1. Kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung 2. Verschuldensprüfung im Haftungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Untere Hauptstraße 10, 3150 Wilhelmsburg, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom , Steuernummer ***Stnr***, Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt Herrn ***Bf1*** (Beschwerdeführer) auf, einen Beweis zu erbringen, dass im haftungsgegenständlichen Zeitraum alle Gläubiger der Primärschuldnerin GmbH (Primärschuldnerin) gleichmäßig befriedigt worden seien (Gläubigergleichbehandlung).
Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass einziger Gläubiger im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin das Finanzamt gewesen sei. Auslöser für das Insolvenzverfahren wäre die Abgabenachforderung der Kapitalertragsteuer 2014 auf Grund der Außenprüfung der Abgabenbehörde. Die Nachforderung der Kapitalertragsteuer würde sich aus einer Rechtsfrage ergeben, die durch die Abgabenbehörde lt. Bericht über die Außenprüfung in dieser Form gelöst worden sei. Daraus ergäbe sich kein Verschulden, das zur Inanspruchnahme der Haftung führen könne, weil nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorliege. Dies auch im Hinblick darauf, dass sich zu dieser Zeit auch erst der VwGH und das BFG mit der Lösung dieser Rechtsfrage beschäftigt hätten. Dem Schreiben angeschlossen war das ausgefüllte Formular EV 7 über die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Mit Bescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma Primärschuldnerin GmbH in Höhe von 52.102,90 € geltend. Im Wesentlichen wurde begründend ausgeführt, dass kein Nachweis für die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegt worden sei.
Mit Schriftsatz vom wurde nicht nur gegen den Haftungsbescheid, sondern auch gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide (Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer 2014, Körperschaftsteuer 2013 und 2014, Verspätungszuschlagsbescheide 2013 und 2014 hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer, Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 und 2014, Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen hinsichtlich Kapitalertragsteuer 2014, Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen hinsichtlich Körperschaftsteuer 2013 und 2014, Bescheid über die Festsetzung von zweiten Säumniszuschlägen hinsichtlich Körperschaftsteuer 2013 und 2014, Bescheid über die Festsetzung von dritten Säumniszuschlägen hinsichtlich Körperschaftsteuer 2013 und 2014) das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Soweit das gegenständliche Verfahren betroffen ist wurde begründend ausgeführt, dass keine schuldhafte Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten vorliege würde. Einziger Gläubiger im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin sei das Finanzamt gewesen. Auslöser für das Insolvenzverfahren wäre die Abgabenachforderung an Kapitalertragsteuer 2014 auf Grund der Außenprüfung durch die Abgabenbehörde. Die Nachforderung an Kapitalertragsteuer würde sich aus einer Rechtsfrage ergeben, die durch die Abgabenbehörde laut Bericht über die Außenprüfung in dieser Form gelöst worden sei. Daraus würde sich kein Verschulden ergeben, das zur Inanspruchnahme der Haftung führen könne, weil nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorliege. Dies auch im Hinblick darauf, dass sich zu dieser Zeit erst der VwGH und das BFG mit der Lösung dieser Rechtsfrage beschäftigt hätten. Die Schätzungsbescheide betreffend Körperschaftsteuer 2013 und 2014 seien nicht nachvollziehbar und wären im Zuge der Außenprüfung zu ändern gewesen. Wäre es nicht aufgrund der Außenprüfung aufgrund der überhöhten Schätzungen zu den Nachforderungen gekommen, hätten die anderen Nachforderungen (Umsatzsteuer) entrichtet werden können. Die Gründe, die zur Insolvenz geführt hätten, seien nicht im Einflussbereich des Beschwerdeführers gelegen, somit liege kein Verschulden vor.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde festgehalten, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid die Frage sei, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für die Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden sei oder nicht, nicht jedoch, ob die der Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht vorgeschrieben worden seien oder nicht. Die Stellung als verantwortlicher Geschäftsführer der Gesellschaft im haftungsgegenständlichen Zeitraum werde nicht bestritten. Die Nichtentrichtung der Kaitalertragsteuer stelle auf jeden Fall ein schuldhaftes Verhalten dar. Wenn der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht an das Finanzamt abführt, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine schuldhafte Verletzung des § 9 BAO vor.
Mit Schriftsaft vom beantragte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Ergänzend zur Schuldhaftigkeit werde ausgeführt, dass der Verkauf der Wohnung deswegen erfolgt sei, um die Quote im Insolvenzverfahren zu bedienen. Schon daraus könne sich keine Schuldhaftigkeit ergeben.
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung.
Mit Schreiben vom zog der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Anträge auf Senatszuständigkeit und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dahingehend ergänzt, dass sich die Nachforderungen aufgrund einer Außenprüfung ergeben hätten. Nach Feststehen der Nachforderung seien an keine Gläubiger mehr Zahlungen geleistet worden. Das Insolvenzverfahren sei beantragt und eröffnet worden. Es liege daher kein schuldhaftes Vergehen vor, sondern der gleiche Sachverhalt, der zur Aufhebung des Haftungsbescheides in den Verfahren , und RV/7102970/2019 vom geführt hätte.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Am wurde die Primärschuldnerin GmbH in das Firmenbuch eingetragen. Der am xx.xx.1964 geborene Beschwerdeführer war ab der Gründung der Firma bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens deren handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Mit den Bescheiden vom wurde die Körperschaftsteuer für die Jahre 2013 und 2014 veranlagt. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurde das Einkommen jeweils im Schätzungsweg mit 60.000,00 € angenommen.
Im Jahr 2017 wurde bei der Primärschuldnerin eine Außenprüfung durchgeführt, die zu einer Nachforderung an Kapitalertragsteuer 2014 iHv 20.378,09 € führte (Bescheid vom ).
Die Umsatzsteuer 2015 wurde antragsgemäß veranlagt und ergab eine Abgabenachforderung von 12.830,70 €.
Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom wurde das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben und die Firma wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Einziger Gläubiger im Konkursverfahren war das Finanzamt als Abgabenbehörde.
Trotz diesbezüglicher Aufforderung seitens des Finanzamt (Schreiben vom ) legte der Beschwerdeführer nicht offen, welche finanziellen Mittel der Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Verfügung standen und welche Verbindlichkeiten damit bedient werde mussten.
Mit Bescheid vom wurde die Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von 52.102,90 € geltend gemacht. Die diesbezüglichen Abgabenforderungen haften am Abgabenkonto der Primärschulderin zur Gänze unberichtigt aus:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag in Euro |
Umsatzsteuer | 2015 | 12.830,70 | |
Umsatzsteuer | 2016 | 217,54 | |
Umsatzsteuer | 04-06/2016 | 47,75 | |
Kapitalertragsteuer | 01-12/2014 | 20.378,09 | |
Körperschaftsteuer | 2013 | 5.888,70 | |
Körperschaftsteuer | 2014 | 7.568,00 | |
Körperschaftsteuer | 2015 | 453,00 | |
Verspätungszuschlag | 2013 | 1.023,00 | |
Verspätungszuschlag | 2014 | 1.647,00 | |
Anspruchszinsen | 2013 | 255,66 | |
Anspruchszinsen | 2014 | 112,02 | |
Säumniszuschlag | 2014 | und | 463,50 |
Säumniszuschlag | 2015 | 181,90 | |
Säumniszuschlag | 2016 | bis | 710,26 |
Säumniszuschlag | 2016 | bis | 191,21 |
Säumniszuschlag | 2016 | 134,57 | |
Summe | 52.102,90 |
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Spruchsenates vom , SpS 451/18-IV, wurde ua ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich als Geschäftsführer der Primärschuldnerin Kapitalertragsteuer 2014 iHv 20.378,09 € nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) hat. Er hat hiedurch die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit a FinStrG begangen. Aus der diesbezüglichen Vorlage des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde an den Spruchsenat geht hervor, dass der Beschwerdeführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum von der Primärschuldnerin kein Geschäftsführerhonorar erhalten hat, jedoch sehr hohe Entnahmen vornahm, die am Verrechnungskonto der Gesellschaft vermerkt wurden. Die jährlichen Entnahmen überstiegen den Jahresgewinn und somit auch den Bilanzgewinn. Der Beschwerdeführer verfügte über keine liquiden Mittel und über kein Vermögen, sodass nicht erwartet werden kann, dass der auf dem Verrechnungskonto aufweisende Betrag bezahlt werden wird. Daher wurde die Differenz zwischen Bilanzgewinn und Entnahmen als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet und der Kapitalertragsteuer unterzogen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat zeigte sich der Beschuldigte/Beschwerdeführer geständig.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus den vorgelegten Akten, den Parteinvorbringen, dem Straferkenntnis vom , SpS 451/18-IV und aus dem Abgabeninformationssystem.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.
3.1.1. Zur Vertreterhaftung
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer von der Gründung der [...] GmbH bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am deren Geschäftsführer war.
Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können.
Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum ihr abgabenrechtlicher Vertreter.
3.1.2. aushaftende Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (vgl. ). Durch § 248 BAO ist dem Haftenden allerdings ein eigenständiger Rechtszug gegen den seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheide eingeräumt. ()
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.
Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. ). Aus § 248 BAO ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss ().
Gegenständlich hat der Beschwerdeführer nicht nur gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 BAO sondern auch gegen die zugrundliegenden Abgabenbescheide Beschwerde eingebracht. Werden gleichzeitig mit der Beschwerde gegen die Inanspruchnahme zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO auch die Sachbescheide angefochten, so ist nach der Judikatur des VwGH zuerst über die Rechtmäßigkeit der Haftung zu entscheiden. Dies deshalb, weil davon die Beschwerdebefugnis gegen die Sachbescheide (Beschwerdelegitimation) abhängt ().
Das bedeutet, dass mit der gegenständlichen Entscheidung beurteilt wird, ob die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungsschuldner für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin an sich zu Recht erfolgt ist, in einem weiteren anschließenden Verfahren wird zu beurteilen sein, ob die Abgabenfestsetzung gesetzeskonform erfolgt ist.
3.1.3. Zur Uneinbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 4 und 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Entrichtung durch Dritte - allenfalls auch durch Überrechnung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) - würde dazu führen, dass insoweit die Abgabenschuldigkeit erfüllt wäre; eine derartige Zahlung wäre auch noch im Beschwerdeverfahren über einen Haftungsbescheid zu berücksichtigen ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit unbestritten fest, da mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben und die Firma wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.
Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin zur Gänze unberichtigt aus.
3.1.4. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten
Für die Haftung relevant ist die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (zB Entrichtungspflicht in § 80 Abs 1 letzter Satz, aus der das Gleichbehandlungsgebot abgeleitet wird, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht gem § 78 Abs. 3 EStG 1988 für Lohnsteuer oder gem § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer).
Den Vertreter trifft die Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung bzw. Abfuhr von Abgabenverbindlichkeiten. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Gleichbehandlungspflicht erfüllt hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().
Der Beschwerdeführer hat es im gesamten Verfahren unterlassen darzutun, dass der Primärschuldnerin bezogen auf die maßgeblichen Fälligkeitstage der haftungsgegenständlichen Abgaben die vorhandenen Mittel zur ordnungsgemäßen Entrichtung der Abgaben gefehlt hätten. Vielmehr wurde dargelegt, dass die Abgabenbehörde im Konkursverfahren der einzige Gläubiger war. Dies lässt darauf schließen, dass die anderen Gläubiger zur Gänze befriedigt worden sind. Der Umstand, dass die anderen Gläubiger voll (Zug-um-Zug) befriedigt worden sind, während die Abgabenverbindlichkeiten nicht (pünktlich) entrichtet worden sind, stellt eine gravierende Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgebotes dar.
Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr Kapitalertragsteuer jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().
Für Abgaben, die der Vertretene als Abfuhrverpflichteter nicht ordnungsgemäß abgeführt hat (zB Lohnsteuer nach § 82 EStG, Kapitalertragsteuer nach § 95 EStG, Steuerabzugsbeträge nach § 99 EStG) haftet der Vertreter in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn liquide Mittel zur Abfuhr dieser Abgaben nicht vorhanden gewesen wären.
Das bedeutet, dass die Haftung für die Kapitalertragsteuer in Höhe von 20.378,09 € jedenfalls besteht - unabhängig von den der Primärschuldnerin zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel.
Von einer Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ist daher insgesamt auszugehen.
3.1.5. Verschulden
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).
Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ). Daraus folgt, dass für die Haftung, der dem an die Primärschuldnerin ergangenen Abgabenbescheid zugrunde liegende Sachverhalt heranzuziehen ist, da es nicht Zweck des Haftungsverfahrens sein kann, die Sachverhaltserhebungen des Abgabenverfahrens zu wiederholen, die ohnedies Gegenstand des vom Beschwerdeführer angestrengten Beschwerdeverfahrens nach § 248 BAO sind. Lediglich haftungserhebliche Sachverhaltsfragen, die der Abgabenbescheid offenlässt, sind im Haftungsverfahren im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu ermitteln.
Als schuldhaft im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO gilt jede Form des Verschuldens. Leichte Fahrlässigkeit genügt.
Weist der Haftungspflichtige ein Verschulden an einer Verletzung der Pflicht zur Entrichtung bzw. Abfuhr einer Abgabe von sich, so hat die Behörde zwar von der objektiven Richtigkeit der Abgabenvorschreibung auszugehen, muss sich aber im Haftungsverfahren mit dem das Verschulden bekämpfenden Einwand des Haftungspflichtigen befassen (vgl. ). Gegenständlich bedeutet das, dass zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer schuldhaft die Einnahmen und Erträge der Primärschuldnerin nicht vollständig erklärt und in der Folge die Abgabenverbindlichkeiten nicht vollständig entrichtet bzw. abgeführt hat.
Dass der Gesellschaft zu den haftungsrelevanten Fälligkeitsterminen keine ausreichenden Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären, wurde nicht behauptet. Dennoch wurden die Abgaben nicht (rechtzeitig) entrichtet bzw. abgeführt. Damit benachteiligte der Beschwerdeführer offenkundig bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel den Abgabengläubiger und verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot ().
In Zusammenhang mit der Nachforderung an Kapitalertragsteuer meint der Beschwerdeführer, dass ihn an der Nichtabfuhr kein Verschulden treffen würde.
Ein Rechtsirrtum bzw. das Treffen abgabenrechtlicher Dispositionen auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht können ein Verschulden ausschließen.
Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene und nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Der bloße Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung reicht für das Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums noch nicht aus ().
Ein Unternehmer hat sich bei Ausübung seiner Tätigkeit mit den einschlägigen (abgabenrechtlichen) Vorschriften vertraut zu machen und sich im Zweifel bei der Behörde oder einem befugten Parteienvertreter zu erkundigen.
Der Hinweis auf das Erkenntnis des Ra 7102970/2019, und auf die Entscheidung des , vermag dem gegenständlichen Verfahren nicht zum Erfolg verhelfen. In den zitierten Entscheidungen wurde festgestellt, dass der Haftungsschuldner "ab Erkennbarkeit der Insolvenz sofort einen Rechtsanwalt eingeschaltet und entsprechend seinem Rat keine Zahlungen mehr geleistet, sondern fristgerecht einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens gestellt" habe.
Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass er aufgrund eines entsprechenden (unrichtigen) Ratschlages nicht für die rechtzeitige Entrichtung und Abfuhr der Abgaben der Primärschuldnerin gesorgt hätte. Im Gegenteil, er hat sich im Verfahren vor dem Spruchsenat im Rahmen der mündlichen Verhandlung geständig gezeigt. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Spruchsenates vom wurde er für schuldig erkannt, vorsätzlich als Geschäftsführer der Primärschuldnerin Kapitalertragsteuer 2014 iHv 20.378,09 € nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) hat.
Der Beschwerdeführer hat im Haftungsverfahren kein Vorbringen erstattet hat, wonach er nicht schuldhaft davon ausging, dass die den Bilanzgewinn übersteigenden Entnahmen keine verdeckten Gewinnausschüttungen darstellen würden.
Dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche Entrichtung bzw. Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln, schuldhaft verletzt hat, wurde damit dargelegt.
3.1.6. Kausalzusammenhang
Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war ().
Die Zeitpunkte, zu denen die einzelnen Abgabenverbindlichkeiten bei pflichtgemäßer Entrichtung aus den Mitteln der Primärschuldnerin zu tilgen gewesen wären, lagen größtenteils lange vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es liegt daher auf der Hand, dass die von der beschwerdeführenden Partei zu verantwortenden Pflichtverletzungen für den Abgabenausfall kausal waren.
3.1.8. Nebengebühren
Was die Geltendmachung der Haftung für Nebengebühren (Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschlag) anlangt, ist auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO zu verweisen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebengebühren im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO erstrecken. ()
3.1.8. Ermessen
Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren³, § 224 Anm. 11).
Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).
Vom Beschwerdeführer wurde nichts dahingehend vorgebracht, weshalb die Haftung wegen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig erzielte Einkünfte oder künftig neu hervorgekommenes Vermögen zur Einbringlichkeit der Haftungsschuld führen. Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers (56 Jahre) ist mit der Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben noch zu rechnen.
Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101230.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at