Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.09.2021, RV/7102215/2021

Zurückweisung wegen Verspätung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht (im Folgenden: BFG) hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Gem § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) meldete sich nach Angaben der Verfahrensbetreuung JVP am um 10:05 h erstmals für das FinanzOnline (im Folgenden: FON) an und aktivierte dabei die elektronische Zustellung von Erledigungen der Finanzverwaltung. Am selben Tag um 10:40 h wurde die PIN der Bf nach dreimaliger Fehleingabe vom System automatisch gesperrt.

Am erließ die belangte Behörde einen Einkommensteuererstbescheid für das Jahr 2019, in welchem Aufwendungen für eine Hüftoperation in einer Privatklinik nicht berücksichtigt wurden. Dazu wurde begründend ausgesprochen, dass seitens der Bf keine triftigen medizinischen Gründe vorgelegt wurden, welche diese Behandlung rechtfertigen würden. Dieser ESt-Bescheid 2019 wurde nach Angaben der Verfahrensbetreuung JVP am selben Tag um 19:45 h in die Databox des FON-Zuganges der Bf zugestellt.

Am um 13:35 h wurde die elektronische Zustellung via FON deaktiviert, da die Bf davor telefonisch bei der Finanzverwaltung die gänzliche Abmeldung von FON begehrte.

Am wurde der Bescheid vom der Bf auf deren Wunsch hin postalisch übermittelt.

Am langte bei der belangten Behörde die Beschwerde gegen den ESt-Bescheid vom ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab.

Am langte der Vorlageantrag der Bf bei der belangten Behörde ein.

Mit Vorhalt vom , übernommen von der Bf am , wies das BFG darauf hin, dass gem § 245 Abs 1 BAO die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Finanzamtes einen Monat ab Zustellung des Bescheides beträgt. Nach der bisherigen Aktenlage hätte die Frist zur Erhebung einer Beschwerde sohin mit Ablauf des (Donnerstag) geendet und die Beschwerde wäre nach Ansicht des BFG als verspätet zurückzuweisen. Weiters gab das Gericht der Bf Gelegenheit, sich hiezu zu binnen 2 Wochen ab Zustellung des Vorhaltes zu äußern, innerhalb derer sie die Möglichkeit hatte, darzulegen und durch Unterlagen nachzuweisen, warum die Beschwerdefrist entgegen dem dargestellten Sachverhalt nicht am zu laufen begonnen und am geendet hat.

Mit Eingabe vom , beim BFG eingelangt am , führte die Bf - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, dass ihr "Zugang zum Finanzonline nie vollzogen" gewesen sei. Es habe bei ihrer erstmaligen Anmeldung 2020 nicht funktioniert. Mitte Februar 2021 habe sie telefonisch von Vertretern der Finanzverwaltung erfahren, dass der angefochtene Bescheid am elektronisch via FON zugestellt worden sei. Da sie vermutlich diesmal zu den Vertretern der Finanzverwaltung nicht mehr nett und am Telefon geduldig gewesen sei, habe nunmehr die Abmeldung vom FON funktioniert und sie ein paar Tage danach tatsächlich eine Abmeldebestätigung in Papierform erhalten. Erst am habe sie den Bescheid vom postalisch erhalten.

Mit Vorhalt vom konfrontierte das BFG die belangte Behörde mit den Entgegnungen der Bf vom . Das Finanzamt bestätigte nochmals, dass aus den Logfiles des (nunmehr gelöschten) FON-Zuganges der Bf eindeutig hervorgeht, dass die Bf am um 10:05 h ins FON eingestiegen ist und dabei die elektronische Zustellung aktiviert hat. Auf Wunsch der Bf erfolgte die Deaktivierung der elektronischen Zustellung am um 13:35 h durch die Finanzverwaltung. Durch eine selbst verschuldete PIN-Sperre am aufgrund einer dreimaligen Fehleingabe der PIN der Bf, konnte sich die Bf nicht (mehr) ins FON einloggen. In der Folge hat die Bf offenbar keine weiteren Schritte unternommen, eine neue PIN anzufordern, da sie sich - wie sie selbst wiederholt ausführte - aufgrund dieser "Probleme" wieder vollständig vom FON abmelden wollte. Die belangte Behörde bestätigte weiters, dass der FON-Zugang der Bf vom bis aktiviert war.

Rechtslage und Erwägungen:

§ 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006), BGBl II 97/2006 idF BGBl II 122/2020, regelt die automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs 3 BAO) und Akteneinsicht (§ 90a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.
Die automationsunterstützte Datenübertragung ist dabei für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in FinanzOnline (https://finanzonline.bmf.gv.at) zur Verfügung stehen (§ 1 Abs 2 FOnV 2006).

Gem § 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gemäß § 98 Abs 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FON der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 98, Anm 8; Ritz, BAO6, § 98 Tz 4, mwN; ua ). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch die FON-Teilnehmerin (zB Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an ( mwN; vgl auch Ritz, § 98 Tz 4 mwN).

Aus den vorgelegten Akten und dem Parteivorbringen ergibt sich folgender festgestellter Sachverhalt:

Die Anmeldung zu FON erfolgte am . Davor hatte die Bf keinen FON-Zugang. Der erstmalige Login zu FON erfolgte am um 10:05 h. Dabei erfolgte ein Hinweis auf die elektronische Zustellung. Die Bf hat anlässlich dieses Logins die elektronische Zustellung aktiviert.

Durch dreimalige Fehleingabe der PIN konnte sich die Bf nicht mehr ins FON einloggen (lt Auswertung der Logfiles durch die Abgabenbehörde).

Die elektronische Zustellung war von bis aktiviert. Somit ist der Bescheid vom der Bf am selben Tag in die Databox des FON elektronisch zugestellt worden.

Die Feststellungen betreffend Anmeldung bei FON ergeben sich aus den im Zuge der Vorhaltsbeantwortung der Abgabenbehörde übermittelten Daten und dem Vorbringen der Bf, die angab, die Anmeldung im FON selbst vorgenommen zu haben.

Das Vorbringen der Bf, ihr Zugang zum FON sei nie vollzogen worden und habe von Beginn an seit 2020 nicht funktioniert, kann nur so verstanden werden, dass die PIN der Bf bei ihrem Login am durch deren dreimalige falsche Eingabe gesperrt wurde. Ihr wäre jedoch aufgrund der eindeutigen Hinweise am Bildschirm, was nach einer solchen PIN-Sperre zu tun ist, zumutbar gewesen, alternativ eine der drei folgenden Möglichkeiten zum Rücksetzen der PIN zu wählen: 1. Online-Rücksetzen auf Start-PIN, 2. schriftliches Rücksetzen auf Start-PIN oder 3. Rücksetzen auf Start-PIN bei einem Finanzamt. Diese Hinweise sind auch problemlos auf der Website des BMF unter https://www.bmf.gv.at/services/finanzonline/informationen-fuer-buerger/anmeldung-buerger.html abrufbar bzw mittels Internetsuchmaschinen wie Google unter Eingabe von Stichwörtern wie "FinanzOnline" und "3x falsche PIN" zu finden.

Aktenkundig wurden solche Maßnahmen nicht getroffen. Die Bf selbst hat angegeben, dass sie mehrmals versucht hat, das Finanzamt telefonisch zu erreichen.

Es wäre der Bf möglich und zumutbar gewesen, entsprechende Dispositionen zwecks Feststellung von Zustellungen in der Databox zu treffen, wie etwa die Einrichtung einer E-Mail-Verständigung in FON oder die regelmäßige Prüfung der Databox auf Eingänge. Dies hat sie jedoch unterlassen. Wenn die Bf anlässlich des Einstiegs in FON die Hinweise betreffend Zustellung und Einrichtung einer Benachrichtigungsfunktion nicht beachtet hat, so geht dies zu ihren Lasten. Indem die Bf die Anmeldung in FON ohne Widerspruch der elektronischen Zustellung vorgenommen hat und in der Folge - wie sie selbst ausführt - nie genutzt hat, liegt es in ihrer Verantwortung, wenn aufgrund der Nichtbeachtung von in die Databox zugestellten Bescheiden Säumnisfolgen eintreten (vgl hiezu nur ).

Vor diesem Hintergrund gelangte - wie die Abgabenbehörde zutreffend ausführte - der Bescheid vom in den elektronischen Verfügungsbereich der Bf und muss ihr ab diesem Zeitpunkt zugerechnet werden.

Mit der Zustellung via FON verhält es sich gleich wie mit einer postalischen Zustellung eines Schriftstückes, die durch Hinterlegung gem § 17 ZustellG auch ohne Öffnen des (physischen) Briefkastens bewirkt wird. Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist gem § 17 Abs 4 ZustellG auch dann gültig, wenn die schriftliche Verständigung von der Hinterlegung ("gelber Zettel") beschädigt oder entfernt wurde.

Ebenso wenig ist das etwaige Argument, wonach der Bf auch keine Nachricht per Mail über die Zustellung des Bescheides in die Databox übermittelt wird, wenn sie dies nicht im FON selbst vorgenommen hat, geeignet, der Beschwerde zum Erfolg verhelfen. Der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist auch dann der Zustellzeitpunkt (vgl nur ), wenn die in § 5b Abs 2 FOnV vorgesehene Angabe einer E-Mailadresse zur Information über die elektronische Zustellung via FON unterblieben ist. § 5b Abs 2 leg cit normiert explizit, dass die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert wird (vgl auch ; Ritz, BAO § 98 Tz 4).

Auch aus dem Umstand, dass der Bf aufgrund ihres Begehrens nach postalischer Zustellung des Bescheides vom dieser am zugestellt wurde, ist für die Bf nichts zu gewinnen. Ist ein Dokument nämlich (auch elektronisch) zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus (§ 6 ZustellG). Es ist daher für den Lauf der Beschwerdefrist irrelevant, ob bzw wann die Abgabenbehörde zu späteren Zeitpunkten weitere Bescheidausfertigungen an die Bf übermittelt hat.

Im Beschwerdefall hat die Bf die Beschwerde erst am eingebracht. Der letzte Tag der Frist war jedoch der .

Damit hat sie ihre Beschwerde zu spät eingebracht.

Die bei der belangten Behörde am eingelangte Beschwerde wurde daher nicht innerhalb der gem § 245 Abs 1 BAO vorgeschriebenen Frist von einem Monat erhoben, weshalb die am eingebrachte Beschwerde sohin eindeutig verspätet und diese gem § 206 Abs 1 lit b BAO mit Beschluss zurückzuweisen war.

Gem § 264 ABs 3 BAO gilt durch Einbringung eines Vorlageantrages die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt. Daher war die verspätete Einbringung der Beschwerde vom BFG zu beachten, obwohl die belangte Behörde eine BVE in der Sache selbst getroffen und sich nicht mit der Verspätungsproblematik auseinandergesetzt hat.

Zu der als Wiedereinsetzungsantrag bezeichneten Eingabe der Bf vom ist zu bemerken, dass die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jener Behörde obliegt, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war (§ 310 Abs 1 BAO), sohin dem Finanzamt Österreich. Somit hat das BFG diesen gem § 308 Abs 3 BAO iVm § 53 BAO zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weitergeleitet. Der Umstand, dass bei der Abgabenbehörde ein - nach der vorliegenden Aktenlage - unerledigter Wiedereinsetzungsantrag anhängig ist, hindert das erkennende Gericht nicht an der Erledigung der hier gegenständlichen Beschwerde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung der Beschwerde unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der FOnV 2006 sowie der Judikatur des VwGH ergab, lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102215.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at