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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.08.2021, RV/5101330/2019

Selbsterhaltungsfähigkeit iSd § 2 Abs. 1 lit c FLAG bzw, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG gegeben, wenn das Kind jahrelang auf einem geförderten Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt beschäftigt ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab August 2018, Steuernummer BFStNr zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) für seinen Sohn T ab 04/2003 bzw. dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung, die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung. Als Krankheit gab er an "Selbstunsichere Persönlichkeitszüge Z73.1, Zwangsstörung-vorwiegend Zwangsgedanken F43.0, Niedrige Intelligenz F70".

Zudem beantragte er mit Schreiben vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab dem "gesetzl Anspruch" und gab an, dass er monatlich die überwiegenden Kosten finanziere. Das Kind sei als gewerbliche Hilfskraft bei MD mit jährlichen Einkünften von ca. 10.000 Euro tätig.

Beide Schreiben wurden am beim Finanzamt eingebracht.

2. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom die Anträge für den Zeitraum ab August 2018 ab, da keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei.

3. Dagegen erhob der Bf. mit Schreiben vom Beschwerde und brachte vor, sein Sohn sei aufgrund seiner Behinderung oder Krankheit voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Bei seinem Sohn seien in fachärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. RB vom (zuletzt) selbstunsichere Persönlichkeitszüge, Zwangsstörung - vorwiegend Zwangsgedanken sowie niedrige Intelligenz diagnostiziert worden. Weiters liege ein Gesamtgrad der Behinderung iHv 50 vH vor. Das Bundessozialamt Wien, NÖ, Burgenland habe mittels Bescheid vom die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten festgestellt.
Im mitübermittelten Sachverständigengutachten vom werde ausgeführt, dass sein Sohn die Selbsterhaltungsfähigkeit durch eine durchgehende Anstellung bei der Firma MD erreicht habe, dies derzeit im Ausmaß von 24 Wochenstunden. Aus der Beschäftigung bei der Firma MD könne nicht auf das Bestehen der Selbsterhaltungsfähigkeit geschlossen werden, da es sich um eine Beschäftigung in einem (kündigungs)geschützten Bereich handle: Richtig sei, dass sein Sohn seit dem Jahre 2001 bei der Firma MD beschäftigt sei. Er hätte dort ursprünglich eine Lehre absolvieren sollen, jedoch sei seitens des Dienstgebers bereits nach dem ersten Arbeitstag der Abschluss eines Lehrverhältnisses mit der Begründung abgelehnt worden, dass sein Sohn dazu nicht in der Lage sein würde. In weiterer Folge sei daher ein Arbeiterdienstverhältnis begründet und sein Sohn als gewerbliche Hilfskraft im Bereich Reinigung, Küchenhilfe eingestellt worden. Ursprünglich habe die vereinbarte Arbeitszeit 30 Wochenstunden betragen, wobei es jedoch in weiterer Folge zu einer Reduktion der Arbeitszeit gekommen sei. Aktuell (und seit einigen Jahren) betrage die Arbeitszeit 24 Wochenstunden, wobei es zwei unterschiedliche Dienstgeber mit jeweils 12 Wochenstunden gebe. Beide Dienstgeber erhielten und haben offenbar seit der Erstbeschäftigung im Jahre 2001 vom Sozialministeriumservice eine Entgeltbeihilfe für die Beschäftigung seines Sohnes (im Jahr 2016 monatlich 662,00 Euro) erhalten.
Sein Sohn verrichte derzeit an zwei Standorten bei MD seine Arbeitstätigkeit. Es handle sich hierbei um einfache Reinigungstätigkeiten (Wegräumen, Zusammenräumen im Lokal, Zusammenkehren, etc.). Das Arbeitsklima sei bereits seit längerer Zeit deutlich angespannt und sein Sohn sei bei der Arbeit durch seine psychische Erkrankung sehr belastet. Deswegen sei es in der Vergangenheit auch wiederholt zu Krankenständen gekommen. In Summe erreichten die Krankenstände ein beträchtliches Ausmaß.
Es sei seit Beginn des Dienstverhältnisses bzw. beider Dienstverhältnisse daher davon auszugehen, dass sein Sohn seinen Arbeitsplatz nur deswegen erhalten könne, da er unter einem besonderen Kündigungsschutz stehe und weiters der Dienstgeber durch die Beschäftigung seines Sohnes Entgeltbeihilfen beziehe und somit die Beschäftigung einen sehr hohen finanziellen Anreiz für beide Dienstgeber aufweise. Der Bf. verweise auch auf das mitübermittelte Sachverständigengutachten, wo ausgeführt werde, dass Arbeitsfähigkeit alleine derzeit nur im geschützten Bereich gegeben sei. Seit 2001 hätten sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben.
Sein Sohn sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, am (ersten) Arbeitsmarkt eine Beschäftigung im Sinne einer dauernden Selbsterhaltungsfähigkeit zu erlangen. In diesem Sinne seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag gegeben.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte das Finanzamt aus, laut Gutachten des Sozialministeriumservice sei beim Sohn des Bf. eine Behinderung von 50 %, aber keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden.

5. Am langte beim Finanzamt ein Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht ein.

6. Folgende medizinischen Gutachten (zum Teil nur in den relevanten Teilen wiedergegeben) liegen vor:

a. Nervenfachärztliches Sachverständigengutachten von Dr. MM vom :

"Anamnese - Status - erhobene Befunde:
Berufliche Tätigkeit: Bei MD geringfügig beschäftigt seit Hauptschulabschluss.
Im Beisein der Mutter.
Mutter erklärt, dass der Sohn 7 Jahre Sonderschule absolviert hat, dann den Hauptschulabschluss gemacht hat. Mittelmäßiger Schüler, mäßiger in Geometrie.
Derzeit bei MD angestellt, 4 Stunden täglich, in der Küche (Zubereitung, Garnierung, Verpackung, Ausreichen). Im Übrigen Fußball, Computer, Spiele, Musikhören (Pop), Lesen weniger, TV-Fußball.
Mit Mutter: 2 Geschwister normal, Defizit bemerkt seit Geburt, Sprechbeginn verzögert, im Kindergarten soziale Probleme, bei Arbeit bes.Zeitaufwand erhöht, nach vielen Wiederholungen Einübung, Ängste vorhanden, bis 13.Lj. bei Eltern geschlafen, im Vorjahr erstmals selbst. auf Sportwoche.

Befund:
Neurologisch: Hirnnerven intakt.
Obere Extremitäten: VA seitengleich, Reflexe lebhaft.
Untere Extremitäten: Reflexe lebhaft, Babinski neg.
Frontalzeichen: PMR anfangs pos. Rechts, Atz. angedeutet.
Unruhezeichen wenig
Psychisch: Gedankenductus kohärent, inhaltlich unsicher, sucht Hilfe bei Mutter, Stimmung,
Affekt etwas reduziert, intellekt.Defizit erkennbar.
Tests: Uhr: Weitgehend unauffällig, ausgebessert falsch.
Rechnen unauffällig.
Kopieren unauffällig.
Monochromat.
Zeitaufwand erhöht.
UF eher neg., mit Mühe pos.

Fragestellung: Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit? "Teilleistungsstörungen"?

Daten zur Person:
Schulbesuch: Sonderschule, jedoch Hauptschulabschluss
Berufstätigkeit: Hilfsarbeiten im Küchenbereich, halbtags
Private Lebensumstände: lebt bei den Eltern, 2 Geschwister
Soziale Integration: etwas eingeschränkt
Körperliche Beschwerden: siehe fachärztl. GA
Verhalten in der Untersuchungssituation: Ausreichend orientiert und auskunftsfähig

Untersuchungsergebnisse und Interpretation:
Im SPM werden bei gegebenem Aufgabenverständnis, angemessenem Arbeitstempo und bei Neigung zu unreflektiertem Handeln zunächst 26 Aufgaben richtig gelöst; eine neue Vorlage einzelner Items erbringt keine anrechenbare Verbesserung; das Ergebnis entspricht einem IQ von 74.
Im Versuch mit dem IST- Subtest RA (praktisch-rechnerische Aufgaben) wird ein Standardwert von 92 (entsprechend IQ 88) erreicht.
Im Versuch mit dem IST- Subtest SE (verbale Aufgaben) erfolgt Lesen korrekt mit gegebenem Sinnverständnis, es wird ein Standardwert von 102 (entsprechend IQ 103) erreicht.
Im Aufmerksamkeit-Belastungstest d2 wird eine quantitative Leistung bei Standardwert 91 und eine qualitative Leistung bei Standardwert 81 erbracht, die Konzentrationsfähigkeit ist somit im Vergleich zur Altersgruppe herabgesetzt.
Im Rorschach-Protokoll finden sich mit geringer Antwortzahl, deutlich herabgesetztem V%, Schockphänomenen (Rot-Schock, verzögerter Hd-Schock - Brechungsphänomen IV), diversen Kopf-Deutungen (Md>M) und HdF-Deutung deutliche Neurosezeichen mit Hinweisen auf Angststörung (Phobie).
In der Exploration berichtet der Pb. an subjektiven Beschwerden für früher (dzt. noch leichtgradig) Ängste vor Dunkelheit und bestimmten Personengruppen.
Im diagnostischen Kurzinterview berichtet die begleitende Mutter, sie sei bereits mit der Diagnose "Autismus" konfrontiert worden, dies sei aber nur zum Teil zutreffend (Schwierigkeiten in sozialen Gruppen), im Vordergrund stehen Konzentrationsschwankungen, Hyperaktivität (seit beginn der Pubertät gebessert) und Verhaltensauffälligkeiten in der Schule.

Zusammenfassendes Gutachten:
Bei intellektuellen Leistungen, welche im nonverbalen, bildungsmäßigen Testverfahren einem IQ um 74 entsprechen und in bildungsabhängigen Subtests bei SW 95 (IQ um 94) deutlich über diesem Niveau liegen, besteht klinisch-psychologischerseits eine angeborene Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit maximal leichten Grades.
Die deutlich unterdurchschnittliche Leistung im bildungsunabhängigen Intelligenzverfahren und die deutlich herabgesetzte Konzentrationsleistung sprechen im Zusammenhang mit der Außenanamnese und dem Rorschach-Protokoll für Vorliegen einer massiven Angststörung (Phobie) mit Auswirkung auf die berufliche Leistungsfähigkeit, darüber hinaus besteht Verdacht auf Vorliegen eines Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms.
(Zusammengefasst ergeben diese Einschränkungen vom psychologischen Standpunkt eine mittelgradige Behinderung.)
Arbeitsfähigkeit ist vom psychologischen Standpunkt allein dzt. nur im geschützten Bereich (>50% d. Normarb.leistung) gegeben.
Besserung ist psychologischerseits noch nicht auszuschließen,daher ist Nachuntersuchung angezeigt.

Beurteilung und Begründung:
Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in den Richtsätzen
Grad der Behinderung
Oligophrenie mit Angstkomponente
V/a/579
50

Die in Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung beträgt fünfzig vom Hundert ( 50 v.H. ).


Fragenkatalog
Dauerzustand _____
Behinderung
Blindheit ☒ nein ☐ ja
starke Sehbehinderung ☒ nein ☐ ja

Gehörlosigkeit ☒ nein ☐ ja
schwere Hörbehinderung ☒ nein ☐ ja

Anfallsleiden ☒ nein ☐ ja

Diabetes ☒ nein ☐ ja

Mobilitätseinschränkungen
Gehbehinderung ☒ liegt nicht vor ☐ liegt vor
dauernd schwere Gehbehinderung ☒ liegt nicht vor ☐ liegt vor
Auf die Benützung von Krücken überwiegend ☒ nicht angewiesen ☐ angewiesen
Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ☒ zumutbar ☐ nicht zumutbar
Auf den Gebrauch eines Rollstuhles überwiegend ☒ nicht angewiesen ☐ angewiesen
Eine dem Gebrauch eines Rollstuhles gleichzuhaltende Behinderung ☒ liegt nicht vor ☐ liegt vor
Begleitperson ☒ nicht erforderlich ☐ erforderlich

Eignung, Beruf, Alltag
Der Behinderte ist zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb ☒ geeignet ☐ nicht geeignet
☐ Der Krankheitsverlauf auf unabsehbare Zeit Erwerbstätigkeit im erforderlichen Ausmaß ausschließt.
☐ Auf unabsehbare Zeit Pflegebedürftigkeit das erforderliche Ausmaß an Erwerbstätigkeit verhindert.

Behinderungsbedingte Probleme am Arbeitsplatz sind auffällig, weitere Maßnahmen erscheinen geboten ☒ nein ☐ ja
Behinderungsbedingte Probleme im Privatbereich sind auffällig, weitere Maßnahmen erscheinen geboten ☒ nein ☐ ja
Medizinische Reha-Maßnahmen erscheinen ☒ derzeit entbehrlich ☐ erforderlich, wurden besprochen.

b. Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten von Dr. RB vom (erstellt für das Bezirksgericht Ort1 in der Sachwalterschaftssache des Sohnes):

"… Diagnose: Leichte psychomentale Entwicklungsverzögerung

Zusammenfassung und Beurteilung:

Der aktuelle organneurologische Status ist nicht auffällig.
Der aktuelle psychopathologische Status ist ebenfalls nicht wesentlich auffällig.
Unter Berücksichtigung der Problematik im Gesamtkontext unter Einbeziehung der Anamnese und der Außenanamnese durch den Vater gibt es jedenfalls neben sicher vorhandenen Ressourcen auch gegenständlich relevante Defizite in den Alltagskompetenzen und geistigen Fähigkeiten, welche sich in gegenständlicher Hinsicht als leichte geistige Behinderung definieren lassen.
Konkret ist Herr S sicherlich gefährdet, mit seinen finanziellen Ressourcen nicht adäquat umgehen zu können bzw. durch erhöhte Suggestibilität und Leichtgläubigkeit auch nicht leistbare Verpflichtungen eingehen zu können.
Es ist sicher das Potential vorhanden, diese bestehenden Defizite im Lauf der nächsten Jahre allenfalls auch kompensieren zu können.
Aktuell sind die neurologisch - psychiatrischen Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters für folgende Angelegenheiten gegeben:
• Verwaltung von Einkommen und Vermögen
• Vertretung vor privaten Vertragspartnern
• Vertretung vor Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern
Testierfähigkeit ist gegeben.
Die Teilnahme an einer Verhandlung ist möglich. …"

c. Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten von Dr. RB vom (erstellt für das Bezirksgericht Ort1 in der Sachwalterschaftssache des Sohnes):

"…Diagnosen:
• Leichte psychomentale Entwicklungsverzögerung
• Zwangsstörung - vorwiegend Zwangsgedanken und Grübelzwang F 43.0

Zusammenfassung und Beurteilung:
Der organneurologische Status ist unauffällig.
Im psychischen Status sind in erster Linie Zwangsgedanken explorierbar. Die Stimmung ist schwankend, leicht deprimiert und leicht ängstlich. Es sind leichte Depersonalisationserscheinungen explorierbar in dem Sinn, dass der Proband das Gefühl hat wie betrunken zu sein und von den Kunden angeschaut zu werden.
Bezüglich des Umganges mit Geld ist vorsichtig eine leichte Besserungstendenz zu vermuten. Spielen würde er, nach eigenen Angaben kaum mehr. Andererseits hätte ein freizügiges zur Verfügung stellen seines Einkommens nicht zum gewünschten Erfolg geführt und er bekommt sein Einkommen jetzt wieder auf wöchentliche Tranchen ausbezahlt.
Bezüglich seiner zu explorierenden Zwangsgedanken besteht ein Leidenszustand und eine deutliche Beeinträchtigung. Auch besteht der latente Wunsch eines Arbeitsplatzwechsel respektive einer Intensivierung der Tätigkeit um mehr zu verdienen.
Angesichts der noch instabilen gesundheitlichen Situation und auch bezüglich des Umganges mit Geld ist es aktuell aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht ratsam, die Sachwalterschaft, wie in momentanem Umfang bestehend, einzuschränken oder aufzuheben.
Es wurde gemeinsam mit dem Probanden und seinem Onkel besprochen, dass es ratsam sei sich in psychiatrische Behandlung wegen der Zwangsstörung zu begeben.
Auch soll ein Kontakt mit der Arbeitsassistenz aufrechterhalten werden. …"

d. Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten von Dr. RB vom (erstellt für das Bezirksgericht Ort1 in der Sachwalterschaftssache des Sohnes):

"… Diagnosen:
• Niedrige Intelligenz F70
• Zwangsstörung - vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang F42.0
• Selbstunsichere Persönlichkeitszüge Z73.1
• Mögliche beginnende neurologische Systemerkrankung (beginnende Spastik nicht auszuschließen)

Zusammenfassung und Beurteilung:
Aktuell befindet sich ein leicht auffälliger neurologischer Status an der Grenze zur Pathologie.

Insbesondere zeigen sich linksbetont deutlich gesteigerte Muskelreflexe der unteren Extremitäten bei subjektiv Schmerzen der Beine sowie extremem Spannungsgefühl der Oberschenkel. Im Bereich der Hände spürt er ein Unsicherheitsgefühl. Eine sichere Pathologie ist dort nicht feststellbar.
Weitere neurologische Abklärung wird dennoch empfohlen.
In kognitiver Hinsicht findet sich leicht erniedrigte Intelligenz.
Er spürt innere Spannungszustände, soziale Unsicherheit und hat nach wie vor Zwangsgedanken. Mit der laufenden Medikation sind diese etwas im Hintergrund.
Mit seiner beruflichen Situation ist er nicht zufrieden.
Mit der Sachwalterschaft ist der grundsätzlich nicht zufrieden.
Der Umgang mit dem ihm erteilten wöchentlichen Geld scheint grenzwertig zu funktionieren.
Es ist sehr unsicher, ob es möglich wäre ihm das gesamte monatliche Geld zu belassen.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass im nächsten Jahr ein Bausparvertrag frei wird, Summe angeblich 7000-8000€.
Ob und in welchem Ausmaß es private Schulden gibt kann nicht genau gesagt werden. Gelegentlich müsse er sich Geld ausborgen."

e. Klinisch-psychologischer Befund von Mag. DM vom :

"Kurz Anamnese und Anlass
Vorstellungsgrund: Teilleistungsschwächen? F42.0, F70, Z73.1
Die Anamnese darf als bekannt vorausgesetzt werden. Der Patient ist bereits von einer Untersuchung aus 10/2011 bekannt, bei der eine leichte Intelligenzminderung (F70), Zwangsgedanken (F42.0) sowie eine depressive und ängstliche Anpassungsstörung (F43.22) diagnostiziert wurde. Er berichtet, dass er seit einigen Jahren sein Vater sein Sachwalter für finanzielle Angelegenheit sei, da er Schwierigkeiten im Umgang mit Geld gehabt habe. Er strebe nun die Auflösung der Sachwalterschaft an, da er gerne mehr selbstständigen Zugriff auf seine Finanzen hätte (Mopedkauf, Urlaub etc.). Häufig komme es zu Streit mit dem Vater, obwohl dieser seine Sache grundsätzlich gut mache. Zwangssymptome seien aktuell besser, Medikamente nehme er keine mehr.
Im beruflichen Bereich bestünden weitere Belastungen. Der Patient sei immer noch sei bei MD in der Reinigung beschäftigt. Zuletzt sei er wieder mehr kritisiert worden (Hygiene, Körperpflege), ein Arbeitscoach sei ihm zur Seite gestellt worden, mit dem er sich nicht verstanden habe. Immer wieder habe er das Gefühl, der Chef wolle ihn loswerden.
Der Patient lebe in einer eigenen Wohneinheit im Elternhaus. Er erhalte Unterstützung von einer Haushaltshilfe. Mit seinen Geschwistern verstehe er sich gut. Er habe ein paar Freunde.

Zusammenfassung
Leistungspsychologisch zeigt sich eine leichte Intelligenzminderung (WIE-IQ=64) bei sehr guter Förderung. Intersubjektive Stärken zeigen sich im Allgemeinwissen und im rechnerischen Denken (leicht unterdurchschnittlich im Altersvergleich). Sehr starke Beeinträchtigungen zeigen sich in der Arbeitsgeschwindigkeit, im Arbeitsgedächtnis und im wahrnehmungsgebundenen logischen Denken als auch bei der verbalen Konzeptbildung. Schwächen zeigen sich auch in der praktischen Intelligenz (allgemeines Verständnis über gesellschaftliche Zusammenhänge, praktisches Wissen und Urteilsvermögen), starke Schwierigkeiten zeigen sich im sozialen Antizipationsvermögen. Weitere starke Beeinträchtigungen zeigen sich im Aufmerksamkeitsbereich (langsame Aufmerksamkeitsaktivierung, sehr langsame diskriminative Reaktionsgeschwindigkeit, starke Beeinträchtigungen beim Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum). Klinisch zeigen sich ängstliche und bedrückte Stimmungen, geringe Stress- und Frustrationstoleranz sowie eine Disposition zu körperlichen Beschwerden unter psychischem Druck. Zwangsgedanken sind weiterhin feststellbar, aber weniger zwingend als früher. Der Patient ist relativ selbstsicher, wobei sich Selbstüberschätzungstendenzen andeuten. Mit seiner gegenwärtigen Lebenssituation ist er sehr unzufrieden.

Diagnosen: Intelligenzminderung mit Aufmerksamkeitsstörung (F70)
leichte Zwangsstörung (F42)
Anpassungsstörungen mit deprimierte und ängstlichen Reaktionen sowie
Somatisierungen (F43.22)"

f. Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten von Dr. RB vom (erstellt für das Bezirksgericht Ort1 in der Sachwalterschaftssache des Sohnes):

"… Diagnosen:
• Selbstunsichere Persönlichkeitszüge Z73.1
• Zwangsstörung - vorwiegend Zwangsgedanken F43.0
• Niedrige Intelligenz F70

Beurteilung.
Aktuell finden sich im neurologischen Status keine Auffälligkeiten.
Bezüglich des im Vorgutachten geäußerten Verdachtes auf eine beginnende Spastik finden sich diesbezüglich aktuell keine Hinweise mehr.
Der neurologische Status ist mit obigen Diagnosen als gut in Einklang zu bringen.
In psychischer Hinsicht sind die Orientierungsfunktionen und Denkfunktionen grundsätzlich erhalten.
Selbst- oder Fremdgefährlichkeit sind aktuell nicht gegeben. Es finden sich Persönlichkeitszüge selbstunsicherer Art.
Es finden sich Wahrnehmungsstörungen im Sinne von Unsicherheit zum Teil möglichen visuellen Halluzinationen sowie auch leichte Zwangsgedanken.
Die Selbstorganisation ist reduziert. Vollkommene Selbstständigkeit konnte noch nicht erlangt werden. In sozialer Hinsicht gibt es offenbar wenige konstante Beziehungen.
Herr S lebt bei seinen Eltern, wobei es angeblich immer wieder zu Konflikten kommen dürfte und der Vater laut Aussage des Probanden die Sachwalterschaft zurückzulegen gedenkt. Einen fremden Sachwalter möchte er auch nicht. …"

g. Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom :

"Anamnese:
Stellt einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe. Anamnestisch wurde diese bis zum 18.Lebensjahr bezogen.
AS ist 33 Jahre alt.
Hat einen Behindertenpass GdB 50 v. H. seit 02/2002.
Frau X Gesprächstherapie seit 1 Jahr: alle 14 Tage
Übermorgen Vorstellungstermin Pavillon 7 zur stationären Psychotherapie.
Seit 2008 Sachwalter Vater in finanziellen Belangen, Erwachsenschutzvertreterwechsel, dzt Mag. P.
Einmalig bei Dr. Y Psychiater: hat Betablocker und Nervenpulver bekommen, den Namen wisse er nicht, die Medikation nehme er auch nicht ein.
Es werden häufige Arztbesuche beschrieben, wegen Bewegungsapparat- und Augenbeschwerden, es würde jedoch bisher keine organische Ursache bzw Diagnose gefunden. Diese Somatisierungstendenzen werden auch im Befund beschrieben.
Seit 04/2018 Erwachsenschutzvertreter vor Ämter und Behörden und finanziell Mag. P.
Seit 2001 durchgehend bei der Firma MD zwischen 24-30 Wochenstunden tätig, hat in 2 Filialen gearbeitet.

Derzeitige Beschwerden:
,Ich bin geboren mit Teilleistungsschwächen. Ich hab mir immer schwieriger getan. Zwang ist gar nicht so. Übermorgen habe ich einen Vorstellungstermin Pavillon 7 stationäre Psychotherapie. Wenn ich den Kopf bewege reißt es mich. Ich halte die Dominanz der Eltern nicht mehr aus und die Firma belastet mich. Ich hab das Gefühl, es läuft nicht automatisch ab wie es mal war. Früher habe ich im Cola sie Blasen gezählt, das tu ich jetzt nicht mehr.'

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine

Sozialanamnese:
1 Jahr VS
8 Jahre Sonderschule
1 Jahr Hauptschule inklusive Abschluss
Untauglich für den Heerdienst wegen Intelligenzmangel-Grenzfall
Einen Lehrversuch gestartet bei MD, wurde jedoch nach 1 Tag abgebrochen
Beginn bei MD 2001
derzeit 24 Wochenstunden bei der Firma MD im Traisencenter seit 2013, zu Beginn 30 Stunden, jetzt 24 Stunden, dies ist im Rahmen eines integrativen Arbeitsplatzes
eigene Wohnung im Haus der Eltern
Hobbies: Fußball, Fortgehen, lesen
kleiner, feiner Freundeskreis

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
:
Untauglich für den Heerdienst: Intelligenzmangel-Grenzfall

VGA Dr. MM :
Zusammengefasst ergeben diese Einschränkungen vom psychologischen Standpunkt eine mittelgradige Behinderung, Es besteht klinisch-psychologisch eine angeborene herabgesetzte Leistungsfähigkeit maximal leichten Grades. Arbeitsfähigkeit ist alleine dzt nur im geschützten Bereich gegeben.
Diagnose: Oligophrenie mit Angstkomponente GdB 50 v.H.

Klinisch psychologischer Befund Mag. DM :
Diagnosen:
Intelligenzminderung mit Aufmerksamkeitsstörung ICD-10 F70
leichte Zwangsstörung ICD-10 F42
Anpassungsstörungen mit deprimierten und ängstlichen Reaktionen sowie Somatisierungen ICD-10 F43.22

Psychiatrisches Gutachten Dr.RB :
Diagnose:
selbstunsichere Persönlichkeitszüge ICD-10 Z73.1
Zwangsstörung-vorwiegend Zwangsgedanken ICD-10 F43.0
Niedrige Intelligenz ICD-10 F70

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 190,00 cm Gewicht: 73,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Linkshänder
Visus korrigiert durch RB
TE
Pulmo: Vesikuläres Atmen, keine Rasselgeräusche,.20 Zig/d
Cor: rein, rhythmisch
Haut: o.B.

Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild unauffällig und sicher

Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinslage klar, allseits orientiert, Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration leicht reduziert, ablenkbar, Ductus kohärent, Tempo habituell, weder formale noch inhaltliche Denkstörungen, keine psychotische Symptomatik fassbar, Stimmungslage etwas angespannt, Affekt adäquat, Antrieb habituell, in beiden Skalenbereichen ausreichend affizierbar, Schlaf gut, Zwänge derzeit im Hintergrund, keine akute Suizidalität, kein Freud- und Interessensverlust

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr
GdB %
1
Zwangsgedanken bei selbstunsicheren Persönlichkeitszügen und niedriger Intelligenz
Unterer Rahmensatz berücksichtigt eine ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung in allen Bereichen. Erwachsenenschutzvertreter notwendig, Sonderschulbesuch. Jedoch Freundeskreis vorhanden, durchgehende Anstellung seit 2001.
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
-

Stellungnahme zu Vorgutachten:
-

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 02/2002

Begründung- GdB liegt rückwirkend vor: Behindertenpass mit GdB 50 v.H. seit 02/2002 vorhanden.

Herr TS ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Der As hat die Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht, es besteht seit 2001 eine durchgehende Anstellung bei der Firma MD, derzeit in einem Ausmaß von 24 Wochenstunden.

Dauerzustand"

h. Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom :

"Anamnese:
Fragestellung: Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit? Psychische Beeinträchtigung? Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit.

Derzeitige Beschwerden:
Belastungen durch Konflikte mit den Eltern und am Arbeitsplatz; soziale Ängste, Kontrollzwänge, paranoide Interpretationen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
dzt. keine psychiatrische Medikation; Unterstützung durch Eltern (gemeinsames Wohnhaus), Sachwalter, geschützter Arbeitsplatz.

Sozialanamnese:
Daten zur Person:
Schulbesuch: 2 Jahre VS, dann ASO, anschließend HS-Abschluss pos.
Berufstätigkeit: seit 2001 bei MD beschäftigt
Private Lebensumstände: lebt in eigener Wohnung im Haus der Eltern
Soziale Integration: ausreichend
Körperliche Beschwerden: siehe medizin. GA

Verhalten in der Untersuchungssituation: ausreichend orientiert und auskunftsfähig, auffällige Persönlichkeitsakzentuierungen, kooperativ

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
GA Dr. N aus 11/2018: Pos. 030402, "Zwangsgedanken bei unsicheren Persönlichkeitszügen und niedriger Intelligenz; Selbsterhaltungsfähigkeit wurde erreicht, durchgehende Anstellung seit 2001."
Psychiatrisches SVGS Dr. RB aus 01/2017 (für Sachwalterschaft): Niedrige Intelligenz F 70, Zwangsstörung F 43.0, Selbstunsichere Persönlichkeitszüge Z 73.1
Eigenes VGA aus 10/2001: SPM IQ 74, IST/SE. SW 102, IST/RA: SW 88, IQ/bildungsabhängig: 90, d2: Konzentrationsleistung und Merkfähigkeit herabgesetzt; leichte Kontrollzwänge, deutliche Somatisierungstendenzen, phobische Ängste, Affektlabilität; Diagnosen: Intelligenzminderung + Aufmerksamkeitsstörung F 70, leichte Zwangsstörung F 42, Anpassungsstörung + Somatisierungstendenz F 43.22.
Psychologischer Befund Mag. DM aus 05/2016: WIE/IQ 64, Verbal-IQ 72, Handlungs-IQ 61, Allgemeinwissen/IQ90, Rechnen/IQ 85, soziales Urteilsvermögen und Antizipationsvermögen herabgesetzt.
Beschwerde-Schreiben (Sachwalter): Lehrfähigkeit war nicht gegeben, WS wurden von 30 auf 24 reduziert aufgrund herabgesetzter Belastbarkeit, Arbeitsplatz (aufgeteilt auf 2 verschiedene Filialen von MD's) nur aufgrund Lohnkostenzuschuss/Entgeltbeihilfe haltbar.

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: unauffällig
Ernährungszustand: unauffällig
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: psychol.seits nicht relevant

Gesamtmobilität - Gangbild: psychol.seits nicht relevant

Psycho(patho)logischer Status:
Untersuchungs-Verfahren:
Klinisch-psychologische Exploration
Standard Progressive Matrices (SPM)
Subtests aus IST
Diagnost. Interview mit Begleitperson
Interpretation relevanter Dokumente

Untersuchungsergebnisse und Interpretation:

Im SPM werden bei verzögertem Aufgabenverständnis, unangemessen raschem Arbeitstempo und unauffälliger Anstrengungsbereitschaft sowie bei Neigung zu unreflektiertem Handeln zunächst 31 Aufgaben richtig gelöst; das Ergebnis entspricht einem IQ von 74.

Auf die Prüfung bildungsabhängiger Leistungen wird im Hinblick auf vorliegende Ergebnisse eines eigenen VGAs sowie weiterer vorgelegter psychologischer Befunde verzichtet. Jeweils entsprach die intellektuelle Leistungsfähigkeit in bildungsabhängigen Subtests einem IQ um 90 und war die Konzentrations-und Merkleistung gegenüber Altersdurchschnitt herabgesetzt.

In der Exploration berichtet der Pb. an subjektiven Beschwerden Belastungen durch Konflikte mit den Eltern und am Arbeitsplatz; es bestehen soziale Ängste, leichtgradige Kontrollzwänge (verstärkt unter Stress), paranoide Interpretationen und eine psychosomatische Reaktionsbereitschaft.
Im diagnostischen Kurzinterview berichtet der begleitende Sachwalter, dass der Pb. unter Konflikten mit den Eltern sowie belastendem Arbeitsklima leide und es dadurch häufig zu längeren Krankenständen und häufigen Arztbesuchen komme (ungeklärte bzw. psychosomatische Beschwerden).

Zusammenfassendes Gutachten:
Bei intellektuellen Leistungen, welche im nonverbalen, bildungsunabhängigen Testverfahren einem IQ um 74 entsprechen, jedoch in bildungsabhängigen Subtests tlw. deutlich über diesem Niveau liegen, sowie unter Mitberücksichtigung des Schul-und Berufsverlaufs (ASO, anschließend HS-Abschluss, einfache Tätigkeiten in Teilzeit), besteht klinisch-psychologischerseits eine leicht- bis mittelgradige Herabsetzung der kognitiven Funktionen (Intellekt, Konzentration, Merkfähigkeit).
Im psychischen Bereich bestehen ängstlich-vermeidende und abhängige Persönlichkeitsakzentuierungen sowie psychosomatische und zwanghafte Reaktionstendenzen.
Eine adäquate Behandlung der psychischen Beschwerden (psychiatrisch-medikamentös, Psychotherapie), welche geeignet wäre, die berufliche Leistungsfähigkeit zu unterstützen, wurde bisher noch nicht etabliert.

Zusammenfassend entspricht die Beeinträchtigung einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensauffälligkeiten nach ICD 10.

Aufgrund dieser Beeinträchtigung ist in der Alltagsbewältigung noch Unterstützung erforderlich (Eltern, Sachwalter) und Arbeitsfähigkeit nur im geschützten Bereich (Kündigungsschutz, Lohnkostenzuschuss, derzeit reduzierte Arbeitszeit) gegeben.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr
GdB %
1
Intelligenzminderung bei ängstlich-vermeidenden und abhängigen Persönlichkeitsakzentuierungen sowie psychosomatischen und zwanghaften Reaktionstendenzen (ohne adäquate Behandlung).
Unterer Rahmensatz, da (auch ohne adäquate Behandlung) Berufstätigkeit im geschützten Bereich möglich ist.
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
- - -

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
- - -

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Im Vergleich zum GA Dr. N aus 11/2018 (Pos. 030402) wird Pos 030103 gewählt, da vom psychologischen Standpunkt die Intelligenzminderung im Vordergrund steht.
Den Einwendungen des Sachwalters wird nicht gefolgt, da aufgrund des gegebenen geschützten Arbeitsplatzes (Kündigungsschutz, Lohnkostenzuschuss) Arbeitsfähigkeit zumindest im geschützten Bereich belegt ist und unterstützende Maßnahmen (ausreichende Psychotherapie, psychiatrische Behandlung) zur Stabilisierung und Leistungssteigerung noch nicht ausgeschöpft sind.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 10/2001

Begründung-GdB liegt rückwirkend vor: Eigenes VGA aus 10/2001.

Herr TS ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Aufgrund der Unterstützungsmaßnahmen zur beruflichen Integration (Feststellungsbescheid, Kündigungsschutz, Lohnkostenzuschuss) ist langjährige Berufstätigkeit gegeben.

Dauerzustand"

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung 6004 zugewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Der Sohn des Bf., T, ist am TT.MM.1985 geboren. Er hat keinerlei Berufsausbildung gemacht (siehe Beantwortung zum Ersuchen um Ergänzung vom ).

2. T ist ab 2001 bei der Firma AG1 und ab 2004 zusätzlich bei AG2 beschäftigt (siehe Arbeitnehmerveranlagungen des Sohnes des Bf. der Jahre 2001 bis 2020 und Versicherungsdatenauszug von T vom ), die in Ort1 MD-Restaurants betreiben. Dort arbeitete er als gewerbliche Hilfskraft im Bereich Reinigung und Küchenhilfe und verrichtete einfache Reinigungstätigkeiten (Wegräumen, Zusammenräumen im Lokal, Zusammenkehren, etc.; siehe Beschwerde vom ).

T konnte in den jeweiligen Jahren über folgende Einkünfte (ohne die sonstigen Bezüge) aus diesen Beschäftigungen verfügen (siehe Arbeitnehmerveranlagungen des Sohnes des Bf. der Jahre 2001 bis 2019):


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2001
1.527,16
2002
6.704,62
2003
7.474,39
2004
7.671,43
2005
8.246,71
2006
8.842,25
2007
8.768,47
2008
8.845,27
2009
9.253,58
2010
9.353,12
2011
10.289,79
2012
9.792,58
2013
10.533,03
2014
10.640,33
2015
11.093,91
2016
11.180,58
2017
9.559,25
2018
9.821,22
2019
9.519,25

3. T ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten aktenkundigen Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

1. Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl., § 8, Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , mwN.).

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 entscheidungswesentlich, ob die betreffende Person in der Lage ist, sich den Unterhalt zu verschaffen. Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen caritativen Motiven eines Arbeitsgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, so reichte dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. ). Andererseits ist auch bei einer Behinderung von 100 % nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. ).

Es kommt daher neben dem Grad auf die Art der Behinderung und die trotz Behinderung verrichtbaren Tätigkeiten an (nochmals ). Somit kann - entgegen der Ansicht des Bf. - sowohl auf einen geschützten Arbeitsplatz als auch auf einen "normalen" Arbeitsplatz auf dem sog. allgemeinen Arbeitsmarkt abgestellt werden.

Der Begriff "geschützte Arbeit" bezeichnet in der Begrifflichkeit mancher Landesgesetze im Zusammenhang mit "Hilfe zur geschützten Arbeit" einen geförderten Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt. Nicht zu verwechseln ist dieser Begriff mit dem erhöhten Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte (siehe https://www.usp.gv.at/mitarbeiter/arbeit-und-behinderung/geschuetzte-arbeit.html, abgefragt am , letzte Aktualisierung ) oder mit dem Begriff integrativer Betrieb. Ein integrativer Betrieb im Sinne des § 11 Behinderteneinstellungsgesetz ist eine von Gebietskörperschaften, Körperschaften des öffentlichen Rechtes, von Trägern der freien Wohlfahrtspflege oder sonstigen Rechtspersonen (Rechtsträgern) geführten Einrichtungen zur Beschäftigung begünstigter Behinderter, die wegen Art und Schwere der Behinderung noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, bei denen aber eine wirtschaftlich verwertbare Mindestleistungsfähigkeit (die Leistungsfähigkeit des Menschen mit Behinderung hat mindestens die Hälfte der Leistungsfähigkeit eines Menschen ohne Behinderung bei einer gleichen Tätigkeit zu betragen) vorliegt. Von einem integrativen Betrieb wiederum zu unterscheiden sind tages- und beschäftigungsstrukturierte Einrichtungen (Beschäftigungstherapie). Diese sind für Menschen, die infolge von Art und Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb nicht in der Lage sind. Die Arbeits- und Tätigkeitsschwerpunkte sind unterschiedlich. In diesen Einrichtungen gibt es keine Entlohnung, sondern ein Taschengeld (siehe https://www.oesterreich.gv.at/themen/menschen_mit_behinderungen/arbeit_und_behinderung/Seite.1241100.html, abgefragt am , letzte Aktualisierung ).

3. Alle Gutachter sind sich dahingehend einig, dass der Sohn des Bf. an Intelligenzminderung, Zwangsstörungen bzw. Angststörungen und selbstunsicheren Persönlichkeitszügen leidet. Das Gutachten vom vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bezeichnet die Funktionseinschränkungen mit Zwangsgedanken bei selbstunsicheren Persönlichkeitszügen und niedriger Intelligenz, wohingegen die Gutachterin des Gutachtens vom die Intelligenzminderung - bei ängstlich-vermeidbaren und unabhängigen Persönlichkeitsakzentuierungen sowie psychosomatischen und zwanghaften Reaktionstendenzen - als vordergründig ansieht. Die übrigen Gutachten erschöpfen sich lediglich in der Aufzählung der Diagnosen.

Die unterschiedliche Beurteilung der Gutachter in Bezug auf das vordergründige Leiden des Sohnes des Bf. ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes für die Frage der trotz Behinderung verrichtbaren Tätigkeiten nicht von Bedeutung und bewirkt keine Unschlüssigkeit oder Widersprüchlichkeit der Gutachten in Hinblick auf die Feststellung der Selbsterhaltungsfähigkeit.

4. Der Sohn des Bf. leidet an Intelligenzminderung, Zwangsstörungen und selbstunsicheren Persönlichkeitszügen im unteren Rahmensatz. Diese Leiden hinder(te)n ihn nicht daran, einer Beschäftigung nachzugehen, und ist eine solche auch möglich (siehe Versicherungsdatenauszug des Sohnes vom ). So bringt der Bf. in der Beschwerde selbst vor, dass sein Sohn als gewerbliche Hilfskraft im Bereich Reinigung und Küchenhilfe eingestellt wurde und es sich bei den vom Sohn ausgeführten Tätigkeiten um einfache Reinigungstätigkeiten (Wegräumen, Zusammenräumen im Lokal, Zusammenkehren, etc.) handelt(e). Auf diese Tätigkeiten nehmen auch die Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Bezug. Demnach bestehen die nach der Art der Behinderung und trotz Behinderung verrichtbaren Tätigkeiten zumindest in Reinigungstätigkeiten. Auch führt das Gutachten vom - zu diesem Zeitpunkt war der Sohn des Bf. 16 Jahre alt - aus, dass die Arbeitsfähigkeit von T im geschützten Bereich möglich ist und >50% der Normarbeitsleistung beträgt.

5. Der Sohn des Bf. war von 2001 an (bis Sommer 2020) bei Unternehmen beschäftigt, die MD-Restaurants betreiben. Dabei handelt es sich um Arbeitgeber, die weder caritativ noch therapeutisch tätig sind und von ihren Angestellten eine Arbeitsleistung erwarten. Die Arbeitsleistung des Sohnes des Bf. bestand in einfachen Reinigungstätigkeiten (Wegräumen, Zusammenräumen im Lokal, Zusammenkehren etc.). Dafür, dass die Arbeitgeber eine Arbeitsleistung erwartet haben, spricht auch, dass das Arbeitsplatzklima seit längerer Zeit, auch aufgrund der häufigen und längeren Krankenstände und häufiger Arztbesuche, deutlich angespannt war.

Für seine Arbeitsleistung hat der Sohn des Bf. dabei deutlich mehr als eine Art Taschengeld erhalten. Seine Arbeitgeber haben ihm einen Lohn ausbezahlt (siehe Lohnabrechnung des Sohnes für 10-12/2018). Der monatliche Lohn (ohne die sonstigen Bezüge) betrug 2002 (das Jahr mit den bisher niedrigsten Einkünften, ausgenommen das Jahr 2001, in dem die Tätigkeit unterjährig begonnen wurde) ca. 560 €, im Jahr 2016 (das Jahr mit den höchsten bisherigen Einkünften) ca. 930 € und 2018 (Zeitpunkt der Antragstellung) ca. 820 €.

Der Sohn des Bf. war im Beschwerdezeitraum somit auf einem geförderten Arbeitsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt beschäftigt. Der Bf. behauptet im Übrigen nicht einmal selbst, dass sein Sohn in einem integrativen Betrieb oder in einer tages- und beschäftigungsstrukturierten Einrichtung tätig war.

Zwar hatte der Sohn des Bf. vor einigen Jahren das Ausmaß seiner Beschäftigung von 30 Wochenstunden auf 24 Wochenstunden reduziert, die Gutachterin stellt in ihrem Gutachten vom jedoch fest, dass unterstützende Maßnahmen (ausreichende Psychotherapie, psychiatrische Behandlung) zur Stabilisierung und Leistungssteigerung noch nicht ausgeschöpft seien, da diese bisher noch nicht etabliert seien.

6. Im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom stellt die Gutachterin fest, dass der Sohn des Bf. voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und begründet das Erreichen seiner Selbsterhaltungsfähigkeit damit, dass seit 2001 eine durchgehende Anstellung bei der Firma MD, im damaligen Ausmaß von 24 Wochenstunden, bestehe.

Diese Feststellung deckt sich auch mit dem Gutachten vom , in dem wiederum verneint wurde, dass der Sohn des Bf. voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Gutachterin führt aus, aufgrund der Unterstützungsmaßnahmen zur beruflichen Integration (Feststellungsbescheid, Kündigungsschutz, Lohnkostenzuschuss) sei langjährige Berufstätigkeit gegeben. Zudem folge sie den Einwendungen des Sachwalters (Lehrfähigkeit sei nicht gegeben gewesen, Wochenstunden seinen von 30 auf 24 reduziert worden aufgrund herabgesetzten Belastbarkeit, Arbeitsplatz sei nur aufgrund Lohnkostenzuschuss/Entgeltbeihilfe haltbar) nicht, da aufgrund des gegebenen geschützten Arbeitsplatzes (Kündigungsschutz, Lohnkostenzuschuss) Arbeitsfähigkeit zumindest im geschützten Bereich belegt sei und unterstützende Maßnahmen (ausreichende Psychotherapie, psychiatrische Behandlung) zur Stabilisierung und Leistungssteigerung noch nicht ausgeschöpft seien. Bereits im Gutachten vom hat dieselbe Gutachterin festgestellt, dass Arbeitsfähigkeit alleine damals nur im geschützten Bereich gegeben sei.

Mag der Sohn des Bf. auch auf einem geschützten Arbeitsplatz beschäftigt (gewesen) sein, so ist jedoch allein aus diesem Grund noch nicht davon auszugehen, dass er dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Sohn des Bf. im Sommer 2020 seine Beschäftigung verloren hat. Alle Gutachten kommen somit zum selben Ergebnis, dass der Sohn des Bf. voraussichtlich nicht außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Aufgrund der tatsächlichen Beschäftigung des Sohnes des Bf. von 2001 weg (bis Sommer 2020) sind die Gutachten jedenfalls insoweit schlüssig und widerspruchsfrei.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.

2. Zufolge § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3).

Betreffend den "Eigenanspruch auf Familienbeihilfe" wird in § 6 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: "Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist."

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

3. Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) ist gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967).

Bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen (siehe auch ; , 2011/16/0063). Auch bei einer Behinderung von 100 % ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (). Allerdings ist bis zum 25. Lebensjahr auch § 2 Abs. 1 lit. h (§ 6 Abs. 2 lit. g) zu beachten. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu.

4. Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

5. Da der Sohn des Bf. bereits volljährig ist und ein Anspruch auf den Grundbetrag ohne Vorliegen einer Behinderung nicht besteht, ist der Grad der Behinderung im vorliegenden Fall ohne jede Bedeutung. Es ist daher ausschließlich zu prüfen, ob der Sohn des Bf. - da er keine Berufsausbildung absolviert hat - wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

6. Der Bf. sieht eine Unterhaltsunfähigkeit seines Sohnes als gegeben an, da es sich bei der Beschäftigung seines Sohnes um eine solche in einem (kündigungs)geschützen Bereich handle und daraus nicht auf das Bestehen der Selbsterhaltungsfähigkeit geschlossen werden könne.

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, besteht eine Bindungswirkung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichtes an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 8 Abs. 6 FLAG erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig sind.

Die Schlüssigkeit der erstellten Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist nicht in Zweifel zu ziehen.

Da der Sohn des Bf. nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

9. Vor diesem Hintergrund kann die Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzung der Haushaltszugehörigkeit des Sohnes des Beschwerdeführers zum Haushalt des Beschwerdeführers sowie allenfalls die überwiegende Unterhaltstragung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101330.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at