Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2021, RV/7102406/2021

Außergewöhnliche Belastung durch Katastrophenschaden - Erhaltungsverpflichtung des Fruchtnießers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Styria Treuhand- und Revisions GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuer- beratungsgesellschaft, Brockmanngasse 75, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 und 2016 ua. außergewöhnliche Belastungen für Katastrophenschäden im Zusammenhang mit einem Hangrutsch auf einer in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft mit Einfamilienhaus in der Höhe von 34.842,67 Euro (2015) und 6.358,76 Euro (2016) sowie im Jahr 2016 Werbungskosten für Arbeitsmittel und ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer geltend.

Mit Bescheiden vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahre 2015 in der Höhe von 295 Euro (Gutschrift) und für das Jahr 2016 in der Höhe von 287 Euro (Gutschrift) fest.

Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wendete sich gegen die Nichtberücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung für Katastrophenschäden in den Jahren 2015 und 2016 sowie der Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten. Dabei wird betreffend die außergewöhnlichen Belastungen vorgebracht, dass der Bf. die von der Hangrutschung betroffene Liegenschaft ***1*** im Jahr 2012 von seinen Eltern geschenkt bekommen habe. Der Gesetzesbegriff "Katastrophenschaden" im § 34 Abs. 6 EStG umfasse dem Grunde nach außergewöhnliche Schadensereignisse, die nach objektiver Sicht aus dem regelmäßigen Ablauf der Dinge herausfallen, in der Regel verheerende Folgen nach sich ziehen und von der Allgemeinheit als schweres Unglück angesehen werden (). In diesem Sinne würden unvorhersehbare Schadensereignisse größeren Umfangs, die für den Steuerpflichtigen eine unabwendbare Vermögenseinbuße nach sich zögen, eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Hochwasser-, Erdrutsch und Vermurungsschäden seien explizit als Beispiele in den Lohnsteuerrichtlinien 2002 angeführt. Der Begriff "Katastrophenschaden" impliziere ja, dass dieser auch eintreffen könne, wenn man die Liegenschaft ordentlich und regelmäßig instandhalte. Die Zwangsläufigkeit des eigetretenen Katastrophenschadens davon abhängig zu machen, dass die im Schenkungsvertrag vorgesehene Regelung zur Erhaltungspflicht der Liegenschaft keine näheren Details für den Katastrophenfall vorsehe, sei nicht einsichtig, da es nicht unüblich und weltfremd sei, dies für einen Wiesenhang nicht zu regeln und auch nicht durch eine Versicherung vorzusorgen. Das Risiko möglicher Katastrophenschäden trage immer der Eigentümer und niemals der Geschenkgeber.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und schränkte das Beschwerdebegehren auf die Nichtanerkennung des Katastrophenschadens als außergewöhnliche Belastung ein. Ergänzend wurde ausgeführt, dass laut Schenkungsvertrag lediglich die Betriebskosten vom Geschenkgeber zu tragen seien. Die Erhaltungsaufwendungen oder Investitionen habe aber mangels ausdrücklicher Regelung naturgemäß der zivilrechtliche Eigentümer zu tragen.

Des Weiteren könne aus dem allgemeinen Passus im Schenkungsvertrag, wonach sich die Geschenkgeber verpflichten, den Schenkungsgegenstand in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten, keine zivilrechtliche Erhaltungs- und Schadensabdeckungsverpflichtung der Geschenkgeber abgeleitet werden. Insbesondere könne eine Abdeckungsverpflichtung von außerordentlichen Katastrophenschäden nur den zivilrechtlichen Eigentümer treffen. Eine außerordentliche Kostentragung im Schadensfall hätte neben der Erhaltungspflicht der Geschenkgeber ausdrücklich im Schenkungsvertrag geregelt werden müssen.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen

Der Bf. hat die Liegenschaft ***1*** ***2*** mit dem Einfamilienhaus ***3***, im Jahr 2012 von seinen Eltern im Rahmen einer Schenkung erworben. Unter Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages vom wurde den Geschenkgebern im Gegenzug für die Schenkung ein Fruchtgenussrecht am Schenkungsgegenstand eingeräumt. Die Geschenkgeber verpflichteten sich, sämtliche auf den Schenkungsgegenstand entfallenden Steuern, Abgaben und sonstigen Kosten (z.B. Kosten für Energie, Heizung, Grundsteuer etc.) zu tragen. Des Weiteren verpflichteten sich die Geschenkgeber, den Schenkungsgegenstand in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten.

Der Bf. machte für die Jahre 2015 und 2016 Aufwendungen für die Beseitigung von Katastrophenschäden im Zusammenhang mit einem Hangrutsch auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft als außergewöhnliche Belastung geltend.

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Zur Verletzung der Erhaltungsverpflichtung ist wie folgt auszuführen:

Die Erhaltungspflicht des Fuchtnießers ergibt sich primär aus § 513 ABGB.

Als Gegengewicht zur vollumfänglichen Nutzungsberechtigung unter Schonung der Substanz hat der Fruchtgenussberechtigte die Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen.

Im Hinblick auf das im vorliegenden Fall im Gegenzug für die Schenkung eingeräumte Fruchtgenussrecht der Geschenkgeber (Eltern des Bf.) trifft diese somit grundsätzlich die Pflicht zur Instandhaltung der Liegenschaft, weshalb ihnen auch die allenfalls damit verbundenen laufenden Instandhaltungen, Ausbesserungen und Reparaturen obliegen.

Die in § 513 ABGB enthaltene Erhaltungspflicht des Fruchgenussberechtigten ist dispositiv, sodass von dieser Regelung durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden kann.

Im gegenständlichen Fall stellt der Schenkungsvertrag vom die rechtliche Grundlage für die Eigentumsübertragung der Liegenschaft an den Bf. dar.

Insofern ist der Wortlaut des Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages vom , welcher das Fruchgenussrecht am Schenkungsgegenstand regelt, einer Prüfung dahingehend zu unterziehen, ob diese Vereinbarung die Regelung der Erhaltungspflicht des § 513 ABGB einschränkt.

Bei Auslegung einer Willenserklärung ist zunächst vom Wortsinn auszugehen und der Wille der Parteien zu erforschen. Da sich die Parteien des Verfahrens nicht auf einen vom Urkundeninhalt abweichenden Parteiwillen berufen, ist die Absicht der Parteien im Rahmen der rechtlichen Beurteilung allein aus den vorgelegten Urkunden (Schenkungsvertrag vom ) nach dem objektiven Aussagewert des Textes und dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung im Zusammenhalt mit dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln.

Danach verpflichten sich die Fruchtnießer, den Schenkungsgegenstand in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten.

Die Ausführungen in Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages schränken die allgemeine Bestimmung des § 513 ABGB nicht ein. Vielmehr ist die im Schenkungsvertrag vereinbarte allgemeine Verpflichtung der Geschenkgeber deutlich allgemeiner gehalten und stellt lediglich auf den guten und gebrauchsfähigen Zustand der Liegenschaft ab, ohne näher auszuführen, welcher konkrete Standard einzuhalten ist. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Bestandsache als brauchbar anzusehen, wenn sie eine solche Verwendung zulässt, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte gemacht wird, wobei eine mittlere Brauchbarkeit anzunehmen ist (vgl. , RS0021054).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts umfasst die sich aus der Bestimmung des Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages ergebende Verpflichtung, den Schenkungsgegenstand in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten, auch die Beseitigung der durch den Hangrutsch verursachten Schäden am Grundstück sowie am Zubehör, weil bei ordentlicher Verwaltung einer Liegenschaft auch die Beseitigung dieser Schäden zur Brauchbarmachung der Liegenschaft gehört, wenn dies dem Zeitpunkt nach aus dem Zustand der Liegenschaft ableitbar ist. Des Weiteren können nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts höhere Belastungen nicht anders behandelt werden als eine Summe gleich großer, in regelmäßigen kleinen Teilen auftretende Belastungen (Wartungsarbeiten), soweit es sich dem Wesen nach um die Erhaltung der Liegenschaft handelt. Aus diesem Grund sind auch unvorhergesehene Schadensereignisse größeren Umfangs von der Pflicht zur Instandhaltung der Liegenschaft umfasst.

Damit steht fest, dass die Fruchtnießer auf Grund der Bestimmung des Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages vom die Verpflichtung zur Instandhaltung der Liegenschaft und damit auch zur Beseitigung des Katastrophenschadens trifft.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wobei die Belastung folgende Voraussetzungen erfüllen muss:

1. Sie muss außergewöhnlich sein.

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Die Belastung erwächst gemäß § 34 Abs. 3 leg. cit. dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 6 leg. cit. können Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

Unstrittig ist, dass im Jahr 2015 an der im Alleineigentum des Bf. stehenden und von den Fruchtnießern und dem Bf. bewohnten Liegenschaft ein Erdrutschschaden im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG entstanden ist.

Die belangte Behörde hält zwar dem Grunde und der Höhe nach einen Katastrophenschaden in dem vom Bf. geltend gemachten Umfang für gegeben, erachtet jedoch nicht den Bf. als den Geschädigten des Erdrutsches, sondern vielmehr die Fruchtnießer. Dies deshalb, weil im Hinblick auf Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages vom die Fruchtnießer den Schenkungsgegenstand in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten haben, sodass dem Bf. die Kostentragung nicht zwangsläufig erwachsen ist.

Eine außergewöhnliche Belastung infolge der Beseitigung von Katastrophenschäden kann grundsätzlich der (wirtschaftliche) Eigentümer der beschädigten oder untergegangenen Sache geltend machen (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 46b). Auch derjenige, der eine Sache aufgrund eines anderen Rechtstitels (z.B. Mieter, Fruchtgenuss, Besitz, Prekarium) nutzt, kann Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, soweit sie ihn betreffen (zB Sanierung einer gemieteten Wohnung), geltend machen (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 46b).

Im gegenständlichen Fall steht nach Auslegung der Bestimmung des Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages vom - und hier insbesondere der Verpflichtung der Fruchtnießer, die Liegenschaft "in gutem und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten" - fest, dass die Geschenkgeber und Fruchnießer (Eltern des Bf.) die Pflicht zur laufenden Instandhaltung der Liegenschaft trifft, welche nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht bloß Wartungsarbeiten, sondern auch die Beseitigung der durch den Hangrutsch verursachten Schäden am Grundstück sowie am Zubehör umfasst.

Auch wenn dem Bf. beizupflichten ist, dass Katastrophenschäden selbst bei ordentlicher und regelmäßiger Instandhaltung der Liegenschaft eintreten können, gehört die Beseitigung der durch den Hangrutsch verursachte Schaden bei ordentlicher Verwaltung ebenfalls zur Brauchbarmachung der Liegenschaft.

Da höhere Belastungen, soweit es sich dem Wesen nach um die Erhaltung der Liegenschaft handelt, nicht anders behandelt werden können, als eine Summe in kleinen Teilen auftretender Belastungen, sind auch unvorhergesehene Schadensereignisse größeren Umfangs, wie beispielsweise Katastrophenschäden, von der Pflicht zur Instandhaltung der Liegenschaft umfasst.

Dem Vorbringen des Bf., wonach das Risiko möglicher Katastrophenschäden sowie eine Erhaltungs- und Schadensabdeckungsverpflichtung außerordentlicher Katastrophenschäden nur den zivilrechtlichen Eigentümer treffe, steht die Erhaltungsverpflichtung des Fruchtnießers gemäß Punkt III. 2. des Schenkungsvertrages entgegen. Danach wäre es an den Fruchnießern gelegen gewesen, für die Beseitigung des Katastrophenschadens zu sorgen.

Infolge der Erhaltungsverpflichtung der Fruchtnießer bestand für den Bf. keine Verpflichtung, die Aufwendungen zur Beseitigung des Katastrophenschadens zu tragen, sodass der Abzugsfähigkeit der seitens des Bf. als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen in der Höhe von 34.842,67 Euro (2015) und 6.358,76 Euro (2016) die fehlende Zwangsläufigkeit der Belastung entgegen steht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (zB. ). Da gegenständlich nur einzelfallbezogen eine Auslegung der vorgelegten Urkunden (Schenkungsvertrag vom ) nach dem objektiven Aussagewert des Textes und dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung im Zusammenhalt mit dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln war, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, weswegen die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102406.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at