Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2021, RV/2100390/2021

Geltend gemachte Kosten für Familienheimfahrten: Keine Werbungskosten, keine außergewöhnlichen Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Alexander Maicovski in der Beschwerdesache N.N., AdrBf.1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung (nunmehr: Finanzamt Österreich, Dienststelle Steiermark Mitte) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in Folge: Bf.) bezog im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am reichte der Bf. auf elektronischem Weg die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 ein. Dabei machte er unter der Kz 300 als Kosten für Familienheimfahrten einen Betrag iHv. 3.672,00 Euro geltend.

Die belangte Behörde erließ erklärungsgemäß am den Einkommensteuerbescheid 2019 (Arbeitnehmerveranlagung), welcher eine Gutschrift iHv. 2.489,00 Euro auswies.

Der Bf. brachte gegen diesen Bescheid am das Rechtsmittel der Beschwerde auf elektronischem Weg ein und führte begründend dazu aus, dass er "das Darlehen der Wohnung zufällig ausgelassen habe" und begehrte die Zuerkennung der Kosten für Wohnraumschaffung/-sanierung iHv. 2.481,07 Euro.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde den Bf. wie folgt auf, Unterlagen zum Nachweis der beantragten Sonderausgaben vorzulegen:
"- Wohnraumschaffung: Erläuterung der Art des Aufwandes und Nachweise (Hausbau, Haus/Wohnungskauf, Rückzahlung an Wohnbaugenossenschaft). Zeitraum des Vertragsabschlusses?
- Wohnraumsanierung: Rechnung inkl. Montagebestätigung, Erläuterung der Maßnahmen
".

Am reichte der Bf. auf elektronischem Weg zwei jeweils an die Lebensgefährtin des Bf. adressierte Bestätigungen für das Jahr 2019 - ausgestellt von der Eigentümerin der Wohnhäuser, der QQ Gemein. Wohn-, Bau- u. Siedlungsm.b.H., - nach, aus welchen ersichtlich ist, dass zur Errichtung des Wohnhauses Darlehensmittel (bzw. Eigenmittel einer gemeinnützigen Bauvereinigung) verwendet und abzüglich allfälliger Annuitäten- oder Zinsenzuschüsse nachstehende Beiträge für die jeweilige Wohnung geleistet worden seien:
Wohnung am AdrBf.2:
jährlich 2.481,07 Euro, monatlich: 206,76 Euro
Wohnung am AdrBf.1:
jährlich 1.856,54 Euro, monatlich: 154,71 Euro

Am forderte die belangte Behörde den Bf. mit einem weiteren Ergänzungsersuchen auf, zu nachfolgenden Ergänzungspunkten Nachweise zu erbringen:
"- Wie ist die Anschrift Ihres Familienwohnsitzes? Nachweis: Meldezettel
- Wie stellen sich die Wohnverhältnisse in Ihrem Heimatland bzw. am Beschäftigungsort dar ? (Miet- oder Eigentumswohnung, bei den Eltern)
- Wie ist Ihr Familienstand? (Familienstandsbescheinigung)
- Wie viele Kilometer ist ihr Familienwohnsitz von der Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort entfernt?
- Welches Verkehrsmittel benutzen Sie für die Fahrten zwischen Arbeitsort und Familien-wohnsitz? Nachweis: Aufstellung z. B. über Treibstoffkosten, Fahrtenbuch, Fahrscheine, Beiträge für Mitfahrgelegenheiten
- Haben Sie am Beschäftigungsort eine Wohn- oder Schlafmöglichkeit? Nachweis: Mietvertrag und Zahlungsbelege oder Bestätigung des Arbeitgebers
Hat Ihr Arbeitgeber Fahrtkosten steuerfrei vergütet? Dann geben Sie uns bitte die Höhe bekannt
".

Über FinanzOnline brachte der Bf. am sein Antwortschreiben ein. Er führte aus, dass er zu seinem kranken Vater nach Hause fahre, da der Vater die Unterstützung des Sohnes unbedingt brauche. Vorgelegt wurden dazu vom Bf. eine (aufgrund der schlechten Bildqualität kaum lesbaren) Seite eines Fahrtenbuchs, ein medizinisches Gutachten des Vaters aus Ungarn in deutscher Übersetzung, datiert , eine Ablichtung einer ungarischen "Identity Card" des Bf. sowie eine Ablichtung eines in ausschließlich ungarischer Sprache verfassten Ausweises im Scheckkartenformat. Weitere Nachweise zu den anderen Ergänzungspunkten legte der Bf. nicht vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde insoweit statt, als die Sonderausgaben für Wohnraumschaffung/-sanierung im Höchstbeitrag angesetzt wurden und das Sonderausgabenviertel anerkannt wurde (= 730,00 Euro). Hingegen wurden die beantragten Kosten für die Familienheimfahrten iHv. 3.672,00 Euro von der belangten Behörde nunmehr nicht mehr anerkannt. Die Einkommensteuer wurde deshalb mit -1.485,00 Euro statt bisher -2.489,00 Euro festgesetzt und ergab sich daraus eine Abgabennachforderung iHv. 1.004,00 Euro.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten seien, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorlägen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes eine Erwerbstätigkeit ausübe oder pflegebedürftige Angehörige vor Ort seien. Für die Anerkennung von Familienheimfahrten sei nicht entscheidend, ob die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort einen Wohnsitz iSd § 26 Abs. 1 BAO vermittle; auch eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Schlafstelle oder ein angemietetes Hotelzimmer rechtfertige steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten.
Lägen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so könnten Kosten für Familienheimfahrten vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend werde bei einem verheirateten (in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden) Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren, bei einem allein stehenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von sechs Monaten angesehen werden können. Es sei dabei auf die Verhältnisse des Einzelfalls und nicht schematisch auf einen bestimmten Zeitraum abzustellen.
Die (Ehe-)Partnerin lebe seit Juni 2015 beim Bf. in Österreich. Es gebe ebenso keine minderjährigen Kinder oder pflegebedürftige Angehörige in Ungarn. Die Bestätigung über den Muskelfaserriss des Vaters sei erst im April 2020 ausgestellt worden und stelle keine Pflegebedürftigkeit dar. Da die Voraussetzungen für Familienheimfahrten nicht vorlägen, hätten diese nicht zuerkannt werden können.

Über FinanzOnline stellte der Bf. am einen Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag). Darin brachte der Bf. vor, dass sein Vater den Oberschenkelmuskelriss im Jahr 2016 erlitten habe. Dieser Riss könne im Alter seines Vaters nicht mehr 100% heilen; er brauche daher vom Bf. unbedingt Betreuung. Als Anhang legte der Bf. ein aus dem Ungarischen übersetztes Gutachten, datiert vom , von einem praktischen Arzt aus Ungarn bei: "Aufgrund der fachärztlichen Untersuchung des Antragstellers, Vater-Bf./ geboren am xxx / wohnhaft: Ort-Ungarn2, kann festgestellt werden, dass er im Jahr 2016 einen Oberschenkelmuskelriss erlitt.
DG.: S7610 Ruptura musc.quadr.l.d
Da die Muskelruptur aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Patienten nicht operativ behandelt werden konnte, mussten kontinuierliche Physiotherapie und Physiotherapie verordnet werden. Der Patient konnte die Gesundheitseinrichtung nur mit Hilfe eines Betreuers betreten, daher wurde dies monatlich von seinem Sohn,
N.N., erledigt! Sein Zustand ist derzeit festgestellt und endgültig. Er benötigt jedes Jahr regelmäßige Physiotherapie und Physiotherapie".

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In der Stellungnahme des Vorlageberichts führte die belangte Behörde aus, dass die Bestätigung über den Muskelfaserriss des Vaters erst im April 2020 ausgestellt worden sei. Es seien daher die Kosten für Familienheimfahrten aus Sicht des Finanzamtes nicht anzuerkennen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass Familienheimfahrten Werbungskosten seien und somit beruflich veranlasste Kosten darstellen würden. Das Wesen der Familienheimfahrten erschöpfe sich in der Rückkehr zum Ort des Familienwohnsitzes. Die Pflege naher Angehöriger weise keinen Konnex zu Werbungskosten auf und sei daher unbeachtlich. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht richtete am ein Vorhaltsschreiben an den Bf., in welchem um Beantwortung der nachstehende Fragen bzw. um Vorlage von Unterlagen ersucht wurde:
"1. Gemäß Ihres Jahreslohnzettels waren Sie im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2019 bei der XY GmbH als Arbeitnehmer beschäftigt. Es geht nicht hervor, welcher Tätigkeit Sie nachgehen und an welchen Arbeitsorten Sie beschäftigt waren. Sie werden daher ersucht, eine Liste zu erstellen, an welchen Orten Sie im Jahr 2019 beruflich eingesetzt wurden (war es immer der gleiche Arbeitsort oder wurden Sie an mehreren, verschiedenen Arbeitsorten eingesetzt)?
2. Sie werden ersucht, den in Ihrem Antwortschreiben vom (zum Vorhalt vom ) unterhalb der "Identity Card" angehängten Ausweis (siehe Beilage "Anhang 1") in die deutsche Sprache zu übersetzen.
3. Sie werden auch ersucht, das von Ihnen vorgelegte Fahrtenbuch (siehe Beilage "Anhang 2") einzuscannen und in leserlicher Form nachzureichen (die bisher vorgelegte Ablichtung in Form eines Fotos ist überwiegend unleserlich).
"

Nach Ersuchen um Fristverlängerung führte der Bf. in der Vorhaltsbeantwortung vom u.a. Nachfolgendes aus:
"1. Bei der Firma XY habe ich als Schweißer gearbeitet. Ich war ca. 11 Jahre lang bei ZZ GmbH tätig, der Arbeitsort war immer derselbe. Die Adresse lautet: AdrFirma.
2. Die ungarische Meldekarte befindet sich im Anhang, sie ist übersetzt.
"
Die ungarische Meldekarte wurde in beglaubigter Übersetzung vorgelegt. Es handelt sich dabei um eine offizielle Bescheinigung der Wohnadresse des Bf. in Ungarn in Ort-Ungarn1, gemeldet seit . Weiters legte der Bf. das Fahrtenbuch in leserlicher Form vor. Für das Beschwerdejahr 2019 wurde laut den diesbezüglichen Seiten für den 01. Februar, 15. März, 19. April, 17. Mai, 07. Juni, 05. Juli, 23. August, 21. Oktober und jeweils unter Wegstrecke "515 km" und unter Reisezweck "AdrBf1-OrtUngarn1", bzw. für den 04. Februar, 18. März, 24. April, 19. Mai, 09. Juni, 08. Juli, 06. September, und unter Reisezweck "OrtUngarn1-AdrBf1" eingetragen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist laut Abfrage im zentralen Melderegister (ZMR) ungarischer Staatsbürger und erzielte im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich. Der Arbeitgeber des Bf. war ein Personalbereitstellungsunternehmen mit Sitz in Kärnten. Der Bf. gab an, dass er im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bei der Firma ZZ GmbH in AdrFirma beschäftigt war. Laut Routenplaner ("google maps") beträgt die Fahrzeit mit dem Pkw zwischen der Wohnung AdrBf.2 bzw. Straße1 und AdrFirma ca. 40 Minuten. Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 und in der Beschwerdevorentscheidung wurde der Verkehrsabsetzbetrag ausgewiesen, ein Pendlerpauschale ist nicht ersichtlich.
Gemäß ZMR-Abfrage war der Bf. im Streitjahr 2019 in Österreich wie folgt gemeldet:


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von bis
Nebenwohnsitz:
Straße2
OrtBf
von bis
Hauptwohnsitz:
Straße2
OrtBf
von bis
Hauptwohnsitz:
Straße1
OrtBf
von bis
Nebenwohnsitz:
Straße1
OrtBf

Unterkunftgeberin war in allen Fällen die Lebensgefährtin des Bf., welche mit dem Bf. zunächst gemeinsam in der Wohnung am Straße2 und danach in der Wohnung am AdrBf.1, zusammenlebte. Ebenso war der am geborene Sohn des Bf., Z,N,, in diesen beiden Wohnungen gemeldet. Daneben verfügte der Bf. im Beschwerdejahr laut ungarischer Wohnsitzkarte (Lakcímkártya) seit über eine Wohnadresse in Ort-Ungarn1, Ungarn.

Der Bf. hatte im Verfahrensverlauf zwei medizinische Gutachten aus Ungarn vorgelegt, die eine Pflegebedürftigkeit seines Vaters aufgrund eines Oberschenkelmuskelfaserrisses im Jahr 2016 bescheinigen sollten. Die Gutachten wurden in den Jahren 2020 und 2021, also nachträglich, von einer ungarischen medizinischen Einrichtung bzw. von einem praktischen Arzt ausgestellt. Der Bf. führte ins Treffen, dass er mehrmals im Jahr nach Ungarn fahren müsse, um seinen Vater zu dessen Physiotherapie zu begleiten. Die auf der ungarischen Wohnsitzkarte (Lakcímkártya) angeführte Wohnadresse des Bf. Ort-Ungarn1, und die Wohnadresse des Vaters laut ärztlichem Gutachten in Ort-Ungarn2, sind etwa 25 Kilometer voneinander entfernt. Aus den vorgelegten Fahrtenaufzeichnungen ist ersichtlich, dass der Bf. im Beschwerdejahr neun Mal nach Ort1/Ungarn und zurück gefahren ist.

Strittig sind die vom Bf. geltend gemachten Kosten für die Fahrten nach Ungarn.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Nach § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 sind "Werbungskosten Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten
."

Demgegenüber dürfen nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften u.a. nicht abgezogen werden
"1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
2.a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen
...
2.e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.
"

Laut dem im Abgabenverfahren vorherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB. ).

Der Bf. macht Kosten für die Hin- und Rückreise von OrtBf nach Ort1 (Ungarn) geltend, da er nach seinen Angaben seinen pflegebedürftigen Vater betreuen müsse. Die Aufwendungen wurden von der belangten Behörde dahingehend geprüft, ob sie den Kriterien der Familienheimfahrten entsprechen, und schließlich mangels Vorliegens der diesbezüglichen Voraussetzungen nicht anerkannt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Abziehbarkeit von Aufwendungen für Familienheimfahrten auseinandergesetzt und wird die diesbezügliche Judikatur auszugsweise wiedergegeben:

Ausgaben für Familienheimfahrten sind für den Arbeitnehmer dann Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988, wenn ihm unvermeidbare Kosten dadurch entstehen, dass er am Arbeits-(Tätigkeits-)Ort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an diesen Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz (; ).

Familienheimfahrten sind somit die Fahrten zwischen Familienwohnsitz (am Familienwohnort) und Berufswohnsitz (am Beschäftigungsort), also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten daher nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen, und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird (vgl. Jakom/Lenneis, EStG14, § 16 Rz 56, mit Verweise auf die Judikatur).

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr-)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie zB für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist; ist die Wahl oder Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort hingegen auf der privaten Sphäre zuzuordnende Gründe zurückzuführen, sind die daraus entstandenen Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl. ; ).

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. zB ).

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen besteht grundsätzlich dort, wo die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen (, ).

Unter persönlichen Verhältnissen sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Im Regelfall bestehen nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt (; ; ).

Als Arbeits-(Tätigkeitsort-)ort oder Beschäftigungsort im Sinne der Judikatur zur doppelten Haushaltsführung ist nur jener Ort zu verstehen, der eine persönliche Anwesenheit zur Arbeitsleistung erfordert, sodass der Steuerpflichtige an diesem Ort wohnen muss (vgl. ).

Für den Beschwerdefall ergibt sich aus der angeführten Judikatur hinsichtlich der Feststellung des Familienwohnsitzes folgende Beurteilung:

Im Streitjahr 2019 lebte der Bf. mit seiner Lebensgefährtin und dem im März 2019 geborenen Sohn in einem gemeinsamen Haushalt in OrtBf. Dabei handelt es sich um jenen Ort, an dem er regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebte und somit die stärksten persönlichen Beziehung hatte.
Der Arbeitsort lag 2019 laut Auskunft des Bf. in OrtFirma. Zu der persönlichen Bindung nach OrtBf kamen daher auch noch starke wirtschaftliche Beziehungen aufgrund der im Nahebereich (OrtFirma) ausgeübten Berufstätigkeit des Bf. hinzu.
Der Familienwohnsitz und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen lagen demnach im Jahr 2019 in OrtBf und zwar sowohl aufgrund der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Zwar ist aus dem ZMR-Auszug ein zweimaliger Wechsel von Haupt- auf Nebenwohnsitz im Jahr 2019 ersichtlich, allerdings kommt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs einer Eintragung im zentralen Melderegister lediglich Indizwirkung zu (vgl. ) und unterliegt auch dieses Beweismittel der freien Beweiswürdigung (167 BAO). Aufgrund des während des Jahres 2019 in OrtBf bestehenden gemeinsamen Haushaltes des Bf. mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn, kommt das Bundesfinanzgericht, entsprechend den vorstehenden Rechtsausführungen, zur Überzeugung, dass der Bf. im Beschwerdejahr 2019 seine stärkste persönliche Beziehung zu diesem Ort und damit dort den Lebensmittelpunkt hatte.
Demgegenüber stellen weder die in Ort1/Ungarn gelegene Wohnung des Bf. noch der Wohnort des Vaters in Ort2/Ungarn gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur einen Familienwohnsitz (dieser lag 2019 wie ausgeführt in OrtBf) oder einen Beschäftigungsort (dieser lag 2019 wie dargestellt in OrtFirma) dar, sodass es sich bei den Fahrten zwischen OrtBf und Ort1/Ungarn um keine Familienheimfahrten handelte und damit keine Werbungskosten vorliegen. Die geltend gemachten Kosten sind daher gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 steuerlich nicht abzugsfähig.

Weiters wird zum vom Bf. vorgebrachten Argument, dass der Bf. mehrmals im Jahr nach Ungarn fahren müsse, um seinen Vater zu dessen Physiotherapie zu begleiten ausgeführt, dass auch keine außergewöhnlichen Belastungen nach § 34 EStG 1988 vorliegen.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss insbesondere außergewöhnlich sein (Z 1) und zwangsläufig erwachsen (Z 2). Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Die Belastung erwächst nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelt es bei Fahrtkosten, die ihre Ursache in der Betreuung eines betagten Elternteils haben, etwa anlässlich der Begleitung bei Spaziergängen, verschiedenen Besorgungen oder Arztbesuchen, am Merkmal der Außergewöhnlichkeit (zuletzt mwV). Die Fahrtkosten des Bf. nach Ungarn zur Begleitung des Vaters zu den Therapien stellen entsprechend keine außergewöhnlichen Belastungen dar.

Die geltend gemachten Kosten des Bf. für die Fahrten von OrtBf nach Ort1/Ungarn waren daher nicht abzugsfähig und war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis stützt sich auf die ergangene und im Entscheidungstext angeführte höchstgerichtliche Judikatur. Entsprechend liegt keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, vor und war auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Graz, am

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