lose einzuschränken ist (hierzu ist auf das Abgabenfestsetzungsverfahren zu verweisen).

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (ErlRV 311 BlgNR 21. GP, 200; 2008/15/0305). Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (zB B 2290/96, G 176/96; 95/17/0112; , 2007/15/0169). Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl zu § 308 zB 99/15/0118; , 2000/14/0006-0008), (Ritz, BAO 6. Auflage, § 217 Tz. 43ff)

Die Ausführungen im Vorlageantrag vermögen die Beurteilung entsprechend dem Abweisungsbescheid und der Beschwerdevorentscheidung insgesamt. wonach für die verspätete Entrichtung kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit nicht vorliegen, daher nicht zu ändern. Die Vorlage erfolgt daher mit dem Antrag auf Abweisung."

Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteile.

Rechtslage und Erwägungen

Die Glücksspielabgaben sind Selbstbemessungsabgaben. Im gegenständlichen Fall handelte es sich um die ab dem Grunde nach nicht neuen, aber "neu eingeführten" Glücksspielabgaben gemäß § 57 ff GSpG, sozusagen die Nachfolgebestimmungen zu den ab aufgehoben Rechtsgebühren gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 7 lit. b GebG, welche gemäß § 31 Abs. 3 GebG aF ohne amtliche Bemessung am 20. des dem Entstehen der Gebührenschuld folgenden Kalendermonats unmittelbar zu entrichten waren.

Schuldner der Abgaben nach § 57 GSpG haben diese gemäß § 59 Abs. 3 GSpG jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (ab Finanzamt Österreich) zu entrichten. Somit sind die Glücksspielabgaben als Selbstbemessungsabgaben jeweils am 20. des Folgemonats fällig.

§ 217 BAO lautet auszugsweise:

§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

….

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen;

…"

Der Säumniszuschlag im Sinne des § 217 BAO ist eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind (grundsätzlich) unbeachtlich. Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht rechtzeitig entrichtete Steuer, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtskräftig oder mit Beschwerde angefochten ist ().

Die Abgabenbehörde hat daher im Bereich des Säumniszuschlages lediglich die objektive Voraussetzung der Säumnis, nicht aber die Richtigkeit des zu Grunde liegenden Abgabenbescheides zu prüfen (vgl. ). Im Fall einer nachträglichen Abänderung oder Aufhebung des Abgabenbescheides ist jedoch von Amts wegen insoweit auch der Säumniszuschlag herabzusetzen oder aufzuheben (§ 217 Abs. 8 BAO).

§ 217 Abs. 1 BAO stellt nicht eine Schadenersatzregelung betreffend den Schaden des Abgabengläubigers aus einer verspäteten Abgabenentrichtung dar. Die Regelung bezweckt vielmehr die im Interesse einer ordnungsgemäßen Finanzgebarung unabdingbare Sicherstellung der pünktlichen Tilgung von Abgabenschulden (vgl. ua. ).

Die Festsetzung von Säumniszuschlägen, welche eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht sind, setzt (lediglich) den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraus (vgl ua. ).

Die im gegenständlichen Verfahren begehrte Aufhebung der Festsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO setzt voraus, dass die Bf. kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. ua. ).

(Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. ua. ).

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an (vgl. ua. ).

Wie das Finanzamt zutreffend ausführt, hätte die Bf. bei gehöriger und zumutbarer Aufmerksamkeit feststellen müssen, dass für Lotterien eine Teilnahme aus Österreich möglich war und angeboten wurde und hätte sich daher über eine Abgabepflicht in Österreich, allenfalls auch durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter, informieren müssen. Indem sie das nicht getan hat, hat die Bf. die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt außeracht gelassen. Im Übrigen wird auf die umfangreichen Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Wird die mündliche Verhandlung trotz eines rechtzeitigen Antrages unterlassen, so verletzt dies zwar Verfahrensvorschriften, dies führt jedoch nur dann zur Aufhebung durch den VwGH, wenn die Verletzung als "wesentlich" zu beurteilen ist (zB ; , 2008/13/0199; , 2006/15/0215; , 2009/15/0033). In vorliegendem Fall konnte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, da das gefertigte Gericht auch bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis gelangen hätte können. Die Bf. war objektiv betrachtet säumig, wobei es sich nicht bloß um ein Versehen handelt. Ein Unternehmen dieser Größenordnung muss für die korrekte Entrichtung der anfallenden Steuern Vorsorge treffen, allenfalls sich einer entsprechenden Beratung bedienen und entsprechende Kontrollen der Vertriebspartner vorsehen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages ist objektive Folge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Die Abstandnahme von der Festsetzung des Säumniszuschlages wiederum hängt vom Verschulden des Abgabepflichtigen an der verspäteten Entrichtung ab. Dieses Verschulden ist allerdings im Sachverhaltsbereich angesiedelt und nicht von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Demnach sind die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 31 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 59 Abs. 3 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101071.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at