Keine Anerkennung der Kosten für doppelte Haushaltsführung und Wohnungskosten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Hans Rauner, die RichterinR sowie die fachkundigen Laienrichter Gregor Ableidinger und Dr. Franz Kandlhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 wird abgeändert. Die Berechnung ist dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Die angefochten Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2016 und 2017 bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog in den Streitjahren 2015 bis 2017 in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Bf. hatte 2015 bis 2017 seinen Familienwohnsitz in Polen, dieser ist über 500 km von seinem Beschäftigungsort in Österreich entfernt.
Der Bf. ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder, welche mit seiner Ehegattin am Familienwohnsitz in Polen wohnen.
In seinen Arbeitnehmererklärungen für die Jahre 2015 bis 2017 beantragte der Bf. die Berücksichtigung folgender Aufwendungen als Werbungskosten:
2015:
€ 3.060,- für Familienheimfahrten
€ 1.800,- Kosten der doppelten Haushaltsführung
2016:
€ 3.060,- für Familienheimfahrten
€ 1.800,- Kosten der doppelten Haushaltsführung
2017:
€ 3.670,- für Familienheimfahrten
€ 1.800,- Kosten der doppelten Haushaltführung
Das Finanzamt ersuchte den Bf. mit Vorhalt vom um Vorlage folgender Unterlagen:
Mietvertrag für Wohnung, Zahlungsnachweise
Einkommen der Ehegattin in Polen (Formular E 9 für 2015 bis 2017)
Aufstellung betreffend Familienheimfahrten, Fahrtenbuch, Zulassungsschein PKW.
In Beantwortung des Vorhaltes legte der Bf. folgende Unterlagen vor:
Bestätigungen des Bruders des Bf. (X), dass der Bf. in den Jahren 2015 bis 2017 sich an den Mietkosten einer Wohnung mit jährlich € 1.680,- beteiligt habe.
Tankbelege 2015 und 2016
Fahrtaufstellungen für die Streitjahre für einen PKW BMW 320
Zulassungskopie PKW BMW 320 lautend auf X (Bruder des Bf.)
Zulassungskopie PKW Renault Megane lautend auf den Bf.
Formulare E9 für die Ehegattin des Bf. Y betreffend die Jahre 2015 bis 2017, die bestätigen, dass diese Einkünfte von Null erzielt hat.
Das Finanzamt erließ am die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017.
Im Einkommensteuerbescheid 2015 wurde ein Betrag von € 3.060,- an Werbungskosten berücksichtigt und die Einkommensteuergutschrift 2015 mit € -1.992,- festgesetzt.
Im Einkommensteuerbescheid 2016 wurde nur das Werbungskostenpauschale von € 132,- berücksichtigt und die Einkommensteuergutschrift mit € -1.046,- festgesetzt.
Im Einkommensteuerbescheid 2017 wurde nur das Werbungskostenpauschale von € 132,- berücksichtigt und die Einkommensteuergutschrift mit € 1.014,- festgesetzt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die beantragten Mietkosten mangels Vorlage eines Mietvertrages nicht anerkannt werden konnten. Betreffend die Familienheimfahrten wurde für die Jahre 2016 und 2017 dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung nicht vorlägen, weshalb die Kosten für Familienheimfahrten nicht bzw. nur 2015 berücksichtigt worden seien.
Der Bf. erhob Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017 vom und beantragte die Anerkennung der beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung.
Der Bf. erklärte, dass sein Familienwohnsitz in Polen 525 km entfernt liege. Seine Gattin lebe in Polen und betreue die zwei minderjährigen Kinder, sowie seine kranke Schwiegermutter. Er fahre einmal monatlich nach Polen, ein Umzug der ganzen Familie sei unzumutbar.
Der Bf. legte Bestätigungen seines Arbeitgebers, für den er als Maurer arbeite, vor, wonach er in den Streitjahren 2015 bis 2017 jährlich € 1.235,- an Wohnkosten bezahlt habe. Außerdem legte er Urkunden betreffend seine beiden 2008 und 2013 geborenen Kinder vor, sowie einen auf seinen Bruder X lautenden nicht unterschriebenen Mietvertrag für eine 100m² Wohnung in 1220 Wien mit einem monatlichen Mietzins von € 486,17 ab März 2014.
Außerdem übermittelte der Bf. die beglaubigte Übersetzung eines von einem polnischen Internisten ausgestellten Attestes vom , mit welchem dieser bestätigt, dass die 1981 geborene Ehegattin des Bf. (Y) ihre Mutter betreue, die aufgrund ihrer Erkrankungen unbedingter Hilfe von anderen Personen bedürfe.
Das Finanzamt erließ am abweisende Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Familienheimfahrten nur anerkannt werden, wenn die Wohnsitzverlegung wegen eigener Einkünfte des Ehepartners am Familienwohnsitzort nicht zugemutet werden könne. Da dies im Fall des Bf. nicht zutreffe, seien die beantragten Kosten nicht anzuerkennen.
Der Bf. stellte den Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und beantragte die Abhaltung einer Verhandlung vor dem Senat. In seinem Vorlageantrag wiederholte der Bf. sein bisheriges Vorbringen und ergänze dieses insofern, als er mitteilte, dass er am Arbeitsort in einer Wohngemeinschaft mit seinem Bruder und seinem Schwager wohne und einmal monatlich nach Polen fahre. Eine (Mit)Übersiedlung seiner ganzen Familie aus Polen nach Österreich sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar. Der Bf. erklärte, dass seine Schwiegermutter eine pflegebedürftige Person sei.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte den Arbeitgeber des Bf. um Auskunft, ob und wenn ja an welcher Adresse, in welcher Größe diesem vom Arbeitgeber eine Unterkunft zur Verfügung gestellt und ob diese vom Bf. allein benutzt worden sei. Außerdem wurde ersucht bekannt zu geben, ob und wenn ja in welcher Höhe der Bf. für die Zurverfügungstellung der Wohnmöglichkeit an den Arbeitgeber Zahlungen geleistet habe, sowie diesbezügliche Nachweise vorzulegen.
In Beantwortung des Vorhaltes teilte der Arbeitgeber mit, dass dem Bf. keine Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt worden sei, der Bf. habe dem Arbeitgeber bar Geld geleistet, da er in Österreich über kein Konto verfügt habe.
Das Bundesfinanzgericht hat den Bf. betreffend den Streitzeitraum ersucht bekannt zu geben:
Wohnungskosten:
Wie viele Personen in der Wohnung 1220 Wien, Adresse in den Streitjahren zeitgleich und gemeinsam mit dem Bf. gewohnt haben.
Einen unterschriebenen Mietvertrag für die vom Bf. mitbewohnte Wohnung vorzulegen, da der auf den Namen des Bruders des Bf. lautende in Kopie vorgelegte Mietvertrag keine Unterschrift trage.
Ob dem Bf. vom Arbeitgeber eine Wohnung zur Verfügung gestellt worden sei bzw. deren Adresse und Größe, sowie etwaige Namen von Mitbewohnern bekannt zu geben. Außerdem wurde der Bf. aufgefordert mitzuteilen, ob er seinem Bruder- wie laut vorgelegter Bestätigung - jährlich € 1.680,- bezahlt habe oder seinem Arbeitgeber € 1.235,- an Wohnkosten bezahlt habe.
Der Bf. wurde aufgefordert für die Zahlungen Belege bzw. Kontoauszüge vorzulegen.
Familienheimfahrten:
Der Bf. wurde ersucht bekannt zu geben welcher PKW für die Familienheimfahrten benutzt wurde und bezüglich dieses PKWs Servicebestätigungen einer Werkstatt vorzulegen, aus welchen die Kilometerstände hervorgehen.
Dem Bf. wurde vorgehalten, dass die vorgelegten Kilometeraufstellungen des Jahres 2015 einen laut Zulassungsschein seinem Bruder gehörenden PKW (BMW 320) betroffen hätten.
Weiters wurde der Bf. gefragt, wie viele Personen jeweils gemeinsam im PKW nach Polen gefahren seien, sowie aufgefordert konkrete Nachweise und Belege für die ihm entstandenen Fahrtkosten vorzulegen.
In Beantwortung des Fragenvorhaltes gab der Bf. bekannt:
Er habe in der Wohnung 1220 Wien, Adresse aufgrund des vorgelegten Mietvertrages gewohnt. Der Bf. legte neuerliche eine Kopie des nicht unterschriebenen auf seinen Bruder X lautenden Mietvertrages für diese Wohnung vor.
Bezüglich der Bezahlung der Wohnkosten gab der Bf. bekannt, dass er jährlich € 1.680,- Wohnkosten bezahle und von seinem Arbeitgeber € 1.235,- ersetzt bekomme.
Der Bf. legte erneut die bereits bisher vorgelegten Bestätigungen des Arbeitgebers vor, mit welchen der Arbeitgeber die Zahlung von € 1.235,- durch den Bf. an ihn bestätigt.
Bezüglich des für die Heimfahrten benutzten PKWs teilte der Bf. mit, dass er den BMW 320 am seinem Bruder abgekauft habe und vorher einem PKW Renault Scenic benutzt habe. Diesbezüglich legte der Bf. die Fahrzeugpapiere vor.
Der Bf. teilte mit, dass er fast jedes Wochenende allein nach Polen gefahren sei und nur ab und zu seine Arbeitskollegen mitgefahren seien.
Der Bf. erklärte, dass er keine Tankbelege aus den Streitjahren mehr vorlegen könne.
Der Bf. gab an, dass er mit seiner Ehegattin gemeinsam eine Landwirtschaft besitze, die für eigene Zwecke bewirtschafte werde, diese jedoch in Polen nicht besteuert werde, sodass auf dem Formular E 9 betreffend seine Ehegattin keine Einkünfte für die Streitjahre aufscheinen.
Der Bf. legte eine Bestätigung über einen auf den Namen des Vaters (Jan) des 1982 geborenen Bf. lautenden landwirtschaftlichen Betrieb sowie die den Bf., seine Ehegattin und seine zwei Kinder lautende Meldebestätigung an der Adresse dieses Betriebes vor.
Eine Verlegung des Familienwohnsitzes von Polen nach Österreich sei nach Ansicht des Bf. nicht möglich, dass im Haushalt am Familienwohnsitz in Polen unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder gewohnt hätten und eine Verlegung aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar gewesen sei. Die Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort sei aufgrund der Größe und Ausstattung nicht für eine Familie geeignet.
Am wurde die nicht mündliche Senatsverhandlung durchgeführt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall ob die vom Bf. beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung bei den Einkommensteuerveranlagungen 2015 bis 2017 als Werbungkosten zu berücksichtigen sind.
Das Bundesfinanzgericht geht im gegenständlichen Fall von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Der Bf. bezog in den Streitjahren 2015 bis 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Bf. war in den Streitjahren verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern (geboren 2008 und 2013). Die Ehegattin des Bf. und seine Kinder wohnten am Familienwohnsitz in Polen, der 525 km weit vom Beschäftigungsort entfernt liegt.
In den Streitjahren bezog die Ehegattin des Bf. in Polen laut vorgelegten Fomularen E 9 keine Einkünfte, es wurde am Familienwohnsitz eine auf den Namen des Vaters des Bf. lautende für eigene Zwecke bewirtschaftete Landwirtschaft betrieben, die in den Jahren 2015 bis 2017 in Polen nicht besteuert worden war.
Die Ehegattin betreute nach Angaben des Bf. und Bestätigung eines Arztes ihre kranke Mutter. Nachweise über Name, Krankheiten, Gesundheitszustand der Schwiegermutter des Bf. und deren Pflegebedürftigkeit bzw. sonstige Möglichkeiten der Pflege durch andere Angehörige wurden nicht vorgelegt.
Der Bf. war 2015 bis 2017 in Wien nichtselbständig beschäftigt und wohnte mit seinem Bruder X und seinem Schwager in einer laut nicht unterschriebenem vorgelegten Mietvertrag vom Bruder des Bf. (X) angemieteten 100m² Wohnung in einer Wohngemeinschaft.
Laut Zentralem Melderegister waren an der Adresse der Wohnung in 1220 Wien, Adresse in den Streitjahren noch zusätzliche Personen gemeldet. Der Bf. hat trotz Vorhaltes dieser Tatsache hierzu keine Angaben gemacht.
Laut Bestätigung des Bruders des Bf. wurden ihm vom Bf. jährlich € 1.680,- an Mietbeitrag bezahlt.
Vorgelegt wurden auch Bestätigungen des Arbeitgebers des Bf. wonach er jährlich € 1.235,- an Wohnkosten an den Arbeitgeber bezahlt hat.
Kontoauszüge oder Bankbelege betreffend die Zahlungen wurden nicht vorgelegt.
Der Bf. gab vorerst an einmal monatlich nach Polen gefahren zu sein. In der Vorhaltsbeantwortung vom Juni 2021 gab er an fast jedes Wochenende allein nach Polen gefahren zu sein, nur ab und zu seine Kollegen mitgefahren.
Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch mit Kilometereintragungen wurde nicht vorgelegt. In den Tabellen betreffend Fahrten nach Polen ist als benutztes Fahrzeug ein PKW BMW 320 angegeben. Für dieses Fahrzeug wurde die Kopie eines Zulassungsscheines lautend auf den Bruder des Bf. (X), sowie eine später erstellte Zulassung auf den Namen des Bf. vorgelegt.
Ebenfalls vorgelegt wurde die Kopie eines Zulassungsscheines lautend auf den Bf. für einen PKW Renault Megane, sowie diverse Tankbelege aus den Streitjahren. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch für ein auf den Bf. zugelassenes Fahrzeug liegt nicht vor.
Ebenso nicht vorgelegt wurden - trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht - Servicebestätigungen betreffend den benutzten PKW BMW 320, aus welchen Kilometerstände zu ersehen sind.
Rechtlage und rechtliche Würdigung:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften unter anderem nicht abgezogen werden
Z 1) die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge;
Z 2a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit.e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeit- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.
Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch Aufwendungen oder Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten einkünftemindernd berücksichtigt werden.
Doppelte Haushaltsführung
Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Unterschieden wird zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung.
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (am Familienwohnsitz und am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht.
Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen gilt jedenfalls jener Ort, an dem er mit seiner Ehegattin einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet, als sein Familienwohnsitz ().
Für beide Arten der doppelten Haushaltsführung gilt allgemein, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (; 96/14/00018; , 2001/13/0216).
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen von Gründen für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN).
Nach Lehre und Rechtsprechung sind aber Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort erwachsen, als Werbungskosten absetzbar.
Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst [vgl. Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 16 Anm. 25 (Stand: , rdb.at); Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2015, Seiten 224 f], wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen
von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder
die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder
die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann (vgl. dazu auch Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar § 16 Abs. 1 Z 6 Tzen 72, 75, und die dort zitierte VwGH-Rechtsprechung; Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 16 Rz 56 "Doppelte Haushaltsführung").
Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (). Im Streitfall ist der Familienwohnsitz des Bf. 525 km von seinem Beschäftigungsort entfernt, sodass ihm eine tägliche Rückkehr zweifelsfrei nicht zugemutet werden kann.
Voraussetzung für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung ist, dass der Ehegatte am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000,00 Euro (bis Veranlagungsjahr 2012 2.200,00 Euro) jährlich erzielt (vgl. ) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind. Betragen die Einkünfte des (Ehe)Partners höchstens 6.000,00 Euro, machen sie jedoch mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus, kommt den Einkünften des (Ehe-)Partners eine wirtschaftliche Bedeutung zu, die aus der Sicht des Steuerpflichtigen die Unzumutbarkeit eines Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken kann.
Im gegebenen Fall bezog die Gattin des Bf. in den Kalenderjahren 2015 bis 2017 keine Einkünfte in Polen. Es liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung aus diesem Grund nicht vor.
Die Tatsache, dass am Familienwohnsitz die Ehegattin und zwei minderjährige betreuungsbedürftige Kinder wohnen bedeutet, dass die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach gegeben sind, da eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar ist (vgl. ).
Die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen.
Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien-)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen, wonach dem Steuerpflichtigen in aller Regel nach einer gewissen Zeit zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab, die LStR Rz 346 nennen bei einem verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebende Steuerpflichtige zwei Jahre. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchem Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird.
Der Bf. stützt die Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes auf die Pflegebedürftigkeit seiner Schwiegermutter, konkrete Nachweise darüber wurden vom Bf. nicht vorgelegt.
Der "Familienwohnsitz" liegt dort, wo ein in Ehe(Partnerschaft) oder Lebensgemeinschaft Lebender oder ein Alleinstehender seine engsten persönlichen Beziehungen (bspw. zur Familie oder zum Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Der "Berufswohnsitz" ist dort, wo Jemand persönlich anwesend sein muss um zu arbeiten und einen eigenen Hausstand hat. Einen "eigenen Hausstand" hat, wer eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht.
Damit Ausgaben einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten absetzbar sind, muss keine eigener Hausstand im Sinne des § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung vorliegen. Auch eine im Rahmen einer Wohngemeinschaft mit anderen Personen als einem Ehepartner oder Lebensgefährten benützte Wohnung stellt einen Berufswohnsitz dar (). Diese Voraussetzung ist im gegenständlichen Fall dem Grunde nach erfüllt.
Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind über Verlangen der Abgabenbehörde nach Art und Umfang nachzuwiesen oder wenigstens glaubhaft zu machen (). Von einem Nachweis oder einer Glaubhaftmachung, dass den Bf. Kosten für das Wohnen am Ort der Beschäftigung getroffen haben, kann aufgrund des widersprüchlichen und durch keine aussagekräftigen Unterlagen belegten Vorbringens des Bf. nicht ausgegangen werden.
Widersprüchlich sind die Angaben über die Höhe und den Empfänger der vom Bf. vermeintlich entrichteten Wohnungskosten Während er in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung einen Betrag von € 1.800,- beantragte, legte er im Beschwerdeverfahren einen nichtunterschriebenen, auf seinen Bruder lautenden Mietvertrag, sowie eine Bestätigung des Bruders vor, wonach er diesem jährlich € 1.680,- bezahlt habe, wohingegen in weiteren vorgelegten Bestätigungen des Arbeitgebers eine Bezahlung von € 1.235,- jährlich an diesen bescheinigt wird. In der Beantwortung des Vorhalts des erkennenden Gerichts wiederum brachte der Bf. vor, er habe dem Bruder jährlich € 1.680,- an Wohnkosten bezahlt und von seinem Arbeitgeber € 1.235,- ersetzt bekommen, um gleichzeitig erneut die Bestätigung des Arbeitgebers vorzulegen, aus der sich ergibt, dass der Bf. jährlich einen Betrag in Höhe von € 1.235,- an seinen Arbeitgeber bezahlt habe.
Weitere Belege zum Nachweis einer Bezahlung von Wohnkosten, wie Kontoauszüge oder Bankbelege hat der Bf. nicht vorgelegt.
Dazu kommt der dem Bf. vorgehaltene Umstand, dass an der als Beschäftigungswohnort angegebenen Wohnadresse zeitgleich mehr als drei Personen amtlich gemeldet gewesen sind, was mit der Behauptung des Bf., er habe dort mit Bruder und Schwager in einer Wohngemeinschaft gelebt nicht in Einklang zu bringen ist. Zudem scheint im ZMR als Unterkunftgeber des Bf. nicht der Bruder des Bf., sondern eine andere Person auf. Diese Umstände, zu denen sich der Bf. trotz Vorhalts derselben nicht geäußert hat, legen in Verbindung mit dem widersprüchlichen Vorbringen des Bf. und der Tatsache, dass er aussagekräftige Zahlungsbelege nicht vorgelegt hat, die Annahme nahe, dass es sich bei der Wohnadresse um ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Massenquartier gehandelt hat.
Die beantragten Kosten für Wohnung in den Jahren 2015 bis 2017 konnten daher nicht als Werbungskosten anerkannt werden.
Familienheimfahrten
Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten allerdings dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird).
Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen oder nicht anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Rz 220 Familienheimfahrten sowie Rz 200/14).
Wie oben bereits dargelegt wurde, wird das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach anerkannt.
Der Bf. hat trotz Ersuchens der Abgabenbehörde und des erkennenden Gerichts keinen einzigen Beleg dafür präsentiert, dass ihm die Kosten der Fahrten nach Polen erwachsen sind. Er hat weder ein Fahrtenbuch noch Servicebelege für den PKW BMW 320 vorgelegt, um die Kilometerstände überprüfen zu können. Dass der Bf. tatsächlich Familienheimfahrten mit seinem PKW unternommen hätte, kann daher in keiner Weise nachvollzogen werden.
Die Vorlage einzelner die Streitjahre betreffender Tankbelege reicht nicht aus, um die beantragten Aufwendungen eindeutig nachzuwiesen bzw. dem Bf. zuordnen zu können.
Nicht geklärt blieb trotz Vorhalts die Frage, wie oft und wenn ja, mit wie vielen und welchen Kollegen der Bf. die Fahrten nach Polen angetreten hat. In seiner Beschwerde hat der Bf. angegeben einmal monatlich nach Polen gefahren zu sein, in der Vorhaltsbeantwortung hat der Bf. angegeben wöchentlich nach Polen gefahren zu sein und manchmal von Kollegen begleitet worden zu sein.
Ferner hat der Bf. keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass in den Streitjahren ihm Kosten für die Fahrten nach Polen angefallen sind. Nicht auszuschließen ist, dass er solche Fahrten nicht im angegebenen Umfang unternommen hat bzw., dass ihm Kosten nicht entstanden sind, weil er etwa eine kostenlose Mitfahrgelegenheit genutzt hat (vgl. ).
Aus den oben angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde des Bf. betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017 abzuweisen.
Die Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2016 und 2017 bleiben unverändert.
Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015, in welchem nach dem zuvor Gesagten Ausgaben für Familienheimfahrten zu Unrecht berücksichtigt worden sind, wird gemäß der nachfolgenden Berechnung abgeändert:
Einkommensteuer 2015:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit | 24.508,04 |
Werbungskostenpauschale | -132,00 |
Gesamtbetrag Einkünfte | 24.376,04 |
Sonderausgaben | -60,00 |
Kinderfreibeträge | -440,00 |
Einkommen | 23.876,04 |
Einkommensteuer § 33/1(23.876,04-11.000)x5110/14.000 | 4.699,75 |
Alleinverdienerabsetzbetrag | -669,00 |
Verkehrsabsetzbetrag | -291,00 |
Arbeitnehmerabsetzbetrag | -54,00 |
Steuer nach Absetzbeträgen | 3.685,75 |
Steuer sonstige Bezüge | 8,99 |
Einkommensteuer | 3.694,74 |
Anrechenbare Lohnsteuer | 4.617,61 |
Festgesetzte Einkommensteuer | -922,86 |
Einkommensteuergutschrift gerundet | -923,00 |
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen wurden gemäß der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Die Revision war nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103714.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at