Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2021, RV/7100256/2013

Großes oder kleines Pendlerpauschale

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011,betreffend Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte in seinen am elektronisch eingereichten Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahr 2007, 2008, 2010 und 2011 unter anderem unter dem Punkt Pendlerpauschale jeweils folgende Beträge:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2007
520,50
2008
588,00
2010
630,00
2011
696,00

Im Zuge der Veranlagungen wurden die Beträge für das Pendlerpauschale 2008, 2010 und 2011 korrigiert und die beantragten Beträge berücksichtigt. In der Veranlagung des Jahres 2007 wurde der beantragte Betrag zusätzlich, zu den bereits vom Dienstgeber bei der Lohnverrechnung berücksichtigten Pendlerpauschale, gewährt.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011 vom brachte der Bf. am eine Berufung ein und führte darin wie folgt aus:

"Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels ist nicht möglich, da meine Arbeitszeit sehr unterschiedlich ist. Oft 2 Uhr morgens und 23 Uhr abends. Störungen bei Heizungsanlagen, Pumpenstationen und Kläranlagen kommen extra dazu wie auch der Winterdienst.

Die kürzeste Fahrtstrecke beträgt mit dem eigenen Fahrzeug 21,7 km."

Der Beschwerde war ein Formular zur Erklärung zur Berücksichtigung des Pendler-Pauschales ab ausgefüllt beigelegt. In diesem Formular beantragt der Bf. das große Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von 21,7 km, da zu Arbeitsbeginn oder Arbeitsende an mehr als der Hälfte der Arbeitstage kein öffentliches Verkehrsmittel verkehre.

Das Finanzamt sendete am ein Ersuchen um Ergänzung an den Bf. und ersuchte darin um Übermittlung folgender Unterlagen:

"Bestätigung Ihres Dienstgebers über die von Ihnen angeführten, unregelmäßigen Arbeitszeiten sowie darüber, dass Ihnen an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar war, genaue Reisekostenabrechnungen durch ihren Dienstgeber für die von Ihnen durchgeführten Dienstreisen."

Am langte das Schreiben des Dienstgebers beim Finanzamt ein. Darin wurde die tägliche Arbeitszeit des Bf. wie folgt von seinem Dienstgeber angegeben:

Montag bis Donnerstag 6:00 Uhr - 15:00 Uhr

Freitag 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr

Betreffend der weiteren im Ergänzungsersuchen gestellten Fragen wurde ausgeführt:

"Weiters verrichtet ***Herrn A.*** in der Zeit vom 1. November bis 31. März immer unseren Winterdienst-Bereitschaftsdienst und ist somit während dieser Zeit wochentags täglich von 0:00 Uhr bis Dienstbeginn und von Dienstende bis 24:00 sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 0:00 bis 24:00 Uhr für die Wetterbeobachtung, Beurteilung der Wettersituation und Einberufung der Bediensteten zum Winterdienst (Schneeräumung- und Streudienst) verantwortlich, bzw. während dieser Zeit auch selber mit einem Räumfahrzeug in unserem Gemeindegebiet im Einsatz.

Dienstort ist der in unserem Ortsgebiet liegende Wirtschaftshof der Marktgemeinde ***B***."

In einem weiteren Ersuchen um Ergänzung vom an die Marktgemeinde wurde um detaillierte Aufstellung über die genaue Anzahl der Arbeitseinsätze von ***Herrn A.*** außerhalb seiner normalen Dienstzeit sowie darüber zu welchen Zeiten ***Herrn A.*** an den betreffenden Tagen tatsächlich zu Dienstverrichtungen außerhalb seiner normalen Arbeitszeit gerufen wurde für die Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011 ersucht. Um Vorlage ausführlicher Dienstpläne für die Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011 wurde gebeten.

Der Dienstgebers des Bf. sendete am , eingelangt beim Finanzamt am , das Antwortschreiben in dem er wie folgt ausführte:

"Bestätigung der Arbeitszeiten

Die täglichen Arbeitszeiten von unserem Mitarbeiter ***Herrn A.*** haben wir Ihnen bereits mitgeteilt, Arbeitseinsätze außerhalb seiner normalen Dienstzeit, und zwar zu jenen Zeiten, zu denen in der Regel keine öffentlichen Verkehrsmittel verkehren - also Streu- und Schneeräumdienste während der Nachtstunden - liegen in den Wintermonaten zwar vor, jedoch in einem deutlich geringeren Ausmaß als die Hälfte der Arbeitstage im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum betragen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Die Arbeitseinsätze im Detail:
Im Kalenderjahr 2007:
2
Im Kalenderjahr 2008:
1
Im Kalenderjahr 2010:
16
Im Kalenderjahr 2011:
3

Somit erachten wir es als einen unnötigen Arbeits- und Kostenaufwand sowie nicht zielführend, detaillierte Aufstellungen der Arbeitseinsätze und Kopien der Dienstpläne unseres Mitarbeiters anzufertigen und Ihnen zu übermitteln.

Sollten Sie dennoch darauf bestehen, ersuchen wir um Mitteilung."

Mit Berufungsvorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011 als unbegründet ab und führte in der dazu gesondert ergangenen Bescheidbegründung aus:

"Die Erledigungen weichen von Ihren Begehren aus folgenden Gründen ab:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG steht Ihnen das große Pendler-Pauschale nur dann zu, wenn Ihnen die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels an der Hälfte der Arbeitstage im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum (mehr als 10 Tage im Kalendermonat) nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Ist Ihnen die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels an mehr als der Hälfte Ihrer Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum möglich, dann steht Ihnen nicht das Große Pendler-Pauschale, sondern ab einer Entfernung von mehr als 20 km das kleine Pendler-Pauschale zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auch dann als zumutbar einzustufen ist, wenn man einen Teil der Wegstrecke z.B. mit einem eigenen Fahrzeug zurücklegen muss. Nur wenn der Anfahrtsweg mehr als die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke betragen würde, ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar.

Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs auf das große Pendler-Pauschale ist somit das zeitliche überwiegen der Unzumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels im entsprechenden Lohnzahlungszeitraum.

Eine seitens der Finanzbehörde 1. Instanz eingeholte Bestätigung ihres Dienstgebers hat ergeben, dass die von Ihnen ins Treffen geführten Dienstverrichtungen außerhalb der normalen Arbeitszeit weit weniger als die Hälfte der Arbeitstage im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum betreffen. Daraus ergibt sich, dass Ihnen die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels im betreffenden Lohnzahlungszeitraum an mehr als der Hälfte der Arbeitstage zumutbar ist und Ihnen somit das Große Pendler-Pauschale für die betreffenden Zeiträume nicht zusteht."

Der Bf. brachte am einen Vorlageantrag ein und führte darin aus, dass er als Bauhofleiter bei der Gemeinde angestellt sei und die Arbeitszeit ganzjährig von Montag bis Freitag um 6:00 Uhr morgens beginne. Als Bauhofleiter müsse er aber früher anwesend sein, da er die gesamte Arbeitseinteilung, Vorbereitungen und Besprechungen machen müsse, deshalb sei er täglich um 5:30 am Arbeitsplatz und habe keine Möglichkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu verwenden.

Da die Beschwerde nicht unterschrieben war, erließ das Finanzamt einen Mängelbehebungsauftrag, dem der Bf. am folgte und die Unterschrift auf dem Schreiben nachholte.

Im Zuge der Bearbeitung der Berufung wurden die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanausdrucke ausgewertet.

Für eine optimale Kombination Individualverkehr - öffentliche Verkehrsmittel wurde auch die Fahrtzeit von der Wohnung bis zur Bus-Einstiegstelle ***C*** Hauptplatz erhoben. Laut Via-Michelin Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 5,5 km lange Strecke 8 Minuten.

Für die Hinfahrt zum Dienstort ergeben sich von Wohnort zum Dienstort folgende Fahrtmöglichkeiten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Dauer in min
***C*** Hauptplatz - ***B*** Gemeindeamt
Bus
5:04 - 5:34
30

Fahrtmöglichkeiten für die Rückfahrt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Dauer in min
***B*** Gemeindeamt - ***D*** Hauptplatz
BUS 467; S60 Bus 371, Bus 469
15:02-16:05
63
***B*** Gemeindeamt - ***C*** Hauptplatz
Bus 469
15:59-16:35
36

Weiters wurde die Fahrtzeit bei Verwendung des KFZ für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Laut Via-Michelin Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 21 km lange Strecke 23 Minuten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Uneinigkeit besteht im konkreten Fall allein darüber, ob das sogenannte große Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 oder das kleine Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 zusteht.

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Der Bf. hatte in den berufungsgegenständlichen Jahren seinen Wohnsitz in ***D***, seine Arbeitsstätte befand sich in ***B***. Er legte somit eine tägliche Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von rund 21 km zurück. Die Arbeitszeit des Bf. wurde von seinem Dienstgeber wie folgt angegeben:

Montag bis Donnerstag von 6:00 bis 15:00 Uhr und am Freitag von 6:00 bis 12:00 Uhr.

Im Beschwerdefall ergeben sich nach den Feststellungen der belangten Behörde folgende Fahrtmöglichkeiten:

a) Laut dem Via Michelin Routenplaner zufolge beträgt die Wegstrecke Wohnung - Dienstort 21 km und kann mit einem PKW in einer Fahrtdauer von 23 Minuten zurückgelegt werden.

b) Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurden die im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplanauskünfte nochmals überprüft. Es ergibt sich folgendes Bild (bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel) unter Berücksichtigung von Wartezeiten und Fußwegen:

Hinfahrt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Dauer in min
Wohnung - ***C*** Hauptplatz
Auto
8
Fußweg und Wartezeit
5
***C*** Hauptplatz - ***B*** Gemeindeamt
Bus
5:04 - 5:34
30
Fußweg und Wartezeit bis Dienstbeginn laut Dienstgeber (6:00 Uhr)
26
Arbeitsweg in Minuten
69

Rückfahrt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Dauer in min
Wartezeit von Dienstende laut Dienstgeber (15:00 Uhr) bis zur Abfahrt des Buses, einschließlich dem Fußweg
59
***B*** Gemeindeamt - ***C*** Hauptplatz
Bus
15:59-16:35
36
Fußweg zum geparkten Auto
5
***C*** Hauptplatz - Wohnung
Auto
8
Arbeitsweg in Minuten
108

Die erste Fahrtmöglichkeit die in der Entscheidung vorne angeführt ist, wird nicht berücksichtigt, da die Abfahrt des Verkehrsmittels bereits 2 Minuten nach Dienstende erfolgt wäre und somit eine Verwendung nicht möglich war, da von der Dienststelle (Wirtschaftshof) zur Buseinstiegstelle auch ein Weg zurückgelegt werden muss und dies laut den Erhebungen in 2 Minuten zu Fuß nicht möglich ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Vor diesem Hintergrund wurde § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher so zu verstehen und auszulegen.

Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) sind grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.

Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

In zeitlicher Hinsicht müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum überwiegend (dh. an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum) gegeben sein.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 Kilometer und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann sind die in § 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 genannten Pauschbeträge zu berücksichtigen.

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden die gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Pauschbeträge (sog. großesPendlerpauschale) berücksichtigt.

Die Z 6 des § 16 Abs. 1 EStG wurde hinsichtlich der Höhe der Pauschbeträge öfter geändert bzw. angepasst.

In der folgenden Übersicht werden die gültigen Pauschbeträge für die berufungsgegenständlichen Jahre aufgelistet:

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 (kleines Pendlerpauschale)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Entfernung
ab bis
ab bis
ab bis
ab bis
ab 20 km
495,00 €
546,00 €
630,00 €
696,00 €
ab 40 km
981,00 €
1.080,00 €
1.242,00 €
1.356,00 €
ab 60 km
1.467,00 €
1.614,00 €
1.857,00 €
2.016,00 €

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. c EStG 1988 (großes Pendlerpauschale)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Entfernung
ab bis
ab bis
ab bis
ab bis
ab 2 km
270,00 €
297,00 €
342,00 €
372,00 €
ab 20 km
1.071,00 €
1.179,00 €
1.356,00 €
1.476,00 €
ab 40 km
1.863,00 €
2.052,00 €
2.361,00 €
2.568,00 €
ab 60 km
2.664,00 €
2.931,00 €
3.372,00 €
3.672,00 €

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der geltenden Verwaltungspraxis für die Streitzeiträume wird folgende Auslegung vertreten:

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (23 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 69 Minuten betragen.

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein (-I/12).

Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.

Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; - W/08).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichtshof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

"Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall von den vom Bundesfinanzgericht ermittelten Verkehrsverbindung auszugehen.

Wie oben bereits dargestellt ergibt sich bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel für die Hinfahrt eine Fahrtzeit von 69 Minuten und für die Rückfahrt eine Fahrtzeit von 108 Minuten. Dies ist somit eine Gesamtfahrtzeit pro Tag von 177 Minuten (2 Stunden 57 Minute).

Die Fahrtzeit für die Strecke Wohnung - Dienstort mit dem PKW beträgt, wie bereits ausgeführt, laut Via-Michelin Routenplaner 23 Minuten, somit pro Tag 46 Minuten.

Die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt somit das 3,8 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Nach den obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ("Unzumutbar" sind im Vergleich zu einem KFZ jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrtzeiten) steht somit das große Pendlerpauschale zu.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Es wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Beurteilung der Frage, in welchen Umfang das Pendlerpauschale zusteht, erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at