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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2021, RV/7106286/2016

Die Aufnahmerichtlinie verpflichtet nicht zur Gewährung von Familienleistungen an Asylwerber

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7106286/2016-RS1
Für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, treten zu den allgemeinen Voraussetzungen nach § 2 FLAG 1967 noch jene des § 3 FLAG 1967 hinzu.
RV/7106286/2016-RS2
Seit dem PensionsharmonisierungsG haben Asylwerber – anders nach der früheren Rechtslage – vor der Zuerkennung des Asyls in Österreich weder selbst einen Anspruch auf Familienbeihilfe noch vermittelt ein asylwerbendes Kind einen derartigen Anspruch, es sei denn, es handelt sich um subsidiär Schutzberechtigte.
RV/7106286/2016-RS3
Das Unionsrecht unterscheidet zwischen Leistungen der sozialen Sicherheit, zu denen auch Familienleistungen gehören, und Leistungen der Sozialhilfe.
RV/7106286/2016-RS4
Unter der Gewährleistung des „angemessenen Lebensstandard“ i.S.v. RL 2013/33/EU ist, wie sich aus Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU ergibt, jener Lebensstandard zu verstehen, den die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen im Wege der sozialen und medizinischen Fürsorge, also der Sozialhilfe, sicherstellen. Andere staatliche Leistungen fallen nicht darunter.
RV/7106286/2016-RS5
Wenn unionsrechtlich nach RL 2011/95/EU die Gewährung von Familienleistungen an Personen, denen internationaler Schutz zu gewähren ist (Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte), nicht geboten ist, kann sich unionsrechtlich aus der RL 2013/33/EU für Personen, die internationalen Schutz suchen, bei denen aber noch nicht feststeht, ob ihnen internationaler Schutz zu gewähren ist (Asylwerber), nicht ein höheres Leistungsniveau als für bereits anerkannte Flüchtlinge ergeben. Ebenso wie anerkannten Flüchtlingen steht Asylwerbern unionsrechtlich kein Anspruch auf Familienleistungen zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde des ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, nunmehr ***12***, ***13***, vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, nunmehr Finanzamt Österreich, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , mit welchen zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den im Jänner 2009 geborenen ***5*** ***2*** und den im Jänner 2012 geborene ***6*** ***2*** jeweils für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2015 (Familienbeihilfe: € 2.690,00, Kinderabsetzbetrag: € 1.284,80, Gesamtbetrag € 3.974,80), gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 zurückgefordert werden, Sozialversicherungsnummer ***7***, nach am im Beisein der Schriftführerin Romana Schuster in Abwesenheit des Beschwerdeführers und in Anwesenheit von Mag. Stefanie Rauchwarter für das Finanzamt durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides bleibt verändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Überprüfungsschreiben

Das Finanzamt übermittelte dem Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2*** am ein Schreiben betreffend Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe. Dieses wurde am ergänzt beim Finanzamt abgegeben. Der Bf sei Flüchtling, verheiratet mit ***8*** ***2***, "Flüchtling/Konventionspass", beziehe Leistungen aus der Arbeitslosenunterstützung. Der im Jänner 2012 geborene Sohn ***6*** ***2*** sei Flüchtling, verfüge über einen Konventionspass, lebe mit dem Bf und gehe in den Kindergarten. Bei "Für das Kind habe ich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe mehr" wurde ergänzt: "Nicht genug Finasialy Einkommen". Die gleichen Eintragungen befinden sich bei dem im Jänner 2009 geborenen Sohn ***5*** ***2***, dieser sei Schüler.

Beigefügt war eine Schulbesuchsbestätigung einer Volksschule für ***5*** ***2***, eine Kopie von vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am (gültig bis ) ausgestellten Reisepässen für ***8*** ***2***, ***6*** ***2***, ***5*** ***9*** ***2*** und für ***1*** ***2***.

Ergänzungsersuchen

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt den Bf um Vorlage von:

Flüchtlingsausweis/Bescheid über Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der ganzen Familie (alle Seiten mit Datum der Ausstellung), Einkommensnachweis.

Am legte der Bf Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom vor, wonach betreffend ***8*** ***2***, ***1*** ***2*** , ***5*** ***9*** ***2*** und ***6*** ***2***, jeweils dem Antrag auf internationalen Schutz vom bzw. vom gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF. stattgegeben und der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG werde festgestellt, dass den Antragstellern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Desweiteren wurde eine eidesstättige Erklärung der Eltern vom betreffend Eheschließung und Geburten der Kinder vorgelegt. "Da wir aus Afghanistan kommen, haben wir keine Heirats- und keine Geburtsurkunden für unsere Kinder." Laut Meldebestätigungen hatte die Familie ab August 2015 ihren Hauptwohnsitz in Wien, seit Oktober 2015 in ***3***, ***4***. E-Cards der Familienmitglieder wurden ebenfalls vorgelegt, auch eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2015/2016 sowie Kopien der Reisepässe vom . Außerdem wurden Berechnungsblätter betreffend Mindestsicherung vorgelegt, wonach die Familie einen Anspruch auf monatlich rund (abhängig vom rund € 60 betragenden Einkommen) € 1.640 habe.

Laut Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom wurde dem Bf und seiner Gattin die zuletzt mit Bescheid vom zuerkannte Leistung mit eingestellt und ab März 2016 eine monatliche Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in Höhe von rund € 1.630 für die vierköpfige Familie zuerkannt.

Bescheid

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den im Jänner 2009 geborenen ***5*** ***2*** und den im Jänner 2012 geborene ***6*** ***2*** jeweils für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2015 (Familienbeihilfe: € 2.690,00, Kinderabsetzbetrag: € 1.284,80, Gesamtbetrag € 3.974,80), gemäß § 26 FLAG 1967 und § 33 EStG 1988 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt:

Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen. Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.

Die Rückzahlung habe bis auf Widerruf an das Finanzamt zu erfolgen. Die Fälligkeit des Rückforderungsbetrages sei der Buchungsmitteilung zu entnehmen, die allenfalls in einem gesonderten Brief zugesendet werde.

Beschwerde

Mit Schreiben vom erhob der Bf Beschwerde wie folgt:

Betrifft: Beschwerde gegen den Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom zu ***7***

Hiermit wird innerhalb offener Frist gegen den o.a. Bescheid, zugestellt am , binnenoffener Frist nachfolgende Beschwerde erhoben, mit welcher der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wird.

Es werden die Anträge gestellt,

1. eine mündliche Verhandlung durchzuführen,

2. die Einhebung des in Streit stehenden Betrages bzw. die mit Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom zu ***7*** verfügte Anrechnung auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen einschließlich Kinderabsetzbeträgen bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzen,

3. den gegenständlichen Bescheid wegen inhaltlicher und formeller Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben,

4. in eventu den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsbürger von Afghanistan und reiste im Juli 2013 mit dem älteren Sohn ***2******5******9***, geb. am ***10***, in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag für sich und den Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Gattin des BF, ***2******8***, reiste im Juni 2014 mit dem jüngeren Sohn ***2******6***-, geb. am ***11***, in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag für sich und den Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Anträgen wurde jeweils mit Bescheid vom stattgegeben und jedem dieser Familienmitglieder der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der BF beantragte in der Folge beim Finanzamt St. Veit Wolfsberg für die beiden Kinder Familienbeihilfe. Mit Schreiben dieses Finanzamtes vom wurde ihm mitgeteilt, dass ihm nach Überprüfung seines Anspruches ab August 2014 Familienbeihilfe für die beiden Kinder gewährt wird und er ab August 2014 den Kinderabsetzbetrag erhält.

Nach der Übersiedlung der Familie nach Wien wurde ihm mit Schreiben des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom abermals wortwörtlich dasselbe mitgeteilt - nämlich, dass ihm nach Überprüfung seines Anspruches ab August 2014 Familienbeihilfe für die beiden Kinder gewährt wird und er ab August 2014 den Kinderabsetzbetrag erhält.

Aufgrund dieser beiden Mitteilungen durch die zuständige Behörde stand für den BF außer Zweifel, dass er die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag seit August 2014 zu Recht bezog und durfte er - noch dazu als juristischer Laie - auf die fachliche Kompetenz der zuständigen Behörde (das Finanzamt) vertrauen.

Umso größer war seine Überraschung, als ihm der Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge zugestellt wurde, mit dem die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Zeit August 2014 bis Juni 2015, insgesamt € 3.974,80 rückgefordert bzw. dem BF gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EstG die Rückzahlung aufgetragen wird. Begründet wird die Rückforderung damit, dass der Anspruch erst ab erfolgter Asylgewährung, im konkreten Fall also ab Juli 2015 bestehe. ln diesem Bescheid wird auch ausgeführt, dass die Rückzahlung bis auf Widerruf an das oben bezeichnete Finanzamt zu erfolgen hat.

Für gänzliche Verwirrung sorgte schließlich der Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg- vom , mit dem die mit Bescheid vom ausgesprochene Rückzahlungsverpflichtung an das Finanzamt widerrufen und verfügt wird, dass die Rückzahlung bis auf Widerruf durch Anrechnung des zu Unrecht bezogenen Betrages auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen einschließlich Kinderabsetzbeträgen erfolgt.

1. Rechtliche Würdigung

a. Materielle Rechtswidrigkeit

Die belangte Behörde zieht als Rechtsgrundlage für die Rückforderung - nach zweimaliger Mitteilung über die Gewährung - § 26 Abs. 1 FLAG (danach ist zur Rückzahlung der Familienbeihilfe verpflichtet, wer sie zu Unrecht bezogen hat) und § 3 Abs. 3 FLAG heran, wonach Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe haben und ein Anspruch auch für Kinder besteht, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asylgesetz Asyl gewährt wurde.

Die Behörde geht demnach davon aus, dass der BF Familienbeihilfe erst für die Zeit nach erfolgter Asylgewährung an ihn und seine Kinder - das war im Juni 2015 - rechtmäßig beziehen kann und der erfolgte Bezug der Familienbeihilfe im Zeitraum August 2014 bis Juni 2015 durch den BF daher unrechtmäßig war, obwohl ihm von der belangten Behörde ausdrücklich am und am schriftlich mitgeteilt worden war, dass ihm die Familienbeihilfe nach Überprüfung seines Anspruches ab August 2014 gewährt wird und der Sachverhalt der Behörde jedenfalls die ganze Zeit bekannt war. Sie korrigiert damit aus unerfindlichen Gründen nachträglich ihre ursprüngliche Rechtsansicht, dass Familienbeihilfe auch für Zeiten während des noch laufenden Asylverfahrens gewährt werden kann. Dass diese ursprüngliche Rechtsansicht der belangten Behörde die einzig unionsrechtskonforme ist, wird im Folgenden ausgeführt.

Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Interpretation des FLAG

Eine wesentliche unionsrechtliche Grundlage während des Asylverfahrens ist die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, die mit der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, in wesentlichen Punkten geändert und neu gefasst wurde. Diese Neufassung der sog. "Aufnahmerichtlinie" war von den Mitgliedstaaten bis spätestens im innerstaatlichen Recht umzusetzen.

Eine der wesentlichen Neuerungen der Richtlinie 2013/33/EU ist der verstärkte Schutz des Kindeswohls und in Kapitel IV detaillierte Bestimmungen für schutzbedürftige Personen.

Nach Art. 21 dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten im einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung der Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie etwa Minderjährigen.

Art. 22 dieser Richtlinie regelt die Beurteilung der besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen bei der Aufnahme. Abs. 1 und 2 lauten:

(1) Um Artikel 21 wirksam umzusetzen, beurteilen die Mitgliedstaaten, ob der Antragsteller ein Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme ist. Die Mitgliedstaaten ermitteln ferner, welcher Art diese Bedürfnisse sind.

Diese Beurteilung wird innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang eines Antrags auf internationalen Schutz in die Wege geleitet und kann in die bestehenden einzelstaatlichen Verfahren einbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sorgen nach Maßgabe dieser Richtlinie dafür, dass derartigen besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme auch dann Rechnung getragen wird, wenn sie erst in einer späteren Phase des Asylverfahrens zutage treten.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Unterstützung, die Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme nach dieser Richtlinie gewährt wird, ihren Bedürfnissen während der gesamten Dauer des Asylverfahrens Rechnung trägt und ihre Situation in geeigneter Weise verfolgt wird.

(2) Die in Absatz 1 vorgesehene Beurteilung muss nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens erfolgen.

Nach Art. 23 Abs. 1 dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Minderjährige berührenden Bestimmungen der Richtlinie vorrangig das Wohl des Kindes. Die Mitgliedstaaten gewährleisten einen der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung des Kindes angemessenen Lebensstandard.

Nach Art. 17 dieser Richtlinie, der allgemeine Bestimmungen zu materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme enthält, tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Antragsteller ab -Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Anspruch nehmen können und dass diese materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit gewährleistet. Wenn es sich um schutzbedürftige Personen im Sinn von Art. 21 handelt - dazu zählen auch Minderjährige - tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass dieser Lebensstandard gewährleistet ist.

In Umsetzung der Judikatur des EuGH zur RL 2003/9/EG (z.B. Urteil des Gerichtshofes vom in der Rs C-79/13) wurde Art. 17 Abs. 5 der RL 2013/33/EU ergänzt (wobei dieser Judikatur allerdings nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde):

(5) Wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können Antragstellern in dieser Hinsicht eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteil werden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende, Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt.

Diese Regelung ist bei schutzbedürftigen Personen zwingend zusammen mit Abs. 2 dieses Artikels und den Regelungen des Kapitels IV (bei Minderjährigen insbesondere Art. 23 Abs. 1 letzter Satz) zu lesen und zu interpretieren, sodass sich der Lebensstandard im Fall von schutzbedürftigen Personen - wie Minderjährigen - auch bei Gewährung von teils materiellen, teils finanziellen Leistungen dem der eigenen Staatsangehörigen annähern wird müssen, damit er der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung des Kindes angemessen ist.

ln Österreich erfolgen die materiellen Leistungen im laufenden Asylverfahren im Rahmen der sog. Grundversorgung, deren Rechtsgrundlagen eine Art. 15a B-VG Vereinbarung und pro Bundesland ein Landesgesetz sind.

In Wien waren im beschwerdegegenständlichen Zeitraum folgende Leistungen aus dem Titel Grundversorgung vorgesehen:

Leistungen für Personen in betreuten Unterkünften

• Verpflegung/Lebensmittel oder Verpflegungsgeld im Wert von € 5,- pro Tag

• € 40,- Taschengeld pro Monat

Leistungen für privat wohnende Personen

• Mietzuschuss für Familien von max. € 240,- pro Monat

• Verpflegungsgeld für Erwachsene von max. € 200,- pro Person und Monat

• Verpflegungsgeld für Minderjährige von max. € 90,- pro Person und Monat

Leistungen unabhängig von der Wohnform

• Bekleidungshüfe: nach Bedarf, max. € 150,- pro Jahr

• Schulbedarf für Schülerinnen: nach Bedarf, max. € 200,- pro Schuljahr

• Krankenversicherung (Wiener Gebietskrankenkasse)

• medizinische Leistungen

• Information, Beratung und Betreuung

• Übernahme der Fahrtkosten bei behördlichen Ladungen und Überstellimgen

Diese Leistungen gewährleisten für sich allein,- also ohne weitere Unterstützungen wie etwa Gewährung der Kinderbeihüfe nach dem FLAG - den für schutzbedürftige Personen in der Richtlinie geforderten Lebensstandard mit Sicherheit nicht.

Da weder vor noch nach Ablauf der Umsetzungsfrist gesetzliche Regelungen geschaffen wurden, die eine Anhebung des Lebensstandards vom "Grundversorgungsniveau'' auf das "richtlinienkonforme Niveau" sicherstellen, muss die gesamte innerstaatliche Rechtsordnung richtlinienkonform interpretiert werden, damit die Umsetzung der Richtlinie auch ohne ausdrückliche Regelungen, die auf eine Umsetzung abzielen, gewährleistet ist. Der Rechtsprechung des EuGH ist dabei ebenso Rechnung zu tragen.

Verhältnis zwischen nationalen und europarechtlichen Bestimmungen

Sollte die belangte Behörde annehmen, dass mangels korrektem Abbild im FLAG keine Rechtsgrundlage für die Gewährung-der Familienbeihilfe an den BF für die Zeit des Asylverfahrens bestünde, verkennt sie den Stufenbau der europäischen Rechtsordnung:

Die unmittelbare Wirkung einer Norm des Unionsrechts führt nach ständiger Judikatur dazu, dass sie Vorrang gegenüber allen nationalen Rechtsvorschriften (Verordnungen, einfachen Gesetzen, gegebenenfalls innerstaatlichem Verfassungsrecht) genießt. Steht also eine innerstaatliche Norm dem Unionsrecht entgegen, dann verdrängt das Unionsrecht die innerstaatliche Norm.

Der Vorrang des unionsrechts und die Anforderungen an die unionsrechtskonforme Interpretation nationalen Rechts wurde nicht nur durch den EuGH, sondern auch in der innerösterreichischen Judikatur mehrfach betont; so stellt der VwGH u.a. fest ( 2005/12/0099)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist das nationale Gericht jedoch verpflichtet, das innerstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen.

Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, seine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom in den verbundenen Rechtssachen Pfeiffer u.a.., C-397/01 bis C-403/01, Rz. 115, 116).

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Bestimmungen der Richtlinie unmittelbar anzuwenden, und zwar gegebenenfalls abweichend von nationalem Recht und mit Vorrang vor diesem und ohne besonderen Antrag (Rs 8/81, (Becker), Urteil vom , Slg 1982, 53, Rndnr 25; Rs 80/86, (Kolpinghuis Nijmegen), Urteil vom , Slg 1987, 3969, Rndnr 13; Rs 31/87, (Beentjes), Urteil vom , Slg 1988, 4635; Rs 103/88, (Fratelli Constanzo), Urteil vom , Slg 1989, 1839; vgl auch Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, in: FS für Karl Carstens (1984), S 954).

Ist die belangte Behörde nun der Ansicht, dass die Umsetzung von Unionsrecht im FLAG nicht vollständig erfolgt wäre, so stellt sie damit eine Regelungslücke fest, die entweder durch unmittelbare Anwendbarkeit einer ausreichend konkreten Regelung der Richtlinie oder durch richtlinienkonforme Interpretation des österreichischen Rechts zu schließen wäre.

Eine richtlinienkonforme Interpretation ist im Fall von § 3 Abs. 3 FLAG ohne weiteres möglich, da der Wortlaut einer derartigen Interpretation nicht entgegensteht; diese Regelung besagt, dass Personen, denen Asyl gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe haben und dass dieser Anspruch auch für Kinder besteht, denen Asyl gewährt wurde. Diese Formulierung schließt weder aus, dass Asylwerbern Familienbeihilfe gewährt werden kann, noch schließt sie aus, dass Personen, denen Asyl gewährt wurde, rückwirkend für die Zeit des Asylverfahrens Familienbeihilfe gewährt werden kann, wie dies im gegenständlichen Fall vor der Erlassung des angefochtenen Rückforderungsbescheides auch geschehen ist.

Es wird dabei auch die Behandlung der Zeit, die das Asylverfahren in Anspruch genommen hat, zu berücksichtigen sein: Gemäß Art. 4 Abs. 2, zweiter Satz der Richtlinie 2003/109/EG idF 51/2011/EG ist etwa die Zeit, die das Asylverfahren in Anspruch genommen hat, je nach Dauer des Asylverfahrens entweder ganz, jedenfalls aber zur Hälfte als Anwartszeit für die Gewährung des Daueraufenthalts anzurechnen, wodurch diese Zeiten solchen, die gemäß den §§ 8, 9 NAG als aufenthalts- wie familienleistungsbegründend normiert sind, gleichgehalten werden.

In Zusammenschau mit der Möglichkeit, die Familienbeihilfe auch zu einem späteren Zeitpunkt für bis zu 5 Jahre rückwirkend zu beantragen, wurde durch den ursprünglichen Zuerkennungsbescheid auch eine sachliche Regelung gefunden, mit der zwischen einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens durch einen schlussendlich als "unbegründet" erkannten Asylantrag und einen offensichtlich durch positive Asylgewährung gleichsam retrospektiv als wohlbegründetem Aufenthalt unterschieden werden kann.

Sperrwirkung einer Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist

Für den Fall, dass die Behörde die Auffassung vertritt, dass der beschwerdegegenständliche Zeitraum August 2014 bis Juni 2015 (gerade noch) innerhalb der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2013/33/EU liegt und die Richtlinie in diesem Zeitraum daher noch keine Wirkung entfaltet hat, wird im Folgenden auf die sog. Sperrwirkung einer Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist eingegangen:

Im Hinblick auf die Zielverbindlichkeit einer Richtlinie und unter Anwendung des Grundsatzes der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) haben die Mitgliedstaaten schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Erreichung des mit der Richtlinie angestrebten Ziels ernstlich gefährden würden. Das heißt zum Einen, dass die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der Richtlinie keine Vorschriften mehr erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des Ziels der Richtlinie ernsthaft zu gefährden, und zum Andern, dass es den Gerichten und Behörden obliegt, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren. So spricht der EuGH regelmäßig darüber ab, wozu im Folgenden nur zwei Beispiele exemplarisch zitiert werden:

(Adeneler):

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich ans den Artikeln 10 Absatz 2 EG und 249 Absatz 3 EG in Verbindung mit der betreffenden Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten, an die die Richtlinie gerichtet ist, während der Frist für deren Umsetzung keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich zu gefährden (Urteile Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45, vom in der Rechtssache C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, 1-4431, Randnr. 58, und Mangold, Randnr. 67). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die fragliche, nach Inkrafttreten der betreffenden Richtlinie erlassene Regelung des nationalen Rechts deren Umsetzung bezweckt oder nicht (Urteile ATRAL, Randnr. 59, und Mangold, Randnr. 68).

122 Da alle Träger öffentlicher Gexvalt der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren (vgl. Urteile Francovich u. a., Randnr. 32, vom in der Rechtssache C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, 1-837, Randnr. 20, sowie Pfeiffer u. a., Randnr. 111), gilt die in der vorstehenden Randnummer genannte Unterlassenspflicht auch für die nationalen Gerichte.

123 Daraus folgt, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie es soweit wie möglich unterlassen müssen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Zieles nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde.

(Mangold):

67 Erstens hat nämlich der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45).

68 In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die fragliche, nach Inkrafttreten der betreffenden Richtlinie erlassene Regelung des nationalen Rechts deren Umsetzung bezweckt oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom in der Rechtssache C-14/02, ATRAL, Slg. 2003,1-4431, Randnrn. 58 und 59).

...

77 Es obliegt daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich fiir den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt,-zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 21, und vom in der Rechtssache C-347/96, Solred, Slg. 1998,1-937, Randnr. 30).

78 Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, entgegenstehen.

Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.

Aus all dem ergibt sich für den konkreten Fall, dass der bekämpfte Bescheid über die Rückforderung der ursprünglich gewährten Familienbeihilfe ersatzlos zu beheben ist, da nur durch die Gewährung der Familienbeihilfe nach dem FLAG auch für die Zeit während des Asylverfahrens dem Ziel der Richtlinie 2013/33/EU entsprochen werden kann.

Auf die oben zitierte, bereits bestehende Rechtsprechung des EuGH zur Vorläuferrichtlinie 2003/9/EG, mit der der unionsrechtliche Prüfmaßstab klar definiert ist, sei der Vollständigkeit halber nochmals hingewiesen.

b. Formelle Rechtswidrigkeit

Gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt einer Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, ln der entsprechenden Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen anzuführen, die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage ist klar und übersichtlich zusammenzufassen. Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist daher für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung (vgl. Ritz, BAO, § 93 Tz 10). Die Begründung hat außerdem die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (vgl. 92/13/0102). die Begründung muss jedenfalls so geartet sein, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag gefunden hat, sowohl für die Partei als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (zB 2000/13/0028).

Im gegenwärtigen Bescheid wurde in keiner logisch nachvollziehbaren Weise ausgeführt, worin die belangte Behörde im konkreten Fall eine sachliche Begründung für die Annahme sieht, der BF hätte die Familienbeihilfe im beschwerdegegenständlichen Zeitraum zu Unrecht bezogen. Die Rückforderung wird lediglich damit begründet, dass der Anspruch ab erfolgter Asylgewährung, im konkreten Fall also ab Juli 2015 bestehe. Eine Begründung, warum die gleiche Behörde ihm vorher für eben diesen Zeitraum die Familienbeihilfe ausdrücklich und "nach eingehender Prüfung" gewährt hatte, die sie jetzt von ihm als "unrechtmäßig bezogen" zurückverlangt, blieb die belangte Behörde ebenso schuldig wie die Begründung, warum der Bezug einer von der Behörde nach Durchführung einer "eingehenden Prüfung" ausdrücklich gewährten Beihilfe unrechtmäßig sein soll, nur weil die Behörde plötzlich und für den Rechtsunterworfenen völlig unabsehbar ihre Rechtsansicht korrigiert und die Rückzahlung von Geldern verlangt, die dieser im Vertrauen auf die fachliche Kompetenz und die rechtlich einwandfreie Entscheidung der Behörde bezogen und in der Folge für seine Kinder ausgegeben hat.

Es ist also festzustellen, dass der gegenständliche Bescheid mangels ausreichender Begründung der behördlichen Entscheidung auch mit formeller Rechtswidrigkeit belastet ist.

Zudem ist der geschilderte Zick-Zack-Kurs der belangten Behörde aus rechtsstaatlicher Sicht mehr als fragwürdig und entspricht eine derartige Behördenpraxis weder dem Grundsatz von Treu und Glauben noch dem unionsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, gerade wie diese zu Fragen des Vertrauensschutzes zu steuerlichen Bestimmungen vom EuGH judiziert wurde.

c. Zum Antrag gemäß § 212a BAO auf Aussetzung der Einhebung

Mit dem bekämpften Bescheid vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge wird vom BF die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Zeit August 2014 bis Juni 2015, insgesamt € 3.974,80 rückgefordert bzw. ihm gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EstG die Rückzahlung aufgetragen, obwohl sie ihm mit Mitteilungen vom und vom zugesichert wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde ist nicht als wenig erfolgversprechend iSd § 212a Abs. 2 lit a BAO einzustufen und das Verhalten des BF nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet, hingegen die Entrichtung mit erheblicher Harte verbunden wäre.

Es wird daher ersucht, dem Antrag, die Einhebung des in Streit stehenden Betrages bzw. die mit Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom zu ***7*** verfügte Anrechnung auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen einschließlichKinderabsetzbeträgen bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzen, stattzugeben.

***2******1***

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , dem Bf nachweislich zugestellt am , gab das Finanzamt der Beschwerde nicht Folge:

Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen. Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.

§ 55 FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 Asylgesetz 2005 das Asylverfahren noch nach dem AsylG 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch BGBl. I Nr. 168/2006, mit Wirkung ab vorgenommenen Änderungen -zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung.

Dementsprechend wird die jüngste Judikatur bei Asylwerbern, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit haben und bei denen zum ein Asylverfahren anhängig war, angewendet.

Asylwerbern kommt jedoch lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zu. Ein ständiger Aufenthalt iS des FLAG 1967 kann nicht angenommen werden, da dieser in Anlehnung des § 26 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung beim Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes dann anzunehmen ist, wenn sich eine Person unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt.

Der vorläufige Aufenthalt eines Asylwerbers begründet daher keinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Familienlastenausgleichgesetz iVm § 93 BAO ergibt sich, dass der "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" kein Bescheidcharakter zukommt, weshalb aus einer "Mitteilung" über die voraussichtliche Dauer eines Beihilfenanspruchs keine Rechtsansprüche abgeleitet werden können und diese "Mitteilung" einer Rückforderung bezogener Familienbeihilfe nicht entgegensteht.

Der Beihilfenanspruch beginnt nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen und nicht mit Beginn des auf einer "Mitteilung" genannten Zeitraums.

Gemäß § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) ist zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe rückzuzahlen.

Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.

Aus § 26 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der FB, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich.

Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.

Von der Finanzverwaltung zu Unrecht ausbezahlte Familienbeihilfenbeträge sind auch dann zurück zu zahlen, wenn der Überbezug ausschließlich auf eine Fehlleistung der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

Es kommt also nicht darauf an, ob das Finanzamt allenfalls einen Fehler gemacht hat, sondern ausschließlich darauf, ob der Bezug der Familienbeihilfe entgegen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgt ist.

Gemäß § 26 Familienlastenausgleichsgesetz sind zu Unrecht bezogene Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge zurückzuzahlen. Derartige Beträge können auch auffällige oder fällig werdende Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge angerechnet werden.

Da Ihnen und Ihrer Familie der Status der Asylberechtigten mit den Bescheiden des BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom zuerkannt wurde, besteht auch der Anspruch auf die Familienbeihilfe ab Juli 2015.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte der Bf Vorlageantrag:

Betreff: Beschwerdevorentscheidung vom , Versicherungsnummer ***7***, Abgabenkontonummer 284/5423 Vorlageantrag

Hiermit stelle ich zur Beschwerdevorentscheidung vom , mir zugestellt am , mit welcher meine Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen und damit die vollständige Rückforderung der Familienleistungen für mein Kind von August 2014 bis Jimi 2015 bestätigt wurde, innerhalb offener Frist die Anträge

1. die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen,

2. eine mündliche Verhandlung durchzuführen,

3. der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher und formeller Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben, und

4. die Einhebung erneut auszusetzen

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsbürger von Afghanistan und reiste im Juli 2013 mit dem älteren Sohn ***2******5******9***, geb. am ***10***, in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag für sich und den Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Gattin des BF, ***2******8***, reiste im Juni 2014 mit dem jüngeren Sohn ***2******6***, geb. am ***11***, in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag für sich und den Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Anträgen wurde jeweils mit Bescheid vom stattgegeben und jedem dieser Familienmitglieder der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Nachdem verschiedene Finanzämter offensichtlich unterschiedlicher Rechtsansicht waren, ob bzw. ab wann Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags bestanden hat, kam es zu einer Rückforderung mit Bescheid vom , gegen den fristgerecht Beschwerde erhoben und die Aussetzung der Einhebung beantragt wurde. Diese Beschwerde, in der maßgebliche unionsrechtliche Fragen aufgeworfen wurden, ist nun mit der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung abgewiesen worden, in der die erstatteten rechtlichen Ausführungen in keinster Weise berücksichtigt wurden.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag.

II. I. Rechtliche Beurteilung

Zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages

Der BF hat die Beschwerdevorentscheidung vom mit gewöhnlicher Post am erhalten. Sollte die belangte Behörde anderer Ansicht sein, wird sie - entsprechend der gesetzlichen Vorgabe von § 26 ZustG - die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung amtswegig festzustellen haben und diese mit einem Zustellnachweis oder auf andere Weise belegen müssen.

Der Vorlageantrag wird sohin binnen Monatsfrist eingebracht, die Einbringung des Vorlageantrages erfolgt daher binnen offener Frist.

2. Rechtswidrigkeit der Entscheidung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens

a. Materielle Rechtswidrigkeit

Die belangte Behörde vermeint, dass sie das FLAG ohne Berücksichtigung des unionsrechtlichen Rahmens interpretieren kann und ignoriert das umfangreiche Vorbringen vollkommen. Unbeschadet der Verpflichtung, unionsrechtliche Bestimmungen ohne weiteres (vorrangig) anzuwenden, verletzt die belangte Behörde mit der Beschwerdevorentscheidung das Recht des BF auf den gesetzlichen Richter, als erst das BFG als Tribunal - sollte dieses die Klärung des autonomen unionsrechtlichen Begriffs der materiellen Leistung, die zur Erreichung der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung des Kindes angemessen ist, durch den EuGH für erforderlich erachten - den Antrag zur Vorabentscheidung gern. Art. 267 AEUV stehen kann.

Zu den konkreten Ausführungen zu § 26 Abs. 2 BAO ist anzumerken, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach dem Stammrechtssatz RS3 vom zur ZI. 2008/15/0323 anhand der tatsächlichen Anwesenheit und einer Beurteilung, dass sich der Rechtsunterworfene nicht nur vorübergehend an jenem Ort aufhält, zu beurteilen ist. Wenn der Gesetzgeber Asylwerbern gem. § 13 AsylG ein "Aufenthaltsrecht" zubilligt, das im Fall einer negativen Entscheidung entzogen werden muss, ist eben nicht von "vorübergehendem Aufenthalt" zu sprechen, insbesondere dann nicht, wenn tatsächlich Asyl gewährt wurde und sich der Asylantrag sohin als begründet erwiesen hat.

b. Formelle Rechtswidrigkeit

Gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt einer Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, ln der entsprechenden Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen anzuführen, die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage ist klar und übersichtlich zusammenzufassen. Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist daher für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung (vgl. Ritz, BAO, § 93 Tz 10). Die Begründung hat außerdem die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (vgl. 92/13/0102). die Begründung muss jedenfalls so geartet sein, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag gefunden hat, sowohl für die Partei als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (zB 2000/13/0028).

Im gegenwärtigen Bescheid wurde in keiner logisch nachvollziehbaren Weise ausgeführt, warum die ausführlichen unionsrechtlichen Erwägungen nicht einmal ansatzweise gewürdigt wurden.

Es ist also festzustellen, dass der gegenständliche Bescheid mangels ausreichender Begründung der behördlichen Entscheidung auch mit formeller Rechtswidrigkeit belastet ist.

III. Zur Aussetzung der Einhebung

Gem. § 212a Abs. 5 BAO endet der mit der Aussetzung der Einhebung bewirkte Zahlungsaufschub mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf. Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer über die Beschwerde ergehenden Beschwerdevorentscheidung zu verfügen.

Eine derartige Verfügung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Deshalb wird neuerlich der Antrag gestellt, die Einhebung des in Streit stehenden Betrages bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzen.

***1******2***

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)

Beschwerde

1 Beschwerde

Bescheide

2 Familienbeihilfe (Zeitraum: 08.2014-06.2015)

Antrag / Anzeige an die Behörde

3 Anspruchsüberprüfung

Beschwerdevorentscheidung

4 Beschwerdevorentscheidung

5 RSb

Vorlageantrag

6 Vorlageantrag

Vorgelegte Aktenteile

7 Vorhaltsbeantwortung

Bezughabende Normen

§ 26 Abs 1 FLAG

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Auszahlung der Familienbeihilfe nach Beantragung von Asyl bzw. von subsidiären Schutz.

Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum 08/2014-06/2015, weil erst mit Bescheid vom Asyl gewährt wurde.

Beweismittel:

Div Unterlagen hochgeladen, Überprüfungsschreiben, Asylbescheid, ZMR-Abfrage.

Stellungnahme:

Personen denen Asyl gewährt wurde, haben erst dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sowohl der Familienbeihilfenwerber als auch das Kind für das Familienbeihilfe beantragt wird, über den Asylstatus verfügen.

Abweisung der Beschwerde, da Familienbeihilfe erst ab Zuerkennung des Asylstatus zuerkannt wird.

Ladung zur mündlichen Verhandlung

Am wurden die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur mündlichen Verhandlungen für den geladen.

Über Nachfragen des Gerichts, da der Rückschein über die Zustellung an den Bf nicht ordnungsgemäß ausgefüllt war, legte die Österreichische Post AG, Österreichische Post AG, Kundenservice, Team Behördenanfragen am eine Übernahmebestätigung des Bf vom vor.

Mit Schreiben vom wurde die Ladung wie folgt ergänzt:

Es wird darauf hingewiesen, dass der Zutritt zum Gerichtsgebäude gemäß Hausordnung i.V.m. § 9 Abs. 5 2. COVID-19 MV nur unter Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr gemäß § 1 Abs. 2 2. COVID-19 MV ("3 G"-Nachweis) zulässig ist.

Bitte nehmen Sie einen "3-G" Nachweis mit! Das ist ein Nachweis, dass Sie entweder gegen SARS-CoV-2 geimpft sind, oder dass Sie von dieser Krankheit genesen sind, oder einen am Verhandlungstag gültigen Test haben.

Während des Aufenthalts im Gerichtsgebäude ist gemäß Hausordnung i. V. m. § 9 Abs. 5 2. COVID-19 MV eine FFP2-Maske (§ 1 Abs. 1 2. COVID-19 MV) zu tragen und ein Mindestabstand von einem Meter zu anderen Personen einzuhalten.

Ein Informationsblatt über die COVID-19-Schutzmaßnahmen wurde beigefügt.

Am vormittags erkundigte sich die Ehegattin des Bf, ***8*** ***2***, telefonisch bei der Richterin, ob sich das Finanzamt gegen sie bzw. ihren Gatten beschwert habe. Sie hätten alles bezahlt und könnten dafür Belege zeigen. Von der Richterin wurde erklärt, dass es sich um die Beschwerde des Bf gegen das Finanzamt handle und der Bf eine mündliche Verhandlung beantragt habe. Der Gegenstand der Beschwerde wurde kurz besprochen. Die Gattin gab an, sie und der Bf seien gegen SARS-CoV2 geimpft, und erkundigte sich, ob sie bzw. der Gatte zur Verhandlung kommen müssten. Der Gattin wurde mitgeteilt, dass eine Anwesenheit des Bf bei der Verhandlung nicht erforderlich sei, da der Sachverhalt nicht strittig sei und vom Bf bereits umfassende Ausführungen zur Rechtsfrage schriftlich getätigt worden seien. Wenn der Bf noch etwas ergänzen möchte, sollte er kommen. Die Gattin meinte, sie werde noch mit einer Sozialberaterin sprechen, diese werde sich am Nachmittag melden.

Am nachmittags teilte die Schwester der Ehegattin des Bf telefonisch mit, dass sich die Familie beraten habe und niemand zur Verhandlung kommen werde. Die Richterin informierte, dass die Verhandlung dennoch stattfinden werde, da auch in Abwesenheit verhandelt werde. Die Familie könnte gerne kommen, wenn sie noch etwas vorbringen wolle. Die Entscheidung werde schriftlich ergehen.

Mündliche Verhandlung

Zur mündlichen Verhandlung am erschien nur die Vertreterin des Finanzamts. Die Vertreterin des Finanzamts beantragte die Abweisung der Beschwerde, da Familienbeihilfe nicht zustehe, weil § 3 Abs. 3 FLAG 1967 ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Asylgewährung abstelle.

Die Entscheidung blieb der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ***1*** ***2***, seine Gattin ***8*** ***2*** und deren Kinder, der im Jänner 2009 geborene ***5*** ***2*** und der im Jänner 2012 geborene ***6*** ***2*** sind afghanische Staatsbürger.

***1*** ***2*** reiste mit seinem Sohn ***5*** ***2*** im Juli 2013 in das österreichische Bundesgebiet und beantragte am für sich und seinen Sohn Asyl. Im Juni 2014 folgten seine Gattin ***8*** ***2*** mit dem Sohn ***6*** ***2***, sie beantragte für sich und ihren Sohn am Asyl. Auf Grund ihrer Anträge wurde der gesamten Familie mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass den Antragstellern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Nach Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft bezog die Familie des Bf in Wien Mindestsicherung von rund € 1.635. Davor bezog die Familie des Bf jedenfalls Leistungen aus der Grundversorgung.

Mit Schreiben des Finanzamts St. Veit Wolfsberg vom wurde dem Bf mitgeteilt, dass ihm nach Überprüfung seines Anspruches ab August 2014 Familienbeihilfe für die beiden Kinder gewährt werde und er ab August 2014 den Kinderabsetzbetrag erhalte. Die entsprechenden Beträge wurden an den Bf ausbezahlt. Nach der Übersiedlung der Familie nach Wien wurde dem Bf mit Schreiben des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom ebenso mitgeteilt, dass ihm nach Überprüfung seines Anspruches ab August 2014 Familienbeihilfe für die beiden Kinder gewährt werde und er ab August 2014 den Kinderabsetzbetrag erhalte. Der Bf war auf Grund dieser beiden Mitteilungen im guten Glauben, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Recht zu beziehen. Er hat die Zahlungen des Finanzamts von insgesamt € 3.974,80 bis Juni 2015 für seine beiden Kinder verwendet.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und insbesondere das Vorbringen des Bf. Sie sind nicht strittig.

Rechtsgrundlagen

Österreichisches Recht

Die maßgebenden Bestimmungen des FLAG 1967 und des EStG 1988 lauten in der für den Beschwerdezeitraum anzuwendenden Fassung:

Familienlastenausgleichsgesetz

§ 2 FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,

f) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

i) für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

k) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

l) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 zur Einrichtung von "Erasmus+", ABl. Nr. L 347 vom S. 50.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,

b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,

c) deren Stiefkinder,

d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

(4) Die Kosten des Unterhalts umfassen bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

(6) Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind (§ 8 Abs. 2) oder, wenn es sich um ein erheblich behindertes Kind handelt, der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 2 und 4) entspricht.

(7) Unterhaltsleistungen auf Grund eines Ausgedinges gelten als auf Kosten des Unterhaltsleistenden erbracht, wenn der Unterhaltsleistende mit dem Empfänger der Unterhaltsleistungen verwandt oder verschwägert ist; solche Unterhaltsleistungen zählen für den Anspruch auf Familienbeihilfe auch nicht als eigene Einkünfte des Kindes.

(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 2a FLAG 1967 lautet:

§ 2a. (1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.

§ 3 FLAG 1967 lautet:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Wohnsitzfinanzamt automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967 lautet:

§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

§ 26 FLAG 1967 lautet:

§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

(4) Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.

Einkommensteuergesetz

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Art. 1 VO 883/2004 lautet auszugsweise:

Artikel 1

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

...

g) "Flüchtling" eine Person im Sinne des Artikels 1 des am in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge;

...

z) "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.

Art. 3 VO 993/2004 lautet:

Artikel 3

Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a) Leistungen bei Krankheit;

b) Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;

c) Leistungen bei Invalidität;

d) Leistungen bei Alter;

e) Leistungen an Hinterbliebene;

f) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

g) Sterbegeld;

h) Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

i) Vorruhestandsleistungen;

j) Familienleistungen.

(2) Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.

(3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

(4) Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verpflichtungen von Reedern werden jedoch durch Titel III nicht berührt.

(5) Diese Verordnung ist weder auf die soziale und medizinische Fürsorge noch auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen anwendbar.

Art. 70 VO 883/2004 lautet auszugsweise:

Artikel 70

Allgemeine Vorschrift

(1) Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

...

Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen

Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung) lautet auszugsweise:

...

(1) Die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten ist in wesentlichen Punkten zu ändern. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, eine Neufassung dieser Richtlinie vorzunehmen.

...

(8) Um eine unionsweite Gleichbehandlung von Antragstellern sicherzustellen, sollte diese Richtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, in allen Räumlichkeiten und Einrichtungen für die Unterbringung von Antragstellern und so lange, wie sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen, Anwendung finden.

(9) Die Mitgliedstaaten sollten bei der Anwendung dieser Richtlinie bestrebt sein, im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten die uneingeschränkte Achtung der Grundsätze des Kindeswohls und der Einheit der Familie zu gewährleisten.

...

(11) Es sollten Normen für die Aufnahme von Antragstellern festgelegt werden, die diesen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten.

...

(14) Die Umstände für die Aufnahme von Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme sollten ein vorrangiges Anliegen für einzelstaatliche Behörden sein, damit gewährleistet ist, dass bei dieser Aufnahme ihren speziellen Aufnahmebedürfnissen Rechnung getragen wird.

...

(24) Um sicherzustellen, dass die Antragstellern gewährte materielle Unterstützung den in dieser Richtlinie festgeschriebenen Grundsätzen entspricht, müssen die Mitgliedstaaten anhand relevanter Bezugsgrößen den Umfang dieser Unterstützung bestimmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der gewährte Betrag dem für eigene Staatsangehörige entsprechen sollte. Die Mitgliedstaaten können für Antragsteller eine weniger günstige Behandlung als für eigene Staatsangehörige vorsehen, so wie es in dieser Richtlinie präzisiert ist.

(25) Die Möglichkeiten für einen Missbrauch des Aufnahmesystems sollten dadurch beschränkt werden, dass die Umstände festgelegt werden, unter denen die den Antragstellern im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen eingeschränkt oder entzogen werden dürfen, wobei gleichzeitig ein menschenwürdiger Lebenstandard [Lebensstandard] für alle Antragsteller zu gewährleisten ist.

...

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a) "Antrag auf internationalen Schutz" einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 2 Buchstabe h der Richtlinie 2011/95/EU;

b) "Antragsteller", einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde;

c) "Familienangehörige" die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:

- der Ehegatte des Anstragstellers [Antragstellers] oder dessen nicht verheirateter Partner, der mit dem Antragsteller eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare nach dem einzelstaatlichen Ausländerrecht betreffend Drittstaatsangehörige vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare;

- die minderjährigen Kinder des unter dem ersten Gedankenstrich genannten Paares oder des Antragstellers, sofern sie ledig sind, gleichgültig, ob es sich nach dem einzelstaatlichen Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt;

- der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats für den Antragsteller verantwortlich ist, wenn dieser minderjährig und unverheiratet ist;

d) "Minderjähriger" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren;

e) "unbegleiteter Minderjähriger" einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden;

f) "im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährte Vorteile" sämtliche Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Richtlinie zugunsten von Antragstellern treffen;

g) "im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen" Unterkunft, Verpflegung und Kleidung in Form von Sach- oder Geldleistungen oder Gutscheinen oder einer Kombination davon sowie Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs;

h) "Haft" die räumliche Beschränkung eines Antragstellers durch einen Mitgliedstaat auf einen bestimmten Ort, an dem der Antragsteller keine Bewegungsfreiheit hat;

i) "Unterbringungszentrum" jede Einrichtung, die als Sammelunterkunft für Antragsteller dient;

j) "Vertreter" eine Person oder Organisation, die von den zuständigen Behörden zur Unterstützung und Vertretung eines unbegleiteten Minderjährigen in Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie bestellt wurde, um das Kindeswohl zu wahren und für den Minderjährigen, soweit erforderlich, Rechtshandlungen vorzunehmen. Wird eine Organisation zum Vertreter bestellt, so bezeichnet diese eine Person, die gegenüber dem unbegleiteten Minderjährigen die Pflichten der Vertretung im Einklang mit dieser Richtlinie wahrnimmt;

k) "Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme" eine schutzbedürftige Person gemäß Artikel 21, die besondere Garantien benötigt, um die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen zu können.

...

Artikel 4

Günstigere Bestimmungen

Die Mitgliedstaaten können günstigere Bestimmungen für die im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile für Antragsteller und andere enge Familienangehörige des Antragstellers, die sich in demselben Mitgliedstaat aufhalten, wenn sie von ihm abhängig sind oder humanitäre Gründe vorliegen, erlassen oder beibehalten, sofern diese Bestimmungen mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

Artikel 5

Information

(1) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens fünfzehn Tagen nach dem gestellten Antrag auf internationalen Schutz zumindest über die vorgesehenen Leistungen und die Verpflichtungen, die mit den im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile verbunden sind.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Antragsteller Informationen darüber erhalten, welche Organisationen oder Personengruppen einschlägige Rechtsberatung leisten und welche Organisationen ihnen im Zusammenhang mit den im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteilen, einschließlich medizinischer Versorgung, behilflich sein oder sie informieren können.

(2) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die in Absatz 1 genannten Informationen schriftlich und in einer Sprache erteilt werden, die der Antragsteller versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht. Gegebenenfalls können diese Informationen auch mündlich erteilt werden.

...

Artikel 12

Familien

Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Einheit einer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Familie so weit wie möglich zu wahren, wenn den Antragstellern von dem betreffenden Mitgliedstaat Unterkunft gewährt wird. Diese Maßnahmen gelangen mit der Zustimmung der Antragsteller zur Anwendung.

...

Artikel 14

Grundschulerziehung und weiterführende Bildung Minderjähriger

(1) Die Mitgliedstaaten gestatten minderjährigen Kindern von Antragstellern und minderjährigen Antragstellern in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem, solange keine Ausweisungsmaßnahme gegen sie selbst oder ihre Eltern vollstreckt wird. Der Unterricht kann in Unterbringungszentren erfolgen.

Die betreffenden Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Zugang auf das öffentliche Bildungssystem beschränkt bleiben muss.

Die Mitgliedstaaten dürfen eine weiterführende Bildung nicht mit der alleinigen Begründung verweigern, dass die Volljährigkeit erreicht wurde.

(2) Der Zugang zum Bildungssystem darf nicht um mehr als drei Monate, nachdem ein Antrag auf internationalen Schutz von einem Minderjährigen oder in seinem Namen gestellt wurde, verzögert werden.

Bei Bedarf werden Minderjährigen Vorbereitungskurse, einschließlich Sprachkursen, angeboten, um ihnen, wie in Absatz 1 vorgesehen, den Zugang zum und die Teilnahme am Bildungssystem zu erleichtern.

(3) Ist der Zugang zum Bildungssystem nach Absatz 1 aufgrund der spezifischen Situation des Minderjährigen nicht möglich, so bietet der betroffene Mitgliedstaat im Einklang mit seinen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten andere Unterrichtsformen an.

Artikel 15

Beschäftigung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2) Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen.

Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3) Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

...

Artikel 17

Allgemeine Bestimmungen zu materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme und zur medizinischen Versorgung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Antragsteller ab Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Anspruch nehmen können.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass dieser Lebensstandard gewährleistet ist, wenn es sich um schutzbedürftige Personen im Sinne von Artikel 21 und um in Haft befindliche Personen handelt.

(3) Die Mitgliedstaaten können die Gewährung aller oder bestimmter materieller Leistungen sowie die medizinische Versorgung davon abhängig machen, dass die Antragsteller nicht über ausreichende Mittel für einen Lebensstandard verfügen, der ihre Gesundheit und ihren Lebensunterhalt gewährleistet.

(4) Die Mitgliedstaaten können von den Antragstellern verlangen, dass sie für die Kosten der in dieser Richtlinie im Rahmen der Aufnahme vorgesehenen materiellen Leistungen sowie der medizinischen Versorgung gemäß Absatz 3 ganz oder teilweise aufkommen, sofern sie über ausreichende Mittel verfügen, beispielsweise wenn sie über einen angemessenen Zeitraum gearbeitet haben.

Stellt sich heraus, dass ein Antragsteller zum Zeitpunkt der Gewährung der materiellen Leistungen sowie der medizinischen Versorgung über ausreichende Mittel verfügt hat, um diese Grundbedürfnisse zu decken, können die Mitgliedstaaten eine Erstattung von dem Antragsteller verlangen.

(5) Wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können Antragstellern in dieser Hinsicht eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteil werden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende, Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt.

Artikel 18

Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen

(1) Sofern die Unterbringung als Sachleistung erfolgt, sollte eine der folgenden Unterbringungsmöglichkeiten oder eine Kombination davon gewählt werden:

...

Artikel 19

Medizinische Versorgung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst.

(2) Die Mitgliedstaaten gewähren Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung.

KAPITEL III

EINSCHRÄNKUNG ODER ENTZUG DER IM RAHMEN DER AUFNAHME GEWÄHRTEN MATERIELLEN LEISTUNGEN

Artikel 20

Einschränkung oder Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen

(1) Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in begründeten Ausnahmefällen einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller

a) den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort verlässt, ohne diese davon zu unterrichten oder erforderlichenfalls eine Genehmigung erhalten zu haben; oder

b) seinen Melde- und Auskunftspflichten oder Aufforderungen zu persönlichen Anhörungen im Rahmen des Asylverfahrens während einer im einzelstaatlichen Recht festgesetzten angemessenen Frist nicht nachkommt; oder

c) einen Folgeantrag nach Artikel 2 Buchstabe q der Richtlinie 2013/32/EU gestellt hat.

Wird in den unter den Buchstaben a und b genannten Fällen ein Antragsteller aufgespürt oder meldet er sich freiwillig bei der zuständigen Behörde, so ergeht unter Berücksichtigung der Motive des Untertauchens eine ordnungsgemäß begründete Entscheidung über die erneute Gewährung einiger oder aller im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen, die entzogen oder eingeschränkt worden sind.

(2) Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einschränken, wenn sie nachweisen können, dass der Antragsteller ohne berechtigten Grund nicht so bald wie vernünftigerweise möglich nach der Ankunft in dem betreffenden Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

(3) Die Mitgliedstaaten können die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller verschwiegen hat, dass er über Finanzmittel verfügt, und dadurch bei der Aufnahme zu Unrecht in den Genuss von materiellen Leistungen gekommen ist.

(4) Die Mitgliedstaaten können Sanktionen für grobe Verstöße gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren und grob gewalttätiges Verhalten festlegen.

(5) Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen oder über Sanktionen nach den Absätzen 1, 2, 3 und 4 dieses Artikels werden jeweils für den Einzelfall, objektiv und unparteiisch getroffen und begründet. Die Entscheidungen sind aufgrund der besonderen Situation der betreffenden Personen, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 21 genannten Personen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten im Einklang mit Artikel 19 in jedem Fall Zugang zur medizinischen Versorgung und gewährleisten einen würdigen Lebensstandard für alle Antragsteller.

(6) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine Entscheidung nach Maßgabe von Absatz 5 ergeht.

KAPITEL IV

BESTIMMUNGEN FÜR SCHUTZBEDÜRFTIGE PERSONEN

Artikel 21

Allgemeiner Grundsatz

Die Mitgliedstaaten berücksichtigen in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung dieser Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien.

Artikel 22

Beurteilung der besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen bei der Aufnahme

(1) Um Artikel 21 wirksam umzusetzen, beurteilen die Mitgliedstaaten, ob der Antragsteller ein Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme ist. Die Mitgliedstaaten ermitteln ferner, welcher Art diese Bedürfnisse sind.

Diese Beurteilung wird innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang eines Antrags auf internationalen Schutz in die Wege geleitet und kann in die bestehenden einzelstaatlichen Verfahren einbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sorgen nach Maßgabe dieser Richtlinie dafür, dass derartigen besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme auch dann Rechnung getragen wird, wenn sie erst in einer späteren Phase des Asylverfahrens zutage treten.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Unterstützung, die Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme nach dieser Richtlinie gewährt wird, ihren Bedürfnissen während der gesamten Dauer des Asylverfahrens Rechnung trägt und ihre Situation in geeigneter Weise verfolgt wird.

(2) Die in Absatz 1 vorgesehene Beurteilung muss nicht in Form eines Verwaltungsverfahrens erfolgen.

(3) Nur schutzbedürftige Personen nach Maßgabe von Artikel 21 können als Personen mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme betrachtet werden und erhalten dann die in dieser Richtlinie vorgesehene spezifische Unterstützung.

(4) Die in Absatz 1 vorgesehene Beurteilung lässt die Bewertung des Bedarfs an internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU unberührt.

Artikel 23

Minderjährige

(1) Bei der Anwendung der Minderjährige berührenden Bestimmungen der Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten vorrangig das Wohl des Kindes. Die Mitgliedstaaten gewährleisten einen der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung des Kindes angemessenen Lebensstandard.

(2) Bei der Würdigung des Kindeswohls tragen die Mitgliedstaaten insbesondere folgenden Faktoren Rechnung:

a) der Möglichkeit der Familienzusammenführung;

b) dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen unter besonderer Berücksichtigung seines Hintergrunds;

c) Erwägungen der Sicherheit und der Gefahrenabwehr, vor allem wenn es sich bei dem Minderjährigen um ein Opfer des Menschenhandels handeln könnte;

d) den Ansichten des Minderjährigen entsprechend seinem Alter und seiner Reife.

(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Minderjährige Gelegenheit zu Freizeitbeschäftigungen einschließlich altersgerechter Spiel- und Erholungsmöglichkeiten in den Räumlichkeiten und Unterbringungszentren gemäß Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie zu Aktivitäten im Freien erhalten.

(4) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Minderjährige, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben, Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen können und dass im Bedarfsfall eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung angeboten wird.

(5) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass minderjährige Kinder von Antragstellern oder minderjährige Antragsteller zusammen mit ihren Eltern, ihren unverheirateten minderjährigen Geschwistern oder dem Erwachsenen, der nach dem einzelstaatlichen Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich ist, untergebracht werden, sofern es dem Wohl der betreffenden Minderjährigen dient.

...

Artikel 31

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um den Artikeln 1 bis 12, 14 bis 28 und 30 und Anhang I bis spätestens nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie aufgehobene Richtlinie als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten einzelstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

...

Statusrichtlinie

Die Richtlinie RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) lautet auszugsweise:

...

(38) Bei der Gewährung der Ansprüche auf die Leistungen gemäß dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten dem Wohl des Kindes sowie den besonderen Umständen der Abhängigkeit der nahen Angehörigen, die sich bereits in dem Mitgliedstaat aufhalten und die nicht Familienmitglieder der Person sind, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, von dieser Person Rechnung tragen. Unter außergewöhnlichen Umständen, wenn es sich bei dem nahen Angehörigen der Person, die Anspruch auf internationalen Schutz hat, um eine verheiratete minderjährige Person handelt, die nicht von ihrem Ehepartner begleitet wird, kann es als dem Wohl der minderjährigen Person dienlich angesehen werden, wenn diese in ihrer ursprünglichen Familie lebt.

(39) Bei der Berücksichtigung der Forderung des Stockholmer Programms nach Einführung eines einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und abgesehen von den Ausnahmeregelungen, die notwendig und sachlich gerechtfertigt sind, sollten Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen gewährt werden wie Flüchtlingen gemäß dieser Richtlinie.

...

(45) Insbesondere zur Vermeidung sozialer Härtefälle ist es angezeigt, Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Bei der Sozialhilfe sollten die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, durch das nationale Recht bestimmt werden. Die Möglichkeit der Einschränkung der Sozialhilfe auf Kernleistungen ist so zu verstehen, dass zumindest eine Mindesteinkommensunterstützung sowie Unterstützung bei Krankheit oder bei Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasst sind, soweit diese Leistungen nach dem nationalen Recht eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.

...

Artikel 1

Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist es, Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festzulegen.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) "internationaler Schutz" die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben e und g;

b) "Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde" eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft gemäß Buchstabe e oder der subsidiäre Schutzstatus gemäß Buchstabe g zuerkannt wurde;

c) "Genfer Flüchtlingskonvention" das in Genf abgeschlossene Abkommen vom über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das New Yorker Protokoll vom geänderten Fassung;

d) "Flüchtling" einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

e) "Flüchtlingseigenschaft" die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

f) "Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz" einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

g) "subsidiärer Schutzstatus" die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen durch einen Mitgliedstaat als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat;

h) "Antrag auf internationalen Schutz" das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht;

i) "Antragsteller" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist;

j) "Familienangehörige" die folgenden Mitglieder der Familie der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:

- der Ehegatte der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, oder ihr nicht verheirateter Partner, der mit ihr eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare;

- die minderjährigen Kinder des unter dem ersten Gedankenstrich genannten Paares oder der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, sofern diese nicht verheiratet sind, gleichgültig, ob es sich nach dem nationalen Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt;

- der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der nach dem Recht oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats für die Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, verantwortlich ist, wenn diese Person minderjährig und nicht verheiratet ist;

k) "Minderjähriger" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren;

l) "unbegleiteter Minderjähriger" einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden;

m) "Aufenthaltstitel" jede von den Behörden eines Mitgliedstaats erteilte und entsprechend dem Recht dieses Mitgliedstaats ausgestellte Erlaubnis oder Genehmigung, die dem Drittstaatsangehörigen oder dem Staatenlosen den Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gestattet;

n) "Herkunftsland" das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - des früheren gewöhnlichen Aufenthalts.

Artikel 3

Günstigere Normen

Die Mitgliedstaaten können günstigere Normen zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

...

Artikel 13

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und III erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zu.

...

Artikel 13

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und III erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zu.

...

Artikel 20

Allgemeine Bestimmungen

(1) Die Bestimmungen dieses Kapitels berühren nicht die in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Rechte.

(2) Sofern nichts anderes bestimmt wird, gilt dieses Kapitel sowohl für Flüchtlinge als auch für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz.

(3) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen bei der Umsetzung dieses Kapitels die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.

(4) Absatz 3 gilt nur für Personen, die nach einer Einzelprüfung ihrer Situation als Personen mit besonderen Bedürfnissen eingestuft werden.

(5) Bei der Umsetzung der Minderjährige berührenden Bestimmungen dieses Kapitels berücksichtigen die Mitgliedstaaten vorrangig das Wohl des Kindes.

...

Artikel 22

Information

Die Mitgliedstaaten gewähren Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzstatus Zugang zu Informationen über die Rechte und Pflichten in Zusammenhang mit dem Status in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen.

...

Artikel 26

Zugang zur Beschäftigung

(1) Unmittelbar nach Zuerkennung des Schutzes gestatten die Mitgliedstaaten Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die Aufnahme einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften, die für den betreffenden Beruf oder für die öffentliche Verwaltung allgemein gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Maßnahmen wie beschäftigungsbezogene Bildungsangebote für Erwachsene, berufsbildende Maßnahmen, einschließlich Schulungsmaßnahmen zur Weiterqualifizierung, praktische Berufserfahrung am Arbeitsplatz und Beratungsleistungen der Arbeitsverwaltungen zu gleichwertigen Bedingungen wie eigenen Staatsangehörigen angeboten werden.

(3) Die Mitgliedstaaten sind bestrebt, Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, uneingeschränkten Zugang zu den Maßnahmen gemäß Absatz 2 zu erleichtern.

(4) Die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften über das Arbeitsentgelt, den Zugang zu Systemen der sozialen Sicherheit im Rahmen der unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit sowie sonstige Beschäftigungsbedingungen finden Anwendung.

...

Artikel 29

Sozialhilfeleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten.

(2) Abweichend von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

Artikel 30

Medizinische Versorgung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige des diesen Schutz gewährenden Mitgliedstaats Zugang zu medizinischer Versorgung haben.

(2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten unter denselben Voraussetzungen wie Staatsangehörigen des den Schutz gewährenden Mitgliedstaats eine angemessene medizinische Versorgung, einschließlich erforderlichenfalls einer Behandlung psychischer Störungen, von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die besondere Bedürfnisse haben, wie Schwangere, Behinderte, Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, oder Minderjährige, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben.

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Rückzahlung zu Unrecht bezogener Familienleistungen

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe (allenfalls in Form einer Ausgleichszahlung / Differenzzahlung) und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung/ Differenzzahlung), ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ).

Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A.2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ). Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag müssen demjenigen, von dem sie zurückgefordert wird, tatsächlich ausbezahlt worden sein.

Zu prüfen ist, ob der Bf als Asylwerber von August 2014 bis zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigen für ihn, seine Gattin und seine beiden Kinder im Juli 2015 zu Recht Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag von insgesamt € 3.974,80 erhalten hat.

Voraussetzungen nach § 2 FLAG 1967 erfüllt

Entgegen der in der Beschwerdevorentscheidung zum Ausdruck kommenden Auffassung des Finanzamts sind alle maßgeblichen allgemeinen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfebezug im Rückforderungszeitraum einschließlich des Erfordernisses des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (§ 2 Abs. 1 FLAG 1967) und des Lebensmittelpunkterfordernisses (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967) grundsätzlich erfüllt. Für das Bundesfinanzgericht besteht kein Zweifel, dass der Bf mit seiner Flucht seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlagert und in Österreich einen Wohnsitz begründet hat.

Voraussetzungen nach § 3 FLAG 1967 nicht erfüllt

Für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, treten zu den allgemeinen Voraussetzungen nach § 2 FLAG 1967 noch jene des § 3 FLAG 1967 hinzu (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 1).

Fest steht, dass die Voraussetzungen nach §§ 8 oder 9 NAG (Aufenthaltsrecht für Unionsbürger, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger; Ausstellung eines Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige) oder § 54 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) nicht vorgelegen sind. Dem Bf wurde auch nicht der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt. Somit ist § 3 Abs. 4 FLAG 1967 nicht anzuwenden.

§ 3 Abs. 3 FLAG 1967 lautet:

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

Seit dem PensionsharmonisierungsG haben Asylwerber - anders nach der früheren Rechtslage - vor der Zuerkennung des Asyls in Österreich weder selbst einen Anspruch auf Familienbeihilfe noch vermittelt ein asylwerbendes Kind einen derartigen Anspruch, es sei denn, es handelt sich um subsidiär Schutzberechtigte (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 248). Seit dem PensionsharmonisierungsG (ab ) stellt § 3 FLAG 1967 seinem klaren Wortlaut nach für die Anspruchsvoraussetzungen der Familienbeihilfe darauf ab, ob tatsächlich bereits Asyl gewährt worden ist ( ; , 2006/15/0346; , 2008/15/0134; , 2008/15/0177; , 2008/15/0309; , 2007/15/0162), dh der Status als Asylberechtigter zuerkannt wurde (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 248).

Der Bf war unstrittig im Rückforderungszeitraum (noch) nicht anerkannter Asylwerber.

Anwendungsvorrang des Unionsrechts

Der Bf bringt zu Recht vor, dass das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen ist und im Fall eines durch Auslegung nicht auflösbaren Widerspruchs zum Unionsrecht das nationale Recht, soweit es dem Unionsrecht widerspricht, bei Berufung der Partei auf eine nicht oder nicht gehörig umgesetzte Richtlinie der Union nicht anzuwenden ist, sondern das Unionsrecht vorgeht. Entscheidend ist daher, ob der Bf mit seiner Ansicht, das Unionsrecht verlange die Gewährung von Familienleistungen auch an Asylwerber, im Recht ist.

Dies trifft im gegenständlichen Fall nicht zu.

Familienleistungen sind keine Leistungen der Sozialfürsorge

Weiters bringt der Bf zu Recht vor, dass die Begriffe der Familienleistungen und der Sozialfürsorge (Sozialhilfe, Mindestsicherung) als Begriffe des Unionsrechts nach Unionsrecht auszulegen sind.

Das Unionsrecht unterscheidet zwischen Leistungen der sozialen Sicherheit, zu denen auch Familienleistungen gehören, und Leistungen der Sozialhilfe (vgl. etwa Art. 3 VO 883/2004, Art. 70 VO 883/2004).

In seinem Erkenntnis , INPS hat der Gerichtshof der Europäischen Union seine Judikatur zu Familienleistungen zusammengefasst:

52 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 erfasst sind, und solchen, die von ihm ausgeschlossen sind, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird (Urteile vom , Martinez Silva, C 449/16, EU:C:2017:485, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C 802/18, EU:C:2020:269, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53 Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine Leistung dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden kann, wenn sie den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird und sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (Urteile vom , Martinez Silva, C 449/16, EU:C:2017:485, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C 802/18, EU:C:2020:269, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54 Was die erste, in der vorstehenden Randnummer genannte Voraussetzung betrifft, hat der Gerichtshof daher entschieden, dass Leistungen, die unabhängig von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit ohne Weiteres solchen Familien gewährt werden, die bestimmte objektive Kriterien insbesondere hinsichtlich ihrer Größe, ihres Einkommens und ihrer Kapitalrücklagen erfüllen, und die dem Ausgleich von Familienlasten dienen, als Leistungen der sozialen Sicherheit anzusehen sind (Urteile vom , Martinez Silva, C 449/16, EU:C:2017:485, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C 802/18, EU:C:2020:269, Rn. 37).

55 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Zusammenhang mit dieser Voraussetzung zu Leistungen, die gewährt oder verweigert werden oder deren Betrag unter Berücksichtigung der Höhe der Einkünfte des Empfängers berechnet wird, entschieden hat, dass die Gewährung dieser Leistungen nicht von der individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängt, wenn es sich um ein objektives und gesetzlich festgelegtes Kriterium handelt, dessen Vorliegen den Anspruch auf diese Leistung eröffnet, ohne dass die zuständige Behörde sonstige persönliche Verhältnisse berücksichtigen kann (Urteil vom , Caisse d'assurance retraite et de la santé au travail d'Alsace-Moselle, C 769/18, EU:C:2020:203, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56 Darüber hinaus hat der Gerichtshof klargestellt, dass nur dann davon ausgegangen werden kann, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn sich der Ermessenscharakter der Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit des Empfängers einer Leistung durch die zuständige Behörde vor allem auf die Eröffnung des Anspruchs auf diese Leistung bezieht. Diese Erwägungen gelten entsprechend für den individuellen Charakter der Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit des Empfängers einer Leistung durch die zuständige Behörde (Urteil vom , Caisse d'assurance retraite et de la santé au travail d'Alsace-Moselle, C 769/18, EU:C:2020:203, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57 Zu der Frage, ob eine bestimmte Leistung unter Familienleistungen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 fällt, ist festzustellen, dass nach Art. 1 Buchst. z dieser Verordnung der Ausdruck "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I dieser Verordnung, bezeichnet. Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Ausdruck "Ausgleich von Familienlasten" dahin auszulegen ist, dass er u. a. einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfassen soll, der die Kosten für den Unterhalt von Kindern verringert (Urteil vom , Caisse pour l'avenir des enfants [Kind des Ehegatten eines Grenzgängers], C 802/18, EU:C:2020:269, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im "Gamlitzer Kommentar" (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 273) wird zur Unterscheidung zwischen Familienleistungen und Sozialleistungen ausgeführt:

Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind Familienleistungen iSd Art 1 Buchst z VO (EWG) 883/2004 und als solche "Sozialleistungen" ("Leistungen der sozialen Sicherheit"). "Familienleistungen" sind aber von Leistungen der "Sozialhilfe" ("soziale oder medizinische Fürsorge", Art 3 Abs 5 VO (EWG) 883/2004) zu unterscheiden (vgl C-308/14, Kommission gg Vereinigtes Königreich). Die FB stellt keine Sozialhilfe im unionsrechtlichen Sinn dar (vgl 2011/16/0065). Die Statusrichtlinie garantiert die notwendige Sozialhilfe. Diese ist mit der Grundversorgung gegeben ( 2011/16/0065, mwN; , 2011/16/0069). Aus Art 29 Abs 2 RL 2011/95/EU ist für subsidiär Schutzberechtigte kein unionsrechtlicher Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ableitbar ( RV/7104898/2015).

Das Bundesfinanzgericht hat dazu in seinem Erkenntnis unter anderem ausgeführt:

Der Begriff der "Sozialhilfe" ist ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht anhand von Begriffen des nationalen Rechts ausgelegt werden kann. In Anbetracht insbesondere der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Handhabung der Sozialhilfe ist dieser Begriff dahin zu verstehen, dass damit eine Sozialhilfe gemeint ist, die von öffentlichen Behörden auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene gewährt wird und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, wenn er nicht über feste und regelmäßige Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie verfügt (vgl. C-578/08, Chakroun, ECLI:EU:C:2010:117, Rn. 46).

Im Rahmen des Kapitels VII der RL 2004/83/EG betreffend den "Inhalt des internationalen Schutzes" bestimmt der Unionsgesetzgeber, dass die Zuerkennung internationalen Schutzes, gleich ob es sich um den Flüchtlingsstatus oder den subsidiären Schutzstatus handelt, von den Mitgliedstaaten verlangt, dem Betroffenen die gleiche Sozialhilfe und den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Gleichwohl können die Mitgliedstaaten eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Status vornehmen, da es ihnen nach diesen Bestimmungen gestattet ist, die Sozialhilfe für Personen mit subsidiärem Schutzstatus auf Kernleistungen zu beschränken (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom in der Rechtssache C-542/13, Mohamed M'Bodj, ECLI:EU:C:2014:2113).

"Familienleistungen" sind von Leistungen der "Sozialhilfe" zu unterscheiden (siehe etwa die Darstellung der Rechtsentwicklung der RL 1408/71/EG in den Schlussanträgen der Generalanwältin Juliane Kokott vom in der Rechtssache C-299/05, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, ECLI:EU:C:2007:260). So sind Familienleistungen in der Union grundsätzlich "exportierbar", Sozialhilfeleistungen nicht.

Eine Leistung kann nur dann der Sozialhilfe zugerechnet werden, wenn ihre Gewährung von der finanziellen Bedürftigkeit abhängt (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom in der Rechtssache C-299/05, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, ECLI:EU:C:2007:260 sowie Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom in der Rechtssache C-286/03, Silvia Hosse, ECLI:EU:C:2005:621).

Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind Familienleistungen. Sie stehen nach österreichischem Recht unabhängig von der finanziellen Bedürftigkeit zu. Sie sind daher weder Sozialleistungen noch Leistungen, die auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen (vgl. nochmals (vgl. RV/7104906/2014, ECLI:AT:BFG:2015:RV.7104906.2014).

Gewährung von Familienleistungen unionsrechtlich nicht geboten

Die RL 2013/33/EU, auf die sich der Bf beruft, spricht in Art. 17 allgemein davon, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, "dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit von Antragstellern gewährleistet" und "dass dieser Lebensstandard gewährleistet ist, wenn es sich um schutzbedürftige Personen im Sinne von Artikel 21", zu denen unter anderen Minderjährige gehören, handelt.

Wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen gewähren, bemisst sich deren Umfang auf Grundlage des Leistungsniveaus, das der betreffende Mitgliedstaat nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach den Gepflogenheiten anwendet, um eigenen Staatsangehörigen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können Antragstellern in dieser Hinsicht eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteil werden lassen, insbesondere wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird oder wenn das, auf eigene Staatsangehörige anzuwendende, Leistungsniveau darauf abzielt, einen Lebensstandard zu gewährleisten, der über dem nach dieser Richtlinie für Antragsteller vorgeschriebenen Lebensstandard liegt. (Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU).

Unter der Gewährleistung des "angemessenen Lebensstandard" i.S.v. RL 2013/33/EU ist, wie sich aus Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU ergibt, jener Lebensstandard zu verstehen, den die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen im Wege der sozialen und medizinischen Fürsorge, also der Sozialhilfe, sicherstellen. Andere staatliche Leistungen fallen nicht darunter.

Wie sich etwa aus Art. 15 RL 2013/33/EU (Beschäftigung) oder Art. 19 RL 2013/33/EU (Medizinische Versorgung) ergibt, ist unionsrechtlich das Mindestleitungsniveau für Personen, die internationalen Schutz suchen, niedriger als das durch die Statusrichtlinie RL 2011/95/EU unionsrechtlich vorgegebene Mindestleistungsniveau für Personen, die internationalen Schutz erhalten (etwa Art. 26 RL 2011/95/EU, Zugang zur Beschäftigung, oder Art. 30 RL2011/95/EU, Medizinische Versorgung), wobei die Statusrichtlinie hinsichtlich des Mindestleistungsniveaus auch zwischen Flüchtlingen und Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz unterscheidet.

Nach der Statusrichtlinie besteht für Personen, die internationalen Schutz erhalten haben, kein Anspruch auf Familienleistungen. Zur Sozialhilfe wird in Art. 29 RL 2011/95/EU ausgeführt:

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten.

(2) Abweichend von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

Wenn unionsrechtlich nach RL 2011/95/EU die Gewährung von Familienleistungen an Personen, denen internationaler Schutz zu gewähren ist (Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte), nicht geboten ist, kann sich unionsrechtlich aus der RL 2013/33/EU für Personen, die internationalen Schutz suchen, bei denen aber noch nicht feststeht, ob ihnen internationaler Schutz zu gewähren ist (Asylwerber) nicht ein höheres Leistungsniveau als für bereits anerkannte Flüchtlinge ergeben. Ebenso wie anerkannten Flüchtlingen steht Asylwerbern unionsrechtlich kein Anspruch auf Familienleistungen zu.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern BGBl. I Nr. 4/2011 in das österreichische Recht umgesetzt. Auch wenn bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss, führt dies nicht dazu, dass das Kindeswohl (auch i.S.v. Art. 23 RL 2013/33/EU) die Gesetzesbindung der Verwaltung nach Art. 18 Abs. 1 B-VG aufhebt. Das Kindeswohl kann nur dort maßgebend sein, wo ein entsprechender Entscheidungsspielraum der Verwaltung besteht, der hier nicht gegeben ist (vgl. ).

Das österreichische Recht gewährt über die unionsrechtliche Verpflichtung hinaus anerkannten Flüchtlingen ab der Anerkennung und unter bestimmten Voraussetzungen auch subsidiär Schutzberechtigen Familienleistungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass nach der geltenden Rechtslage auch Asylwerbern vor Entscheidung über deren Status Familienleistungen zu gewähren sind.

Es ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, dass für alle Asylwerber, anders als nach der bisherigen Rechtslage, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen soll, da für die Dauer des Asylverfahrens eine Grundversorgung sichergestellt ist und für die Bedürfnisse der Asylwerber und deren Familienangehörigen aus Mitteln der öffentlichen Hand gesorgt wird (Stenografisches Protokoll Nationalrat, XXII. GP, , 87. Sitzung Seiten 73, 164).

Dem Bf stand daher im Rückforderungszeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für seine beiden Söhne nicht zu.

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG), die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Nichtzulassung der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt den dargestellten Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Daher ist eine Revision nicht zuzulassen. Es war auch keine Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich, da an der mit dieser Entscheidung vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs kein vernünftiger Zweifel i.S.v. 283/81, C.I.L.F.I.T. besteht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 3 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 3 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 33 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 AsylG 2005, Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005
Art. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 70 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
RL 2011/95/EU, ABl. Nr. L 337 vom S. 9
§ 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU, ABl. Nr. L 180 vom S. 96
Art. 29 RL 2011/95/EU, ABl. Nr. L 337 vom S. 9
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7106286.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at