Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2021, RV/5101419/2018

Anspruch auf Differenzzahlungen (Familienbeihilfe) für im EU-Ausland bei den Großeltern lebende Kinder bei überwiegender Unterhaltstragung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG, Spittelwiese 4, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , mit dem der Antrag vom auf Gewährung von Differenzzahlungen (Familienbeihilfe) für das Kind ***Stiefsohn*** und für das Kind ***Stieftochter1*** ab Juni 2014 abgewiesen wurde, zu Recht:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit am beim Finanzamt Linz (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") eingelangtem Anbringen beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einer Differenzzahlung (Familienbeihilfe) für seinen im September 2004 geborenen Stiefsohn ***Stiefsohn*** und für seine im Oktober 1996 geborene Stieftochter ***Stieftochter1***, jeweils für den Zeitraum ab bis laufend. Die Kinder würden bei ihren Großeltern in Rumänien wohnen; der Stiefsohn besuche dort eine Schule, die Stieftochter absolviere dort an der Universität seit September 2015 das Studium der Psychologie. Die Ehefrau des Beschwerdeführers gab auf dem Formblatt die Erklärung ab, auf die ihr vorrangig zustehende "Ausgleichszahlung" zugunsten des Beschwerdeführers zu verzichten. Dem Antrag beigelegt waren

  • eine behördliche Bestätigung über den Bezug von Familienleistungen für die beiden Kinder in Rumänien;

  • eine Erklärung der Großeltern der Kinder, der zufolge sie "die Versorgungskosten in Höhe von 400 Euro monatlich" für ihre Enkelkinder sowie "Pakete mit Lebensmitteln, Kosmetiken, Kleidern, Schuhwaren usw" von ihrer Tochter und ihrem Ehemann (Beschwerdeführer) erhalten würden. Zudem würden "alle Kosten bezüglich der Schul- und Fakultätsgebühren" von ihnen bezahlt werden;

  • Geburtsurkunden der beiden Kinder;

  • eine Schulbesuchsbestätigung betreffend den Stiefsohn des Beschwerdeführers für das Schuljahr 2016/17;

  • eine Inskriptionsbestätigung betreffend die Stieftochter des Beschwerdeführers für das Studienjahr 2016/17 sowie ein Nachweis über die bislang im Rahmen des im September 2015 begonnenen Psychologiestudiums abgelegten Prüfungen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der vorgenannte Antrag jeweils für den Zeitraum ab Juni 2014 abgewiesen. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass gem § 2 Abs 2 FLAG 1967 Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört, hätten. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Gemäß § 53 Abs 1 FLAG 1967 seien Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei sei der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom in der Rechtssache C-378/14 (Tomislaw Trapkowski) obliege es der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben. Da in Österreich vorrangig anspruchsberechtigt jener Elternteil sei, der das Kind in seinem Haushalt hat, bestehe für die beiden im Haushalt der Großeltern in Rumänien lebenden Stiefkinder Dalin-Mircea und Dalina-Laura kein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Art 60 Abs 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht dahin auszulegen sei, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen jener Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind. In Art 60 Abs 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 987/2009 sei nachstehendes geregelt: "Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird." Dies bedeute für den Beschwerdefall folgendes: Zumal die Großeltern als Anspruchsberechtigte gem VO Nr. 987/2009 nach der vorgesehenen Fiktion keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hätten, habe der Beschwerdeführer, in dessen Haushalt die Kinder zwar nicht wohnen, er jedoch die Unterhaltskosten für die Stiefkinder überwiegend trage, Anspruch auf Familienbeihilfe. Für beide Stiefkinder sei in der Vergangenheit in Rumänien Familienbeihilfe bezogen worden. Ab dem sei die Familienbeihilfe für die Stieftochter und ab dem für den Stiefsohn eingestellt worden. Dies bedeute, dass dem Beschwerdeführer von Juni 2014 bis für seine Stieftochter und von Juni 2014 bis für seinen Stiefsohn Ausgleichszahlungen sowie ab für seine Stieftochter und ab für seinen Steifsohn die Familienbeihilfe in vollem Ausmaß zustünden. Die Großeltern könnten in Österreich keinen Antrag auf Familienleistungen stellen, da sie weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hätten und damit die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 FLAG 1967 nicht erfüllen würden. Demnach seien sie auch nicht anspruchsberechtigt gem § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967, sodass mangels anderer anspruchsberechtigter Personen nach § 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967 jedenfalls der Beschwerdeführer anspruchsberechtigt sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde wie folgt ausgeführt: Gem § 53 (1) FLAG seien Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftraum, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei sei der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des EWR nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten. Die Gleichstellung begründe sich nach Art 4 der VO (EG) Nr. 883/2004. Die EU Verordnung 883/2004 vermittle jedoch keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen, sondern enthalte im Fall der Geltung mehrerer nationaler Rechtsvorschriften lediglich Kollisionsregeln, welche nationalen Rechtsvorschriften allein, primär, sekundär oder gar nicht anzuwenden sind. Es sei ausschließlich Sache der Mitgliedsstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Die materiellen Voraussetzungen für den Beihilfenanspruch würden sich damit ausschließlich aus nationalem Recht ergeben. Die nach Artikel 67 der VO 883/2004 iVm Artikel 60 Abs 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirke lediglich, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besage jedoch nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen, nicht aber, dass diese im selben Haushalt wohnen. Im gegenständlichen Fall würden die Eltern aufgrund ihrer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich gem Art 11 Abs 3 lit a der VO 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften, die Großeltern, bei denen die Kinder haushaltszugehörig sind, den rumänischen Rechtsvorschriften unterliegen. Aufgrund der in Art 68 der VO 883/2004 normierten Prioritätsregeln seien im vorliegenden Fall die Familienleistungen primär nach den rumänischen Rechtsvorschriften zu gewähren. Sekundär bestehe ein Anspruch auf die Gewährung von Differenzzahlungen nach den österreichischen Rechtsvorschriften. Der materielle Anspruch und wem dieser Anspruch zusteht, sei somit nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu prüfen: Gem § 2 Abs 2 FLAG habe Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im § 2 Abs 1 FLAG genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Für ein Kind, das im Haushalt eines Elternteiles (Großeltern) betreut wird, könne daher kein Anspruch auf die Familienbeihilfe aus dem Titel der überwiegenden Kostentragung vorliegen, unabhängig davon, ob und wie viel an Unterhalt geleistet wird. Die Kinder würden im Haushalt der Großeltern in Rumänien leben und dort zur Schule gehen bzw an der dortigen Universität studieren. Damit stehe einem allfälligen Anspruch des Stiefvaters bzw der Kindesmutter im Sinne des zweitens Satzes des § 2 Abs 2 FLAG wegen überwiegender Kostentragung der ausschließliche Anspruch der Großmutter, bei der das Kind haushaltszugehörig ist, zwingend entgegen.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde vom an das Bundesfinanzgericht.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wurde von der belangten Behörde unter Verweis auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Sachverhalt wurde von der belangten Behörde im Rahmen des Vorlageberichtes wie folgt zusammengefasst: Beantragt werde die Ausgleichszahlung ab bis laufend für die im Haushalt der Großeltern in Rumänien lebenden Stiefkinder ***Stiefsohn*** und ***Stieftochter1***. Der gemeinsame Haushalt der Stiefkinder bei den Großeltern sei unbestritten und ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von € 400,- durch die Kindesmutter und den antragstellenden Stiefvater bestätigt. Die Kindesmutter habe auf die gemäß § 2a Abs 1 FLAG 1967 vorrangig zustehende Familienbeihilfe verzichtet.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl Ro 2018/16/0040 anhängigen Verfahrens ausgesetzt, weil Gegenstand dieses Verfahrens die auch im Beschwerdeverfahren strittige Rechtsfrage sei, ob ein Anspruch des in einem anderen Mitgliedstaat lebenden haushaltsführenden Familienangehörigen (im beschwerdegegenständlichen Fall: Großmutter) auf Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) dem Anspruch eines in Österreich erwerbstätigen Elternteils (im beschwerdegegenständlichen Fall: Stiefvater) vorgeht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsbürger und hatte von bis seinen gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich an der Adresse ***Bf1-Adr2***. Seit hat der Beschwerdeführer seinen gemeldeten Hauptwohnsitz an der Adresse ***Bf1-Adr***.

Der Beschwerdeführer ist seit xx.xx.2014 mit ***Bf1-Ehefrau***, der leiblichen Mutter der verfahrensgegenständlichen Kinder, verheiratet. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist ebenfalls rumänische Staatsangehörige und hatte bzw hat in Österreich gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ihren Hauptwohnsitz an den oa Meldeadressen.

Der Beschwerdeführer ist seit bei der Firma ***AB*** GmbH, ***Straße1***, ***PLZ-AT1*** ***Ort1***, nichtselbständig erwerbstätig.

Die beiden verfahrensgegenständlichen Stiefkinder des Beschwerdeführers wohnten im Beschwerdezeitraum bei deren Großeltern, den Eltern der Ehefrau des Beschwerdeführers, in Rumänien. ***Stiefsohn***, der Stiefsohn des Beschwerdeführers, wurde am xx.xx.2004 geboren. ***Stieftochter1***, die Stieftochter des Beschwerdeführers, wurde am xx.xx.1996 geboren.

Der finanzielle Unterhalt für die verfahrensgegenständlichen Kinder wurde von dem in Österreich erwerbstätigen Beschwerdeführer und seiner ebenfalls hier lebenden Ehefrau geleistet. Welchen Anteil dabei der Beschwerdeführer trug und welchen seine Ehefrau, ist dabei im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant (siehe dazu die rechtlichen Erwägungen im Folgenden).

Der Beschwerdeführer beantragte mit Formblatt Beih38 am die Gewährung einer Differenzzahlung für die verfahrensgegenständlichen Kinder für den Zeitraum ab bis laufend. Die Ehefrau des Beschwerdeführers gab auf diesem Formblatt die Erklärung ab, auf die ihr vorrangig zustehende "Ausgleichszahlung" zugunsten des antragstellenden Beschwerdeführers zu verzichten.

Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau den finanziellen Unterhalt für die beiden verfahrensgegenständlichen Kinder getragen haben, beruht auf den entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers im aktenkundigen Formblatt Beih38 sowie auf der aktenkundigen schriftlichen Erklärung der Großeltern, der zufolge die Großeltern "die Versorgungskosten in Höhe von 400 Euro monatlich" für ihre Enkelkinder sowie "Pakete mit Lebensmitteln, Kosmetiken, Kleidern, Schuhwaren usw" von ihrer Tochter und ihrem Ehemann (Beschwerdeführer) erhalten würden. Zudem würden "alle Kosten bezüglich der Schul- und Fakultätsgebühren" von ihnen bezahlt werden. Diesen Angaben wurde von der belangten Behörde nicht widersprochen und sind diese nach Ansicht des erkennenden Gerichtes glaubwürdig. Insbesondere widerspricht es angesichts des Umstandes, dass die Kaufkraft pro Kopf in Österreich im Vergleich zu Rumänien im Durchschnitt wesentlich höher ist (vgl die auf https://ec.europa.eu/eurostat/web/purchasing-power-parities abrufbaren Daten), nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Österreich erwerbstätige Kindeseltern rumänischer Staatsangehörigkeit für den Unterhalt ihrer in Rumänien bei den Eltern der Kindesmutter lebenden Kinder aufkommen.

Im Übrigen beruhen die obigen Sachverhaltsfeststellungen auf den aktenkundigen Unterlagen, den in der Beihilfendatenbank, im Abgabeninformationssystem und im Zentralen Melderegister gespeicherten Daten.

Rechtliche Beurteilung

Rechtslage

Gemäß § 2 Abs 1 des FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder (§ 2 Abs 3 FLAG 1967) unter den in lit a bis lit i dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen.

§ 2 Abs 2 FLAG 1967 bestimmt, dass die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs 3 lit c FLAG 1967 zählen zu den Kindern einer Person ua auch deren Stiefkinder.

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Gemäß § 53 Abs 1 FLAG 1967 sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Nach Art 1 lit a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl Nr L 166 vom , in der Fassung der Berichtigung ABl Nr L 200 vom , (in der Folge: Verordnung Nr. 883/2004) bezeichnet für Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.

Art 1 lit i der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

...

i) ,Familienangehöriger':

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

ii) in Bezug auf Sachleistungen nach Titel III Kapitel 1 über Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft jede Person, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt wird oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

2. unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden

Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen;

3. wird nach den gemäß Nummern 1 und 2 anzuwendenden

Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird;

..."

Nach Art 1 lit j der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person.

Als Familienleistungen werden in Art 1 lit z leg cit alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I definiert.

Den persönlichen Geltungsbereich regelt Art 2 Abs 1 der Verordnung Nr. 883/2004 dahingehend, dass diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen gilt.

Zum sachlichen Geltungsbereich ordnet Art 3 Abs 1 lit j der Verordnung Nr. 883/2004 an, dass diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften gilt, die Familienleistungen als Zweig der sozialen Sicherheit betreffen.

Gemäß Art 4 der Verordnung Nr. 883/2004 haben - sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist - Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Sofern in der Verordnung Nr. 883/2004 nichts anderes bestimmt ist, dürfen gemäß ihrem Art 7 Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt oder wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Art 11 Abs 1 und Abs 3 lit a der Verordnung Nr. 883/2004 lautet samt Überschrift:

"TITEL II

BESTIMMUNG DES ANWENDBAREN RECHTS

Artikel 11

Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

...

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine

Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

..."

Im Titel III (Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen) Kapitel 8 (Familienleistungen) der Verordnung Nr. 883/2004 lauten die Art 67 und 68 jeweils samt Überschrift:

"Artikel 67

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Artikel 68

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist."

Art 60 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl Nr L 284 vom , (in der Folge: Durchführungsverordnung Nr. 987/2009) lautet:

"Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung

(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

(2) ..."

Erwägungen

Im Beschwerdefall unterliegt der Beschwerdeführer den Rechtsvorschriften Österreichs, weil er hier eine Beschäftigung ausübt (Art 11 Abs 3 lit a der Verordnung Nr. 883/2004).

Die Bestimmung des § 5 Abs 3 FLAG wird für die in Rumänien lebenden Stiefkinder des Beschwerdeführers durch die Bestimmung des § 53 Abs 1 zweiter Satz FLAG 1967 iVm Art 67 der Verordnung Nr. 883/2004 verdrängt.

Zum Familienbeihilfenanspruch eines in Österreich Beschäftigten oder selbständig Erwerbstätigen, dessen Kind in einem anderen Mitgliedstaat wohnt und zu dessen Haushalt es nicht gehört, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zur Vorgängerregelung der VO 883/2004 darauf abgestellt, ob der in Österreich lebende Elternteil die Unterhaltskosten für das in einem anderen Mitgliedstaat wohnende Kind überwiegend trägt (vgl etwa ; ; ; ). Zu vergleichbaren Konstellationen hat der Verwaltungsgerichtshof im Anwendungsbereich der VO 883/2004 einen Anspruch des in einem anderen Mitgliedstaat im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind wohnenden Elternteils dann verneint, wenn der in Österreich eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübende Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind nicht gehört, die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl ; ).

In seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/16/0067, sprach der VwGH aus, dass die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs 1 FLAG 1967, welche betreffend den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellen, des § 2 Abs 8 FLAG 1967, welcher auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstelle, und des § 5 Abs 3 FLAG 1967, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsehe, zufolge des Art 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung finden. Zufolge des in Art 4 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gelte, fänden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 FLAG 1967 mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, keine Anwendung. Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, nach dem Familienlastenausgleichsgesetz könne ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 2 zweiter Satz leg cit bestehen; nach dieser Bestimmung habe eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 anspruchsberechtigt sei.

In dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten , Tomislaw Trapkowski, führte der EuGH ua aus:

"...

32 Zur Anwendbarkeit der Prioritätsregeln, die in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen vorgesehen sind, ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliegt, nicht genügt, dass Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das betreffende Kind wohnt, geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil dieses Kindes arbeitet, lediglich potenziell gezahlt werden können (Urteil Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

...

34 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen könnte, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist.

35 Zur Beantwortung dieser Frage ist erstens darauf hinzuweisen, dass die in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Fiktion zur Folge hat, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen.

36 Zweitens sieht Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 vor, dass bei der Anwendung u. a. der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Anspruchs auf Familienleistungen anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen.

37 Drittens geht aus Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 hervor, dass dann, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt, der 'andere Elternteil' zu den Personen und Institutionen gehört, die einen Antrag auf Gewährung dieser Leistungen stellen können.

38 Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen 'beteiligten Personen', die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.

39 Folglich lässt sich, da die Eltern des Kindes, für das die Familienleistungen beantragt werden, unter den Begriff der zur Beantragung dieser Leistung berechtigten 'beteiligten Personen' im Sinne von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 fallen, nicht ausschließen, dass ein Elternteil, der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen verpflichteten Mitgliedstaat wohnt, diejenige Person ist, die, sofern im Übrigen alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, zum Bezug dieser Leistungen berechtigt ist.

40 Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

41 Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

..."

Den vom VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/16/0133, erfolgten Ausführungen zufolge habe der EuGH damit fallbezogen verdeutlicht, "dass

  • die in Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Fiktion zur Folge hat, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen als dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnen, so erheben kann, als würden sie in dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen,

  • bei der Anwendung u. a. der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Anspruchs auf Familienleistungen anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen,

  • Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist,

  • aus Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 hervorgeht, dass dann, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt, der "andere Elternteil" zu den Personen und Institutionen gehört, die einen Antrag auf Gewährung dieser Leistungen stellen können."

Damit habe der EuGH in seinem Urteil vom , C-378/14, Tomislaw Trapkowski, den Ausführungen des VwGH zufolge ausdrücklich zwischen Satz 2 und Satz 3 von Art 60 Abs 1 Verordnung Nr. 987/2009 unterschieden: von der im dortigen Fall primär zu beantwortenden Frage, wem aller ein Anspruch zustehen kann, sei die Frage zu unterscheiden, wer dieses Recht wahrnehmen kann. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, sei nach Art 60 Abs 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 auch ein Antrag der dort genannten anderen Personen zu berücksichtigen. Es sei daher ohne Bedeutung, welcher Elternteil den entsprechenden Antrag stellt. Die Rsp des VwGH, wie sie ua im Erkenntnis vom , Ro 2014/16/0067, zum Ausdruck gelangte, sei somit durch das , Tomislaw Trapkowski, nicht "überholt" (vgl , Rn 13).

In diesem Zusammenhang hat der VwGH auch ausgesprochen, dass Art 60 Abs 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 Anwendungsvorrang beansprucht und hiedurch § 2 Abs 2 letzter Halbsatz FLAG 1967 verdrängt (vgl , Rn 14).

Folglich kann im Beschwerdefall aber nicht der gemäß § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 den Haushalt, dem die einen Anspruch begründenden Kinder zugehören, führenden Großmutter ein primärer Anspruch zugesprochen werden; stünde dies obigen Ausführungen zufolge doch im Widerspruch zu Art 60 Abs 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009.

Vielmehr ist aus dem Erkenntnis des , abzuleiten, dass im Beschwerdefall ein primärer Anspruch dem Elternteil, der die Unterhaltskosten für die verfahrensgegenständlichen Kinder überwiegend trägt, zusteht: So führe den Ausführungen des VwGH zufolge die in Art 60 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung Nr. 987/2009 vorgesehene Fiktion nach der Rsp des EuGH dazu, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind (Verweis auf , Michael Moser, Rn 44). Zudem habe der EuGH auch klargestellt, dass die Verordnung Nr. 987/2009 und die Verordnung Nr. 883/2004 nicht bestimmen, welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, auch wenn sie die Regeln festlegen, nach denen diese Personen bestimmt werden können. Welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, bestimme sich nämlich, wie aus Art 67 der Verordnung Nr. 883/2004 klar hervorgehe, nach dem nationalen Recht (, Tomislaw Trapkowski, Rn 43 und 44). Dergestalt bestehe gemäß § 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967 der Anspruch auf Familienbeihilfe des Elternteils, welcher im Bundesgebiet wohnt und die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt, wenn der andere Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, im Bundesgebiet weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und somit die Voraussetzung des § 2 Abs 1 FLAG 1967 nicht erfüllt. Insoweit bedürfe es einer Verdrängung der nationalen Bestimmung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs 1 FLAG 1967 durch Art 60 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung Nr. 987/2009 nicht, um den Anspruch für das Kind zu begründen. Erst wenn der in Österreich wohnhafte Elternteil die Unterhaltskosten für das Kind nicht überwiegend trägt und deshalb aus § 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967 keinen Anspruch ableiten kann und auch sonst nach nationalem Recht keine andere Person in Betracht käme, greife die Verdrängung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs 1 FLAG für einen in § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 genannten Anspruchsberechtigten.

Ob im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer oder seine Ehefrau den Unterhalt für die Kinder überwiegend trägt, kann dahingestellt bleiben. Hat der Beschwerdeführer die Unterhaltskosten überwiegend getragen, besteht ein eigenständiger Anspruch des Beschwerdeführers. Hat dagegen seine Ehefrau diese Kosten überwiegend getragen, besteht aufgrund der von dieser abgegebenen Verzichtserklärung ein vom Anspruch der Ehefrau abgeleiteter Anspruch des Beschwerdeführers, den dieser gemäß Art 60 Abs 1 Durchführungsverordnung Nr. 987/2009 geltend machen kann, da er von der Ehefrau nicht begehrt wird (vgl , unter Verweis auf , Rn 21).

Da somit dem Beschwerdeführer zu dem im Spruch des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachten Beginn des Anspruchszeitraumes (Juni 2014) ein Anspruch auf Differenzzahlungen zusteht, erweist sich der angefochtene Abweisungsbescheid als rechtswidrig und ist dieser daher aufzuheben.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (Punkt 3.2) angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 4 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 1 lit. j VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 1 und 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 7 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101419.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at