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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2021, RV/7103389/2019

Schätzung im Jahr vor und im Jahr der Konkurseröffnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (ehemals Finanzamt Wien 2/20/21/22) vom betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2016 und 2017 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die beschwerdeführende KG (Bf.) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und war im Bereich Werbetechnik tätig.

Unbeschränkt haftender Gesellschafter ist Herr ***5***, Kommanditistin Frau

***6***.

Mit Beschluss des HG Wien vom wurde der Konkurs eröffnet.

Mit weiterem Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.

Laut vorliegenden Bescheiden wurde 2011 ein Verlust von € 27.534,81 erzielt.

In den Folgejahren stiegen die Einkünfte aus Gewerbebetreib und die Umsätze stetig an.

Im Jahr 2015 wurden erklärungsgemäß die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit € 43.073,26 festgestellt und der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen i.H. von € 627.222,12 nach Hinzurechnung von Eigenverbrauch und Abzug von Umsätzen gem. § 19 Abs. 1a UStG 1994 und steuerfreien Umsätzen mit Vorsteuerabzug gem. § 6 Abs. 1 Zif. 1 UStG 1994 der Besteuerung zu Grunde gelegt. Die Vorsteuern betrugen € 70.305,73.-

Sowohl für das Jahr 2016 als auch für das Jahr 2017 wurden die Besteuerungsgrundlagen sowohl betreffend Umsatzsteuer als auch betreffend Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO mit Bescheiden vom mit der Begründung gem. § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt, dass keine Steuererklärungen für diese Jahre abgegeben worden seien.

Der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen betreffend Umsatzsteuer und die Vorsteuern wurde dabei für

2016 mit € 652.309,03, bzw. € 88.711,30 und für

2017 mit € 383.811,30 bzw. € 30.898,11 angenommen.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden wie folgt festgestellt.

2016: Einkünfte aus Gewerbebetrieb: € 50.000.-

2017: Einkünfte aus Gewerbebetrieb: € 25.000.-

Von diesen Einkünften entfiel ein Anteil von 90% (€ 45.000.- bzw. 22.500.-) auf den Gesellschafter und ein Anteil von 10 % (€ 5.000.- bzw. 2.500.-) auf die Kommanditistin.

Gegen diese Bescheide (die Bescheide betreffend Umsatzsteuer erwuchsen in Rechtskraft) wurde im Auftrag der Masseverwalterin vom damaligen steuerlichen Vertreter der Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben und für beide Jahre die Festsetzung der Einkünfte mit Null beantragt.

Zur Begründung wurde auf die Konkurseröffnung mit verwiesen. Ein Konkurs werde nur dann eröffnet, wenn Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorliegen. Üblicherweise vergehe bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einige Zeit, sodass davon ausgegangen werden könne, dass bereits im Jahr 2016 der Tatbestand der Überschuldung vorgelegen sei. Daraus sei zu folgern, dass das Unternehmen keinen Gewinn erzielt habe. Die Schätzungen für 2016 und 2017 entsprächen daher nicht der Realität und nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde die Bf. ersucht, die Steuerklärungen und die Gewinnermittlungen für die Jahre 2016 und 2017 vorzulegen. Da laufend Umsatzsteuervoranmeldungen übermittelt worden seien, sei davon auszugehen, dass eine Buchhaltung vorliege.

Mit Schreiben vom wies der steuerliche Vertreter darauf hin, dass zwar vor und während des Insolvenzzeitraumes laufend die Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht worden seien, die Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen jedoch wegen der dafür anfallenden Kosten von der Masseverwalterin nicht beauftragt worden seien.

Er weise nochmals darauf hin, dass insolvente Firmen üblicherweise keine Gewinne erzielten.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidungen vom mangels Vorlage der abverlangten Unterlagen als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem auch die Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung beantragt wurde.

Es sei unsachlich die Beschwerde abzuweisen. Zur Schätzung sei es gekommen, weil von der Masseverwalterin die erforderlichen Geldmittel für die Erstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen nicht aufgebracht haben werden können. Es werde nochmals darauf verwiesen, dass es nicht den wirtschaftlichen Tatsachen entsprechen könne, wenn über eine Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet werde und dennoch Gewinne in beachtlicher Höhe geschätzt werden.

Im Vorlagebericht vom verwies die belangte Behörde darauf, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Erzielung eines Gewinnes insbesondere im Jahr vor Konkurseröffnung, nicht ausschließe. Die Erzielung eines steuerrechtlichen Gewinnes sei trotz Zahlungsunfähigkeit möglich. Wenn die Bf. vorbringe, dass schon im Jahr 2016 kein Gewinn erzielt worden sei, so würde dies bedeuten, dass beginnend mit 2016 rückläufig gewirtschaftet worden sei, wobei andererseits in diesem Jahr mit € 650.000.- der höchste Umsatz erzielt worden sei.

Mangels Abgabe der Steuererklärungen sei die Schätzung berechtigt gewesen.

Die Schätzungshöhe habe sich einerseits am Gewinn des Jahres 2015 mit € 43.000.- orientiert, andererseits daran, dass der Umsatz stetig angestiegen und im Jahr 2016 am höchsten gewesen sei. Der Gewinn des Jahres 2017 sei infolge der Insolvenzeröffnung entsprechend niedriger angesetzt worden. Dass bereits 2016 "Überschuldung" vorgelegten sei, sei eine reine Behauptung.

Die Unfinanzierbarkeit eines Steuerberaters entbinde die Masseverwalterin nicht von der Verpflichtung, die Jahreserklärungen einzureichen.

Im Detail wurde folgendes ausgeführt:

"1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens schließt die Erzielung eines Gewinnes - insbesondere im Jahr vor (!) der Eröffnung - nicht zwangsläufig aus. Die Zahlungsunfähigkeit ist betriebswirtschaftlich nämlich in erster Linie eine Liquiditätsfrage und nicht eine Frage des Gewinnes. Beispielsweise kann bei privaten Entnahmen durch Beteiligte zwar eine mangelnde Liquidität vorliegen, aber dennoch ein Gewinn im Jahr vor der Insolvenzeröffnung erzielt werden. Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG bewirken dem Aufwands-und

Ertragsprinzip folgend im Übrigen viele Geschäftsvorfälle einen gewinnwirksamen Vorgang, ohne dass damit zwangsläufig ein Geldfluss am Konto verbunden sein muss. Im Übrigen wird festgehalten, dass eine Überschuldung - entgegen den Ausführungen der steuerlichen Vertreterin - nur bei kapitalistischen Personengesellschaften bzw. bei Kapitalgesellschaft vorliegen kann (vgl. § 67 Insolvenzordnung - IO). Bei einer Kommanditgesellschaft kann nur der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist - wie oben bereits festgehalten - eine Frage der Liquidität. Werden beispielsweise Kundenforderungen nicht termingerecht bezahlt und entnimmt ein Beteiligter überdies noch Geld, so ist es zwar

aus insolvenzrechtlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus möglich, dass - mangels liquider Mittel in der Kassa - Zahlungsunfähigkeit gegeben sein kann, steuerrechtlich jedoch dennoch ein Gewinn vorliegt. Nicht nachvollziehbar ist im Übrigen das Vorbringen der Bf., dass bereits im Jahr 2016 kein Gewinn möglich sein solle, nur weil im April

2017 die Insolvenzeröffnung erfolgt sei. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass (beginnend ab Jänner 2016) eineinhalb Jahre vor Insolvenzeröffnung laufend ruckläufig gewirtschaftet worden sei, was in Anbetracht des - seit Eröffnung der KG - höchsten Umsatzes im Jahr 2016 (rund 650.000) nicht anzunehmen ist. Selbstverständlich lässt auch die Umsatzhöhe allein keinen Rückschluss auf einen möglichen Gewinn zu, jedoch verzeichnen insolvente Unternehmen oftmals einen Umsatzrückgang vor der Insolvenzeröffnung. Im konkreten Fall war jedoch ein Umsatzanstieg zu verzeichnen. Im Ergebnis wird daher an dieser Stelle festgehalten, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einen Gewinn nicht ausschließt. Weshalb es im konkreten Fall zur Zahlungsunfähigkeit der Bf. gekommen war, wurde der belangten Behörde nicht dargelegt.

2. Die Schätzungen erfolgten nicht mutwillig, sondern auf Grund eines inneren Betriebsvergleiches (Vergleich mit dem Vorjahresgewinn). Die Schätzungsbefugnis ist mangels Einreichung von Abgabenerklärungen unstrittig.

3. Die Insolvenzeröffnung erfolgte erst im April 2017, demnach ist es auch keineswegs denkunmöglich, dass im Jahr 2016 noch ein Gewinn erzielt wurde, insbesondere in Zusammenschau mit dem hohen Umsatz (Anm.: rund EUR 650.000), der in diesem Jahr erzielt wurde. Der im Jahr 2016 erzielte Umsatz übersteigt sogar die Umsätze der Vorjahre. Im Jahr 2015 wurde - bei etwas geringerem Umsatz - ebenso ein Gewinn iHv rund EUR 43.000 erzielt. Der Gewinn im Jahr 2017 wurde auf Grund der Insolvenzeröffnung entsprechend geringer angesetzt.

4. Das Vorbringen der Bf., dass davon ausgegangen werden könne, dass bereits im Jahr 2016 der Tatbestand der Überschuldung vorgelegen habe, ist ein rein auf die Behauptungsebene gestütztes Vorbringen. Der Umsatz der Bf. war im Jahr 2016 höher als in den Vorjahren, weshalb nicht einfach ohne weitere Nachweise behauptet werden kann, dass bereits im Jahr vor(!) der Insolvenzeröffnung "Überschuldung" vorgelegen sei. Abgesehen von dem Umstand, dass der Tatbestand der Überschuldung bei einer Personengesellschaft gar nicht vorliegen kann, ist es den logischen Denkgesetzen folgend auch nicht schlüssig, dass bei steigendem Umsatz gar kein Gewinn mehr erzielt werden könne.

5. Das Vorbringen, dass von der Masseverwalterin keine Geldmittel für die Erstellung der Abgabenerkläung aufgebracht werden konnten, kann (bzw. konnte) diese nicht von der Einreichung von Abgabenerklärungen entbinden. Als gesetzliche Vertreterin gem. § 80 BAO hat (bzw. hatte) die Masseverwalterin die persönliche Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärungen. Dies gilt auch für Zeiträume vor der Insolvenzeröffnung.

Da im Jahr 2016 sowie auch während des anhängingen Insolvenzverfahrens Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden, ist davon auszugehen, dass die Bf. über entsprechende Aufzeichnungen über ihre Eingangs-und- Ausgangsrechnungen verfügt. Auf die Aufzeichnungs- und Buchführungsverpflichtung nach § 124 BAO wird an dieser Stelle hingewiesen. Die Erstellung einer Bilanz sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung wäre daher zu jedem Zeitpunkt möglich gewesen. Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 86/14/0130, darauf hingewiesen, dass ein Masseverwalter auch bei Massearmut und Unfinanzierbarkeit eines Steuerberaters sehr wohl die vom Finanzamt angeforderten Steuererklärungen selbst erstellen muss. Der Einwand, es sei kein Geld für die Erstellung von Abgabenerklärungen vorhanden gewesen, geht sohin ins Leere. Abgabepflichtige (bzw. deren gesetzlicher Vertreter) können die sie treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht mit dem Einwand abwenden, es sei kein Geld für die Finanzierbarkeit eines Steuerberaters vorhanden gewesen."

Nach Rücksprache der Richterin mit dem Gesellschafter im Zuge von Telefongesprächen am und am gab dieser zunächst an, mit dem ehemaligen Steuerberater Kontakt aufnehmen zu wollen bzw. in der Folge, dass er über keine Unterlagen verfüge, die die Erstellung von Jahresabschlüssen ermöglichten.

Die belangte Behörde verwies in einer Stellungnahme per E-Mail vom hinsichtlich des Jahres 2016 auf die in diesem Jahr erzielten Umsätze, ein Gewinn sei durchaus denkbar, wenn auch im Jahr vor der Konkurseröffnung möglicherweise rückläufig. Für das Jahr 2017, also das Jahr vor der Konkurseröffnung, sei denkbar, dass kein Gewinn mehr erzielt worden sei.

Am wurde mit dem Gesellschafter bei der belangten Behörde über Auftrag des Bundesfinanzgerichtes eine Niederschrift aufgenommen, wonach die KG keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr entfalte, er selbst sei unselbständig erwerbstätig. Die Firma besitze auch kein Vermögen.

In einem-allerdings von der Bf. nicht behobenen Vorhalt vom -wurde dieser nochmals die Gelegenheit eingeräumt Nachweise für Ihr Beschwerdevorbringen vorzulegen.

In mehreren Telefongesprächen der Richterin mit dem Gesellschafter (, , ) konnte schließlich abgeklärt werden, dass keine ausreichenden Unterlagen vorliegen, die das Beschwerdebegehren stützen könnten.

Mit Schreiben der Bf. vom , persönlich durch den Gesellschafter überreicht am , wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung zurückgezogen, wodurch die Zuständigkeit der erkennenden Richterin als Einzelrichterin entstanden ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Beschluss des HG Wien vom wurde übe das Vermögen der Bf. der Konkurs eröffnet, mit weiterem Beschluss vom aufgehoben.

Die beschwerdeführende KG erzielte im Jahr 2015 Umsätze i.H. von € 627.222,12 und Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H. von € 43.073,26, im Jahr 2016 Umsätze i.H. von € 652.309,03 und im Jahr 2017 i.H. von € 383.811,30.

In den Jahren 2016 und 2017 wurden zwar Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht, jedoch keine Steuererklärungen.

Die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2016 und 2017 wurde im Schätzungsweg ermittelt und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2016 mit € 50.000.- und für 2017 mit € 25.000.- mit Bescheiden vom festgestellt.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde keine weiteren Unterlagen vorgelegt.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie mündliche Aussagen des Gesellschafters bei der belangten Behörde und im Zuge mehrerer Telefongespräche mit der Richterin.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gem. § 184 Abs. 1 erster Satz BAO zu schätzen. Zu schätzen ist gem. § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind. Nach § 184 Abs. 3 BAO ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Ist die Schätzung zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Verfahren einwandfrei abgeführt und die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein. Die Schätzungsmethode hängt von den Gegebenheiten im Einzelfall ab und wird von dem Ziel jeder Schätzung bestimmt, den tatsächlichen Verhältnissen so nahe wie möglich zu kommen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben (Ritz, BAO6, § 184, Tz 3; siehe zB ).

Die Schätzung ist ein Akt der tatsächlichen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und ihrem Wesen nach ein Beweisverfahren, in dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise ermittelt wird. Der Schätzungsvorgang ist eine Art der Feststellung tatsächlicher Gegebenheiten und Verhältnisse ( mwN).

Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent ( ; , 97/15/0076; , 95/16/0222; , 2000/14/0166; , 2009/17/0127; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).

Tatsache ist, dass die Bf. für die Jahre 2016 und 2017 keine Steuererklärungen oder Jahresabschlüsse vorlegte und der belangten Behörde daher die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht bekannt waren.

Dass die Bf. angeblich nicht über die Mittel verfügte, einen Steuerberater mit der Erstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen zu beauftragen, hat die Masseverwalterin, wie auch die belangte Behörde im Vorlagebericht vom unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/14/0130 zutreffend ausführte, nicht von ihrer Verpflichtung entbunden, für die Vorlage der Steuererklärungen zu sorgen.

Da die Besteuerungsgrundlagen somit von der belangten Behörde nicht festgestellt werden konnten, erfolgte die Schätzung zu Recht.

Die Schätzungsberechtigung wurde von der Bf. nicht bestritten.

Was die Höhe der von der belangten Behörde durchgeführten Schätzung anbelangt, so ist auf die bereits oben dargelegte Judikatur zu verweisen, wonach einerseits jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist und derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt, diese Ungenauigkeit in Kauf nehmen muss. Andererseits soll das Ergebnis der Schätzung den tatsächlichen Verhältnissen so nahe wie möglich kommen (siehe die o.a. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu).

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn sie als Schätzungsmethode den Vergleich mit dem Betriebsergebnis des Vorjahres (2015), für das noch Steuererklärungen abgegeben worden waren, heranzieht.

Im Jahr 2015 betrugen die Umsätze € 627.222,12 und im Jahr 2016 € 652.309,03, wiesen also leicht steigende Tendenz auf. Abgesehen von der von der belangten Behörde im Vorlagebericht dargestellten möglichen Diskrepanz zwischen Zahlungsunfähigkeit, die aber von der Bf. für 2016 nicht einmal behauptet wird, und dennoch möglichem steuerlichen Gewinn, ist es daher grundsätzlich wahrscheinlich, dass auch im Jahr 2016 (noch) ein Gewinn erzielt wurde. Dem durch keine Beweise gestützten Argument der Bf., dass im Jahr vor Konkurseröffnung jedenfalls kein Gewinn erzielt wurde, kann nicht gefolgt werden. Allerdings zeigt ein Vergleich der Umsatzzahlen für 2015 und 2016, dass die Umsatzsteigerung lediglich rund € 25.000.- betrug. Die Vorsteuern stiegen jedoch von rund € 70.000.- auf rund € 88.000.-, was auf einen zusätzlichen Aufwand hindeutet.

Deshalb und in Zusammenhang mit einer durchaus realistischen rückläufigen Gewinnsituation für das Jahr 2016 erscheint dem Bundesfinanzgericht daher der Ansatz von Einkünften aus Gewebebetrieb mit € 50.000, gegenüber jenen im Jahr 2015 i.H. von € 43.073,26, als zu hoch gegriffen.

Das Bundesfinanzgericht gelangte daher zur Auffassung, dass im Hinblick auf die bei der Schätzung zu berücksichtigenden Kriterien (siehe oben) die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit € 35.000.- festzustellen sind:

Bescheid betr. Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO für 2016

Einkünfte aus Gewerbebetrieb……………………………………………………………………………. 35.000,00 €

In den Einkünften sind enthalten:

Veräußerungs- und Aufgabegewinne .............................................................................. 0,00 €

Bei der Veranlagung des (beteiligten) Steuerpflichtigen

sind im Rahmen der Einkommensermittlung zu berücksichtigen:

In Frage kommende Begünstigungen/Besteuerungswahlrechte nach

§§ 24, 37 und 97 EStG 1988

Nr. Name/Adresse/Finanzamt/St.Nr. Anteil

1 ***1*** Einkünfte .................... 3.500,00 €

***2***

Nr. Name/Adresse/Finanzamt/St.Nr. Anteil

2 ***3*** Einkünfte .................... 31.500,00 €

***4***

Hinsichtlich des Jahres 2017 ist bei der Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen, dass die Konkurseröffnung bereits mit gerichtlichem Beschluss vom erfolgte.

Wenn die belangte Behörde für das gesamte Wirtschaftsjahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H. von € 50.000.- schätzte, ist es daher nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes höchst unwahrscheinlich, dass in den ersten dreieinhalb Monaten des Jahres der Konkurseröffnung noch Einkünfte i.H. von € 25.000.- erzielt wurden. Unter der Annahme einer gleichbleibenden Situation im Jahr 2017 wie im Jahr 2016 (d.h. ohne Konkurseröffnung) und nunmehr durch das Bundesfinanzgericht geschätzten Einkünften für 2016 i.H. von € 35.000.-, wären daher der Ansatz von rund einem Viertel dieser Einkünfte (bis April 2017), daher € 8.700.- realistisch.

In Anbetracht jedoch einer rückläufigen Gewinnsituation bereits im Jahr vor Konkurseröffnung und der Konkurseröffnung bereits im April 2017 wird dem Beschwerdebegehren insoweit stattgegeben und werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2017 mir € 0,00 festgestellt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, weil der Streitpunkt - unter Zugrundlegung der vorhandenen Rechtsprechung - im Wege der freien Beweiswürdigung zu lösen war, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103389.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at