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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2021, RV/1100112/2019

Anwendbarkeit von § 15 Abs 3 GebG bei Vorbehalt eines Fruchtgenussrechtes bei der Schenkung eines Grundstückes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Armin Treichl, die Richterin Mag. Natascha Gassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Tino Ricker und Mag. Eva-Maria Düringer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebühren 2018 am in Anwesenheit der Schriftführerin Mag. Anna Maria Peschl zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Übergabs- und Schenkungsvertrag vom hat die Beschwerdeführerin 1/2 Anteil an der EZ ***1*** sowie 1/2 Anteil an der EZ ***2***, jeweils KG ***3***, unter Zurückbehaltung und Begründung samt grundbücherlicher Einverleibungsbewilligung eines Fruchtgenussrechtes, an ihren Sohn übertragen. Die GrESt wurde unter ERFNR ***4*** selbstberechnet.

Punkt Drittens dieses Vertrages lautet:

"[Die Beschwerdeführerin] behält sich nachstehende Rechte am Schenkungsgegenstand vor:

a) das lebenslängliche und soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, unentgeltliche Fruchtgenussrecht.

Für die Ausübung des Fruchtgenussrechtes gelten die Bestimmungen der §§ 509 ff (Paragraf fünfhundertneun fortfolgende) des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. [Der Beschwerdeführerin] steht demnach die volle Nutzung des Vertragsgegenstandes unter Schonung der Substanz zu, sie hat das Recht, auf den im Rahmen der ordentlichen Wirtschaftsführung gezogenen vollen Ertrag des belasteten Anteiles einschließlich des Zubehörs und des Zuwachses.

Die Fruchtgenussberechtigte trägt die ob dem Vertragsgegenstand anfallenden Bewirtschaftungskosten, insbesondere Strom, Beheizung sowie Betriebskosten und sonstige öffentliche Abgaben im Sinne des Mietrechtsgesetzes, insbesondere auch die Kosten der angemessenen Versicherungsdeckung der Vertragsliegenschaft im bisherigen Umfang sowie sämtliche öffentlich-rechtlichen Schuldigkeiten und sämtliche den Vertragsgegenstand betreffenden ***6***, Gebühren und Abgaben.

[Die Beschwerdeführerin] übernimmt, entsprechend den Bestimmungen der §§ 512 und 513 ABGB (Paragraphen fünfhundertzwölf und fünfhundertdreizehn Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), nach Maßgabe der erzielten Erträge die auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erhaltungs- und Instandhaltungskosten.

Magister ***5******6*** stimmt einer für die Finanzierung von Instandhaltungen und Investitionen an der Vertragsliegenschaft erforderlichen Darlehens- oder Kreditaufnahme und der entsprechenden pfandrechtlichen Sicherstellung im Grundbuch der Vertragsliegenschaften zu und verpflichtet sich die hiezu erforderlichen Urkunden auch in grundbuchfähiger Form zu unterfertigen.

[Die Beschwerdeführerin] hat bei der ***7***Bank im Jahre 2004 (zweitausendvier) im Zusammenhang mit dem Erwerb der Vertragsliegenschaft einen Kredit in Anspruch genommen. [Die Beschwerdeführerin] übernimmt, auf die Dauer des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes, weiterhin die alleinige Rückzahlung des Kredites, sowohl an Kapital als auch an Zinsen. Für den Fall des Erlöschens des Fruchtgenussrechtes übernimmt Magister ***5******6*** eine Hälfte des zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Kreditbetrages in seine weitere RückzahIungsverpflichtung. [Die Beschwerdeführerin] ist berechtigt jederzeit auf das vorbehaltene Fruchtgenussrecht zu verzichten.

b) das Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364 c (Paragraf dreihundertvierundsechzig c) des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ­

Die Vertragsparteien vereinbaren die grundbücherliche Sicherstellung des Fruchtnießungsrechtes als Dienstbarkeit sowie des Belastungs- und Veräußerungsverbotes ob dem Vertragsgegenstand, [die Beschwerdeführerin] nimmt die grundbücherlichen Sicherstellungen hiermit an."

Die Ergänzung zum Schenkungsvertrag vom hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Die Ausübung des im Schenkungsvertrag vom vereinbarten Fruchtgenussrechtes ist unentgeltlich. Vereinbart wird jedoch die Verpflichtung der [Beschwerdeführerin] als Inhaberin des Fruchtgenussrechtes, an den Geschenknehmer eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe der für den Hälfteanteil des Gebäudes nach Maßgabe der steuerlichen Vorschriften geltend zu machenden Absetzung für Abnutzung zu leisten. Diese wurde mit 3.062,50 € festgestellt. Diese vorliegende schriftliche Vereinbarung gilt erstmals für das Kalenderjahr 2018 und wird auf unbestimmte Zeit bis auf Widerruf abgeschlossen.

Vorangegangene Vereinbarungen werden hiermit aufgehoben.

Änderungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.

Diese Zahlung hat jährlich bis spätestens 31.12. (einlangend) auf das vom Geschenknehmer benannte Bankkonto zu erfolgen."

Für diese Vereinbarung wurde ein Formular Geb 1 zur Selbstberechnung als Bestandvertragsgebühr, dort mit 1% gem. TP 5 vom dreifachen Jahreswert der Afa-Abgeltung berechnet, beim FAGVG vorgelegt. Eine Einzahlung dazu ist nicht erfolgt.

Dies wurde als Gebührenanzeige gem. § 31 GebG gewertet.

Mit Bescheid vom wurde für diese Vereinbarung eine Gebühr gem. § 33 TP 9 GebG in Höhe von 551,25 €, das sind 2 vH von 27.562,50 € festgesetzt.

Mit Schreiben vom wurde vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin ein Antrag gem. § 245 Abs 2 BAO auf Mitteilung der fehlenden Bescheidbegründung und ein Antrag gem. § 245 Abs 3 BAO auf Verlängerung der Beschwerdefrist gestellt. Die Bescheidbegründung wurde am versendet.

In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

1. Sachverhalt

Mit Übergabs- und Schenkungsvertrag vom habe ich einen Hälfteanteil an der EZ ***1***, sowie einen Drittelanteil an der EZ ***2***, jeweils KG ***3*** unter Zurückbehaltung des Fruchtgenusses an meinen Sohn, ***5******6***, zugewendet.

Der Vollständigkeit halber wurden im Vertrag die gesetzlich normierten Pflichten des Fruchtnießers gem. §§ 509ff ABGB (insbesondere §§ 512 und 513 ABGB) aufgezählt. Es ist festzuhalten, dass das übertragene Grundstück lastenfrei war. Der Fruchtgenuss wurde unentgeltlich eingeräumt.

Die Einräumung des Fruchtgenussrechts ist nicht an Bedingungen geknüpft, der Fruchtgenuss kann vom Fruchtsgenussbesteller (Grundeigentümer) nicht einseitig aufgekündigt werden.

Mit Ergänzung zum Schenkungsvertrag vom wurde eine Abgeltung für Substanzverbrauch in Höhe der gesetzlichen AfA vereinbart. Die Abgeltung beträgt EUR 3.062,50. Diese Vereinbarung gilt für unbestimmte Zeit.

Es wurde am durch die ***8*** Wirtschaftsprüfungs GmbH eine Bestandvertragsgebühr unter Beilage des Formulars Geb 1 und einer Kopie des Bestandsvertrags (Ergänzung zum Schenkungsvertrag vom ) angezeigt.

Die Sachbearbeiterin des Finanzamts hat den Steuerberater telefonisch kontaktiert und ihn darauf hingewiesen, dass keine Selbstberechnung durch den steuerlichen Vertreter erfolgen kann. Weiters hat sie den Schenkungsvertrag vom angefordert.

Eine Selbstberechnung eines Bestandsvertrags durch den steuerlichen Vertreter ist verfahrensrechtlich nicht vorgesehen. Der steuerliche Vertreter hat diesfalls lediglich die Anzeigepflicht wahrgenommen. Die Behörde hat den gebührenpflichtigen Vorgang mittels Bescheid zu erledigen.

Die Frage warum der Schenkungsvertrag vom für die Abgabenbehörde relevant sei, da dieser ordnungsgemäß vergebührt bzw. die GrESt ordnungsgemäß vom Notar selbstberechnet wurde, wurde von der Sachbearbeiterin mit der Auskunft begründet, dass sie ihren Akt vervollständigen möchte.

Mit Gebührenbescheid vom wurde eine Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG (Dienstbarkeitsgebühr) iHv EUR 551,25 (2% vom 9-fachen Jahreswert von EUR 3.062,50) festgesetzt. Eine inhaltliche Begründung enthielt dieser Bescheid nicht.

Mit Antrag vom wurde gemäß § 245 Abs 2 BAO eine Begründung begehrt. In diesem Antrag habe ich meine Rechtsansicht kundgetan, sowie in eventu auf die korrekte Bemessungsgrundlage hingewiesen.

2. Rechtliche Würdigung

Der Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemand der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird.

Ich habe meinem Sohn die Hälfte der Liegenschaft in ***3*** durch Schenkung im Jahr 2014 unter Zurückbehaltung des Fruchtgenusses übertragen. Die Einräumung des Fruchtgenusses erfolgte unentgeltlich, d.h. ohne Gegenleistung. § 33 TP 9 GebG fordert die Entgeltlichkeit der eingeräumten Dienstbarkeit. Aufwendungen, die der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsmäßigen Gebrauches dienen und die der Fruchtgenussberechtigte (nur) auf Grund vertraglicher Verpflichtungen zu tragen hat, um in den Genuss des Fruchtgenussrechtes zu kommen, stellen die Gegenleistung für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes dar (vgl. ).

Gemäß § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter anderem unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen. Die bloße Einräumung des Fruchtgenussrechtes - als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückes - fällt unter das GrEStG 1987. Bedingt die Einräumung des Fruchtgenusses eine weitere Gegenleistung, unterliegt diese Gegenleistung als bedungenes Entgelt der Gebühr (vgl. Info des BMF-010206/0094-IV/9/2017; Abschnitt 1.6.)

Die Einräumung des Fruchtgenusses im Jahr 2014 erfolgte nicht unter der Bedingung der Leistung einer Abgeltung für den Substanzverbrauch. Der Erwerb des Titels an dem Fruchtgenussrecht war bzw. ist nicht an ein Entgelt geknüpft. Die vom Finanzamt behauptete Gegenleistungen (Leistung der Betriebskosten, Steuern, Gebühren und Abgaben, sowie Erhaltungs- und Instandhaltungskosten, Rückzahlung von Darlehen [Das Darlehen ist weder eine Last auf dem Grundstück, noch ging zu irgendeinem Zeitpunkt eine Verpflichtung auf meinen Sohn über.]), stellen lediglich die gesetzlich aufgelegten Pflichten des Fruchtnießers gem. §§ 409ff ABGB (insbes. §§ 412 und 413 ABGB) dar und können daher keine Gegenleistung darstellen (Fruchtgenuss ist Saldogröße). Gegenleistung kann nur etwas sein, das ein Erwerber gegenüber dem Verkäufer, allenfalls gegenüber einen Dritten aufwendet.

Beim Fruchtgenuss fallen dem Fruchtgenussberechtigten die Erträgnisse (Einnahmen abzüglich Ausgaben) zu. Der Fruchtgenuss ist daher eine Saldogröße. Der Fruchtgenussbelastete muss die Substanzabnutzung (im Ausmaß eines schonenden Gebrauchs) dulden.

Es besteht kein Zusammenhang zwischen Einräumung des Titels für den Fruchtgenuss und der späteren Vereinbarung einer Substanzabgeltung, die andere Motive hat.

Lediglich die rechtsgeschäftliche Einräumung des Titels zum entgeltlichen Erwerb einer Dienstbarkeit unterliegt der Gebühr. Nur entgeltlich eingeräumte Dienstbarkeiten sind gebührenpflichtig (Lehner/Schaffer in Bergmann/Pinetz (Hrsg), GebG, § 33 TP 9, Rz 12f).

Entgelt ist grundsätzlich alles, was der Dienstbarkeitsberechtigte aufwenden muss, um in den Genuss der Sache zu kommen (Lehner/Schaffer, Rz 35).

Die Einräumung des Titels an der Dienstbarkeit gegen Entgelt ist Grundvoraussetzung für die Gebührenpflicht (vgl. Arnold, GebG, § 26 Rz 15 bzw. selbiger § 33 TP 9 Rz 1). Aus meiner Sicht unstrittig erfolgte die Einräumung des Fruchtgenussrechts mit Schenkungsvertrag 2014 unentgeltlich.

Gebührenrechtlich ist ein Zusatz (Nachtrag) nur dann von Bedeutung, wenn die in der Urkunde beurkundenden Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert werden oder wenn die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäfts verlängert wird (Arnold, GebG § 21 Rz 1). Dies erfolgte mit der zur Anzeige gebrachten Urkunde aus 2018 jedoch nicht. Der Fruchtgenuss war bereits seit langem geschriebenes Recht und zudem auch schon grundbücherlich erfasst. Die Vereinbarung einer Substanzabgeltung erfolgte aus anderen Motiven, als denen der Einräumung des Fruchtgenussrechts. Auch bestand kein Widerrufsrecht oder andere rechtliche Möglichkeiten mit denen eine entsprechende Abgeltung durchgesetzt werden hätten können.

Zusammenfassend liegen die Voraussetzungen der § 33 TP 9 GebG, Einräumung einer Dienstbarkeit - gegen Entgelt, nicht kumulativ vor, sodass kein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft iSd § 33 TP 9 GebG verwirklicht wurde.

Wiewohl ich nicht von einem Rechtsgeschäft gemäß § 33 TP 9 GebG ausgehe, weise ich auf die Berechnung des bedungenen Werts gemäß § 15 Abs 2 BewG unter Berücksichtigung meines Alters und gemäß § 16 BewG hin und verweise nochmals auf die Berechnung gemäß § 16 BewG, die mit Eingabe vom bereits beigelegt habe.

Aufgrund der oben angeführten Gründe beantrage ich die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Weiters beantrage ich eine Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 BAO, wobei ich im Falle einer vollinhaltlichen Stattgabe der Beschwerde anbiete, den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückzuziehen.

Weiters beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 BAO.

Sofern die Behörde meine Beschwerde gänzlich abweisen würde, beantrage ich gemäß § 262 BAO von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen und die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen."

Der Beschwerde wurde vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel mittels Beschwerdevorentscheidung vom teilweise stattgegeben und die Gebühr mit 460,02 €, das sind 2 vH von 23.000,76 € vorgeschrieben. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:

"Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Gemäß § 262 Abs 2 lit a BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird.

Anträge auf Beschwerdevorlage sind Prozesshandlungen. Werden diese Anträge ausschließlich für den Fall des Eintretens von bestimmten Ereignissen gestellt (wie im vorliegenden Fall, Beschwerdevorlage bei gänzlicher Abweisung der Beschwerde durch das FAGVG), sind sie bedingte Prozesshandlungen. Bedingte Prozesshandlungen sind nicht zulässig, wenn die Prozesshandlungen einen unmittelbaren Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens haben können.

Ein den Prozessablauf gestaltender Antrag, der nur dann als gestellt gelten soll, wenn die über die Berufung entscheidende Behörde nicht zu einer bestimmten Rechtsmeinung gelangt, ist nicht zulässig und ist über die Beschwerde daher mittels BVE abzusprechen.

Als wesentlicher Bestandteil des Gebührenrechtes ist im § 17 Abs 1 GebG bestimmt, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist. Das Rechtsgeschäft unterliegt so, wie es beurkundet ist, der Gebühr.

Aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhalts ergibt sich auch die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäfts, zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben (, vom , 81/15/0005-81/15/0009, vom , 2001/16/0312, und vom , Ro 2016/16/0011).

Die entgeltliche Überlassung der Nutzung einer Liegenschaft unterliegt als Überlassung des Fruchtgenussrechtes der Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG . § 33 TP 9 GebG fordert die Entgeltlichkeit der eingeräumten Dienstbarkeit. Aufwendungen, die der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs dienen und die der Fruchtgenussberechtigte auf Grund vertraglicher Verpflichtung zu tragen hat, um in den Genuss des Fruchtgenussrechtes zu kommen, stellen die Gegenleistung für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes das (vgl ). Bemessungsgrundlage der Gebühr ist somit der Wert des bedungenen Entgeltes.

Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits bestehenden Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert - z.B. durch die Vereinbarung zusätzlicher Leistungen - oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung als selbstständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig (§ 21 GebG).

Mit Übergabe- und Schenkungsvertrag vom hat die Beschwerdeführerin einen Hälfteanteil an der Liegenschaft in der EZ ***1***, sowie einen Drittelanteil an der EZ ***2***, jeweils KG ***3***, an ihren Sohn übergeben. Als Gegenleistung hat sich die Beschwerdeführerin das Fruchtgenussrecht an diesen Liegenschaftsanteilen Vorbehalten. Sie verpflichtete sich im Gegenzug dafür, alle das Vertragsobjekt betreffenden, Betriebskosten, Steuern, Gebühren und Abgaben, sowie die Erhaltungs- und Instandhaltungskosten und die alleinige Rückzahlung des Kredites bei der ***7***Bank zu tragen. Diese Leistungen stellen das Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes dar.

Mit Ergänzung vom zum oa Übergabe- und Schenkungsvertrag wird zusätzlich zu diesem Entgelt noch eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe der für das Gebäude geltend zu machenden AfA vereinbart. Diese wird mit € 3.062,50 festgestellt und ist erstmals für das Kalenderjahr 2018 zu leisten. Als Dauer wird unbestimmte Zeit vereinbart. Bei der Ergänzung vom handelt es sich gebührenrechtlich um einen Nachtrag im Sinne des § 21 GebG, da eine Erhöhung des für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes im Vertrag vom vereinbarten Entgeltes vereinbart wurde.

Die Ergänzung zum Schenkungsvertrag unterliegt als selbstständiges Rechtegeschäft der Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG und konnte Ihrem Beschwerdebegehren diesbezüglich nicht entsprochen werden.

Im Hinblick auf die Höhe der Bemessungsgrundlage wird der Beschwerde stattgegeben und die Gebühr entsprechend den Bestimmungen der § 15 (2) und 16 Abs 1 BewG mit 2% von € 23.000,76 festgesetzt."

Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

"Ein kausaler Zusammenhang zwischen Einräumung des Fruchtgenussrechts und Vereinbarung einer Substanzabgeltung wird in Abrede gestellt. Ebenso kann nicht, im Gegensatz zum Vorbringen der Behörde, von einer entgeltlichen Einräumung des Fruchtgenussrechts durch Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Fruchtnießers ausgegangen werden. Auf die Bescheidbeschwerde vom wird verwiesen."

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Mit Übergabs- und Schenkungsvertrag vom hat die Beschwerdeführerin 1/2 Anteil an der EZ ***1*** sowie 1/2 Anteil an der EZ ***2***, jeweils KG ***3***, unter Zurückbehaltung und Begründung samt grundbücherlicher Einverleibungsbewilligung eines Fruchtgenussrechtes, an Ihren Sohn übertragen.

Die Fruchtgenussberechtigte trägt die ob dem Vertragsgegenstand anfallenden Bewirtschaftungskosten, insbesondere Strom, Beheizung sowie Betriebskosten und sonstige öffentliche Abgaben im Sinne des Mietrechtsgesetzes, insbesondere auch die Kosten der angemessenen Versicherungsdeckung der Vertragsliegenschaft im bisherigen Umfang sowie sämtliche öffentlich-rechtlichen Schuldigkeiten und sämtliche den Vertragsgegenstand betreffenden Steuern, Gebühren und Abgaben.

Die Beschwerdeführerin übernimmt, entsprechend den Bestimmungen der §§ 512 und 513 ABGB (Paragraphen fünfhundertzwölf und fünfhundertdreizehn Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), nach Maßgabe der erzielten Erträge die auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erhaltungs- und Instandhaltungskosten.

Die Beschwerdeführerin hat bei der ***7***Bank im Jahre 2004 (zweitausendvier) im Zusammenhang mit dem Erwerb der Vertragsliegenschaft einen Kredit in Anspruch genommen. Die Beschwerdeführerin übernimmt, auf die Dauer des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes, weiterhin die alleinige Rückzahlung des Kredites, sowohl an Kapital als auch an Zinsen. Für den Fall des Erlöschens des Fruchtgenussrechtes übernimmt Magister ***5*** ***6*** eine Hälfte des zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Kreditbetrages in seine weitere RückzahIungsverpflichtung.

In der Ergänzung zum Schenkungsvertrag vom wurde vereinbart, dass die Beschwerdeführerin als Fruchtgenussberechtigte dem Eigentümer eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe der für den Hälfteanteil des Gebäudes nach Maßgabe der steuerlichen Vorschriften geltend zu machenden Absetzung für Abnutzung in Höhe von 3.062,50 € jährlich bis spätestens 31.12. jeden Jahres zu leisten hat.

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt geht aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden hervor und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Dieser unstrittige Sachverhalt wird vom Bundesfinanzgericht rechtlich folgendermaßen beurteilt:

Im gegenständlichen Fall wurden im Übergabs- und Schenkungsvertrag vom zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen. Einerseits die Übertragung der Liegenschaften gegen Einräumung eines Fruchtgenussrechtes, bei der es sich um einen Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG handelt, andererseits um die den Tatbestand des § 33 TP 9 GebG erfüllende Einräumung einer Dienstbarkeit gegen Bezahlung eines vereinbarten Entgeltes (=Tragung der Betriebskosten einschließlich Versicherung, Tragung der Erhaltungs- und Instandhaltungskosten und Rückzahlung der aushaftenden Kreditraten während des Bestandes des Fruchtgenussrechtes).

Bei einem Kauf sind gemäß § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen der Gegenleistung zuzurechnen (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Bd. II, Grunderwerbsteuer Rz 105 zu § 5 GrEStG). Der Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der geschenkten Liegenschaft ist daher grundsätzlich grunderwerbsteuerpflichtig.

Nach § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) oder Versicherungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen; dies gilt auch für Rechtsgeschäfte, sofern und insoweit diese unter das Stiftungseingangssteuergesetz fallen.

Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.

Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist es zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. etwa die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Bd. I, Rz 66 zu § 15 GebG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Frage, ob ein einheitlicher Vertrag oder zwei (oder mehr) selbständige Rechtsgeschäfte mit mehreren verschiedenen Leistungspflichten vorliegen, ist gemäß § 914 ABGB nach dem Willen der Vertragsparteien zu beurteilen (; Fellner, aaO, Rz 68 zu § 15 GebG, mwN).

Für das Vorliegen eines einheitlichen Vertrages spricht etwa die Zusammenfassung und gleichzeitige Annahme mehrerer Leistungen in einem Schriftstück (). Selbst getrennt abgeschlossene Verträge sind dann als Einheit aufzufassen, wenn die Beteiligten trotz mehrerer (in ein oder mehreren Urkunden enthaltener) getrennter Verträge eine einheitliche Regelung beabsichtigen und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (, und , 2003/16/0126).

Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (, mwN).

Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist allein anhand des Inhalts des nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen Übergabs- und Schenkungsvertrages von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Begründung aller darin vorgesehenen Berechtigungen und Verpflichtungen und damit von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des Übergabs- und Schenkungsvertrages etwa die Einräumung des Fruchtgenussrechtes auch losgelöst von einer vorherigen Schenkung in Betracht gezogen hätten, sind dem Akt nicht zu entnehmen.

Damit ist von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA - auszugehen.

Mit Ablauf des ist die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG, soweit sich diese auf das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz bezieht, für Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem entsteht, inhaltsleer geworden. Im Beschwerdefall ist vielmehr entscheidend, dass für den gegenständlichen Schenkungsvertrag das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend ist und damit der Tatbestand der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG "Rechtsgeschäfte, die unter das ... Grunderwerbsteuergesetz ... fallen" eingreift.

Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung genügt es, dass ein Rechtsgeschäft überhaupt dem genannten Verkehrsteuergesetz unterliegt; es ist also nicht erforderlich, dass eine nach diesen Gesetzen anfallende Steuer auch tatsächlich vorgeschrieben wurde (vgl. Fellner, aaO, Rz 66 ff zu § 15 GebG, mwN). Aus der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer im gegenständlichen Fall auf Grund von § 7 Abs 1 lit c GrEStG als unentgeltlich gilt und gemäß § 4 Abs 1 GrEStG nur von Grundstückswert zu berechnen ist, ist für das Finanzamt daher nichts zu gewinnen.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2020/16/0109 wurde die im gegenständlichen Fall zu lösende Rechtsfrage geklärt. Da das Bundesfinanzgericht dieses Erkenntnis umgesetzt hat, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100112.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at