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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2021, RV/3100447/2021

Zu Unrecht ergangener Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2 BAO)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Körperschaftsteuer 2016 und Umsatzsteuer 2016

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerdevorentscheidungen vom jeweils , mit welchen die Beschwerden vom jeweils gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom und gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom als zurückgenommen erklärt wurden, sowie der Mängelbehebungsauftrag vom werden gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.

2. den Beschluss gefasst:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Geschäftszweig laut Firmenbuch: Bauträgertätigkeit). Am erließ das Finanzamt an die Bf. den Körperschaftsteuerbescheid 2016 und den Umsatzsteuerbescheid 2016. Begründend wurde im Körperschaftsteuerbescheid 2016 und im Umsatzsteuerbescheid 2016 gleichlautend angeführt, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden seien.

2. Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 und den Umsatzsteuerbescheid 2016 (jeweils vom ) wurde von der Bf. mit Schreiben vom jeweils fristgerecht Beschwerde erhoben.

In der Beschwerde vom gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom wurde ausgeführt:

"Begründung

Die ***Bf1*** (Anm.: Firma vor Änderung im Firmenbuch; Änderung im Firmenbuch eingetragen am ) erzielte im Jahr 2016 keinen bilanziellen Gewinn.

Dass die Gesellschaft keine bilanziellen Gewinne erzielte ist aus den beim Firmenbuch eingereichten Bilanzen ersichtlich. Die belangte Behörde hat nicht sämtliche, ihr zugänglichen Dokumente für eine Schätzung der zukünftigen Einnahmen der Beschwerdeführerin verwendet und ist somit zu einem falschen Ergebnis gekommen.

Bei Berücksichtigung aller bekannten Informationen, insbesondere den Bilanzen aus der Vergangenheit als auch der Bilanz aus dem Jahr 2016 in Verbindung mit den bekannten Informationen, dass die Beschwerdeführerin lediglich Grundstücksbesitz verwaltet, hätte die belangte Behörde zur Erkenntnis kommen müssen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2016 einen Verlust in der Höhe von € 56.702,44 erzielte

Antrag

Es wird daher beantragt, den Bescheid aufzuheben bzw. entsprechend der Begründung abzuändern."

In der Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom wurde ausgeführt:

"Begründung

Die ***Bf1*** hat im Jahr 2016 die Vermietung des einzigen Bestandobjektes an Studenten aufgrund eines anhängigen Streites mit einem Gesellschafter nicht mehr fortgesetzt.

Die Beschwerdeführerin übt keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr aus, sondern verwaltet lediglich Grundstücksbesitz.

Antrag

Es wird daher beantragt, den Bescheid aufzuheben und die sich aus dem Bescheid ergebende Zahlungspflicht bis zur rechtskräftigen Erledigung auszusetzen."

3. Zur eingebrachten Beschwerde hat das Finanzamt mit Bescheid vom einen Mängelbehebungsauftrag erlassen, und darin ausgeführt (Hervorhebungen in Fettdruck unverändert wie im Mängelbehebungsauftrag):

"Ihre Beschwerde vom gegen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom weist durch das Fehlen eines Inhaltserfordernisses (§ 250 ff BAO) die nachfolgenden Mängel auf:

• Fehlen eines Inhaltserfordernisses

• gemäß § 250 Abs. 1 BAO

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung

Die beim Firmenbuch eingereichten Bilanzen sind für das Finanzamt nicht bindend, da es zahlenmäßig Unterschiede zwischen Steuer- und Handelsbilanz gibt.

Die angeführten Mängel sind beim Finanzamt Innsbruck gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben.

Bei Versäumung dieser Frist gilt die Beschwerde als zurückgenommen."

4. Mit jeweils gesondert erlassenen Beschwerdevorentscheidungen vom jeweils hat das Finanzamt die Beschwerden vom jeweils gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom und den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom als zurückgenommen erklärt. Die gleichlautende Begründung dazu lautet: "Sie haben dem Auftrag vom , die Mängel der Beschwerde bis zum zu beheben nicht termingerecht entsprochen, weshalb die Beschwerde als zurückgenommen gilt."

5. Dagegen brachte die Bf. mit Schreiben vom einen Vorlageantrag mit folgendem Vorbringen ein: "Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrugen im Veranlagungsjahr gemäß der am korrigierten Steuerbilanz +8.044,70 EUR (=+6607,7 EUR + 1.437,00 EUR KÖST).

Gemäß der am korrigierten Steuerbilanz betrugen die steuerpflichtigen Leistungen 76.259,85 EUR, hiervon waren 76.259,85 EUR mit 10% zu besteuern wodurch die Umsatzsteuer 7.625,99 EUR beträgt und der Gesamtbetrag der Vorsteuern sich auf 7.345,36 EUR beläuft. Die Abgabenforderung beträgt somit +280,63 EUR

Ergänzender Antrag

Es wird beantragt, die gegenständlichen Bescheide aufzuheben und entsprechend den tatsächlichen Einkünften und Umsätzen neu zu erlassen."

6. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ). In der Stellungnahme des Vorlageantrags wurde vom Finanzamt ausgeführt, nach § 250 BAO seien inhaltliche Mängel einer Beschwerde dem Bf. zur Kenntnis zu bringen, damit dieser die Möglichkeit habe, die Mängel zu beseitigen. Im gegenständlichen Fall habe die Bf. die Gelegenheit nicht genutzt und die eingebrachten Beschwerden mussten daher im Sinne des Gesetzes erledigt (zurückgenommen) werden. Seitens des Finanzamtes wurde der Antrag auf Abweisung der Beschwerde gestellt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.

§ 85 Abs. 2 BAO lautet:

"(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 250 Abs. 1 BAO lautet:

"§ 250. (1) Die Bescheidbeschwerde hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung."

Entspricht die Bescheidbeschwerde nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, so hat gemäß § 85 Abs. 2 BAO die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Bescheidbeschwerde nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gilt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 250 Rz 2).

Auf Grundlage der beim Finanzamt eingereichten Beschwerde hat das Finanzamt mit Bescheid vom einen Mängelbehebungsauftrag erlassen und die Bf. beauftragt, diese Mängel bis zum zu beheben. Der Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes war dabei auf die "Erklärung, welche Änderungen beantragt werden", gerichtet (arg.: § 250 Abs. 1 lit. c BAO in Fettdruck). Die Bf. wurde im Mängelbehebungsauftrag auch darauf hingewiesen, dass bei Versäumung dieser Frist die Beschwerde als zurückgenommen gelte. Auf den vom Finanzamt erteilten Mängelbehebungsauftrag wurde seitens der Bf. binnen der darin angeführten Frist nicht reagiert.

Das Erfordernis der Anführung der beantragten Änderungen soll die Behörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Beschwerdeführer dem Bescheid anlastet. Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, muss somit einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben, wobei sich die Bestimmtheit aus der Beschwerde ergeben muss (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., § 250 Rz 11, uHa VwGH-Rechtsprechung).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 250 BAO ausgesprochen, dass das ausdrückliche Begehren der ersatzlosen Behebung eines Abgabenbescheids eine ausreichende Erklärung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. c BAO darstellt. Auf die Schlüssigkeit seiner Begründung kommt es dafür nicht an. Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch eine unzulängliche Begründung des Rechtsmittels eine Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO darstellt. Eine unschlüssige oder inhaltlich unzutreffende Begründung ist dem Fehlen einer Begründung nicht gleichzuhalten (vgl. , unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Dazu ist nun festzustellen, dass in der Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 der Antrag aufscheint, "den Bescheid aufzuheben bzw. entsprechend der Begründung abzuändern" (somit laut Begründung Änderung unter Ansatz eines Verlustes "in der Höhe von € 56.702,44") und in der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 beantragt wurde, "den Bescheid aufzuheben" (mit der Begründung, dass die Bf. keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübe, sondern lediglich Grundstücksbesitz verwalte).

Somit hat das Finanzamt zu Unrecht unter Hinweis auf § 250 Abs. 1 BAO den Mängelbehebungsauftrag vom erteilt und zu Unrecht unter Hinweis auf die seitens der Bf. nicht erfolgte Mängelbehebung mit Beschwerdevorentscheidungen vom jeweils ausgesprochen, dass die Beschwerden vom jeweils als zurückgenommen gelten.

Wenn das Finanzamt die sachliche Richtigkeit der von der Bf. im Rechtsmittelverfahren beantragten Änderungen des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids 2016 und des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 2016, die jeweils wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ergangen sind, überprüfen wollte, so war das Finanzamt dazu zwar zweifellos befugt, doch stand dafür das Instrumentarium des Mängelbehebungsverfahrens nicht zur Verfügung.

Auf Basis der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage waren die Voraussetzungen für eine Erledigung der Beschwerde nach § 263 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 85 Abs. 2 BAO nicht gegeben. Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom und betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom entbehrten somit einer Rechtsgrundlage und waren deshalb aufzuheben (vgl. ; ).

Damit sind die Beschwerden der Bf. vom jeweils gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016 und gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 (jeweils vom ) wieder unerledigt.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100447.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at