Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.10.2021, RV/2100759/2020

Haftung bei Arbeitskräfteüberlassung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Günter Hösele, Grazer Straße 32, 8530 Deutschlandsberg,

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Haftung gem. § 99 EStG zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer, Herr ***Bf***, gemäß § 100 Abs. 2 EStG als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2***., ***Adr.Firma***, 2000 Maribor im Ausmaß von 27.493,73 Euro gemäß § 99 EStG 1988 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Begründend verwies das Finanzamt auf Tz 1 des Betriebsprüfungsberichts vom . Diesem ist zu entnehmen:
"Gemäß Grundaufzeichnungen wurden im Jahr 2013 als Fremdleistungen an die Firma ***2***. in Maribor 137.468,67 € im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung aus dem Ausland ausbezahlt. ZKO 4 Meldungen hinsichtlich der Arbeitskräfteüberlassung der Firma ***2***. liegen auf. Von der Firma ***2***. wurden diese Leistungen gem. MIAS als sonstige Leistungen in Höhe von inges. 137.850 € gemeldet. Gemäß Information des FA BEO gibt es für diese Firma keinen Befreiungsbescheid gem. § 5 Abs. 3 DBA-Entlastungsverordnung.
Frau ***1*** (Lebensgefährtin von Herrn ***Bf.***) wurde am niederschriftliche zum Vertragsverhältnis mit der Firma ***2***. von der Finanzpolizei befragt, dafür wurden ihr Abrechnungen vorgelegt. Sie gibt dazu an: "Das damalige Vertragsverhältnis war eine Arbeitskräfteüberlassung, weil wir damals zu wenig Personal hatten." Aus den Abrechnungsbelegen mit der Firma ***2***. geht hervor, dass nur Arbeitsstunden für Arbeitskräfte abgerechnet werden. Damit ist die Firma ***Bf.*** VN zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugssteuer gern. § 99 EStG verpflichtet. Diese hat sie bisher nicht abgeführt. 2013: Bemessungsgrundlage 137.468,67, Steuer 20%, Steuerbetrag 27.493,73"

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom machte der steuerliche Vertreter geltend, dass die Geltendmachung der Haftung nur innerhalb der Verjährung zulässig sei. Diese sei eingetreten weshalb die Inanspruchnahme nicht zulässig sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Verjährung im Beschwerdefall durch die Erhebung der Finanzpolizei (= Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung) in dieser Causa (Frau ***1*** -Lebensgefährtin von Herrn ***Bf.*** - wurde am niederschriftlich zum Vertragsverhältnis mit der Firma ***2***. von der Finanzpolizei befragt) unterbrochen wurde. Die Verjährung beginne deshalb im Jahre 2015 neu zu laufen, womit im Jahre 2019 keine Verjährung eingetreten sei.

Im Vorlageantrag vom führte der steuerliche Vertreter aus, dass die Amtshandlung gegen einen anderen Abgabenschuldner gerichtet gewesen sei:
"Gemäß Niederschrift vom der Finanzpolizei ist klar erkennbar, dass die Amtshandlung auf einen ganz anderen Abgabenschuldner gerichtet war. Frau VN ***1*** wurde nach der Firma ***3*** befragt, die Gegenstand der Amtshandlung war. (ZK04 Meldung ZKO4/2013-1549w). Im Übrigen wird auf die Begründung im Haftungsbescheid verwiesen, in der der Schuldner als Firma ***4*** ausgewiesen wird."

Auch in der Sache sei kein Haftungstatbestand gegeben: Bei den Leistungen der Firma ***2***. handle es sich nicht um eine Arbeitskräfteüberlassung, sondern um einen Werkvertrag. Das zeige sich bereits daraus, dass die Firma ***2***. andere Produkte bzw. Leistungen anbiete als die Bf.

Aktenkundig ist das zitierte Vernehmungsprotokoll von Frau VN ***1*** vom . Darin heißt es wörtlich:

"Sachverhalt:
Vertragsverhältnisse zwischen der Firma VN ***Bf.*** mit Sitz in ***Ort*** und der Firma ***2***. und etwaigen anderen ausländischen Arbeitskräften.
Frage: Welche Funktion haben Sie bei der Firma?
Antwort: Ich bin Arbeitnehmerin und die Lebensgefährtin des GF VN ***Bf.***. Ich bin auch für die Buchhaltung zuständig.
Es werden Abrechnungen der Firma ***2***. vorgelegt. Bei jeder Abrechnung gibt es auch die jeweiligen Stundenaufzeichnungen der Arbeiter. Als Beispiel liegt eine Stundenaufzeichnung dieser Abrechnungen bei.
Das damalige Vertragsverhältnis war eine Arbeitskräfteüberlassung, weil wir damals zu wenig Personal hatten. Die Arbeitnehmer der ***2***. wurden zusammen mit dem eigenen Stammpersonal auf diversen Baustellen eingesetzt".

In den ebenfalls aktenkundigen Eingangsrechnungen wurden Arbeitsstunden für "Montage und Elektroinstallation" auf Baustellen des Bf. unter Anführung der Namen der Arbeiter abgerechnet (zB Baustelle ***Bf.***, ***6***, ***7***, ***8***, ***9*** , ***10***, ***11***, ***12***, ***13***).

In einer dem Bf. ebenfalls zugegangenen Stellungnahme des Finanzamtes vom führt dieses zum Sachverhalt weiters aus, dass in den Rechnungen der Firma ***2***. ausschließlich Arbeitsstunden einzelner Arbeiter verrechnet werden.
Dem Finanzamt wurden auch zwei "ZK04 Meldungen" für den Zeitraum 13.05. - und 03.06.- der Firma ***2***. übermittelt, in denen Arbeitskräfteüberlassungen an die Firma ***Bf.*** VN gemeldet wurden. Solche Mitteilungen würden ausschließlich bei Meldungen einer Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich verwendet.
Laut MIAS Datenbank hat die Firma ***2***. sonstige Leistungen in Höhe von insgesamt 137.850 Euro an den Bf. gemeldet.
Auf der Homepage der Firma ***2***. (***https***/) präsentiere diese sich als Unternehmen, das bereits seit seiner Gründung im August 2011 im Bereich Beschäftigung und Arbeitskräfteüberlassung tätig ist. Es sei weiter zu lesen, dass das Unternehmen ***2***. seine Geschäftstätigkeit mit der Personalbereitstellung für verschiedene Auftraggeber des EU-Arbeitsmarkts im Bereich der Haus-Elektroinstallationen begann.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Im Jahr 2013 hat die Firma ***2***. in Maribor sonstige Leistungen im Ausmaß von 137.468,67 Euro an den Beschwerdeführer erbracht (im Rechenwerk der Bf. erfasste Eingangsrechnungen). Die im MIAS-System gemeldeten Beträge von 137.850 Euro entsprechen im Wesentlichen den verbuchten Eingangsrechnungen. Die geringfügige Differenz von 381,33 Euro lässt sich mit Skonti, Rabatten oder Reklamationen erklären, sodass der geschuldete Betrag der verrechneten Leistungen den im Rechenwerk ausgewiesenen 137.468,67 Euro entspricht.

Laut aktenkundiger Eingangsrechnungen wurden damit Arbeitsstunden diverser Angestellter der Firma ***2***. verrechnet.

Aus folgenden Gründen ist - wie vom Finanzamt angenommen - davon auszugehen, dass es sich dabei um eine Arbeitskräfteüberlassung handelt:
- Abgerechnet werden nur Arbeitsstunden und keine Leistungen wie beispielsweise Verlegung von 10 Metern Kabel oder Montage von 5 Steckdosen o.ä.
- Die mit der Buchhaltung betraute Frau VN ***1*** hat in ihrer Einvernahme am ausgesagt, dass es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung gehandelt habe
- Die Firma ***2***. hat ZKO 4 Meldungen hinsichtlich der Arbeitskräfteüberlassung übermittelt
- Die Firma ***2***. ist auf dem Gebiet der Arbeitskräfteüberlassung tätig
- Auch die Bf. konnte in ihrem Vorbringen nicht erklären, um welche anderen Leistungen als Arbeitskräfteüberlassung es sich tatsächlich gehandelt habe.

Am wurde die Lebensgefährtin des Bf., Frau VN ***1*** von der Finanzpolizei zu Vertragsverhältnissen zwischen der Firma VN ***Bf.*** und der Firma ***2***. und etwaigen anderen ausländischen Arbeitskräften befragt (Niederschrift vom ).

Rechtliche Beurteilung

Rechtslage

§ 99 EStG 1988 idF BGBl 111/2010:

(1) Die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger wird durch Steuerabzug erhoben (Abzugsteuer):
(…)
5. Bei Einkünften aus im Inland ausgeübter kaufmännischer oder technischer Beratung und bei Einkünften aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung.
(…)

§ 100 EStG 1988:

(1) Die Abzugsteuer gemäß § 99 beträgt 20%, bei Einkünften gemäß § 99 Abs. 1 Z 6 und 7 jedoch 27,5%. In den Fällen des § 99 Abs. 2 Z 2 beträgt die Abzugsteuer 25%.

(1a) Der Schuldner (§ 100 Abs. 2 zweiter Satz) kann bei inländischen Einkünften gemäß § 99 Abs. 1 Z 6 und 7 stets eine Abzugsteuer in Höhe von 25% einbehalten, wenn der Schuldner der Abzugsteuer (§ 100 Abs. 2 erster Satz) eine Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist.

(2) Schuldner der Abzugsteuer ist der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1. Der Schuldner dieser Einkünfte (in den Fällen des § 99 Abs. 3 die zum Steuerabzug zugelassene Person) haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99.

(…)

§ 238 BAO:

(1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
§ 209a gilt sinngemäß.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

(…)

Erlassung des Haftungsbescheides

Bei Einkünften beschränkt Steuerpflichtiger aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung wird die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (§ 99 EStG 1988). Zum Steuerabzug ist der Schuldner der Einkünfte verpflichtet (§ 100 Abs 2 EStG 1988).

Die Geltendmachung der Haftung erfolgt durch Haftungsbescheid unabhängig von einem Verschulden des Haftungspflichtigen (vgl schon Jakom/Marschner, EStG 2020, § 100 Rz 2).

Die Erlassung von Haftungsbescheiden iSd § 224 BAO ist nur innerhalb der fünfjährigen Einhebungsverjährung des § 238 BAO zulässig (vgl Ritz, BAO, § 224 Tz 10).

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen und beginnt mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen (§ 238 Abs 2 BAO).

Neben den in § 238 Abs 2 explizit genannten Unterbrechungshandlungen kommen nach der Rechtsprechung auch Schreiben an den Haftenden (), Meldeanfragen oder Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismittel () u.v.m. in Betracht (vgl Ritz, BAO § 238 Tz 13 und die dort abgedruckten Judikaturnachweise).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet war und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte ( unter Hinweis auf ).

Am wurde die Lebensgefährtin des Bf., Frau VN ***1*** laut aktenkundiger Niederschrift von der Finanzpolizei zu Vertragsverhältnissen zwischen der Firma VN ***Bf.*** und der Firma ***2***. und etwaigen anderen ausländischen Arbeitskräften befragt.

Diese Befragung erfüllt die Voraussetzungen einer Unterbrechungshandlung, da sie nach außen gerichtet ist und erkennbar dem Zweck der Durchsetzung eines Haftungsanspruches dient.

Der Bf. wurde mit Bescheid vom zu Recht als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***2***., ***Adr.Firma***, 2000 Maribor für Einkünfte aus Arbeitskräfteüberlassungen im Ausmaß von 27.493,73 Euro in Anspruch genommen. Der Haftungsbescheid erfolgte innerhalb der Verjährungsfrist, da im Jahr 2015 durch die Befragung von Frau VN ***1*** eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist.

Die Beschwerde war daher - wie im Spruch ersichtlich - abzuweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde gar keine Rechtsfrage aufgeworfen weshalb eine Revision nicht zulässig war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100759.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at