Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2021, RV/7101525/2021

Die Zurückziehung der Revision bleibt für das Schicksal der Eingabengebühr ohne Einfluss; Willensmängel bei einer Zurücknahmeerklärung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gebühren und Gebührenerhöhung, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit dem an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf***, gerichteten Beschluss vom , GZ: ***1***, wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Bf. gegen das an Herrn ***NN*** gerichtete Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom , GZ: ***2***, wegen Übertretung des § 52 lit. a Z 10a Straßenverkehrs-ordnung (StVO), als unzulässig zurück und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach den Bestimmungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.

In der dazu ergangenen Rechtsbelehrung heißt es:

"Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, ist für den Beschwerdeführer eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig."

Trotz dieses Hinweises erhob der Bf. gegen diesen Beschluss mit Eingabe vom eine außerordentliche Revision und beantragte die Bewilligung einer Verfahrenshilfe.

Der Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag auf Verfahrenshilfe mit Beschluss vom , Ra 2020/02/0040, ab. Das Höchstgericht stellt in der Begründung dazu fest:

"Da die Revision gegen den anzufechtenden Beschluss gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig zurückzuweisen wäre, ist der Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer solche Revision wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen."

In der Folge zog der Bf. die a.o. Revision zurück.

Auf Grund einer Notionierung (siehe Amtlicher Befund über eine Verkürzung von Stempel- oder Rechtsgebühren des Verwaltungsgerichtes Wien vom ) setzte das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel anschließend gegenüber dem Bf. für die erwähnte außerordentliche Revision vom gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG mit dem o.a. Sammelbescheid vom eine Gebühr gemäß § 24a VwGG in Höhe von € 240,00 und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG in Höhe von € 120,00 fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom . Der Bf. begründet die Beschwerde zunächst mit dem Einwand, in der Belehrung des o.a. Beschlusses vom finde sich kein Hinweis auf die Eingabegebühr. Folge man der zuständigen Richterin beim Verwaltungsgericht Wien, könne er Herrn ***NN*** nicht vertreten. Daraus zieht der Bf. den Schluss, dass er folglich auch keine a.o. Revision einbringen könne.

Er habe sofort nach Erhalt des o.a. den Antrag (gemeint zweifellos: die a.o. Revision) zurückgezogen. Zum damaligen Zeitpunkt habe sich der Akt noch gar nicht beim VwGH befunden.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt zunächst nicht in Behandlung genommen, weil er mit E-Mail eingebracht worden war. Der Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 Abs. 1 BAO.

Den zuletzt genannten Antrag bewilligte das Finanzamt mit Bescheid vom .

Am brachte der Bf. über FinanzOnline folgenden Antrag ein:

Betreff: Zurückziehung aller bisherigen offenen Anträge

Text: Da mir das FA Österreich-Sonderzuständigkeiten die € 360,-- am auf mein Bankkonto überwiesen hat, ziehe ich meine bisherigen offenen Anträge zurück. Für mich ist daher die Angelegenheit erledigt.

Am ergänzte der Bf. diese Eingabe (wiederum über FinanzOnline) wie folgt:

Betreff: Zurückziehung der bisherigen offenen Anträge vom

Text: Meine Zurückziehung der bisherigen offenen Anträge vom gilt ausschließlich nur, wenn der Gebührenbescheid vom gegenstandslos ist.

Das Finanzamt wertete diese beiden Eingaben nicht als Zurücknahme der Beschwerde bzw. des Vorlageantrages, sondern legte mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. In diesem Schreiben beantragte das Finanzamt nicht etwa, die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären, sondern stellte ausdrücklich den Antrag, das Bundesfinanzgericht wolle die Beschwerde vollinhaltlich abweisen.

Am fand in Wien die vom Bf. beantragte mündliche Verhandlung statt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wird in freier Überzeugung als erwiesen angenommen und ergibt sich vor allem aus dem Inhalt der dem BFG vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten unter Bedachtnahme auf die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes und die Angaben der Bf. Dabei wurden auch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zur Frage der Wirksamkeit des Zurücknahmeantrages:

Gemäß § 256 Abs. 1 BAO können Beschwerden bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.

Gleiches gilt gem. § 264 Abs. 1 lit. d BAO für Vorlageanträge.

Die Zurücknahme einer Beschwerde bzw. eines Vorlageantrages ist eine unwiderrufliche einseitige prozessuale Erklärung, die mit dem Einlagen bei der Behörde wirksam wird, ohne dass es einer formellen Annahmeerklärung bedürfte ().

Die Zurücknahmeerklärung kann daher grundsätzlich nicht zurückgenommen werden. Es gelten aber, ebenso wie für andere Prozesshandlungen, jene Erfordernisse, die allgemein für das Zustandekommen rechtsverbindlicher Willenserklärungen normiert sind ().

Willensmängel betreffende zivilrechtliche Normen (wie zB § 871 ABGB zum Irrtum) gelten auch für Prozesshandlungen der Parteien im Anwendungsbereich der BAO (Ritz, BAO 6. Auflage, § 85 Tz 1, unter Hinweis auf BMF, RdW 2001, 446), also zB auch für Zurücknahmeerklärungen iSd § 256 Abs. 1 BAO.

Gemäß § 871 Abs. 1 ABGB ist ein Vertrag wegen eines wesentlichen Geschäftsirrtums anfechtbar, wenn der Irrtum durch den anderen veranlasst war oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde.

Ein wesentlicher Irrtum, der von der Behörde veranlasst ist, führt zur Ungültigkeit der Prozesserklärung des Abgabepflichtigen (vgl. dazu die bei Ritz, aaO, § 255 Tz 8, angeführten, zur Erklärung des Rechtsmittelverzichtes ergangenen Judikate).

Ein Irrtum ist dann durch den anderen veranlasst, wenn der andere für den Irrtum (adäquat) ursächlich war; entscheidend ist, ob der andere zur Entstehung des Irrtums so viel beigetragen hat, dass sein Vertrauen auf die Erklärung nicht schutzwürdig ist. Verschulden des anderen ist nicht erforderlich. Auch ein gemeinsamer Irrtum vermag zur Ungültigkeit einer Erklärung zu führen. Aus § 871 ABGB ergibt sich weiters die Beachtlichkeit eines wesentlichen Irrtums, der dem anderen (hier also der Behörde) "aus den Umständen offenbar auffallen musste" (s. nochmals Ritz, aaO, § 255 Tz 8, mwH).

Der Verzicht auf ein Rechtsmittel bzw. die Zurücknahme eines Rechtsmittels müssen auf eine Art und unter Umständen erfolgen, die keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Erklärung dem tatsächlichen Parteiwillen entspricht. Allfällige Willensmängel schließen die Wirksamkeit der Erklärung aus (vgl. zB Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren 2. Auflage, § 63 Anmerkung 14).

In Anbetracht der dargestellten Rechtslage konnte im Beschwerdefall der "Zurücknahmeerklärung" des Bf. vom nicht die Wirkung zukommen, dass damit das gegen die Festsetzung der Gebühr samt Gebührenerhöhung eingebrachte Rechtsmittel zurückgezogen werden sollte, und zwar aus folgenden Gründen:

Die auf Grund des Gebührenbescheides offene Abgabenschuldigkeit von € 360,00 wurde durch amtswegige Überrechnung (§ 215 Abs. 2 BAO) am getilgt. Die Rückzahlung dieses Betrages (§ 239 BAO) erfolgte ebenfalls ohne Antrag des Bf.

Die Tatsache, dass diese Handlungen ohne Initiative des Bf. erfolgten, in Verbindung mit dem Umstand, dass das Finanzamt laut Aktenlage den Bf. keinerlei Informationen darüber zukommen ließ, warum es zur Rückzahlung des von ihm gar nicht überwiesenen Betrages gekommen ist, war geeignet, beim Bf. den Eindruck zu erwecken, das Finanzamt habe die Angelegenheit in seinem Sinne erledigt.

Aus den Bestimmungen des § 871 ABGB ergibt sich u.a. die Beachtlichkeit eines wesentlichen Irrtums, der dem anderen (hier also dem Finanzamt) "aus den Umständen offenbar auffallen musste"; somit, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder wenn wenigstens Verdacht geschöpft hätte werden müssen (vgl. Rummel in Rummel, ABGB I, 3. Auflage, § 871 Tz 16).

Im vorliegenden Fall erweist sich bei Gesamtbetrachtung die Zurücknahmeerklärung des Bf. als unwirksam. Sie beruht auf einem wesentlichen Irrtum, der sich aus dem geschilderten Ablauf des Geschehens ergab und der zweifellos für das Finanzamt erkennbar war, zumal der Bf. die Zurückziehung ausschließlich mit der Überweisung des in Rede stehenden Betrages auf sein Bankkonto begründete und daraus ausdrücklich den Schluss zog, für ihn sei daher die Angelegenheit erledigt.

Das Finanzamt hat die Zurücknahmeerklärung somit zu Recht als nicht beachtlich gewertet. Das Bundesfinanzgericht erachtet es daher in Übereinstimmung mit dem im o.a. Vorlagebericht geäußerten Antrag des Finanzamtes als zutreffend, dass über die Beschwerde nunmehr meritorisch zu entscheiden ist.

Zur Festsetzung der Gebühr:

Nach Artikel 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 164/2013 erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Revisionen gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit.

Das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG 1985) bestimmt in der ab anzuwendenden und hier maßgeblichen Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes, BGBl. I 33/2013 ua Folgendes:

"§ 24a

Für Revisionen, Fristsetzungsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einschließlich der Beilagen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Eingabengebühr zu entrichten:

1. Die Gebühr beträgt 240 Euro.

2. (…)

3. Die Gebührenschuld entsteht im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe oder, wenn diese im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird, mit dem Zeitpunkt der Einbringung beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 75 Abs. 1. Die Gebühr wird mitdiesem Zeitpunkt fällig.

4. Die Gebühr ist unter Angabe des Verwendungszwecks durch Überweisung auf ein entsprechendes Konto des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Die Entrichtung der Gebühr ist durch einen von einer Post-Geschäftsstelle oder einem Kreditinstitut bestätigten Zahlungsbeleg in Urschrift nachzuweisen. Dieser Beleg ist der Eingabe anzuschließen. Die Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtes oder des Verwaltungsgerichtshofes hat den Beleg dem Revisionswerber (Antragsteller) auf Verlangen zurückzustellen, zuvor darauf einen deutlichen Sichtvermerk anzubringen und auf der im Akt verbleibenden Ausfertigung der Eingabe zu bestätigen, dass die Gebührenentrichtung durch Vorlage des Zahlungsbeleges nachgewiesen wurde. Für jede Eingabe ist die Vorlage eines gesonderten Beleges erforderlich. Rechtsanwälte (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) können die Entrichtung der Gebühr auch durch einen schriftlichen Beleg des spätestens zugleich mit der Eingabe weiterzuleitenden Überweisungsauftrages nachweisen, wenn sie darauf mit Datum und Unterschrift bestätigen, dass der Überweisungsauftrag unter einem unwiderruflich erteilt wird.

5. Wird eine Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht, so ist die Gebühr durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten.

6. Für die Erhebung der Gebühr (Z 4 und 5) ist das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zuständig.

7. Im Übrigen sind auf die Gebühr die Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957, BGBl.Nr. 267/1957, über Eingaben mit Ausnahme der §§ 11 Z 1 und 14 anzuwenden.

§ 25a (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen."

Gemäß § 11 Abs. 2 GebG 1957 sind automationsunterstützt oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebrachte Eingaben und Beilagen sowie auf die Weise ergehende Erledigungen, amtliche Ausfertigungen, Protokolle und Zeugnisse schriftlichen Eingaben und Beilagen, Erledigungen, amtlichen Ausfertigungen, Protokollen und Zeugnissen gleichgestellt.

In der verfahrensgegenständlichen Eingabe vom heißt es u.a.: "In offener Frist bringe ich die außerordentliche Revision (VwGH) gegen den rechtswidrigen und rechtsverweigernden Beschluss vom ein …".

Durch diese eindeutige und keine Zweifel offen lassende Bezeichnung steht fest, dass es in der Absicht des Bf. gelegen war, eine außerordentliche Revision einzubringen. Gegenteiliges trug der Bf. im gesamten Verfahren nicht vor. Die gesetzlichen Regelungen betreffend das Revisionsverfahren sind u.a. im VwGG 1985 normiert, in dem auch die außerordentlichen Revisionen geregelt sind.

Angesichts dieser Umstände ist nicht nachvollziehbar, warum es sich bei der Zitierung des § 24a VwGG im angefochtenen Bescheid um eine unzutreffende Norm handeln soll und warum nach der Ansicht des Bf. im vorliegenden Fall ausschließlich die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) und nicht jene des VwGG zur Anwendung gelangen sollen. Den diesbezüglichen Einwänden des Bf. kann daher nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch der VwGH in seinem o.a. Beschluss vom das VwGG als maßgebliche Rechtsquelle zitiert, sodass auch aus dieser Sicht feststeht, dass die Abgabenbehörde zu Recht die erwähnte Gesetzesstelle herangezogen hat.

Die Bundesverfassung verbietet es dem Gesetzgeber nicht, für die Inanspruchnahme behördlicher Tätigkeit durch Privatpersonen Gebühren zu erheben und die Gebührenpflicht bereits an die Eingabe zu knüpfen (; vgl auch -G/09).

Ob aus der Entgegennahme einer Eingabe ein Arbeitsaufwand durch eine Behörde resultiert, ist für deren Gebührenpflicht ohne Belang (vgl. -0010). Für die Gebührenpflicht der Eingabe ist daher ohne Bedeutung, ob die Gebühren durch tatsächliche Leistungen der Behörde gedeckt sind (). Der Bf. kann daher mit seinem Einwand, die Behörden, hätten auf Grund der Zurückziehung seiner Revision "keine Leistung erbracht" nicht durchdringen.

Die Eingabengebühr für Eingaben an VfGH und VwGH wurde 1997 (BGBl I 1997/88) eingeführt. Damit sollte verhindert werden, dass die Gerichtshöfe mit Beschwerden oder dgl. belastet werden, die nur eine geringe Erfolgsaussicht haben.

Die Gebührenpflicht dient nicht der vom Bf. behaupteten "unangemessen hohen Abgabenbelastung der Bürger". Sie zielt vielmehr darauf ab, eine Reduzierung der Belastung der Höchstgerichte zu erreichen. Dieses Ziel war auch in den Intentionen des Gesetzgebers gelegen (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren (21. Lfg 2017) zu § 14 TP 6 GebG (Fellner) Rz 149).

Das Verwaltungsgericht hat den Bf. im o.a. Beschluss vom (siehe dort Seite 9 erster Absatz) unmissverständlich darauf hingewiesen, dass für ihn eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist (der VwGH spricht sogar von einer absolut unzulässigen Revision des Bf.).

Dass er diesen Satz nicht verstanden habe oder zumindest missverstanden habe, behauptet nicht einmal der Bf.

Wenn sich der Bf. trotz dieser eindeutigen Ausgangslage dennoch dazu entschließt, eine (völlig aussichtslose) Revision im Wissen darüber einzubringen, dass diese nicht zulässig ist, kann er nicht mit Erfolg argumentieren, das Verwaltungsgericht hätte ihm auf die Gebührenpflicht einer solchen Eingabe aufmerksam müssen. Denn ein Verlangen, wonach die Behörden selbst über im Gesetz nicht vorgesehene Verfahrenshandlungen Auskunft zu geben hätten, käme nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes einer Überstrapazierung der Manuduktionspflicht (§ 13a AVG) gleich.

Der Bf. beruft sich auf die Ausführungen im zweiten Absatz auf Seite 9 des o.a. Beschlusses vom . Dort findet sich unter der Überschrift "Belehrung" folgender Hinweis:

"Abgesehen von dieser Einschränkung (§ 25a Abs. 4 VwGG) steht die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof offen. Diese ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung der Entscheidung beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen."

Angesichts der Tatsache, dass eine Revision für den Bf. - wie oben ausführlich dargelegt - im vorliegenden Fall nicht zulässig war, kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der eben angesprochene Teil der Belehrung nur die "Amtsrevision", also eine allfällige Revision durch die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, betreffen kann. Dies wird auch deutlich zum Ausdruck gebracht durch den Verweis auf die Bestimmungen des § 25a Abs. 4 VwGG. Da im Streitfall keine Amtsrevision vorliegt, kann der Bf. mit dem Hinweis auf die zitierte Stelle der Rechtsbelehrung nichts für seinen Standpunkt gewinnen.

Die Gebührenschuld entsteht unabhängig davon, ob und wie der Gerichtshof die Eingabe behandelt. So vermag zB insbesondere der Umstand, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt wurde, weil der Mangel des Fehlens der Unterschrift eines Rechtsanwaltes nicht behoben wurde, etwas daran ändern, dass die Gebührenschuld nach § 24a Z 3 VwGG1985 im Zeitpunkt der Überreichung entstanden ist (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren Bd. I, § 14 TP 6 GebG 1957, Rz 161, mit Hinweis auf ua ).

Zu der Frage des in § 24a Z 3 VwGG 1985 genannten Zeitpunkts der "Überreichung der Eingabe" vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass diese zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Eingabe bei der Stelle einlangt, bei der sie nach den Verfahrensvorschriften einzubringen ist (). Unter Überreichung iSd § 24a VwGG ist somit bei einer Revision das Einlangen beim Verwaltungsgericht zu verstehen. Der vom Bf. vorgetragenen Behauptung, der Akt habe sich zum Zeitpunkt der Zurückziehung der Revision noch beim Verwaltungsgericht Wien befunden, kommt daher keinerlei Relevanz auf die abgabenrechtliche Beurteilung zu.

Im Beschwerdefall ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 VwGG, dass auch eine mit Mängeln - wie hier der Verletzung der Anwaltspflicht iSd § 24 Abs. 2 VwGG 1985 - behaftete Revision als Revision zu behandeln ist.

Damit ist jedoch die Gebührenschuld iSd § 24a VwGG im Zeitpunkt des Einlangens der gegenständlichen Eingabe beim Verwaltungsgericht Wien am entstanden und gleichzeitig fällig geworden.

Nachträgliche Ereignisse wie das Zurückziehen einer Revision oder die Nichtvorlage an den Verwaltungsgerichtshof können die einmal entstandene Gebührenschuld nicht wieder beseitigen (vgl. ).

Die Gebührenschuld entsteht vielmehr unabhängig davon, ob und wie der Gerichtshof die Eingabe behandelt.

Wird eine Abgabe (wie hier) nicht spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet, so ist die Abgabe nicht vorschriftsmäßig entrichtet ().

Nach § 24a Z 7 VwGG 1985 gelten für die Gebühr neben Bestimmungen des Gebührengesetzes auch die §§ 74, 203 und 241 Abs. 2 und 3 BAO. Nach § 203 BAO ist bei Abgaben, die nach den Abgabenvorschriften in Wertzeichen (Stempelmarken) zu entrichten sind, ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn die Abgabe in Wertzeichen nicht vorschriftsmäßig entrichtet worden ist. Nach § 3 Abs 2 Z 1 letzter Satz GebG 1957 gilt § 203 BAO sinngemäß für die festen Gebühren, die durch Barzahlung, durch Einzahlung mittels Bankomat- oder Kreditkarte oder durch andere bargeldlose elektronische Zahlungsformen zu entrichten sind.

Die Nichtentrichtung der Gebühr zum Fälligkeitszeitpunkt ist unbestritten und liegt damit die Voraussetzung für die Erlassung eines Abgabenbescheides nach § 203 BAO als einen Akt der Abgabenbemessung vor (zB ).

Zur Gebührenerhöhung:

§ 9 Abs. 1 GebG sieht für den Fall, dass eine feste Gebühr die nicht vorschriftsmäßig entrichtet wurde, mit Bescheid festgesetzt wird, eine zwingende Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr vor, unabhängig davon, ob die Nichtentrichtung auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen zurückzuführen ist oder nicht (vgl. ). Die Gebührenerhöhung wird als objektive Säumnisfolge einer nicht vorschriftsmäßigen Entrichtung von Gebühren zwingend angeordnet. Ermessen besteht dabei keines.

Wie oben ausgeführt, steht fest, dass es im vorliegenden Fall zu Recht zur Festsetzung der gegenständlichen Gebühr gekommen ist. Damit ist auch das Schicksal der Beschwerde hinsichtlich der Gebührenerhöhung bereits entschieden, denn unterlag die in Frage stehende Eingabe dieser Gebührenpflicht, dann wurde durch den außer Streit stehenden Umstand, dass diese Gebühr am Fälligkeitstag noch offen aushaftete, der Gebührenerhöhungstatbestand "nicht vorschriftsmäßig entrichtet" verwirklicht. Als zwingende Folge der bescheidmäßigen Festsetzung der festen Gebühr hat daher das Finanzamt zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH gemäß § 9 Abs. 1 GebG vorschrieben.

Zum Nachsichtsansuchen:

Das Finanzamt hat mit dem angefochtenen Bescheid ausschließlich über die Festsetzung der Gebühr und der Gebührenerhöhung abgesprochen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den auf eine Billigkeitsentscheidung abzielenden Hinweisen des Bf. auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse bleibt dem Bundesfinanzgericht daher im Rahmen der vorliegenden Entscheidung verwehrt.

Eine meritorische Entscheidung darüber wäre nicht mehr die im Rechtsmittelverfahren gebotene Fortführung des abgabenbehördlichen Verfahrens, sondern die unzulässige erstmalige Begründung einer neuen Sache (siehe Stoll, BAO, 2801ff zur "Identität der Sache").

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 13a AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 11 Abs. 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 203 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 25a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 25a Abs. 4 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 34 Abs. 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 24 Abs. 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 24a Z 3 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 24a Z 7 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 3 Abs. 2 Z 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 9 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 256 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 871 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 871 Abs. 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 215 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101525.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at