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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2021, RV/2100183/2021

Berechnung der Gleichbehandlungsquoten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache NN, Adresse, vertreten durch Rechtsanwalt RA, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom , Abgabenkontonummer 72, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers, RA, der Vertreterin des Finanzamtes Österreich, VFA, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

***Bf1*** wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für die folgenden Abgaben der X.GmbH (nunmehr Y.GmbH) in der Gesamthöhe von 6.418,00 Euro herangezogen:


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Abgabe
Fälligkeit
Betrag in Euro
Umsatzsteuer 07/2016
630,11
Lohnsteuer 06/2016
922,24
Dienstgeberbeitrag 06/2016
590,99
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2016
51,22
Lohnsteuer 07/2016
1.492,45
Lohnsteuer 08/2016
2.541,02
Dienstgeberbeitrag 08/2016
174,82
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016
15,15

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war seit der Errichtung der X.GmbH im Jahr 1 deren Alleingesellschafter und vertrat diese seit ihrer Gründung bis Datum1 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom Datum2, I, wurde über die Gesellschaft ein Konkursverfahren eröffnet.
Mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum3 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt, der Konkurs aufgehoben und mit dem Generalversammlungsbeschluss vom Datum4 die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen (Auszug Firmenbuch FN).

Mit dem Vorhalt vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, dass am Konto der X.GmbH Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuer, Lohnabgaben) in der Höhe von 62.646,04 € unberichtigt aushaften.
Der Bf. werde, sofern die X.GmbH zu den jeweiligen Fäligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzulegen. Es seien alle damaligen Gläubiger der X.GmbH sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen darzustellen und diesen alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel gegenüberzustellen.
Werde dieser Nachweis nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenverbindlichkeiten gegenüber anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
Die Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Der Bf. werde ersucht bekanntzugeben, ob für die angeführten Zeiträume Löhne ausbezahlt worden seien.

Eine Beantwortung des Vorhaltes erfolgte nicht, weshalb das Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg den Bf. mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom gemäß § 9 BAO unter Berücksichtigung der 20%igen Sanierungsquote zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH im Ausmaß von 30.804,51 € heranzog (Umsatzsteuer 2015 2.136,46 €, Umsatzsteuer 06/2016 10.923,27 €, Umsatzsteuer 07/2016 4.304 €, Körperschaftsteuer 07-09/2016 100 €, Lohnsteuer 06/2016 922,24 €, Dienstgeberbeitrag 06/2016 1.472,70 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2016 127,64 €, Lohnsteuer 07/2016 1.795,10 €, Dienstgeberbeitrag 07/2016 1.095,38 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2016 94,94 €, Lohnsteuer 08/2016 2.863,44 €, Dienstgeberbeitrag 08/2016 1.345,64 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016 116,62 €, Lohnsteuer 09/2016 2.218,44 €, Dienstgeberbeitrag 09/2016 1.185,22 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2016 102,72 €).
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, seitens des Bf. sei keine Stellungnahme hinsichtlich der Haftungsfragen abgegeben worden, weshalb das Finanzamt davon ausgehe, dass der Bf. der ihm aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsmäßig nachgekommen sei.

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. durch seinen Vertreter aus:

"1. …..
Grundvoraussetzung für eine derartige Haftung ist leichte Fahrlässigkeit an der Nichtentrichtung der Abgaben, eine solche liegt jedoch nicht vor.

Aus dem abgeführten Insolvenzverfahren ergibt sich, dass nach Ansicht des Masseverwalters etwa ab Mitte 2016 die Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit erreicht wurde und die Zahlungsunfähigkeit im Wesentlichen daraus resultiert, dass aus Bauaufträgen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens alleine bei der Z.GmbH offene Forderungen von zumindest € 90.000,00 resultieren. Hier wurde bis zur Insolvenzeröffnung versucht, den Betrag von der Auftraggeberin zu erhalten, jedoch ist hier erst im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine größere Zahlung erfolgt.

Der Geschäftsführer hat hier sein Möglichstes getan, um die offene Forderung einbringlich zu machen und liegt daher von seiner Seite kein Verschulden vor. Der Geschäftsführer hat auch weitere Sanierungsversuche in der Form unternommen, dass Kosten reduziert wurden und auch versucht wurde, Liquidität von dritter Seite zu erhalten, dies hat jedoch letztendlich nicht funktioniert und wurde aufgrund des Antrags vom seitens der BUAK letztendlich zum Datum2 Insolvenz eröffnet. Es war daher für den Beschwerdeführer bereits Ende September absehbar, dass ein Insolvenzverfahren unvermeidbar sei.

Beweis: PV
Insolvenzakt
I des LG für ZRS Graz

2.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Konkurseröffnung am
Datum2, an einem Dienstag erfolgt ist. Der war ein Samstag und war zu diesem Zeitpunkt bereits für den Beschwerdeführer absehbar, dass die Konkurseröffnung erfolgen wird und war das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt auch zahlungsunfähig, weshalb die Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge, wie auch sonstige Beträge für September 2016, welche am überhaupt erst fällig geworden wären, nicht mehr bezahlt werden konnten. Die Nichtbezahlung von Beträgen, die überhaupt erst am fällig geworden sind, kann gar keine Fahrlässigkeit beinhalten. Eine Pflichtverletzung in Form leichter Fahrlässigkeit durch den Geschäftsführer liegt hier jedoch nicht vor.

Auch hinsichtlich der restlichen Forderung aus dem bekämpften Haftungsbescheid liegt ein Verschulden des Geschäftsführers nicht vor, da dieser alles ihm Mögliche unternommen hat, um die offenen Forderungen gegenüber der X.GmbH, welche zu Unrecht nicht beglichen wurden (Vereinbarungen haben bestanden, wurden von den Auftraggeberin jedoch nicht eingehalten) einzutreiben. Teilweise ist dies dem Masseverwalter gelungen und ist schon daran erkennbar, dass die Bezahlung der offenen Forderungen zum Teil zu Unrecht verweigert wurde.

Beweis: wie bisher

Aus den oben angeführten Gründen ist mangels Verschulden des Geschäftsführers daher der Haftungsbescheid zu Unrecht erlassen worden und beantragt der Beschwerdeführer

a) den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben,
b) den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung zurückzuweisen
c) jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen."

Mit dem Mängelbehebungsauftrag vom forderte das Finanzamt den Bf. unter dem Punkt "Fehlen eines Inhaltserfordernisses gemäß § 250 Abs. 1 BAO" auf, bis spätestens mitzuteilen, ob bei der X.GmbH die Löhne für die Monate Juni 2016 bis September 2016 in voller Höhe ausbezahlt wurden. Bei Versäumung der Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom erklärte das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen, da der Mängelbehebungsauftrag vom nicht beantwortet worden sei.

Mit dem Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führte aus:
"…..

Der Beschwerdeführer hat durch seine rechtliche Vertretung am per Einschreiben dem Mängelbehebungsauftrag vom entsprochen und auch Unterlagen im Original übermittelt.

Die Übermittlung ist somit rechtzeitig erfolgt. Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerdevorentscheidung, wonach dem Mängelbehebungsauftrag vom nicht entsprochen worden sein soll, hat der Beschwerdeführervertreter den Sendungsverlauf überprüft und ergibt sich daraus, dass die Österreichische Post AG am um 08:57 Uhr dem Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg die Sendung zugestellt hat.

Weshalb die belangte Behörde nunmehr behauptet, dass dem Bescheid - Mängelbehebungsauftrag vom nicht entsprochen wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Beweis: Empfangsbestätigung vom

Der Ausspruch der Beschwerdevorentscheidung, wonach die Beschwerde vom gem. § 85 (2) BAO als zurückgenommen gilt ist daher zu Unrecht erfolgt und die Beschwerdevorentscheidung zu Unrecht erlassen worden.

Der Beschwerdeführer stellt daher den Antrag an das Bundesfinanzgericht, die Beschwerdevorentscheidung vom zu Abgabenkontonummer 72 ersatzlos zu beheben und das Verfahren fortzusetzen und über die Bescheidbeschwerde vom zu entscheiden. ……"

Der Vertreter des Bf. legte im November 2020 eine Aufstellung zur Berechnung der Gläubigergleichbehandlung ohne quotenmäßige Berechnung sowie die Auszahlungsjournale der Löhne für die Monate Juli, August und September 2016 vor. Aus diesen geht hervor, dass die Löhne im Juli und August 2016 nur teilweise und im September 2016 nicht mehr ausbezahlt wurden.

Dem Vorlagebericht des Finanzamtes waren prozentuelle Berechnungen zur Gläubigergleichbehandlung angeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung vom wurden die vom Finanzamt errechneten Quotenberechnungen auf der Grundlage der vom Bf. übermittelten Aufstellung erörtert.

Die Vertreterin des Finanzamtes Österreich beantragte die teilweise Stattgabe der Beschwerde im Sinne der vorgelegten Quotenberechnungen.

Der Vertreter des Abgabepflichtigen beantragte die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Mängelbehebungsauftrag

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach der Aktenlage wies die Beschwerde des steuerlichen Vertreters vom keine inhaltlichen Mängel auf. Die Beschwerde enthält die im § 250 Abs. 1 BAO festgelegten vier Inhaltserfordernisse für Bescheidbeschwerden (Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, angefochtene Punkte, beantragte Änderungen sowie eine Begründung).

Ein Mängelbehebungsauftrag darf nicht zur Beibringung von Beweismitteln erteilt werden (vgl. ).
Der noch zu erhebende Sachverhalt, ob bei der Gesellschaft die Löhne für die Monate Juni bis September 2016 in voller Höhe ausbezahlt wurden, wäre im Wege eines Vorhalteverfahrens und nicht im Zuge eines Mängelbehebungsauftrages gemäß § 85 BAO mit der Rechtsfolge der Zurücknahmeerklärung des Rechtsmittels im Fall der Versäumung der Frist zu ermitteln gewesen.
Die Beschwerdevorentscheidung (Zurücknahmeerklärung der Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO) erging daher rechtswidrig.
Davon abgesehen, kam der Bf. der Aufforderung des Mängelbehebungsauftrages ohnehin nach.
Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt (§ 264 Abs. 3 BAO). Mit dem Ergehen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes verliert aber die Beschwerdevorentscheidung ihre Wirksamkeit und scheidet aus dem Rechtsbestand aus (siehe ), weshalb die beantragte gesonderte Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung nicht erforderlich ist.

Vertreterstellung

Nach der Aktenlage war der Bf. vom Datum0 bis Datum1 und daher im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH (nunmehr Y.GmbH) (Auszug aus dem Firmenbuch FN).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der über die Verteilungsquote von 20% hinaus aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten nach der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes und der damit verbundenen Aufhebung des Konkurses durch das Landesgericht für ZRS Graz bei der Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Umsatzsteuer 2015

Bei Selbstberechnungsabgaben ist für die Frage, ob die Gesellschaft über Mittel für die Abgabenentrichtung verfügt hat, bereits der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären ().

Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2015 vom wurde dem Masseverwalter der im Zeitpunkt seiner Erlassung bereits im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft zugestellt. Eine Zustellung des Bescheides an den Bf. im Zuge des Haftungsverfahrens erfolgte nach der Aktenlage nicht, weshalb der Bf. einerseits nicht in die Lage versetzt wurde, sein Beschwerderecht gegen den Abgabenbescheid auszuüben (§ 248 BAO) und andererseits mangels Aufgliederung der Umsatzsteuerzahllast auf die einzelnen Monate nicht in die Lage versetzt wurde, geeignete Gleichbehandlungsberechnungen vorzulegen.
Die Umsatzsteuer 2015 wird daher aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden.

Lohnsteuer

Der Vertreter darf bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen ().

Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die Lohnabgaben für September 2016 nicht ausbezahlt wurden. Die Lohnabgaben 09/2016 waren daher aus der Haftung auszuscheiden.

Da die Löhne Juli und August 2016 laut den vorliegenden Unterlagen nur teilweise (im Juli zu 83,14 % und im August zu 88,74 %) ausbezahlt wurden, sind die jeweiligen Haftungsbeträge der Lohnabgaben im Ausmaß der Nichtauszahlung der Löhne im Schätzungsweg herabzusetzen (Lohnsteuer 07/2016 daher 1.492,45 € und Lohnsteuer 08/2016 2.541,02 €).

Die Löhne für Juni 2016 wurden zur Gänze ausbezahlt; der Haftungsbetrag Lohnsteuer 06/2016 in der Höhe von 922,24 € bleibt daher aufrecht.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Für die übrigen Abgaben (im vorliegenden Fall Umsatzsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Haftung des Vertreters nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre.

Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).

Im Zuge des Verfahrens legte der Bf. eine Aufstellung der Verbindlichkeiten, der in den jeweiligen Monaten hinzugekommenen Verbindlichkeiten sowie die geleisteten Zahlungen vor.

Aus dieser Aufstellung in Verbindung mit dem sich aus dem Abgabenkonto ergebenden Abgabenverbindlichkeiten sowie den entrichteten Beträgen wurde vom Finanzamt durch selbst vorgenommene Quotenberechnungen festgestellt, dass im Monat August 2016 eine Benachteiligung des Abgabengläubigers nicht erfolgte, weshalb die im August fälligen Abgabenverbindlichkeiten (Umsatzsteuer 06/2016, Körperschaftsteuer 07-09/2016, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2016) aus der Haftung auszuscheiden waren.

Im September 2016 erfolgte am Finanzamtskonto keine Zahlung, weshalb die in diesem Monat fälligen Abgaben (Umsatzsteuer 07/2016 und Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016) in der prozentuellen Höhe in die Haftung einbezogen wurden, die der Entrichtung der Gesamtverbindlichkeiten in diesem Monat entspricht.
Die Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft Anfang September betrugen 391.268,39 € (344.622,75 € laut Aufstellung des Bf. + Finanzamtsverbindlichkeiten von insgesamt 46.645,64 € [40.894,83 € inklusive der erst im Oktober verbuchten Lohnabgaben 06/2016 in der Höhe von 5.750,81 € laut Abgabenkonto]). Hinzu kamen im Monat September Verbindlichkeiten in der Höhe von 126.512,27 € laut Aufstellung des Bf. + Finanzamtsverbindlichkeiten von insgesamt 10.787,13 € (Lohnabgaben 06/2016 5.407,13 € und Umsatzsteuer 07/16 5.380,00 € laut Abgabenkonto), zusammen daher 137.299,40 €. Auf die im Monat September 2016 daher insgesamt angefallenen Verbindlichkeiten in der Höhe von insgesamt 528.567,79 € (391.268,39 € + 137.299,40 €) wurden laut Aufstellung des Bf. Zahlungen in der Höhe von 77.367,52 € geleistet, das sind 14,64 %. Da Abgabenverbindlichkeiten in diesem Monat überhaupt nicht entrichtet wurden, haftet der Bf. für die im September fälligen Abgaben mit 14,64 % (Haftungsbetrag Umsatzsteuer 07/2016 daher 630,11 €, Dienstgeberbeitrag 08/2016 174,82 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016 15,15 €, wobei die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag mit 88,74 % angenommen wurde, siehe obige Ausführungen).

Die Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft für den Zeitraum Juli 2016 betrugen 400.752,39 € (361.510,08 € laut Aufstellung des Bf. + Finanzamtsverbindlichkeiten von insgesamt 39.242,31 laut Abgabenkonto). Hinzu kamen im Monat Juli Verbindlichkeiten in der Höhe von 248.590,05 € laut Aufstellung des Bf. + Finanzamtsverbindlichkeiten von insgesamt 11.693,40 € (Lohnabgaben 05/2016 5.478,40 € + Lohnabgaben 06/2016 5.750,81 € und Einhebungsgebühren 464,19 € laut Abgabenkonto), zusammen daher 260.283,45 €. Auf die im Monat Juli 2016 daher insgesamt angefallenen Verbindlichkeiten in der Höhe von 661.035,84 € (400.752,39 € + 260.283,45 €) wurden Zahlungen in der Höhe von insgesamt 305.881,29 € (302.339,52 € laut Aufstellung des Bf. + 3.541,77 € laut Abgabenkonto) geleistet.
Der Anteil der Abgabenverbindlichkeiten von 50.935,71 (39.242,31 € alt + 11.693,40 € neu) an den Gesamtverbindlichkeiten von 649.342,44 (400.752,39 € alt + 248.590,05 € neu) beträgt 7,84 %.
Bei gleichmäßiger Bedienung aller Gläubiger wären daher von den im Juli 2016 geleisteten Zahlungen von 305.881,00 € 7,84 % und somit 23.981,09 € auf die Abgabenverbindlichkeiten zu entrichten gewesen (305.881,29 x 7,84 % = 23.981,09 €). Nach der Aktenlage wurden jedoch lediglich 3.541,77 € und somit nur 6,95 % (3.541,77 : 50.935,71) statt 47,08 % der Abgabenverbindlichkeiten entrichtet (23.981,09 : 50.935,71). Der Bf. haftet daher hinsichtlich der im Juli 2016 fälligen Abgaben für die Differenzquote mit 40,13 % (Haftungsbetrag Dienstgeberbeitrag 06/16 daher 590,99 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/16 51,22 €).

Schuldhafte Pflichtverletzung

Dass der Bf. laut seinem Vorbringen in der Beschwerde alles ihm Mögliche unternommen hat, um die offenen Forderungen der Gesellschaft einzutreiben, ist für die Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Haftender nicht maßgeblich. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. liegt nicht darin, die Abgabennachforderungen (infolge Nichtentrichtung offener Forderungen der GmbH) nicht entrichtet zu haben, sondern darin, dass die Abgaben nicht im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit in der gleichen Höhe entrichtet wurden wie die übrigen Abgabenverbindlichkeiten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (zuletzt mwN).

Dem Vorbringen, der Bf. habe im Monat September 2016 die Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten nicht verletzt, weil die Höhe der übrigen Verbindlichkeiten in größerem Ausmaß gestiegen sei als die Höhe der Abgabenverbindlichkeiten, kann daher nach der Rechtsprechung des VwGH nicht gefolgt werden.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach den vorliegenden Unterlagen handelt es sich bei den Nachforderungen ausschließlich um nicht abgeführte Selbstbemessungsabgaben der Gesellschaft. Der Bf. ist daher seinen grundlegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen.

Schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme, wobei das Vorliegen von leichter Fahrlässigkeit genügt, da eine bestimmte Schuldform nicht gefordert ist ().

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (es handelt sich ausschließlich um Abgabenverbindlichkeiten aus dem Jahr 2016) oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung (Erlassung des Haftungsbescheides ) andererseits liegt nicht vor.

Vom Bf. wurden ebenfalls keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage: Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100183.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at