Suchen Hilfe
Vorabentscheidung (EuGH) – Senat - Beschluss, BFG vom 11.10.2021, RE/7100003/2021

Vorabentscheidungsersuchen betr. Verlagerung des Leistungsortes bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen, wenn der leistende Unternehmer von einer MWSt-Hinterziehung hätte wissen müssen (MWSt-Betrug beim Handel mit Emmissionszertifikaten)

Beachte

Beim EuGH anhängig unter C-641/21. Erledigt durch .

Entscheidungstext

An den
Gerichtshof der Europäischen Union
Kanzlei des Gerichtshofes

Rue du Fort Niedergrünewald
L-2925 Luxemburg

Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art 267 AEUV

Parteien des Ausgangsverfahrens am Bundesfinanzgericht, Hintere Zollamtsstraße 2b, 1030 Wien, Österreich, zur GZ. RV/7102167/2013:

  1. Beschwerdeführerin:
    ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Österreich;
    vertreten durch: Rechsanwalt Vertreter, AdresseVertreter, Österreich.

  2. Belangte Behörde:
    Finanzamt Österreich, Postfach 260, 1000 Wien, Österreich (seit als Nachfolger des Finanzamtes X).

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Richter1, den RichterRichter2 sowie die fachkundigen Laienrichter Richter3 und Richter4 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Österreich, vertreten durch Steuerberater Vertreter, AdresseVertreter, Österreich, betreffend die Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 des Finanzamtes X vom beschlossen:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom so auszulegen, dass die nationalen Behörden und Gerichte den Ort einer Dienstleistung, der formal nach dem geschriebenen Recht in dem anderen Mitgliedstaat, in welchem sich der Sitz des Leistungsempfängers befindet, liegt, als im Inland liegend anzusehen haben, wenn der leistungserbringende inländische Steuerpflichtige hätte wissen müssen, dass er sich durch die erbrachte Dienstleistung an einer im Rahmen einer Leistungskette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt?

Begründung

1.) Sachverhalt

Der Sitz der ***Bf1*** (im Folgenden: KurznameBf) liegt in Österreich. Die KurznameBf übertrug von 1. bis Treibhausgasemissionszertifikate gegen Entgelt an die D Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: D GmbH) mit Sitz in Deutschland (Hamburg), die ein sogenannter "Buffer" war, d.h. ein Beteiligter an einem MwSt-Karussellbetrug. Die KurznameBf hätte wissen müssen, dass diese Treibhausgasemissionszertifikate in weiterer Folge zu Mehrwertsteuerhinterziehungen in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich verwendet werden. Von der KurznameBf wäre zu erwarten gewesen, dass sie zur Verhinderung dieser MwSt-Hinterziehungen keine Treibhausgasemissionszertifikate an die D GmbH verkauft hätte.

Die D GmbH war - ebenso wie die KurznameBf - als Steuerpflichtiger im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem einzustufen.

2.) Bisheriges und weiteres Verfahren

Das Finanzamt X hat mit dem vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2010 die entgeltlichen Übertragungen der Treibhausgasemissionszertifikate von der KurznameBf an die D GmbH als steuerpflichtige Lieferungen von Gegenständen eingestuft, welche nicht unter die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen fielen, weil die D GmbH als sog. "Missing Trader" ein Bestandteil eines betrügerischen MwSt-Karussells gewesen sei und die KurznameBf gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass ihre Leistungen für MwSt-Hinterziehungen verwendet würden.

Die KurznameBf wendet sich gegen die Einstufung der Übertragungen der Emissionszertifikate als Lieferungen und bestreitet, dass sie bzw. ihre Geschäftsführer von den MwSt-Hinterziehungen gewusst hätten oder hätten wissen müssen. Sie bringt vor, alle gebotenen Maßnahmen zur Verhinderung der Einbeziehung der von ihr an die D GmbH verkauften Treibhausgasemissionszertifikate in MwSt-Hinterziehungen gesetzt zu haben.
Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes trifft dies nicht zu: die KurznameBf wusste zwar nicht von der Einbeziehung der von ihr an die D GmbH verkauften Zertifikate in MwSt-Hinterziehungen, aber die KurznameBf hätte wissen müssen, dass die von ihr an die D GmbH verkauften Zertifikate in MwSt-Hinterziehungen einbezogen wurden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom , C-453/15) sind Übertragungen von Treibhausgasemissionszertifikaten als Dienstleistungen einzustufen. Das Bundesfinanzgericht kann den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, sodass das Bundesfinanzgericht seine Entscheidung unter der Voraussetzung treffen muss, dass die Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten als Dienstleistungen (= sonstige Leistungen nach der Terminologie des nationalen österreichischen Rechtes) und nicht als Lieferungen einzustufen sind.

3.) Maßgebende Bestimmungen

3.1) Nationales (innerstaatliches) Recht

Für sonstige Leistungen (=Begriff des nationalen Rechtes; das Unionsrecht verwendet hierfür den Begriff "Dienstleistungen"), die nach dem an einen Unternehmer (=Begriff des nationalen Rechtes; das Unionsrecht verwendet hierfür den Begriff "Steuerpflichtiger") ausgeführt worden sind, wird der Leistungsort in § 3a Abs. 5 und 6 österreichisches Umsatzsteuergesetz 1994 - öUStG in der Fassung durch BGBl. I 52/2009 folgendermaßen bestimmt:

"(5) Für Zwecke der Anwendung der Abs. 6 bis 16 und Art. 3a gilt
1. als Unternehmer ein Unternehmer gemäß § 2, wobei ein Unternehmer, der auch nicht steuerbare Umsätze bewirkt, in Bezug auf alle an ihn erbrachten sonstigen Leistungen als Unternehmer gilt;
2. eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Unternehmer;
3. eine Person oder Personengemeinschaft, die nicht in den Anwendungsbereich der Z 1 und 2 fällt, als Nichtunternehmer.

(6) Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend."

3.2) Unionsrecht

Das nationale Recht, welches für die gegenständliche Steuer den Begriff "Umsatzsteuer" verwendet, und der diesbezügliche Vollzug durch die Behörden und Gerichte des Mitgliedstaates müssen den unionsrechtlichen Bestimmungen über diese Steuer, welche unionsrechtlich als "Mehrwertsteuer" bezeichnet wird, entsprechen.

Hierbei sind die folgenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG von Bedeutung:

"Artikel 44
Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers."

"Artikel 196
Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige oder die nicht steuerpflichtige juristische Person mit einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, für den/die eine Dienstleistung nach Artikel 44 erbracht wird, wenn die Dienstleistung von einem nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird."

Die Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem war "in allen ihren Teilen verbindlich und [galt] unmittelbar in jedem Mitgliedstaat" und wurde erst durch Art. 64 iVm Art. 65 der MwSt-DVO per aufgehoben. Die VO (EG) Nr. 1777/2005 ist folglich auf die Umsätze des April 2010 unter zeitlichen Aspekten anwendbar, auch wenn der April 2010 formal nicht mehr von der Richtlinie 77/388/EWG, sondern von der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem erfasst ist. Die Artikel 4 bis 12 der VO (EG) Nr. 1777/2005 enthalten zwar diverse Detailregelungen zum Ort des steuerbaren Umsatzes, welche aber nichts mit den hier streitgegenständlichen Angelegenheiten zu tun haben.

Auf die Umsätze im April 2010 ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwSt-DVO) aus zeitlichen Gründen nicht anwendbar, denn sie ist erst am in Kraft getreten und gilt erst seit .

4.) Erläuterungen zur Vorlagefrage

4.1) Relevanz der Vorlagefrage

Nach dem innerstaatlichen Gesetzeswortlaut liegt der Ort der von KurznameBf an die D GmbH zwischen 1. und erbrachten gegenständlichen Dienstleistungen nach der Grundregel für ´B2B´ (Leistungen von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen), d.h. gemäß § 3a Abs. 6 österreichisches Umsatzsteuergesetz (öUStG), in Deutschland. Folglich sind die gegenständlichen Dienstleistungen nach dem geschriebenen nationalen Recht in Österreich nicht steuerbar; mit anderen Worten: sie unterliegen nach dem geschriebenen nationalen Recht nicht der österreichischen Umsatzsteuer (=Mehrwertsteuer).

Gemäß § 3a Abs. 2 deutsches Umsatzsteuergesetz (dUStG) liegt der Ort der Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten an einen Unternehmer (= Steuerpflichtiger nach der Terminologie der Richtlinie 2006/112/EG) dort, von wo aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Im gegenständlichen Fall lag dieser Ort folglich in Deutschland.

Gemäß § 13b Abs. 1 dUStG ist der leistungsempfangende Unternehmer Steuerschuldner für die in Deutschland steuerpflichtigen sonstigen Leistungen (Dienstleistungen) eines in Österreich ansässigen Unternehmers. Im gegenständlichen Fall war folglich die D GmbH die Steuerschuldnerin der deutschen Umsatzsteuer.

Das deutsche innerstaatliche Recht entspricht damit - ebenso wie das österreichische innerstaatliche Recht - dem Unionsrecht.

Nach dem Wortlaut der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG liegt der Ort der von der KurznameBf an die D GmbH zwischen 1. und erbrachten gegenständlichen Dienstleistungen nach der Grundregel für ´B2B´ (Leistungen von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen), d.h. gemäß Art. 44 der Richtlinie in der genannten Fassung, in Deutschland. Folglich sind die gegenständlichen Dienstleistungen nach dem geschriebenen Unionsrecht in Österreich nicht steuerbar; mit anderen Worten: sie unterliegen nach dem geschriebenen Unionsrecht nicht der österreichischen Mehrwertsteuer.

Laut Beantwortung einer Vorlagefrage durch das Schoenimport "Italmoda", C-131/13, müssen die nationalen Behörden und Gerichte einem Steuerpflichtigen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung versagen, auch wenn das nationale Recht keine Bestimmungen enthält, die eine solche Versagung vorsehen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat.

Eine weitere Vorlagefrage wurde durch das Schoenimport "Italmoda", C-131/13, dahingehend beantwortet, dass einem Steuerpflichtigen, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung von Rechten auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat, diese Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden können, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden, und dass der Steuerpflichtige in letzterem Mitgliedstaat die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Rechte erfüllt hat.

Wenn die gegenständlichen Leistungen in Lieferungen von Gegenständen und nicht - wie hier - in Dienstleistungen bestanden hätten, so wäre der vorliegende Fall im Sinne des Schoenimport "Italmoda", C-131/13, dahingehend zu beurteilen, dass der KurznameBf diesfalls die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftlichen Lieferungen zu versagen wäre. Dem stünde im Sinne des HR gegen Finanzamt Wilmersdorf, C-108/20, nicht entgegen, dass die KurznameBf nicht aktiv an der Steuerhinterziehung beteiligt war.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes hängt davon ab, ob für die gegenständlichen grenzüberschreibenden Dienstleistungen eine analoge Anwendung der vorgenannten Beantwortungen von Vorlagefragen durch das Schoenimport "Italmoda", C-131/13, geboten ist; mit anderen Worten: ob die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nach ihrem gesamten Sinn so auszulegen ist, dass entgegen dem Wortlaut ihres Artikels 44 (in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG) und entgegen dem Wortlaut von § 3a öUStG bei der Festsetzung der österreichischen Mehrwertsteuer der Leistungsort unter den gegebenen Umständen als in Österreich gelegen anzusehen ist.

4.2) Zur Vorlagefrage

Im Bereich von ´B2B´ zeigt der Vergleich einer innergemeinschaftlichen Lieferung, welche dem Schoenimport "Italmoda", C-131/13, zugrunde lag, mit einer grenzüberschreitenden Dienstleistung (von einem Steuerpflichtigen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an einen Steuerpflichtigen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat) einerseits Ähnlichkeiten, andererseits Unterschiede:

Ähnlichkeiten:

Innergemeinschaftliche Lieferungen und grenzüberschreitende Dienstleistungen innerhalb der EU betreffen jeweils zwei Mitgliedstaaten. Die unterschiedlichen Regelungen für diese beiden Arten von Leistungen bewirken im Regelfall im Bereich von ´B2B´ gleichermaßen, dass nur in dem Mitgliedstaat, in welchem der Leistungsempfänger ansässig ist, Steuerpflicht für die Leistungen besteht. Diese Steuerpflicht trifft im Regelfall den Leistungsempfänger, entweder als Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb oder als Steuer, die auf den Leistungsempfänger übergeht (Reverse Charge).

Diese Ähnlichkeiten könnten darauf hindeuten, dass die Richtlinie 2006/112/EG (in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG) hinsichtlich grenzüberschreitender Dienstleistungen analog zum Schoenimport "Italmoda", C-131/13, auszulegen ist.

Unterschiede:

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen liegt der Leistungsort im Regelfall am Sitz des Leistungserbringers, d.h. dort, wo sich der Gegenstand beim Übergang der Verfügungsmacht befindet bzw. dort, wo die Beförderung des Gegenstandes zum Empfänger beginnt.

Bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung von einem Steuerpflichtigen an einen anderen Steuerpflichtigen liegt hingegen der Leistungsort im Regelfall am Sitz des Leistungsempfängers.

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen erfüllt im Bereich von ´B2B´ derselbe Vorgang zwei Besteuerungstatbestände, und zwar die innergemeinschaftliche Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb, wobei im Regelfall durch die Steuerbefreiung des erstgenannten die Doppelbesteuerung des Vorganges verhindert wird.

Hingegen ist für die grenzüberschreitende Dienstleistung nur ein Besteuerungstatbestand vorgesehen. Der Erwerb einer grenzüberschreitenden Dienstleistung stellt keinen steuerbaren Tatbestand dar. Gegebenenfalls wird die Steuerschuld für die Erbringung der Dienstleistung vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übertragen (Reverse Charge).

Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen hat der Staat, in dem der Leistende ansässig ist, ein Besteuerungsrecht, welches im Regelfall durch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung neutralisiert wird.

Hingegen hat bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung, welche am Ort des Sitzes des Leistungsempfängers steuerbar ist, der Ansässigkeitsstaat des Leistenden kein Besteuerungsrecht, sodass eine Steuerbefreiung durch den Ansässigkeitsstaat nicht nötig ist.

Diese Unterschiede könnten darauf hindeuten, dass die Richtlinie 2006/112/EG (in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG) hinsichtlich grenzüberschreitender Dienstleistungen nicht analog zum , Schoenimport "Italmoda", auszulegen ist.

Insgesamt scheint die richtige Auslegung des Unionsrechtes nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. , Rn. 110).

Die eingangs gestellte Frage wird daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 44 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RE.7100003.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
VAAAC-28883