1. Erwerbsteuerpflicht aufgrund Verwendung einer österreichischen UID (Korrekturmöglichkeit ex nunc). 2. Kein Dreiecksgeschäft, wenn mehr als 3 Mitgliedstaaten tangiert werden. 3. Mehrwertsteuerbetrug und Versagung der Erwerbsteuerfreiheit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schweitzer + Partner Steuerberatungsges.m.b.H., Große Neugasse 8 Tür 23, 1040 Wien, sowie die AMM Steuerberatungsgesellschaft mbH, 1100 Wien, Jagdgasse 25, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2015 zu Recht erkannt:
I.
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die bekämpften Bescheide bleiben unverändert.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
Die Beschwerde vom wurde von der steuerlichen Vertreterin AMM Steuerberatungsgesellschaft mbH verfasst und richtet sich gegen die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2015 und die Körperschaftsteuerbescheide 2012 bis 2014, die alle nach Durchführung einer Außenprüfung am erlassen und mit zugestellt wurden. Die entsprechenden Wiederaufnahmebescheide wurden nicht bekämpft.
Die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 sowie die Körperschaftsteuerbescheide 2012 und 2013 weisen keine Begründung für die Abweichung von den Erstbescheiden auf. Die Umsatzsteuerbescheide 2014 und 2015 sowie der Körperschaftsteuerbescheid 2014 verweisen auf eine Niederschrift bzw. einen Prüfbericht. Dieser Bericht wurde samt Niederschrift über die Schlussbesprechung vom am zugestellt.
Das Finanzamt (kurz FA) wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab (Zustellung ). Es wiederholte den Inhalt des Außenprüfungsberichtes sowie der Beschwerde wörtlich und ergänzte schlussendlich seine Begründung (siehe Sachverhalt).
Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom an das Verwaltungsgericht vor. Sie fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FU 5 damit in die Zuteilungsgruppe 1102.
Von der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie vorerst der Gerichtsabteilung 7005 zur Erledigung zugewiesen. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom (veröffentlicht in der Geschäftsverteilung Stand ) wurde sie abgenommen und neu zugeteilt. Nach zwei Unzuständigkeitserklärungen entschied der Präsident des Bundesfinanzgerichts mit Verfügung vom , dass der Richter Mag. Erich Schwaiger für die Erledigung zuständig ist. Mag. Schwaiger leitet die Gerichtsabteilung 7013.
Diese Verfügung wurde dem Richter im Original zugestellt und eine Kopie in den Beschwerdeakt des Bundesfinanzgerichtes eingelegt.
Über Anforderung des zuständigen Richters per Mail vom legte das FA am umfangreiche weitere Aktenteile elektronisch vor.
Das Bundesfinanzgericht erließ in der Folge einen Mängelbehebungsauftrag zur Beschwerde bezüglich der Körperschaftsteuerbescheide 2012 bis 2014 und trug der Bf. auf, eine Erklärung samt einer Begründung nachzureichen, in welchen Punkten diese Bescheide angefochten und welche Änderung beantragt werden. Die Bf. zog daraufhin diesen Teil der Beschwerde zurück. Sie wurde insofern als gegenstandlos erklärt ().
Mit erteilte die Bf. der Schweitzer + Partner Steuerberatungsges.m.b.H. die (Zustell)Vollmacht. Die Vertretungsbefugnis der AMM Steuerberatungsgesellschaft mbH blieb aufrecht (vgl. Spezialvollmacht bzw. Berufung auf die Vollmacht in der mündlichen Verhandlung).
Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung legte die Bf. mit Mails vom 1., 15. und weitere Unterlagen vor.
In der mündlichen Verhandlung vom bestätigte die Vertreterin der Bf., dass die Nachversteuerung der UID-Doppelerwerbe in Deutschland im Jahr 2019 (für die Kalenderjahre 2013 bis 2015) erfolgte. Für 2012 unterblieb eine Nachversteuerung.
Einvernehmen besteht zwischen den Parteien darin, dass die Vorgänge "***Empfänger1***" und "***Empfänger2***" (siehe Dreicksgeschäfte) jeweils Beteiligte mit Umsatzsteueridentifikationsnummern aus drei Ländern betrafen, die Warenbewegungen aber ein weiteres Land (und damit in Summe vier Länder) tangierten. Das führt nach der Beurteilung beider Parteien dazu, dass die Dreiecksgeschäftsregelung deshalb nicht zur Anwendung gelangen kann. Bei den davon betroffenen Einkäufen durch die Bf. kam jeweils die österreichische UID zur Anwendung, weshalb jedenfalls Steuerpflicht auf Grund dieser Verwendung gegeben ist. Die nähere Prüfung, ob es sich dabei um einen Missing Trader handelt und ob die Bf. ihren Pflichten ausreichend nachkam, erübrigt sich diesbezüglich deshalb nach Einschätzung beider Parteien.
Die Vertreterin der Bf. erhob keine Einwendungen gegen die Tatsache, dass die Lieferung ***Empfänger3*** einen "Missing Trader" betraf und damit in Österreich der Besteuerung zu unterziehen ist. Sie gab an, dass dazu nur die auf der bei der mündlichen Verhandlung verwendeten PowerPoint-Präsentation auf Folie 15 angeführten Unterlagen existieren. Der Email-Verkehr sei von einem Bediensteten gelöscht worden, bevor dieser das Unternehmen verließ. Die Ware sei tatsächlich geliefert worden und der Bf. sei nicht bekannt, wie der Betrug tatsächlich aussah.
Ein wirksames Due Diligence Verfahren sei erst Ende 2014 eingeführt worden, da die interne Organisation mit dem Wachstum der Firma nicht mitgehalten habe.
Zur rechtlichen Würdigung bestand bei der mündlichen Verhandlung Einigkeit zwischen den Parteien, dass die UID-Doppelerwerbe im Streitzeitraum 2012 - 2015 (vorerst) zu besteuern sind und dass im Zeitpunkt der Besteuerung im Ausland (in Deutschland im Kalenderjahr 2019) die Möglichkeit der Korrektur über § 16 UStG 1994 besteht. Das Finanzamt sagte zu, dieses Jahr im Wege einer Wiederaufnahme zu korrigieren.
Die Vertreterin der Bf. wies darauf hin, dass die Fehler der Jahre 2012 bis 2014 ab 2015 weitgehend vermieden werden konnten. Ab diesem Jahr habe es auch fast keine problematischen Kontrollmitteilungen der Finanzbehörden mehr gegeben. Die weiterhin offenen UID Doppelerwerbe der Streitjahre beträfen fast ausschließlich Tschechien. Die Bf. habe sich bemüht auch eine Versteuerung in Tschechien zu erreichen, sei aber an dortigen Verjährungsvorschriften gescheitert. Die Bf. sei mittlerweile in Tschechien umsatzsteuerlich registriert und habe zwischenzeitig auch über eine tschechische UID Nummer verfügt.
Für Deutschland seien jeweils korrigierte Sammelausgangsrechnungen erstellt und den Kunden zugestellt worden. Für Tschechien seien diese Korrekturen vorbereitet worden, dann aber auf Grund der dortigen Verjährungsprobleme unterblieben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
2. Sachverhalt
Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.
Die bekämpften Bescheide ergingen nach Durchführung einer Außenprüfung.
Strittig ist die Erwerbsteuerpflicht von Warenlieferungen, die nie nach Österreich gelangten, bei denen die Bf. aber mit ihrer österreichischen Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID) auftrat. Dabei spielt auch eine Rolle, ob dabei Dreiecksgeschäfte vorlagen.
2.1. Die Beschwerdeführerin
2.1.1. Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse
Die Bf. ist eine im Jänner 2012 nach österreichischem Recht mit einem Stammkapital von EUR 35.000 gegründete GmbH mit Sitz in Wien. Sie wurde im Februar 2012 im Firmenbuch registriert (FN ***#####x***). 2013 wurde ihr Stammkapital auf EUR 250.000 erhöht.
Allein-Gründungsgesellschafter und Allein-Geschäftsführer war ***RB***, ein in Polen wohnhafter Österreicher ohne Wohnsitz in Österreich (ZMR-Abfrage vom ). Von September bis Dezember 2016 und damit nach dem Streitzeitraum war über einige Monate eine weitere natürliche Person ohne Wohnsitz in Österreich (***AK***; ZMR-Abfrage vom ) beteiligt und Mitgeschäftsführer. Sie schied nach kurzer Zeit wieder aus.
Die Anschrift laut Firmenbuch befand sich im Streitzeitraum in einem Gebäude, in dem Office-Leistungen bzw. virtuelle Büros angeboten werden (***Anbieter***).
2.1.2. Personal
Unbestritten ist, dass die Bf. bis August 2015 keine Dienstnehmer hatte. Von bis scheint eine Person (***NN***) mit Wohnsitz in Polen als Dienstnehmer auf. Unstrittig ist weiters, dass die Bf. weder in Österreich noch im Ausland über Lagerräume verfügte. Sie verfügte über keine Warenbestände, sondern orderte diese überwiegend erst dann, wenn ihr eine Bestellung ihrer Kunden (ebenfalls nur Großhändler) vorlagen. Falls erforderlich erfolgte eine Zwischenlagerung in Speditionslagern bzw. bei externen Lagerfirmen.
Die Abwicklung der Geschäfte erfolgte teilweise auch mit Personal einer polnischen Gesellschaft (***XXPolen***) im Eigentum der Gattin des ***RB***, der sie als Geschäftsführer vertritt. Diese Gesellschaft tritt seit 2015 als Handelsvertreter für die Bf. auf (vgl. Niederschrift ).
2.1.3. Geschäftstätigkeit
Die Steuerfahndung fasste die Verhältnisse im Kern wie folgt zusammen (vgl. Ermittlungsbericht vom ):
Als Grund für die Firmengründung in Österreich nannte der Geschäftsführer das bessere wirtschaftliche Umfeld und die Stellung Österreichs als "Hub" für Ost-West-Geschäftsbeziehungen. Bis August 2015 sei die Geschäftsabwicklung durch selbstständige Händler in Polen erfolgt, die mit einer "Management Fee" abgegolten wurde. In Österreich sei die Buchhaltung sowie eine virtuelle Adresse gewesen. Der Geschäftsführer sei regelmäßig bei der steuerlichen Vertretung gewesen.
Erst seit August 2015 und damit nach Beginn der Außenprüfung habe die Bf. Büroräumlichkeiten am Firmensitz in ***Wien, AnschriftA*** (***Anbieter***) angemietet und es sei ein Mitarbeiter (polnischer Staatsbürger ohne Wohnsitz in Österreich) eingestellt worden.
Die Geschäftstätigkeit der Bf. umfasst den Handel mit Mobiltelefonen und deren Zubehör, Desktop-PCs, Laptops, Tablets, E-Book-Reader und TT-Ausrüstung mit anderen Großhändlern (ausschließlich Neuware).
Die Kundenakquise erfolgt vorwiegend auf Messen (CeBit, IFA, GYTEX, CTIA,...), Internetplattformen wie www.qsmexchanqe.com,https://qsm-b2b.com, www.handelot.com.www.cellplex.net. Lpt, Lgt, ITdistri, bzw. über Anfragen bestehender Geschäftspartner per Email oder Telefon.
Bei den Abnehmern und Lieferanten handelt es sich überwiegend um ausländische Großhändler.
Die ***Bf1*** verfügt über keinen eigenen Lagerplatz. Die Waren werden überwiegend erst auf Kundenbestellung zugekauft und falls erforderlich in Speditionslagern (***1***, ***2***, ***3***, ***4***, etc.) gelagert. Die Kontrolle der Ware erfolgt durch die Spediteure, welche auch Inspektionsberichte und Fotos der Ware, LKW's, Paletten etc. erstellen und an die Bf. übermitteln. Zusätzlich werden durch die Bf. sämtliche IMEI- und Seriennummern der gehandelten Waren gespeichert um einen Mehrfachumlauf zu vermeiden und eine Teilnahme an einem Karussellbetrug zu verhindern.
Gehandelt wird zu Tagespreisen abhängig vom Verkaufspreis der Hersteller und der aktuellen Marktlage. Die Hersteller liefern dabei an die Generalimporteure (T-Mobile, etc.) zu einem fixen Quartalspreis. Überbestände der Generalimporteure werden über oben genannte Internetplattformen bzw. über Firmen wie die Bf. verkauft, weshalb auch eine komplette Nachverfolgung der Lieferkette nicht möglich ist.
Die Aufschläge der Bf. bewegen sich meist zwischen 0,3 und 1,5 %.
Mit Bezahlung der Ware geht das Eigentum über, wobei der Kunde die Ware vorweg auf Produktionsfehler und Transportschäden überprüft. Die Bf. verfügt über eine Transportversicherung, mit der im Bedarfsfall Schäden abgerechnet werden. Die Bezahlung erfolgt bei allen Geschäftsfällen mittels Banküberweisung.
Aus einer Niederschrift der Steuerfahndung vom mit dem Geschäftsführer, dem von 2015 bis 2016 beschäftigten Mitarbeiter sowie einem weiteren Anwesenden (Head of Sales international - offenbar von der polnischen Schwesterfirma) ergeben sich zusätzliche die folgenden Angaben (siehe Beilage Ermittlungsbericht Steuerfahndung):
Es wurde angegeben, vor einem Geschäftsabschluss werde jeder Kunde überprüft (Dokumente, Facebook, UID-Nummer, Adresse, Firmenbuch, etc.). Persönliche Überprüfungen der Adressen hätten nur in Einzelfällen stattgefunden. Teilweise sei auch durch Services wie Euler Hermes, Infoverity, Dun & Bradstreet etc. abgefragt worden. Diese Ergebnisse sein in der Vergangenheit teilweise aufbewahrt worden. Zu den unten problematisierten Kunden liegen solche Informationen offenbar nicht vor.
2.1.4. Ort der Lieferung
Die Waren wurden zu einem großen Teil in anderen Mitgliedstaaten erworben und direkt in das Land des Kunden bzw. ein drittes Land transportiert bzw. versendet, ohne dabei nach Österreich zu gelangen (Reihengeschäfte). Obwohl der Leistungsort dabei nicht in Österreich lag, waren diese Lieferungen durch die Bf. weitgehend als innergemeinschaftliche Lieferungen erfasst worden. Das stellte die Außenprüfung unwidersprochen richtig und reduzierte die innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend:
Unbeanstandet blieb die Tatsache, dass die Bf. auch steuerbare Umsätze in Österreich machte, die als Exporte (Ausfuhrlieferungen ins Drittland und innergemeinschaftliche Lieferungen) weitgehend steuerfrei belassen wurden.
2.2. Doppelerwerb wegen Verwendung der österreichischen UID
Das FA zeigte auf, dass es sich bei einem Großteil der Umsätze der Bf. um nicht steuerbare Lieferungen gehandelt habe, bei denen die Ware niemals nach Österreich gekommen sei, aber dennoch beim Einkauf im Gemeinschaftsgebiet die österreichische UID der Bf. zur Verwendung kam.
Der Wareneinkauf sei dabei als innergemeinschaftlicher Erwerb verbucht und die daraus resultierende Erwerbsteuer als Vorsteuer geltend gemacht worden. Aus Sicht der Bf. liege sowohl in dem Mitgliedsstaat, in dem die Warenbewegung endet, als auch in Österreich (Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994) ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor ("Doppelerwerb"), der der Erwerbsteuer zu unterziehen ist. Ein Vorsteuerabzug stehe nicht zu (Hinweis auf und Rs C-539/08)
Gemäß Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG 1994 falle dieser innergemeinschaftliche Erwerb in Osterreich nachträglich ("ex nunc") weg, wenn das österreichische Unternehmen nachweist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Land besteuert wurde, in dem die Warenbewegung endete.
Die davon betroffenen Vorgänge wurden in Beilage 1 zum Außenprüfungsbericht dargestellt. In Summe handelt es sich um die folgenden Beträge:
Die Bf. bestritt in der Beschwerde vom die Tatsache des Doppelerwerbs nicht und gab bekannt, sie habe nun begonnen sich in den beanstandeten Ländern registrieren zu lassen und werde dort nach Erteilung einer UID bzw. einer Steuernummer die Besteuerung für die Jahre 2012 ff vornehmen lassen.
Sie kündigte notwendigenfalls eine Korrektur der Rechnungen an. Sobald die Nachweise der Registrierung oder der Versteuerung vorlägen würden sie dem Finanzamt vorgelegt, sodass die Umsatzsteuerbescheide 2012 - 2015 neuerlich korrigiert werden könnten (Stornierung der vorgeschriebenen Erwerbsteuer).
Das FA wiederholte in der Beschwerdevorentscheidung seine Begründung und kam zum Schluss, der zusätzliche Erwerb (Doppelerwerb) falle erst nachträglich (ex nunc) mit Wirkung ab dem Voranmeldungszeitraum weg, in dem der Nachweis der Versteuerung im Ausland erbracht wird. Eine nachträgliche, rückwirkende (ex tunc) Korrektur der Zeitraume 2012 - 2015 sei deshalb nicht möglich. Die Bf. widersprach dem im Vorlageantrag nicht.
Im Zuge der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurden Nachweise darüber vorgelegt, dass in Deutschland im Jahr 2019 für die Jahre 2013 bis 2015 Erwerbe in der folgenden Höhe nachversteuert wurden:
Für 2012 existieren derzeit keine Nachversteuerungsnachweise.
Die verbleibenden Beträge entfallen nach Auskunft bei der mündlichen Verhandlung fast zur Gänze auf Tschechien, wo eine Nachversteuerung (aufgrund dortiger Verjährungsvorschriften) nicht erfolgen kann.
2.3. Dreiecksgeschäfte
Streitgegenständlich sind fünf Lieferungen, bei denen das FA zum Schluss kam, sie hätten in Betrugskreisläufen gemündet. In Summe handelt es sich um die folgenden Beträge:
Der Ermittlungsbericht der Steuerfahndung vom zeigt die folgenden Sorgfaltspflichtverletzungen auf:
Hinsichtlich der nachstehenden Geschäftsfälle seien zwar Rechnungen, E-Mail Korrespondenz sowie Frachtpapiere vorgelegt werden, nicht jedoch Kaufverträge, Ausweiskopien der Geschäftsführer sowie Übernahmebestätigungen der Ware. Die vorgelegten CMR Papiere weisen laut Steuerfahndung teilweise keine Unterschrift des Empfängers auf.
Der Außenprüfungsbericht kam zum Schluss, vor allem im Hinblick auf die Betrugsanfälligkeit der Branche lasse die Abwicklung dieser Geschäftsfälle den Schluss zu, dass dies für die Bf. bei entsprechender Umsicht und Überprüfung erkennbar hätte sein können. Da es sich bei den Lieferungen an drei betroffene Unternehmen um Dreiecksgeschäfte bzw. Reihengeschäfte handle, würden die innergemeinschaftlichen Erwerbe aufgrund der Verwendung der österreichischen UID (Doppelerwerbe) in Österreich gem. Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 der Erwerbsbesteuerung ohne Vorsteuerabzug unterworfen. Eine nachträgliche Korrektur sei aufgrund der Lieferung in Betrugskreislaufe nicht möglich.
Davon sind die folgenden Lieferungen betroffen:
2.1.5. ***Empfänger1*** (2013)
Auf den Ausgangsrechnungen scheint dieser Kunde mit den folgenden Daten auf: ***Anschrift_BG***, UID: BG ***####***. Sie trat damit unter ihrer bulgarischen UID auf, obwohl die Warenbewegung in Deutschland endete (siehe unten).
Die hier gewählte Bezeichnung "***Empfänger1***" wird in einem Bericht der Steuerfahndung Wien vom verwendet. Auf den aktenkundigen Papieren findet sich weitgehend die Bezeichnung "***Empfänger1***".
Die Bf. gab an, der Geschäftskontakt sei im Rahmen der Messe "IFA 2013" in Berlin entstanden. Dort sei auch persönlich mit der Kontaktperson ***GF1*** gesprochen worden. Als Nachweis der tatsachlichen Existenz der Gesellschaft wurden - nach Angaben der Bf. - die Registrierungsdokumente per Mail übermittelt. Die UID-Nummer sowie die Telefonnummer seien auf Korrektheit überprüft worden.
Weitere Nachforschungen wurden nicht angestellt. Auch ein Besuch des bulgarischen Firmensitzes fand nicht statt. Die Kundin verfügt über keine Homepage und war lediglich per Mail, Skype oder telefonisch erreichbar.
Das Zentrale Verbindungsbüro in Bulgarien qualifizierte diese Gesellschaft als "Missing Trader" und gab bekannt, dass weder diese Firma noch die handelnden Personen greifbar sind. Der behauptete Erwerb der Waren von der Bf. wurde gegenüber dem bulgarischen Finanzamt nicht erklärt und die verwendete UID-Nummer (BG ***####***) wurde am begrenzt.
Beanstandet wurden hier durch die Außenprüfung zwei Lieferungen.
Mit der Ausgangsrechnung 73 vom wurde die Lieferung von ***##5*** Stück Apple iPad 4 fakturiert (EUR 222.250,00).
Mit der Ausgangsrechnung 76 vom wurden ***##4*** Stück Apple iPad 4 fakturiert (EUR 215.946,25).
Die Bf. bezog diese Waren von der polnischen ***S.A.*** und trat dabei unter ihrer österreichischen UID auf. Die Summe der Erwerbe wurde vom FA unwidersprochen mit EUR 433.415,00 erfasst (das entspricht der Gesamtsumme 2013).
Die Waren wurden jeweils vom polnischen Lieferanten der Bf. von Polen direkt an ein externes Warenlager in Deutschland geliefert und dort - nach Inspektion und Bezahlung durch die ***Empfänger1*** - an diese freigestellt. Der Transport der Waren von Polen nach Deutschland wurde durch den polnischen Lieferanten beauftragt und bezahlt.
Zu den Geschäften gibt es keine schriftlichen Verträge bzw. Vereinbarungen. Der gesamte weitere Kontakt sowie die Bestellungen erfolgten per Mail. In der Beschwerde gab die Bf. an,
sie habe die Registrierungsdokumente abverlangt sowie die UID und Telefonnummern überprüft.
Es habe einen persönlichen Kontakt mit einem Einkäufer ***GF1*** auf der Messe IFA2013 gegeben. Dieser sei auch im bulgarischen Firmenregister geführt worden.
Die UID der Kundin sei erst im Februar 2014 und damit nach den Lieferungen begrenzt worden. Die Einstufung als "Missing Trader" könne deshalb auch erst nach der Geschäftsabwicklung passiert sein.
Der Kunde sei seinen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachgekommen. Wie in dieser Branche üblich sei Vorauskasse vereinbart worden.
Es habe damit kein Grund bestanden, das Geschäft oder die Glaubwürdigkeit des Kunden anzuzweifeln.
2.1.6. ***Empfänger2*** (2014)
Auf den Ausgangsrechnungen scheint dieser Kunde mit den folgenden Daten auf: ***AnschriftLV***, UID: LV***#####***. Er trat damit unter ihrer lettischen UID auf, obwohl die Warenbewegung in Tschechien endete (siehe unten).
Nach Auskunft der Bf. wurde die Geschäfte mit dieser Gesellschaft durch eine ehemalige Mitarbeiterin der ***XXPolen*** abgewickelt. Der Kontakt zur Gesellschaft sei über die Internet Plattform GSM-B2B hergestellt worden.
Als Kontaktperson seitens der ***Empfänger2*** sei eine Dame aufgetreten, die aber weder Geschäftsführerin noch Handlungsbevollmächtigte gewesen sei. Als Nachweis für die Existenz der ***Empfänger2*** wurden vor Geschäftsabwicklung die Registrierungsdokumente sowie eine Ausweiskopie der Geschäftsführerin von der E-Mail Adresse ***aaaa*** übermittelt. Diese Gesellschaft verfügte über keinen Internetauftritt und war lediglich per Mail, Skype oder telefonisch erreichbar.
Der Firmensitz in Lettland wurde nicht besichtigt und auch keine weiteren Nachforschungen angestellt. Die Gesellschaft war laut Angaben der Bf. auf der CEBIT 2014 präsent.
Eine Anfrage an das Zentrale Verbindungsbüro in Lettland ergab, dass es sich bei der Firma um einen "Missing Trader" handelt und die Firma, sowie die handelnden Personen nicht greifbar sind. Ihre UID-Nummer wurde am begrenzt.
Beanstandet wurden die folgenden beiden Lieferungen:
Mit der Ausgangsrechnung 11vom wurden ***##1*** Stück Apple iPhone 5S fakturiert (EUR 312.000,00).
Mit der Ausgangsrechnung 17 vom wurden ***##2*** Stück Apple iPhone 5S fakturiert (EUR 252.450,00).
Die Bf. bezog diese Waren von der polnischen ***S.A.*** und trat dabei unter ihrer österreichischen UID auf. Die Summe der Erwerbe wurde vom FA unwidersprochen mit EUR 555.000,00 erfasst (2014).
Zu den Geschäften gibt es keine schriftlichen Verträge/Vereinbarungen. Die Bestellungen erfolgten per Mail. Nach Auskunft der lettischen Behörden wurde der Erwerb der Waren dort nicht erklärt.
Die Waren wurden direkt vom polnischen Lieferanten an ein externes Warenlager nach Tschechien geliefert und offenbar dort übergeben. Der Transport wurde vom polnischen Lieferanten beauftragt und bezahlt.
In der Beschwerde gab die Bf. an,
dass der Geschäftskontakt über die Internet Plattform GSM-B2B (eine Großhandels Consumer Goods Plattform) erfolgte, bei der man sich registrieren lassen und die Firmendokumente hochladen müsse.
Die Abwicklung der Geschäfte erfolgte über Email oder Skype gegen Vorauskasse. Der Kunde habe alle Verpflichtungen erfüllt.
Es habe damit kein Grund bestanden, das Geschäft oder die Glaubwürdigkeit des Kunden anzuzweifeln.
2.1.7. ***Emfpänger3*** (2014)
Auf den Ausgangsrechnungen scheint dieser Kunde mit den folgenden Daten auf: ***AnschriftD***, UID: DE***####2***. In der Folge wird diese GmbH als Empfängerin bezeichnet. Sie trat unter ihrer deutschen UID auf und die Warenlieferung endete in Deutschland (siehe unten).
Die Bf. gab an, die Kontakte und die Bestellung seien per Mail erfolgt. Vor Geschäftsabwicklung seien die Registrierungsdokumente von der E-Mail Adresse ***bbbb*** übermittelt worden. Der deutsche Firmensitz sei nicht besichtigt und auch keine weiteren Nachforschungen angestellt worden. Als einzige Kontaktmöglichkeit nannte die Bf. nur die obige E-Mail-Adresse, eine deutsche Telefonnummer und eine skype-Adresse.
Der Kontakt sei über die E-Mail-Adresse "***BBB***" zustande gekommen, die die E-Mail-Domain der Gesellschaft nutzte. Weitere Nachforschungen, ob dieser ein befugter Repräsentant der Gesellschaft ist, seien nicht angestellt worden. Als einzige Ansprechperson scheint in den Akten im Email-Verkehr "***BBB***" auf.
Dass die vermeintliche Empfängerin auf einer bekannten Handelsplattform registriert war, behauptete die Bf. trotz Nachfrage nicht. Man habe geschäftlich nur per Mail verkehrt.
Im Akt findet sich ein deutscher Handelsregisterauszug vom (Amtsgericht Dortmund HRB ***1####***). Als Tag der letzten Eintragung scheint der auf. Als Geschäftsführer scheint ***MV***, ***D***, auf. Die verwendete deutsche UID-Nummer wurde der Empfängerin mit erteilt und durch die Empfängerin am einem Bestätigungsverfahren unterzogen.
Das FA stellte fest, die ehemalige Homepage (***www.www.e3***) sei nicht mehr aufrufbar. Der Aufruf über www.web.archive.org mit Stichtag in der damaligen Form habe ergeben, dass die Webseite Textpassagen in sehr schlechtem Deutsch aufweise.
Das Zentrale Verbindungsbüro in Deutschland gab im Wege des Informationsaustausches iSd Verordnung (EU) Nr. 904/2010 bekannt, dass es sich bei der Firma um einen "Missing Trader" handelt und diese sowie die handelnden Personen nicht greifbar seien. Sie habe über keinen tatsachlichen Firmensitz verfügt.
Die faktische Geschäftsführung habe ***IG*** innegehabt und die Ermittlungen hätten ergeben, dass die ***Empfänger3*** nie wirtschaftlich tätig wurde. Sie sei in ein international tätiges Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen. Ihre UID-Nummer wurde am begrenzt und sie sei ein "Missing Trader".
Die ***Empfänger3*** GmbH habe in Deutschland keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt. Die Person "***BBB***" sei frei erfunden und als natürliche Person nicht existent. Dessen Foto auf der Homepage der Gesellschaft sei im Internet frei verfügbar und auf einer Vielzahl von Homepages zu finden. Der Aufenthalt der Hrn. ***IG*** und ***MV*** sei unbekannt.
Durch die Außenprüfung wurde eine Lieferung beanstandet:
Mit der Ausgangsrechnung 8 vom wurden ***##5*** Stück Apple iPad+ IPad Air fakturiert (EUR 216.000,00).
Die Bf. bezog die Ware von der polnischen ***PPPP*** und trat dabei mit ihrer österreichischen UID auf. Die Summe der Erwerbe wurde vom FA unwidersprochen mit EUR 213.000,00 erfasst (2014).
Auf diesem mit "***INVOICE*** überschriebenem Abrechnungsdokument findet sich neben der Bezeichnung der Waren die Bf. mit ihrer österreichischen UID als Lieferant sowie die "***Empfänger3***" mit ihrer deutschen UID als Empfänger. Auf ihm findet sich der Hinweis "Remarks to document: Dreiecksgeschäft gem. Artikel 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie".
Der Erwerb dieser Waren von der Bf. wurde gegenüber dem deutschen Finanzamt nicht erklärt. Die Bf. gab an, die Geschäfte mit der ***Empfänger3*** im Jahr 2014 seien durch Mitarbeiter der ***XXPolen*** abgewickelt worden, die dort mittlerweile nicht mehr beschäftigt seien. Es gab keine schriftlichen Verträge oder Vereinbarungen. Die Bf. gab an, die Waren seien direkt vom polnischen Verkäufer an ein externes Warenlager nach Deutschland transportiert worden. Nach Besichtigung und Bezahlung sei die Ware an die ***Empfänger3*** freigestellt worden. Der Transport sei vom polnischen Lieferanten beauftragt und bezahlt worden.
Aus den aktenkundigen Unterlagen ergibt sich, dass die Ware vom polnischen Vorlieferanten von Polen nach Deutschland gesendet wurde. Der Transport wurde von der polnischen Lieferantin in Auftrag gegeben und bezahlt. In Deutschland wurde die Ware offensichtlich in einem Lager der ***LOGISTIK3*** übergeben. Wer die Ware tatsächlich übernahm, geht aus den von der Bf. vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Alle Kosten nach dieser Übergabe wurden von der Empfängerin getragen.
In der Beschwerde wurde noch einmal angegeben, dass
der Geschäftskontakt über eine Anfrage der Firma ***Empfänger3*** erfolgte und
die Geschäfte über Email oder Skype abgewickelt worden seien. Der Einkäufer der Kundin habe nach wie vor ein XING Profil. Auf diesem sei seine Qualifikation ersichtlich. Die Homepage sei damals online gewesen. Das schlechte Deutsch habe bei den noch vorhandenen Fragmenten bei der Abfrage am nicht festgestellt werden können (web.archive.org, vom ).
Es sei Vorauskasse vereinbart gewesen und der Kunde sei seinen Verpflichtungen pünktlich nachgekommen.
Es habe damit kein Grund bestanden, das Geschäft oder die Glaubwürdigkeit des Kunden anzuzweifeln.
In der mündlichen Verhandlung erklärte die Vertreterin der Bf. zu akzeptieren, dass es sich bei der ***Empfänger3*** um einen "Missing Trader" handelt und brachte keine weiteren Argumente gegen die Besteuerung in Österreich vor. Der (die Geschäftsverbindung herstellende) Email Verkehr sei von einem Bediensteten gelöscht worden, bevor dieser das Unternehmen verließ.
Ein wirksames Due Diligence Verfahren sei erst Ende 2014 eingeführt worden, da die interne Organisation mit dem Wachstum der Firma nicht mitgehalten habe. Die Ware sei tatsächlich geliefert worden. Der Bf. sei nicht bekannt, wie der Betrug tatsächlich aussah.
3. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung
3.1. UID-Doppelerwerb
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 lautet (samt Überschrift):
"Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs
(8) Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß."
Verwendet damit der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat (hier Österreich) erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt nach dem zweiten Satz des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 der Erwerb als in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates (hier also in Österreich) als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat (also dem Mitgliedstaat, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb erfolgt) besteuert worden ist.
Diese im Staat der Registrierung geschuldete Steuer kann nicht als Vorsteuer abgezogen werden (vgl. unter Hinweis auf X und fiscale eenheid Facet-Facet Trading, C-536/08 und C-539/08 sowie unter Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 3 BMR Tz 34). Das wird auch damit begründet, dass ansonsten die praktische Wirkung der Regelung beeinträchtigt wäre und kein Anreiz bestünde, die Besteuerung im Bestimmungsland nachzuweisen (vgl. Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG 19945, Art. 3 Tz 35). Der Zweck dieser Regel besteht nämlich darin, sicherzustellen, dass innergemeinschaftliche Erwerbe an Hand der Zusammenfassenden Meldung, in der die UID aufscheint, nachverfolgt werden kann. Das soll zumindest die Besteuerung im Staat der UID gewährleisten. Die Verwendung der UID lässt damit einen zusätzlichen Steueranspruch auch im Staat der UID entstehen.
Dieser Anspruch ist auflösend bedingt durch den Nachweis, dass den steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsland nachgekommen wurde. Wird der Nachweis erbracht, ist die Korrektur der Steuer nach den Grundsätzen des § 16 UStG 1994 (ex nunc) vorzunehmen (vgl. Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG5, Art. 8 Tz 35). Dies ergibt sich aus dem klaren und unzweideutigen Wortlaut der Norm.
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 normiert ausdrücklich eine sinngemäße Anwendung des § 16 UStG 1994. Dieser ordnet allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an. Die Änderungen führen damit nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sind erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG 19945, § 16 UStG Tz 16 mit vielen weiteren Nachweisen; vgl. auch ).
3.2. Dreiecksgeschäfte
Die umsatzsteuerliche Sonderregel zu Dreiecksgeschäften basiert auf einer Vielzahl von gemeinschaftsrechtlichen Normen, die mit Art. 25 UStG 1994 innerstaatlich umgesetzt wurden (vgl. ):
3.2.1. Nationales Recht
Art. 25 UStG 1994 lautet in der 2013 und 2014 anwendbaren Fassung (BGBl. I Nr. 112/2012; Formatierung fett durch BFG):
"Art. 25.
(1) Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch, wenn der letzte Abnehmer eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Dreiecksgeschäft
(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz gilt als besteuert, wenn der Unternehmer (Erwerber) nachweist, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt und dass er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Kommt der Unternehmer seiner Erklärungspflicht nicht nach, fällt die Steuerfreiheit rückwirkend weg.
Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen
(3) Der innergemeinschaftliche Erwerb ist unter folgenden Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit:
a) Der Unternehmer (Erwerber) hat keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland, wird jedoch im Gemeinschaftsgebiet zur Umsatzsteuer erfasst;
b) der Erwerb erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Unternehmers (Erwerbers) im Inland an einen Unternehmer oder eine juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer im Inland erfasst ist;
c) die erworbenen Gegenstände stammen aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfasst wird;
d) die Verfügungsmacht über die erworbenen Gegenstände wird unmittelbar vom ersten Unternehmer oder ersten Abnehmer dem letzten Abnehmer (Empfänger) verschafft;
e) die Steuer wird gemäß Abs. 5 vom Empfänger geschuldet.
Rechnungsausstellung durch den Erwerber
(4) Die Rechnungsausstellung richtet sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Erwerber sein Unternehmen betreibt. Wird die Lieferung von der Betriebsstätte des Erwerbers ausgeführt, ist das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Rechnet der Leistungsempfänger, auf den die Steuerschuld übergeht, mittels Gutschrift ab, richtet sich die Rechnungsausstellung nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem die Lieferung ausgeführt wird.
Sind für die Rechnungsausstellung die Vorschriften dieses Bundesgesetzes maßgebend, muss die Rechnung zusätzlich folgende Angaben enthalten:
einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers,
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, unter der der Unternehmer (Erwerber) den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat, und
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der Lieferung.
Steuerschuldner
(5) Bei einem Dreiecksgeschäft wird die Steuer vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet, wenn die vom Erwerber ausgestellte Rechnung dem Abs. 4 entspricht.
Pflichten des Erwerbers
(6) Zur Erfüllung seiner Erklärungspflicht im Sinne des Abs. 2 hat der Unternehmer in der Zusammenfassenden Meldung folgende Angaben zu machen:
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Inland, unter der er den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat;
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der vom Unternehmer bewirkten nachfolgenden Lieferung, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist;
für jeden einzelnen dieser Empfänger die Summe der Entgelte der auf diese Weise vom Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände bewirkten Lieferungen. Diese Beträge sind für das Kalendervierteljahr anzugeben, in dem die Steuerschuld entstanden ist.
Pflichten des Empfängers
(7) Bei der Berechnung der Steuer gemäß § 20 ist dem ermittelten Betrag der nach Abs. 5 geschuldete Betrag hinzuzurechnen."
Anzumerken ist, dass Abs. 4 erster Teilstrich bis wie folgt lautete:
"Die Rechnung muss bei Anwendung der Befreiung des Abs. 3 zusätzlich folgende Angaben enthalten:
einen ausdrücklichen Hinweis auf die Bestimmung des Artikels 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie,
…"
Diese Textierung wurde mit BGBl. I Nr. 34/2010 (wirksam ab ) bzw. BGBl. I Nr. 112/2012 (ab ) geändert. Die Neutextierung wurde damit begründet, dass der Hinweis auf die 6. EG-Richtlinie überholt sei. Dafür würden die erforderlichen Rechnungsangaben bei Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes angeführt (ErläutRV 662 BlgNR 24. GP 16). Zudem solle dem im Inland ansässigen Unternehmer, für dessen Lieferung die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat übergeht, die Rechnungsausstellung erleichtert werden, da er nicht mehr die Vorschriften des Mitgliedstaates zu beachten hat, in dem der Umsatz ausgeführt wird, sondern die inländischen Rechnungsausstellungsvorschriften. Damit werde Art. 197 Abs. 1 lit. c iVm Art. 219a der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU umgesetzt.
Reichte damit bis 2010 der Hinweis auf Artikels 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie, war im Streitzeitraum zusätzlich erforderlich, dass die Rechnung neben dem Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes auch die ausdrückliche Erwähnung der Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers enthält. Fehlt diese, tritt die Fiktion der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs des Erwerbers in Österreich nach nationalem Recht nicht ein (vgl. Rn 26). Ob dies auch gemeinschaftsrechtlich so zu beurteilen ist, wurde soeben vom VwGH mit dem erwähnten Beschluss dem EuGH zur Klärung vorgelegt.
3.2.2. Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen
Art. 25 UStG 1994 beruht auf verschiedenen Vorschriften der Richtlinie 2006/112/EG (Art. 197, Art. 219a und Art. 226 in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom , Art. 219a überdies in der Fassung der Berichtigung ABl. L 299/46 vom ) des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vgl. unter Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 25 BMR Tz 2). Art. 25 UStG 1994 ist im Sinne dieser Richtlinienbestimmungen auszulegen (Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Einf Tz 27).
Diese gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen der Mehrwertsteuersystem-RL sind:
"Artikel 40
Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden."
"Artikel 41
Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendeteMehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert."
"Artikel 42
Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;
b) der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen."
"Artikel 141
Jeder Mitgliedstaat trifft besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) der Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
b) der Erwerb von Gegenständen erfolgt für die Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände durch den unter Buchstabe a genannten Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat;
c) die auf diese Weise von dem Steuerpflichtigen im Sinne von Buchstabe a erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar an die Person versandt oder befördert, an die er die anschließende Lieferung bewirkt;
d) Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem betreffenden Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
e) der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird."
"Artikel 197
(1) Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;
b) der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;
c) die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5.
(2) Wurde gemäß Artikel 204 ein Steuervertreter bestellt, der die Steuer schuldet, können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorsehen."
"Artikel 219a
Unbeschadet der Artikel 244 bis 248 gilt Folgendes:
1. Die Rechnungsstellung unterliegt den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung nach Maßgabe des Titels V als ausgeführt gilt.
2. Abweichend von Nummer 1 unterliegt die Rechnungsstellung den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Lieferer oder Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von dem bzw. der aus die Lieferung oder die Dienstleistung ausgeführt wird, oder - in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung - des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, wenn
a) der Lieferer oder Dienstleistungserbringer nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als ausgeführt gilt, oder seine Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat im Sinne des Artikels 192a nicht an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt ist, und wenn die Mehrwertsteuer vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger geschuldet wird.
Wenn jedoch der Erwerber oder Dienstleistungsempfänger die Rechnung ausstellt (Gutschriften), gilt Nummer 1.
b) die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als nicht innerhalb der Gemeinschaft ausgeführt gilt."
"Artikel 226
Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:
[...]
11. Verweis auf die einschlägige Bestimmung dieser Richtlinie oder die entsprechende nationale Bestimmung oder Hinweis darauf, dass für die Lieferung von Gegenständen beziehungsweise die Dienstleistung eine Steuerbefreiung gilt;
11a. bei Steuerschuldnerschaft des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers: die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers";
[...]"
3.2.3. UID des Empfängerstaates
Ein Dreiecksgeschäft iSd Art. 25 UStG 1994 setzt voraus, dass zwei Liefergeschäfte mit einer Warenbewegung abgewickelt werden (Reihengeschäft). Tritt dabei der mittlere Unternehmer (Erwerber) mit seiner österreichischen UID auf, kommt es nur dann nicht zur Erwerbsteuerpflicht gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 in Österreich, wenn er nachweist, dass die Lieferung durch den Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Versendung oder Beförderung endete.
Dies kann dadurch erfolgen, dass der Erwerber dort selbst zur Erwerbsteuer erfasst wird.
Der Erwerber kann aber auch nachweisen, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt und er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Dazu hat er in der Zusammenfassenden Meldung (kurz ZM) unter anderem die UID des Empfängers der Lieferung anzugeben, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist.
Die zweite Variante setzt damit voraus, dass die UID des Mitgliedsstaates bekannt gegeben wird, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Das ist schon aufgrund des klaren Wortlautes der Norm nicht erfüllt, wenn der Empfänger nur über eine UID des Mitgliedsstaates seines Sitzes verfügt bzw. diese verwendet.
Dies findet Deckung in Art. 141 lit. d Mehrwertsteuersystem-RL, wonach die Mitgliedstaaten nur dann besondere Maßnahmen treffen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn der Empfänger der anschließenden Lieferung ein anderer Steuerpflichtiger ist, der im Bestimmungsmitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist.
Es ist zwar nicht schädlich, wenn der Empfänger auch in anderen Mitgliedstaaten als dem Bestimmungsland registriert ist, entscheidend ist aber, dass er gegenüber dem Erwerber unter der UID des Bestimmungsmitgliedstaats auftritt. Nur so kann der Erwerber die für das Dreiecksgeschäft erforderliche Angabe in der Zusammenfasssenden Meldung vornehmen (vgl. Mayr/Weinzierl in Mayr/Weinzierl, SWK-Spezial Reihen- und Dreiecksgeschäfte, 2. Aufl. 2020, 4.4.1. Allgemeines).
Das basiert auf dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Der erfordert, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedsstaat besteuert wird. Nur wenn diese materielle Voraussetzung des Dreiecksgeschäfts erfüllt ist, kommt die Anwendbarkeit der Erwerbsteuerfreiheit in Österreich trotz Verwendung der österreichischen UID in Frage (vgl. , Rn 38, unter Hinweis auf , Hans Bühler KG, Rn 55).
Bei einem Dreiecksgeschäft scheidet die Erwerbsteuerfreiheit (Art. 25 Abs. 2 UStG 1994) des Erwerbers mit österreichischer UID damit immer dann aus, wenn der Empfänger nicht die UID des Mitgliedsstaates verwendet, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Sie könnte in einem solchen Fall nur vorliegen, wenn der Erwerber seine eigene Besteuerung in diesem Staat nachweist (Art. 3 Abs. 8 UStG 1994).
3.2.4. Umsatzsteuerbetrug
Die Dreiecksgeschäftsregel bewirkt für einen Erwerber mit österreichischer UID im Ergebnis eine Steuerbefreiung, die ihn in Österreich von der auf der Verwendung seiner österreichischen UID ("Doppelerwerb") basierenden Erwerbsteuerpflicht ausnimmt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen nationale Behörden und Gerichte einem Unternehmer im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung versagen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. ErläutRV 684 BlgNR 25. GP 31 unter Hinweis auf , C-163/13 und C-164/13, Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti u.a.; , Rs C-285/09, R).
Mit seinen Urteilen beschäftigte sich das europäische Höchstgericht zwar explizit nur
mit dem Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie,
auf Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 28c Teil A Buchst. a dieser Richtlinie
und auf Mehrwertsteuererstattung nach Art. 28b Teil A Abs. 2 der Richtlinie,
es machte dabei aber Aussagen mit weitgehender und allgemeiner Gültigkeit für das gesamte Mehrwertsteuersystem. Daraus lassen sich unter Berufung auf die ständige gemeinschaftsrechtliche Judikatur die folgenden Grundsätze ableiten (vgl. v.a. Rs C-131/13, C-163/13 und C-164/13):
Niemand darf sich missbräuchlich oder betrügerisch auf die im Rechtssystem der Union vorgesehenen Rechte berufen. Die nationalen Behörden und Gerichte haben einen solchen Anspruch zu versagen, unabhängig davon, welches Recht aus dem Bereich der Mehrwertsteuer von der betrügerischen Handlung betroffen ist. Daraus folgt, dass die nationalen Behörden und Gerichte in der Sechsten Richtlinie vorgesehene Rechte, die betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht werden, unabhängig davon versagen müssen, ob es sich um Rechte auf Abzug, auf Befreiung von oder auf Erstattung der auf eine innergemeinschaftliche Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer handelt.
Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Die nationalen Behörden und Gerichte haben dabei das nationale Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und der Zielsetzung der betreffenden Richtlinie auszulegen, um das mit dieser verfolgte Ziel zu erreichen. Das umfasst nicht nur Vorschriften, die im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts in Bezug auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnten, sondern auch einen allgemeinen Grundsatz, wonach Rechtsmissbrauch verboten ist.
Eine Richtlinie kann zwar nicht selbst Verpflichtungen eines Einzelnen begründen, da missbräuchliche oder betrügerische Tätigkeiten aber kein in der Unionsrechtsordnung vorgesehenes Recht begründen können, bedeutet die Versagung eines sich aus der Sechsten Richtlinie ergebenden Vorteils nicht, dass dem Einzelnen nach dieser Richtlinie eine Verpflichtung auferlegt wird, sondern ist die schlichte Folge der Feststellung, dass die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des angestrebten Vorteils, die in dieser Richtlinie in Bezug auf dieses Recht vorgeschrieben sind, in Wirklichkeit nicht erfüllt sind. In diesem Fall geht es also darum, dass sich der Steuerpflichtige nicht auf ein in der Sechsten Richtlinie vorgesehenes Recht berufen kann, wenn die objektiven Voraussetzungen für dessen Kriterien entweder wegen eines Betrugs, mit dem der vom Steuerpflichtigen selbst durchgeführte Umsatz behaftet ist, oder wegen des betrügerischen Charakters einer Umsatzkette als Ganzer, an der er sich beteiligt hat, nicht erfüllt sind.
In einem solchen Fall kann keine ausdrückliche Erlaubnis erforderlich sein, damit die nationalen Behörden und Gerichte einen sich aus dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ergebenden Vorteil versagen können, da diese Konsequenz als diesem System inhärent anzusehen ist.Ein Steuerpflichtiger, der die Voraussetzungen für die Gewährung eines Rechts nur dadurch geschaffen hat, dass er sich an betrügerischen Handlungen beteiligt hat, kann sich nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit berufen, um sich gegen die Versagung der Gewährung des betreffenden Rechts zu wenden.
Die Versagung eines sich aus dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ergebenden Rechts ist im Fall der Beteiligung des Steuerpflichtigen an einer Steuerhinterziehung die schlichte Folge dessen, dass die insoweit nach den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Versagung hat deshalb nicht den Charakter einer Strafe oder Sanktion im Sinne von Art. 7 der am in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder von Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.Als betrügerische Verhaltensweise eines Steuerpflichtigen, die Anlass dazu geben kann, ein sich aus der Sechsten Richtlinie ergebendes Recht zu versagen, wird auch der Fall angesehen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb oder der Lieferung an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Das gilt auch, wenn sich die von der Steuerhinterziehung betroffene Lieferkette auf zwei oder mehr Mitgliedstaaten erstreckte oder ein anderer Wirtschaftsteilnehmer mit einem späteren Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat die Begehung dieser Steuerhinterziehung vollendet. Gerade eine Mehrwertsteuerhinterziehung durch "Karussellbetrug", die im Rahmen innergemeinschaftlicher Lieferungen begangen wird, ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Rechts aus der Sicht eines Mitgliedstaats als Einzelnem erfüllt scheinen, da sich der betrügerische Charakter dieser Umsätze gerade aus der besonderen Kombination von in mehreren Mitgliedstaaten bewirkten Umsätzen erst in ihrer Gesamtheit ergibt.Jede anderslautende Auslegung stünde nicht im Einklang mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, wie es von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird.
Die Sechste Richtlinie ist dahin auszulegen, dass einem Steuerpflichtigen, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung von Rechten auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat, diese Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden können, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden, und dass der Steuerpflichtige in letzterem Mitgliedstaat die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Rechte erfüllt hat.
Diese Aussagen beziehen sich zwar auf die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, sie sind aber uneingeschränkt auf die Mehrwertsteuersystem-RL übertragbar, was vom EuGH erst kürzlich mit Beschluss bekräftigt wurde (vgl. ,C-108/20, Finanzamt Wilmersdorf). Er stellte fest, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das (auch) von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird. Dazu verwies er auf die oben zitierte Rechtsprechung mit weiteren Nachweisen.
Ob ein Steuerpflichtiger für die Zwecke der Mehrwertsteuersystem-RL als an der Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist, ist unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt.
Sind die materiellen Voraussetzungen für das Recht allerdings erfüllt, kann es einem Steuerpflichtigen (etwa der Vorsteuerabzug) nur dann versagt werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser Steuerpflichtige
wusste oder
hätte wissen müssen,
dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine solche vom Lieferer bzw. Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Unzulässig ist es den Steuerpflichtigen durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen, da die Einführung eines Systems der verschuldensunabhängigen Haftung über das hinausginge, was erforderlich ist, um die Ansprüche des Fiskus zu schützen.
Für die Zwecke der Mehrwertsteuersystem-RL gilt als Beteiligung an einer Steuerhinterziehung schon allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er in irgendeiner Weise wusste, dass er mit diesem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war. Die einzige für die Versagung eines Abzugsrechts in einer solchen Situation entscheidende aktive Handlung besteht im Erwerb dieser Gegenstände oder Dienstleistungen.
Somit bedarf es zur Begründung einer solchen Versagung keines Nachweises dafür, dass dieser Steuerpflichtige in irgendeiner Form aktiv an der Steuerhinterziehung beteiligt gewesen ist, und sei es nur, indem er diese aktiv gefördert oder begünstigt hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass er seine Lieferbeziehungen und Lieferer nicht verschleiert hat.
Dies gilt umso mehr, als nach dieser Rechtsprechung auch demjenigen Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug versagt wird, der hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnimmt, der auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war.
In einer solchen Situation ist es die Missachtung bestimmter Sorgfaltspflichten, die dazu führt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird.
Es verstößt nicht das Unionsrecht, wenn von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert wird, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt.
Dabei hängt es wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Steuerhinterziehung einbezogen sind.
Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen.
Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit diesem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war, reicht aus, um für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL anzunehmen, dass der Steuerpflichtige sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Nicht notwendig ist, dass die Steuerhinterziehung auf eine besondere Kombination aufeinanderfolgender Umsätze (Lieferkette) oder auf einen Gesamtplan zurückgeht.
Schädlich ist auch, wenn die Begehung der Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt des ersten Umsatzes vollendet war, so dass dieser nicht mehr begünstigt oder gefördert werden konnte. Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder Dienstleistungen an einem Umsatz teilnahm, der in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, ist ausreichend, um eine Beteiligung des Steuerpflichtigen an dieser Steuerhinterziehung anzunehmen und um ihm das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen.
Eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung wirkt sich auf die nachfolgenden Stufen dieser Kette aus, wenn der Betrag der erhobenen Mehrwertsteuer aufgrund des infolge der nicht erhobenen Vorsteuer geringeren Preises der Gegenstände oder Dienstleistungen nicht dem geschuldeten Betrag entspricht. Das begünstigt die Steuerhinterziehung.Irrelevant ist auch, ob der Steuerpflichtige durch diesen Umsatz einen Steuervorteil oder einen anderen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Der EuGH kam zum Schluss, durch diese Auslegung könne betrügerischen Umsätzen entgegengewirkt werden, indem sie unter anderem den Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand eines in eine Steuerhinterziehung einbezogenen Umsatzes waren, den Absatzmarkt nimmt und somit zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung beiträgt, was ein von der Mehrwertsteuersystem-RL anerkanntes und gefördertes Ziel ist.
Eine unter diesen Voraussetzungen ausgesprochene Versagung geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und kann nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität angesehen werden, auf den sich im Übrigen ein Steuerpflichtiger, der sich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, nicht berufen kann.
4. Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung
4.1. Allgemein
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
4.2. Doppelerwerbe
Es ist unbestritten, dass die Bf. bei den unter obigem Punkt "Doppelerwerb" erfassten Lieferungen zwischen zwei Mitgliedstaaten mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl diese Beförderungen und Versendungen in einem anderen Mitgliedsstaat endeten. Unbestritten blieb auch, dass dies zur Erwerbsteuerpflicht in Österreich führt.
Die Bf. gab selbst in der Beschwerde vom März 2017 an, dass sie "nun begonnen habe, sich in den beanstandeten Ländern registrieren zu lassen". Daraus leuchtet klar hervor, dass sie in diesen Ländern bislang keine Erwerbsbesteuerung durchführte und dass noch Anfang 2017 keine Nachweise darüber vorlagen. Diese Nachversteuerung erfolgte erst 2019 und auch dabei nur in Deutschland für die Jahre 2013 bis 2015.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Besteuerung in Österreich ohne Zweifel vor. Mangels Nachweisen im Streitzeitraum 2012 bis 2015 war die Erwerbsteuer in Österreich (ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) festzusetzen. Der Beschwerde konnte diesbezüglich kein Erfolg beschieden sein.
4.3. Dreiecksgeschäfte
4.3.1. ***Empfänger1*** und ***Empfänger2***
Der obige Akteninhalt belegt klar und unwidersprochen, dass die Empfänger der folgenden Ausgangsrechnungen (Lieferungen via Beförderung bzw. Versendung) jeweils mit einer UID auftraten, die nicht aus dem Mitgliedstaat stammte, in dem die Versendung oder Beförderung endete (Bestimmungsland):
[...]
Damit scheidet hier die Behandlung als begünstigtes Dreiecksgeschäft von vornherein aus. Tatsächlich liegt auch in diesen vier Fällen ein Doppelerwerb aufgrund der Verwendung der UID vor (siehe oben), weil die Bf. beim Kauf der Waren ihren Lieferanten gegenüber mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl die Warenbewegung in Deutschland bzw. Tschechien endete.
Die Vorschreibung der Erwerbsteuer in Österreich erfolgte deshalb zu Recht und bleibt solange aufrecht, bis die Besteuerung im Ausland nachgewiesen wird.
4.3.2. ***Emfpänger3***
Anders liegt der Fall grundsätzlich bei der mit der AR 8 vom abgerechneten Lieferung (***##5*** Stück Apple iPad+ IPad Air = EUR 216.000,00). Hier liegt das Ende der Beförderung bzw. Versendung in Deutschland und deren Empfängerin trat mit einer deutschen UID auf. Damit wäre die Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung grundsätzlich möglich.
Zu beachten ist hier zunächst, dass die Rechnung der Bf. an die Empfängerin nur den Vermerk enthält "Dreiecksgeschäft gem. Artikel 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie" und damit abgesehen vom Hinweis auf eine Norm, die im Streitzeitraum nicht mehr in Gültigkeit war, der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der Empfängerin fehlt. Ob dies schädlich ist, ist bislang nicht endgültig geklärt (siehe Vorabentscheidungsverfahren oben). Die Bedeutung dieser Frage tritt aber in den Hintergrund, da die Empfängerin hier für die Abgabenbehörden in Deutschland - wie im Außenprüfungsbericht dargestellt - "nicht greifbar" ist und ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkam. So erklärte sie insbesondere keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland. Weder sie noch ihre vermeintlichen Vertreter noch die verkauften Waren sind in Deutschland auffindbar. Sie wurde von den deutschen Abgabenbehörden als "Missing Trader" eingestuft und beging ganz offensichtlich eine Mehrwertsteuerhinterziehung unter Verwendung der gelieferten Ware.
Fraglich ist, ob die Bf. dies wusste oder wissen hätte müssen.
Ob dies der Fall ist, hängt von Tatfragen ab, die das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese Beweiswürdigung muss mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut übereinstimmen (vgl. mit weiteren Nachweisen). Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).
Dazu ist zu prüfen,
ob die Bf. all ihren Sorgfaltspflichten nachkam, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, und
sie damit in gutem Glauben handelte.
Das Bundesfinanzgericht ist überzeugt davon, dass sich die Bf. der Gefahr bewusst war, in ihrem Geschäftsfeld mit den von ihr vertriebenen Gütern Teil eines Mehrwertsteuerbetrugs zu werden. Das leuchtet schon daraus hervor, dass sie selbst angab, dass sie sämtliche IMEI- und Seriennummern der gehandelten Waren speicherte um einen Mehrfachumlauf zu vermeiden und eine Teilnahme an einem Karussellbetrug zu verhindern. Sie wusste also, dass sie sich mit ihren Geschäften in einem mehrwertsteuerlichen Hochrisikobereich bewegte. Sie wusste auch, dass ihr selbst in der Vergangenheit schon Waren angeboten worden waren, die sie selbst zuvor schon einmal verkauft hatte (identische IMEI-Nummern bzw. Seriennummern; vgl. Niederschrift vom ). In dieser speziellen Situation ist an ihre Sorgfaltspflichten ein besonders strenger Maßstab anzulegen.
Dass es sich beim EDV-Handel (z.B. Großhandel mit Computerteilen, Tablets, Lizenzen für Software etc.) um eine "gefährdete Branche" handelt, wurde im Übrigen auch höchstgerichtlich bestätigt ( unter Hinweis auf ) und die besondere Betroffenheit dieser Branche von Steuerhinterziehungen leuchtet auch aus der mit BGBl. I Nr. 112/2012 geschaffenen Ermächtigung des § 19 Abs. 1d UStG 1994 hervor. Danach kann zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch Verordnung festgelegt werden, dass für bestimmte Umsätze an Unternehmer die Steuer vom Leistungsempfänger geschuldet wird. Die zu dieser Ermächtigung ergangene Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung (UStBBKVO BGBl. II Nr. 369/2013 idF BGBl. II Nr. 120/2014) sieht in § 2 ein Reverse-Charge-Verfahren für die Lieferung von Videospielkonsolen, Laptops und Tablet-Computern vor. Zudem sieht § 19 Abs. 1e lit. b UStG 1994 (Abgabenänderungsgesetz 2011, anzuwenden ab ) ein solches System für Mobilfunkgeräte und integrierte Schaltkreise vor. Auch diese Vorschrift wurde eingeführt, da der Gesetzgeber schon frühzeitig erkannte, dass der Handel mit diesen Gegenständen besonders betrugsanfällig ist (vgl. ErläutRV 1212 BlgNR 24. GP).
Insbesondere zu Beginn einer Geschäftsverbindung,
die im Handel mit hochpreisigen mehrwertsteuerbetrugsanfälligen Gütern besteht,
die von einem bislang unbekannten Kunden selbst angebahnt wurde,
einzig und allein über E-Mail-Verkehr abgewickelt wurde,
und die international ausschließlich über einen externen Lagerhalter in einem anderen Staat abgewickelt wurde,
ist hier besondere Vorsicht angebracht.
Liegen nun solche Anhaltspunkte für ein hohes abgabenrechtliches Risiko vor, ist ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, über seinen neuen Geschäftspartner umfangreiche Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Dabei reicht es nicht diese Erkundigungen auf die Registrierungsdokumente zu beschränken und keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sprechen hier insbesondere die folgenden Fakten für eine gröbliche Vernachlässigung der erhöhten Sorgfaltspflichten der Bf.:
Obwohl der Bf. aufgrund des Handelsregisterauszuges bekannt war, wer die Kundin nach außen vertreten kann (***MV***) hatte sie nur mit einem ***BBB*** (Account Manager) via E-Mail Kontakt, ohne sich mit entsprechenden Ausweisdokumenten und Vollmachten davon zu überzeugen, dass tatsächlich mit dem Geschäftsführer bzw. einem vertretungsbefugten Manager kommuniziert wurde. Wie sich später herausstellte, existiert eine Person namens ***BBB*** nicht, was die Bf. in diesem Fall sofort erkannt hätte.
Obwohl die Bf. selbst allgemein angab, über ihre Kunden auch Erkundigungen über Wirtschaftsauskunfteien einzuholen (z.B. Dun & Bradstreet etc.), unterließ sie dies bei diesem Geschäftskontakt, was als auffallend sorglos einzustufen ist. Wie sich später herausstellte, entfaltete der vermeintliche Geschäftspartner keine offizielle Geschäftstätigkeit, was der Bf. auffallen hätte müssen.
Der Bf. fiel bei ihrer Überprüfung auch nicht auf, dass die Kundin auf keiner der von ihr für den Handel bevorzugten Plattformen (z.B. GSM b2b, Handelot etc. - siehe Powerpoint-Handzettel als Beilage zum Ermittlungsbericht der Steuerfahndung) registriert bzw. bekannt war. Das muss als außergewöhnlich gewertet werden.
Die Bf. gab zwar an, die Kundin habe eine Homepage gehabt (***www.www.e3***), sie dokumentierte deren Inhalt aber nicht. Da sie offenbar bald wieder aus dem Netz entfernt wurde, kann deren Inhalt nicht mehr exakt rekonstruiert werden, er dürfte auffällige sprachliche Fehler aufgewiesen haben, was die Bf. stutzig hätte machen müssen.
Die Bf. dokumentierte auch keine anderen Erkundigungen über Referenzgeschäfte der Bf., wie es in so einem Fall üblich wäre.
Im Rechenwerk der Bf. finden sich keine Unterlagen über die Person, die die Waren im externen Warenlager abholte, und darüber wer diese beauftragte. Es ist damit nicht nachvollziehbar, wer diese Ware tatsächlich in Empfang nahm. Auch das erscheint in dieser besonderen Konstellation als sorglos.
Unter der Berücksichtigung all dieser Tatsachen und der besonderen Beweiswürdigungsvorschriften der BAO für Auslandgeschäfte zwingt das in freier Beweiswürdigung zum Schluss, dass die Bf. Gegenstände innergemeinschaftlich erwarb bzw. weiterveräußerte, obwohl sie aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie mit diesem Erwerb und der Lieferung an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Damit ist für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL davon auszugehen, dass sie sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Diese Beteiligung im umsatzsteuerlichen Sinn schließt die Freistellung von der Erwerbsteuer gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1988 in Österreich solange aus, solange die Bf. nicht nachweist, dass die Besteuerung in Deutschland erfolgte. Dieser Nachweis wirkt nur ex nunc und kann die Entstehung der Steuerschuld im Streitzeitraum nicht verhindern.
Damit kann auch der Erfassung dieser Lieferung als innergemeinschaftlicher Erwerb mit der Vorschreibung von Erwerbsteuer nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
4.4. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass das FA die bekämpften Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastete. Sie waren inhaltlich vollumfänglich zu bestätigen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen. Der Spruch der bekämpften Bescheide bleibt unverändert.
5. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Sofern die Auslegung des Gesetzes unstrittig ist, weil dies etwa durch EuGH-Rechtsprechung ausreichend geklärt ist, ist die Revision auch dann ausgeschlossen, wenn noch keine direkt einschlägige Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes existiert (in diesem Sinne wohl auch Pinetz, ecolex 2014/470, unter Hinweis auf Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz2013, 331 und Kodek in Rechberger, ZPO3, § 502 Rz 16).
Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung des EuGH und des VwGH ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
4.1. Allgemein
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
4.2. Doppelerwerbe
Es ist unbestritten, dass die Bf. bei den unter obigem Punkt "Doppelerwerb" erfassten Lieferungen zwischen zwei Mitgliedstaaten mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl diese Beförderungen und Versendungen in einem anderen Mitgliedsstaat endeten. Unbestritten blieb auch, dass dies zur Erwerbsteuerpflicht in Österreich führt.
Die Bf. gab selbst in der Beschwerde vom März 2017 an, dass sie "nun begonnen habe, sich in den beanstandeten Ländern registrieren zu lassen". Daraus leuchtet klar hervor, dass sie in diesen Ländern bislang keine Erwerbsbesteuerung durchführte und dass noch Anfang 2017 keine Nachweise darüber vorlagen. Diese Nachversteuerung erfolgte erst 2019 und auch dabei nur in Deutschland für die Jahre 2013 bis 2015.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Besteuerung in Österreich ohne Zweifel vor. Mangels Nachweisen im Streitzeitraum 2012 bis 2015 war die Erwerbsteuer in Österreich (ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) festzusetzen. Der Beschwerde konnte diesbezüglich kein Erfolg beschieden sein.
4.3. Dreiecksgeschäfte
4.3.1. ***Empfänger1*** und ***Empfänger2***
Der obige Akteninhalt belegt klar und unwidersprochen, dass die Empfänger der folgenden Ausgangsrechnungen (Lieferungen via Beförderung bzw. Versendung) jeweils mit einer UID auftraten, die nicht aus dem Mitgliedstaat stammte, in dem die Versendung oder Beförderung endete (Bestimmungsland):
[...]
Damit scheidet hier die Behandlung als begünstigtes Dreiecksgeschäft von vornherein aus. Tatsächlich liegt auch in diesen vier Fällen ein Doppelerwerb aufgrund der Verwendung der UID vor (siehe oben), weil die Bf. beim Kauf der Waren ihren Lieferanten gegenüber mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl die Warenbewegung in Deutschland bzw. Tschechien endete.
Die Vorschreibung der Erwerbsteuer in Österreich erfolgte deshalb zu Recht und bleibt solange aufrecht, bis die Besteuerung im Ausland nachgewiesen wird.
4.3.2. ***Emfpänger3***
Anders liegt der Fall grundsätzlich bei der mit der AR 8 vom abgerechneten Lieferung (***##5*** Stück Apple iPad+ IPad Air = EUR 216.000,00). Hier liegt das Ende der Beförderung bzw. Versendung in Deutschland und deren Empfängerin trat mit einer deutschen UID auf. Damit wäre die Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung grundsätzlich möglich.
Zu beachten ist hier zunächst, dass die Rechnung der Bf. an die Empfängerin nur den Vermerk enthält "Dreiecksgeschäft gem. Artikel 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie" und damit abgesehen vom Hinweis auf eine Norm, die im Streitzeitraum nicht mehr in Gültigkeit war, der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der Empfängerin fehlt. Ob dies schädlich ist, ist bislang nicht endgültig geklärt (siehe Vorabentscheidungsverfahren oben). Die Bedeutung dieser Frage tritt aber in den Hintergrund, da die Empfängerin hier für die Abgabenbehörden in Deutschland - wie im Außenprüfungsbericht dargestellt - "nicht greifbar" ist und ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkam. So erklärte sie insbesondere keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland. Weder sie noch ihre vermeintlichen Vertreter noch die verkauften Waren sind in Deutschland auffindbar. Sie wurde von den deutschen Abgabenbehörden als "Missing Trader" eingestuft und beging ganz offensichtlich eine Mehrwertsteuerhinterziehung unter Verwendung der gelieferten Ware.
Fraglich ist, ob die Bf. dies wusste oder wissen hätte müssen.
Ob dies der Fall ist, hängt von Tatfragen ab, die das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese Beweiswürdigung muss mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut übereinstimmen (vgl. mit weiteren Nachweisen). Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).
Dazu ist zu prüfen,
ob die Bf. all ihren Sorgfaltspflichten nachkam, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, und
sie damit in gutem Glauben handelte.
Das Bundesfinanzgericht ist überzeugt davon, dass sich die Bf. der Gefahr bewusst war, in ihrem Geschäftsfeld mit den von ihr vertriebenen Gütern Teil eines Mehrwertsteuerbetrugs zu werden. Das leuchtet schon daraus hervor, dass sie selbst angab, dass sie sämtliche IMEI- und Seriennummern der gehandelten Waren speicherte um einen Mehrfachumlauf zu vermeiden und eine Teilnahme an einem Karussellbetrug zu verhindern. Sie wusste also, dass sie sich mit ihren Geschäften in einem mehrwertsteuerlichen Hochrisikobereich bewegte. Sie wusste auch, dass ihr selbst in der Vergangenheit schon Waren angeboten worden waren, die sie selbst zuvor schon einmal verkauft hatte (identische IMEI-Nummern bzw. Seriennummern; vgl. Niederschrift vom ). In dieser speziellen Situation ist an ihre Sorgfaltspflichten ein besonders strenger Maßstab anzulegen.
Dass es sich beim EDV-Handel (z.B. Großhandel mit Computerteilen, Tablets, Lizenzen für Software etc.) um eine "gefährdete Branche" handelt, wurde im Übrigen auch höchstgerichtlich bestätigt ( unter Hinweis auf ) und die besondere Betroffenheit dieser Branche von Steuerhinterziehungen leuchtet auch aus der mit BGBl. I Nr. 112/2012 geschaffenen Ermächtigung des § 19 Abs. 1d UStG 1994 hervor. Danach kann zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch Verordnung festgelegt werden, dass für bestimmte Umsätze an Unternehmer die Steuer vom Leistungsempfänger geschuldet wird. Die zu dieser Ermächtigung ergangene Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung (UStBBKVO BGBl. II Nr. 369/2013 idF BGBl. II Nr. 120/2014) sieht in § 2 ein Reverse-Charge-Verfahren für die Lieferung von Videospielkonsolen, Laptops und Tablet-Computern vor. Zudem sieht § 19 Abs. 1e lit. b UStG 1994 (Abgabenänderungsgesetz 2011, anzuwenden ab ) ein solches System für Mobilfunkgeräte und integrierte Schaltkreise vor. Auch diese Vorschrift wurde eingeführt, da der Gesetzgeber schon frühzeitig erkannte, dass der Handel mit diesen Gegenständen besonders betrugsanfällig ist (vgl. ErläutRV 1212 BlgNR 24. GP).
Insbesondere zu Beginn einer Geschäftsverbindung,
die im Handel mit hochpreisigen mehrwertsteuerbetrugsanfälligen Gütern besteht,
die von einem bislang unbekannten Kunden selbst angebahnt wurde,
einzig und allein über E-Mail-Verkehr abgewickelt wurde,
und die international ausschließlich über einen externen Lagerhalter in einem anderen Staat abgewickelt wurde,
ist hier besondere Vorsicht angebracht.
Liegen nun solche Anhaltspunkte für ein hohes abgabenrechtliches Risiko vor, ist ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, über seinen neuen Geschäftspartner umfangreiche Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Dabei reicht es nicht diese Erkundigungen auf die Registrierungsdokumente zu beschränken und keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sprechen hier insbesondere die folgenden Fakten für eine gröbliche Vernachlässigung der erhöhten Sorgfaltspflichten der Bf.:
Obwohl der Bf. aufgrund des Handelsregisterauszuges bekannt war, wer die Kundin nach außen vertreten kann (***MV***) hatte sie nur mit einem ***BBB*** (Account Manager) via E-Mail Kontakt, ohne sich mit entsprechenden Ausweisdokumenten und Vollmachten davon zu überzeugen, dass tatsächlich mit dem Geschäftsführer bzw. einem vertretungsbefugten Manager kommuniziert wurde. Wie sich später herausstellte, existiert eine Person namens ***BBB*** nicht, was die Bf. in diesem Fall sofort erkannt hätte.
Obwohl die Bf. selbst allgemein angab, über ihre Kunden auch Erkundigungen über Wirtschaftsauskunfteien einzuholen (z.B. Dun & Bradstreet etc.), unterließ sie dies bei diesem Geschäftskontakt, was als auffallend sorglos einzustufen ist. Wie sich später herausstellte, entfaltete der vermeintliche Geschäftspartner keine offizielle Geschäftstätigkeit, was der Bf. auffallen hätte müssen.
Der Bf. fiel bei ihrer Überprüfung auch nicht auf, dass die Kundin auf keiner der von ihr für den Handel bevorzugten Plattformen (z.B. GSM b2b, Handelot etc. - siehe Powerpoint-Handzettel als Beilage zum Ermittlungsbericht der Steuerfahndung) registriert bzw. bekannt war. Das muss als außergewöhnlich gewertet werden.
Die Bf. gab zwar an, die Kundin habe eine Homepage gehabt (***www.www.e3***), sie dokumentierte deren Inhalt aber nicht. Da sie offenbar bald wieder aus dem Netz entfernt wurde, kann deren Inhalt nicht mehr exakt rekonstruiert werden, er dürfte auffällige sprachliche Fehler aufgewiesen haben, was die Bf. stutzig hätte machen müssen.
Die Bf. dokumentierte auch keine anderen Erkundigungen über Referenzgeschäfte der Bf., wie es in so einem Fall üblich wäre.
Im Rechenwerk der Bf. finden sich keine Unterlagen über die Person, die die Waren im externen Warenlager abholte, und darüber wer diese beauftragte. Es ist damit nicht nachvollziehbar, wer diese Ware tatsächlich in Empfang nahm. Auch das erscheint in dieser besonderen Konstellation als sorglos.
Unter der Berücksichtigung all dieser Tatsachen und der besonderen Beweiswürdigungsvorschriften der BAO für Auslandgeschäfte zwingt das in freier Beweiswürdigung zum Schluss, dass die Bf. Gegenstände innergemeinschaftlich erwarb bzw. weiterveräußerte, obwohl sie aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie mit diesem Erwerb und der Lieferung an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Damit ist für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL davon auszugehen, dass sie sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Diese Beteiligung im umsatzsteuerlichen Sinn schließt die Freistellung von der Erwerbsteuer gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1988 in Österreich solange aus, solange die Bf. nicht nachweist, dass die Besteuerung in Deutschland erfolgte. Dieser Nachweis wirkt nur ex nunc und kann die Entstehung der Steuerschuld im Streitzeitraum nicht verhindern.
Damit kann auch der Erfassung dieser Lieferung als innergemeinschaftlicher Erwerb mit der Vorschreibung von Erwerbsteuer nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
4.4. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass das FA die bekämpften Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastete. Sie waren inhaltlich vollumfänglich zu bestätigen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen. Der Spruch der bekämpften Bescheide bleibt unverändert.
5. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Sofern die Auslegung des Gesetzes unstrittig ist, weil dies etwa durch EuGH-Rechtsprechung ausreichend geklärt ist, ist die Revision auch dann ausgeschlossen, wenn noch keine direkt einschlägige Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes existiert (in diesem Sinne wohl auch Pinetz, ecolex 2014/470, unter Hinweis auf Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz2013, 331 und Kodek in Rechberger, ZPO3, § 502 Rz 16).
Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung des EuGH und des VwGH ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
3.1. UID-Doppelerwerb
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 lautet (samt Überschrift):
"Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs
(8) Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß."
Verwendet damit der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat (hier Österreich) erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt nach dem zweiten Satz des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 der Erwerb als in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates (hier also in Österreich) als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat (also dem Mitgliedstaat, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb erfolgt) besteuert worden ist.
Diese im Staat der Registrierung geschuldete Steuer kann nicht als Vorsteuer abgezogen werden (vgl. unter Hinweis auf X und fiscale eenheid Facet-Facet Trading, C-536/08 und C-539/08 sowie unter Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 3 BMR Tz 34). Das wird auch damit begründet, dass ansonsten die praktische Wirkung der Regelung beeinträchtigt wäre und kein Anreiz bestünde, die Besteuerung im Bestimmungsland nachzuweisen (vgl. Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG 19945, Art. 3 Tz 35). Der Zweck dieser Regel besteht nämlich darin, sicherzustellen, dass innergemeinschaftliche Erwerbe an Hand der Zusammenfassenden Meldung, in der die UID aufscheint, nachverfolgt werden kann. Das soll zumindest die Besteuerung im Staat der UID gewährleisten. Die Verwendung der UID lässt damit einen zusätzlichen Steueranspruch auch im Staat der UID entstehen.
Dieser Anspruch ist auflösend bedingt durch den Nachweis, dass den steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsland nachgekommen wurde. Wird der Nachweis erbracht, ist die Korrektur der Steuer nach den Grundsätzen des § 16 UStG 1994 (ex nunc) vorzunehmen (vgl. Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG5, Art. 8 Tz 35). Dies ergibt sich aus dem klaren und unzweideutigen Wortlaut der Norm.
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 normiert ausdrücklich eine sinngemäße Anwendung des § 16 UStG 1994. Dieser ordnet allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an. Die Änderungen führen damit nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sind erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), UStG 19945, § 16 UStG Tz 16 mit vielen weiteren Nachweisen; vgl. auch ).
3.2. Dreiecksgeschäfte
Die umsatzsteuerliche Sonderregel zu Dreiecksgeschäften basiert auf einer Vielzahl von gemeinschaftsrechtlichen Normen, die mit Art. 25 UStG 1994 innerstaatlich umgesetzt wurden (vgl. ):
3.2.1. Nationales Recht
Art. 25 UStG 1994 lautet in der 2013 und 2014 anwendbaren Fassung (BGBl. I Nr. 112/2012; Formatierung fett durch BFG):
"Art. 25.
(1) Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch, wenn der letzte Abnehmer eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Dreiecksgeschäft
(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz gilt als besteuert, wenn der Unternehmer (Erwerber) nachweist, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt und dass er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Kommt der Unternehmer seiner Erklärungspflicht nicht nach, fällt die Steuerfreiheit rückwirkend weg.
Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen
(3) Der innergemeinschaftliche Erwerb ist unter folgenden Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit:
a) Der Unternehmer (Erwerber) hat keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland, wird jedoch im Gemeinschaftsgebiet zur Umsatzsteuer erfasst;
b) der Erwerb erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Unternehmers (Erwerbers) im Inland an einen Unternehmer oder eine juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer im Inland erfasst ist;
c) die erworbenen Gegenstände stammen aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfasst wird;
d) die Verfügungsmacht über die erworbenen Gegenstände wird unmittelbar vom ersten Unternehmer oder ersten Abnehmer dem letzten Abnehmer (Empfänger) verschafft;
e) die Steuer wird gemäß Abs. 5 vom Empfänger geschuldet.
Rechnungsausstellung durch den Erwerber
(4) Die Rechnungsausstellung richtet sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Erwerber sein Unternehmen betreibt. Wird die Lieferung von der Betriebsstätte des Erwerbers ausgeführt, ist das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Rechnet der Leistungsempfänger, auf den die Steuerschuld übergeht, mittels Gutschrift ab, richtet sich die Rechnungsausstellung nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem die Lieferung ausgeführt wird.
Sind für die Rechnungsausstellung die Vorschriften dieses Bundesgesetzes maßgebend, muss die Rechnung zusätzlich folgende Angaben enthalten:
einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers,
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, unter der der Unternehmer (Erwerber) den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat, und
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der Lieferung.
Steuerschuldner
(5) Bei einem Dreiecksgeschäft wird die Steuer vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet, wenn die vom Erwerber ausgestellte Rechnung dem Abs. 4 entspricht.
Pflichten des Erwerbers
(6) Zur Erfüllung seiner Erklärungspflicht im Sinne des Abs. 2 hat der Unternehmer in der Zusammenfassenden Meldung folgende Angaben zu machen:
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Inland, unter der er den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat;
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der vom Unternehmer bewirkten nachfolgenden Lieferung, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist;
für jeden einzelnen dieser Empfänger die Summe der Entgelte der auf diese Weise vom Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände bewirkten Lieferungen. Diese Beträge sind für das Kalendervierteljahr anzugeben, in dem die Steuerschuld entstanden ist.
Pflichten des Empfängers
(7) Bei der Berechnung der Steuer gemäß § 20 ist dem ermittelten Betrag der nach Abs. 5 geschuldete Betrag hinzuzurechnen."
Anzumerken ist, dass Abs. 4 erster Teilstrich bis wie folgt lautete:
"Die Rechnung muss bei Anwendung der Befreiung des Abs. 3 zusätzlich folgende Angaben enthalten:
einen ausdrücklichen Hinweis auf die Bestimmung des Artikels 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie,
…"
Diese Textierung wurde mit BGBl. I Nr. 34/2010 (wirksam ab ) bzw. BGBl. I Nr. 112/2012 (ab ) geändert. Die Neutextierung wurde damit begründet, dass der Hinweis auf die 6. EG-Richtlinie überholt sei. Dafür würden die erforderlichen Rechnungsangaben bei Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes angeführt (ErläutRV 662 BlgNR 24. GP 16). Zudem solle dem im Inland ansässigen Unternehmer, für dessen Lieferung die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat übergeht, die Rechnungsausstellung erleichtert werden, da er nicht mehr die Vorschriften des Mitgliedstaates zu beachten hat, in dem der Umsatz ausgeführt wird, sondern die inländischen Rechnungsausstellungsvorschriften. Damit werde Art. 197 Abs. 1 lit. c iVm Art. 219a der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU umgesetzt.
Reichte damit bis 2010 der Hinweis auf Artikels 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie, war im Streitzeitraum zusätzlich erforderlich, dass die Rechnung neben dem Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes auch die ausdrückliche Erwähnung der Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers enthält. Fehlt diese, tritt die Fiktion der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs des Erwerbers in Österreich nach nationalem Recht nicht ein (vgl. Rn 26). Ob dies auch gemeinschaftsrechtlich so zu beurteilen ist, wurde soeben vom VwGH mit dem erwähnten Beschluss dem EuGH zur Klärung vorgelegt.
3.2.2. Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen
Art. 25 UStG 1994 beruht auf verschiedenen Vorschriften der Richtlinie 2006/112/EG (Art. 197, Art. 219a und Art. 226 in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom , Art. 219a überdies in der Fassung der Berichtigung ABl. L 299/46 vom ) des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vgl. unter Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 25 BMR Tz 2). Art. 25 UStG 1994 ist im Sinne dieser Richtlinienbestimmungen auszulegen (Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Einf Tz 27).
Diese gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen der Mehrwertsteuersystem-RL sind:
"Artikel 40
Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden."
"Artikel 41
Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendeteMehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert."
"Artikel 42
Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;
b) der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen."
"Artikel 141
Jeder Mitgliedstaat trifft besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) der Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen ist, aber in einem anderen Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
b) der Erwerb von Gegenständen erfolgt für die Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände durch den unter Buchstabe a genannten Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat;
c) die auf diese Weise von dem Steuerpflichtigen im Sinne von Buchstabe a erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar an die Person versandt oder befördert, an die er die anschließende Lieferung bewirkt;
d) Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem betreffenden Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist;
e) der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird."
"Artikel 197
(1) Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;
b) der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;
c) die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5.
(2) Wurde gemäß Artikel 204 ein Steuervertreter bestellt, der die Steuer schuldet, können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorsehen."
"Artikel 219a
Unbeschadet der Artikel 244 bis 248 gilt Folgendes:
1. Die Rechnungsstellung unterliegt den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung nach Maßgabe des Titels V als ausgeführt gilt.
2. Abweichend von Nummer 1 unterliegt die Rechnungsstellung den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Lieferer oder Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von dem bzw. der aus die Lieferung oder die Dienstleistung ausgeführt wird, oder - in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung - des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, wenn
a) der Lieferer oder Dienstleistungserbringer nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als ausgeführt gilt, oder seine Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat im Sinne des Artikels 192a nicht an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt ist, und wenn die Mehrwertsteuer vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger geschuldet wird.
Wenn jedoch der Erwerber oder Dienstleistungsempfänger die Rechnung ausstellt (Gutschriften), gilt Nummer 1.
b) die Lieferung oder die Dienstleistung im Einklang mit Titel V als nicht innerhalb der Gemeinschaft ausgeführt gilt."
"Artikel 226
Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:
[...]
11. Verweis auf die einschlägige Bestimmung dieser Richtlinie oder die entsprechende nationale Bestimmung oder Hinweis darauf, dass für die Lieferung von Gegenständen beziehungsweise die Dienstleistung eine Steuerbefreiung gilt;
11a. bei Steuerschuldnerschaft des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers: die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers";
[...]"
3.2.3. UID des Empfängerstaates
Ein Dreiecksgeschäft iSd Art. 25 UStG 1994 setzt voraus, dass zwei Liefergeschäfte mit einer Warenbewegung abgewickelt werden (Reihengeschäft). Tritt dabei der mittlere Unternehmer (Erwerber) mit seiner österreichischen UID auf, kommt es nur dann nicht zur Erwerbsteuerpflicht gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 in Österreich, wenn er nachweist, dass die Lieferung durch den Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Versendung oder Beförderung endete.
Dies kann dadurch erfolgen, dass der Erwerber dort selbst zur Erwerbsteuer erfasst wird.
Der Erwerber kann aber auch nachweisen, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt und er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Dazu hat er in der Zusammenfassenden Meldung (kurz ZM) unter anderem die UID des Empfängers der Lieferung anzugeben, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist.
Die zweite Variante setzt damit voraus, dass die UID des Mitgliedsstaates bekannt gegeben wird, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Das ist schon aufgrund des klaren Wortlautes der Norm nicht erfüllt, wenn der Empfänger nur über eine UID des Mitgliedsstaates seines Sitzes verfügt bzw. diese verwendet.
Dies findet Deckung in Art. 141 lit. d Mehrwertsteuersystem-RL, wonach die Mitgliedstaaten nur dann besondere Maßnahmen treffen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der nach Artikel 40 als in seinem Gebiet bewirkt gilt, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn der Empfänger der anschließenden Lieferung ein anderer Steuerpflichtiger ist, der im Bestimmungsmitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist.
Es ist zwar nicht schädlich, wenn der Empfänger auch in anderen Mitgliedstaaten als dem Bestimmungsland registriert ist, entscheidend ist aber, dass er gegenüber dem Erwerber unter der UID des Bestimmungsmitgliedstaats auftritt. Nur so kann der Erwerber die für das Dreiecksgeschäft erforderliche Angabe in der Zusammenfasssenden Meldung vornehmen (vgl. Mayr/Weinzierl in Mayr/Weinzierl, SWK-Spezial Reihen- und Dreiecksgeschäfte, 2. Aufl. 2020, 4.4.1. Allgemeines).
Das basiert auf dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Der erfordert, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedsstaat besteuert wird. Nur wenn diese materielle Voraussetzung des Dreiecksgeschäfts erfüllt ist, kommt die Anwendbarkeit der Erwerbsteuerfreiheit in Österreich trotz Verwendung der österreichischen UID in Frage (vgl. , Rn 38, unter Hinweis auf , Hans Bühler KG, Rn 55).
Bei einem Dreiecksgeschäft scheidet die Erwerbsteuerfreiheit (Art. 25 Abs. 2 UStG 1994) des Erwerbers mit österreichischer UID damit immer dann aus, wenn der Empfänger nicht die UID des Mitgliedsstaates verwendet, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Sie könnte in einem solchen Fall nur vorliegen, wenn der Erwerber seine eigene Besteuerung in diesem Staat nachweist (Art. 3 Abs. 8 UStG 1994).
3.2.4. Umsatzsteuerbetrug
Die Dreiecksgeschäftsregel bewirkt für einen Erwerber mit österreichischer UID im Ergebnis eine Steuerbefreiung, die ihn in Österreich von der auf der Verwendung seiner österreichischen UID ("Doppelerwerb") basierenden Erwerbsteuerpflicht ausnimmt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen nationale Behörden und Gerichte einem Unternehmer im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung versagen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. ErläutRV 684 BlgNR 25. GP 31 unter Hinweis auf , C-163/13 und C-164/13, Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti u.a.; , Rs C-285/09, R).
Mit seinen Urteilen beschäftigte sich das europäische Höchstgericht zwar explizit nur
mit dem Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie,
auf Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 28c Teil A Buchst. a dieser Richtlinie
und auf Mehrwertsteuererstattung nach Art. 28b Teil A Abs. 2 der Richtlinie,
es machte dabei aber Aussagen mit weitgehender und allgemeiner Gültigkeit für das gesamte Mehrwertsteuersystem. Daraus lassen sich unter Berufung auf die ständige gemeinschaftsrechtliche Judikatur die folgenden Grundsätze ableiten (vgl. v.a. Rs C-131/13, C-163/13 und C-164/13):
Niemand darf sich missbräuchlich oder betrügerisch auf die im Rechtssystem der Union vorgesehenen Rechte berufen. Die nationalen Behörden und Gerichte haben einen solchen Anspruch zu versagen, unabhängig davon, welches Recht aus dem Bereich der Mehrwertsteuer von der betrügerischen Handlung betroffen ist. Daraus folgt, dass die nationalen Behörden und Gerichte in der Sechsten Richtlinie vorgesehene Rechte, die betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht werden, unabhängig davon versagen müssen, ob es sich um Rechte auf Abzug, auf Befreiung von oder auf Erstattung der auf eine innergemeinschaftliche Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer handelt.
Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Die nationalen Behörden und Gerichte haben dabei das nationale Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und der Zielsetzung der betreffenden Richtlinie auszulegen, um das mit dieser verfolgte Ziel zu erreichen. Das umfasst nicht nur Vorschriften, die im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts in Bezug auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnten, sondern auch einen allgemeinen Grundsatz, wonach Rechtsmissbrauch verboten ist.
Eine Richtlinie kann zwar nicht selbst Verpflichtungen eines Einzelnen begründen, da missbräuchliche oder betrügerische Tätigkeiten aber kein in der Unionsrechtsordnung vorgesehenes Recht begründen können, bedeutet die Versagung eines sich aus der Sechsten Richtlinie ergebenden Vorteils nicht, dass dem Einzelnen nach dieser Richtlinie eine Verpflichtung auferlegt wird, sondern ist die schlichte Folge der Feststellung, dass die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des angestrebten Vorteils, die in dieser Richtlinie in Bezug auf dieses Recht vorgeschrieben sind, in Wirklichkeit nicht erfüllt sind. In diesem Fall geht es also darum, dass sich der Steuerpflichtige nicht auf ein in der Sechsten Richtlinie vorgesehenes Recht berufen kann, wenn die objektiven Voraussetzungen für dessen Kriterien entweder wegen eines Betrugs, mit dem der vom Steuerpflichtigen selbst durchgeführte Umsatz behaftet ist, oder wegen des betrügerischen Charakters einer Umsatzkette als Ganzer, an der er sich beteiligt hat, nicht erfüllt sind.
In einem solchen Fall kann keine ausdrückliche Erlaubnis erforderlich sein, damit die nationalen Behörden und Gerichte einen sich aus dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ergebenden Vorteil versagen können, da diese Konsequenz als diesem System inhärent anzusehen ist.Ein Steuerpflichtiger, der die Voraussetzungen für die Gewährung eines Rechts nur dadurch geschaffen hat, dass er sich an betrügerischen Handlungen beteiligt hat, kann sich nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit berufen, um sich gegen die Versagung der Gewährung des betreffenden Rechts zu wenden.
Die Versagung eines sich aus dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ergebenden Rechts ist im Fall der Beteiligung des Steuerpflichtigen an einer Steuerhinterziehung die schlichte Folge dessen, dass die insoweit nach den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Versagung hat deshalb nicht den Charakter einer Strafe oder Sanktion im Sinne von Art. 7 der am in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder von Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.Als betrügerische Verhaltensweise eines Steuerpflichtigen, die Anlass dazu geben kann, ein sich aus der Sechsten Richtlinie ergebendes Recht zu versagen, wird auch der Fall angesehen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb oder der Lieferung an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Das gilt auch, wenn sich die von der Steuerhinterziehung betroffene Lieferkette auf zwei oder mehr Mitgliedstaaten erstreckte oder ein anderer Wirtschaftsteilnehmer mit einem späteren Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat die Begehung dieser Steuerhinterziehung vollendet. Gerade eine Mehrwertsteuerhinterziehung durch "Karussellbetrug", die im Rahmen innergemeinschaftlicher Lieferungen begangen wird, ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Rechts aus der Sicht eines Mitgliedstaats als Einzelnem erfüllt scheinen, da sich der betrügerische Charakter dieser Umsätze gerade aus der besonderen Kombination von in mehreren Mitgliedstaaten bewirkten Umsätzen erst in ihrer Gesamtheit ergibt.Jede anderslautende Auslegung stünde nicht im Einklang mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, wie es von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird.
Die Sechste Richtlinie ist dahin auszulegen, dass einem Steuerpflichtigen, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung von Rechten auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat, diese Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden können, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden, und dass der Steuerpflichtige in letzterem Mitgliedstaat die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Rechte erfüllt hat.
Diese Aussagen beziehen sich zwar auf die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, sie sind aber uneingeschränkt auf die Mehrwertsteuersystem-RL übertragbar, was vom EuGH erst kürzlich mit Beschluss bekräftigt wurde (vgl. ,C-108/20, Finanzamt Wilmersdorf). Er stellte fest, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das (auch) von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird. Dazu verwies er auf die oben zitierte Rechtsprechung mit weiteren Nachweisen.
Ob ein Steuerpflichtiger für die Zwecke der Mehrwertsteuersystem-RL als an der Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist, ist unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt.
Sind die materiellen Voraussetzungen für das Recht allerdings erfüllt, kann es einem Steuerpflichtigen (etwa der Vorsteuerabzug) nur dann versagt werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser Steuerpflichtige
wusste oder
hätte wissen müssen,
dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine solche vom Lieferer bzw. Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Unzulässig ist es den Steuerpflichtigen durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen, da die Einführung eines Systems der verschuldensunabhängigen Haftung über das hinausginge, was erforderlich ist, um die Ansprüche des Fiskus zu schützen.
Für die Zwecke der Mehrwertsteuersystem-RL gilt als Beteiligung an einer Steuerhinterziehung schon allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er in irgendeiner Weise wusste, dass er mit diesem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war. Die einzige für die Versagung eines Abzugsrechts in einer solchen Situation entscheidende aktive Handlung besteht im Erwerb dieser Gegenstände oder Dienstleistungen.
Somit bedarf es zur Begründung einer solchen Versagung keines Nachweises dafür, dass dieser Steuerpflichtige in irgendeiner Form aktiv an der Steuerhinterziehung beteiligt gewesen ist, und sei es nur, indem er diese aktiv gefördert oder begünstigt hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass er seine Lieferbeziehungen und Lieferer nicht verschleiert hat.
Dies gilt umso mehr, als nach dieser Rechtsprechung auch demjenigen Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug versagt wird, der hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnimmt, der auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war.
In einer solchen Situation ist es die Missachtung bestimmter Sorgfaltspflichten, die dazu führt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird.
Es verstößt nicht das Unionsrecht, wenn von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert wird, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt.
Dabei hängt es wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Steuerhinterziehung einbezogen sind.
Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen.
Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit diesem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war, reicht aus, um für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL anzunehmen, dass der Steuerpflichtige sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Nicht notwendig ist, dass die Steuerhinterziehung auf eine besondere Kombination aufeinanderfolgender Umsätze (Lieferkette) oder auf einen Gesamtplan zurückgeht.
Schädlich ist auch, wenn die Begehung der Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt des ersten Umsatzes vollendet war, so dass dieser nicht mehr begünstigt oder gefördert werden konnte. Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen erworben hat, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder Dienstleistungen an einem Umsatz teilnahm, der in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, ist ausreichend, um eine Beteiligung des Steuerpflichtigen an dieser Steuerhinterziehung anzunehmen und um ihm das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen.
Eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung wirkt sich auf die nachfolgenden Stufen dieser Kette aus, wenn der Betrag der erhobenen Mehrwertsteuer aufgrund des infolge der nicht erhobenen Vorsteuer geringeren Preises der Gegenstände oder Dienstleistungen nicht dem geschuldeten Betrag entspricht. Das begünstigt die Steuerhinterziehung.Irrelevant ist auch, ob der Steuerpflichtige durch diesen Umsatz einen Steuervorteil oder einen anderen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Der EuGH kam zum Schluss, durch diese Auslegung könne betrügerischen Umsätzen entgegengewirkt werden, indem sie unter anderem den Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand eines in eine Steuerhinterziehung einbezogenen Umsatzes waren, den Absatzmarkt nimmt und somit zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung beiträgt, was ein von der Mehrwertsteuersystem-RL anerkanntes und gefördertes Ziel ist.
Eine unter diesen Voraussetzungen ausgesprochene Versagung geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und kann nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität angesehen werden, auf den sich im Übrigen ein Steuerpflichtiger, der sich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, nicht berufen kann.
4. Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung
4.1. Allgemein
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
4.2. Doppelerwerbe
Es ist unbestritten, dass die Bf. bei den unter obigem Punkt "Doppelerwerb" erfassten Lieferungen zwischen zwei Mitgliedstaaten mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl diese Beförderungen und Versendungen in einem anderen Mitgliedsstaat endeten. Unbestritten blieb auch, dass dies zur Erwerbsteuerpflicht in Österreich führt.
Die Bf. gab selbst in der Beschwerde vom März 2017 an, dass sie "nun begonnen habe, sich in den beanstandeten Ländern registrieren zu lassen". Daraus leuchtet klar hervor, dass sie in diesen Ländern bislang keine Erwerbsbesteuerung durchführte und dass noch Anfang 2017 keine Nachweise darüber vorlagen. Diese Nachversteuerung erfolgte erst 2019 und auch dabei nur in Deutschland für die Jahre 2013 bis 2015.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Besteuerung in Österreich ohne Zweifel vor. Mangels Nachweisen im Streitzeitraum 2012 bis 2015 war die Erwerbsteuer in Österreich (ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) festzusetzen. Der Beschwerde konnte diesbezüglich kein Erfolg beschieden sein.
4.3. Dreiecksgeschäfte
4.3.1. ***Empfänger1*** und ***Empfänger2***
Der obige Akteninhalt belegt klar und unwidersprochen, dass die Empfänger der folgenden Ausgangsrechnungen (Lieferungen via Beförderung bzw. Versendung) jeweils mit einer UID auftraten, die nicht aus dem Mitgliedstaat stammte, in dem die Versendung oder Beförderung endete (Bestimmungsland):
[...]
Damit scheidet hier die Behandlung als begünstigtes Dreiecksgeschäft von vornherein aus. Tatsächlich liegt auch in diesen vier Fällen ein Doppelerwerb aufgrund der Verwendung der UID vor (siehe oben), weil die Bf. beim Kauf der Waren ihren Lieferanten gegenüber mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl die Warenbewegung in Deutschland bzw. Tschechien endete.
Die Vorschreibung der Erwerbsteuer in Österreich erfolgte deshalb zu Recht und bleibt solange aufrecht, bis die Besteuerung im Ausland nachgewiesen wird.
4.3.2. ***Emfpänger3***
Anders liegt der Fall grundsätzlich bei der mit der AR 8 vom abgerechneten Lieferung (***##5*** Stück Apple iPad+ IPad Air = EUR 216.000,00). Hier liegt das Ende der Beförderung bzw. Versendung in Deutschland und deren Empfängerin trat mit einer deutschen UID auf. Damit wäre die Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung grundsätzlich möglich.
Zu beachten ist hier zunächst, dass die Rechnung der Bf. an die Empfängerin nur den Vermerk enthält "Dreiecksgeschäft gem. Artikel 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie" und damit abgesehen vom Hinweis auf eine Norm, die im Streitzeitraum nicht mehr in Gültigkeit war, der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der Empfängerin fehlt. Ob dies schädlich ist, ist bislang nicht endgültig geklärt (siehe Vorabentscheidungsverfahren oben). Die Bedeutung dieser Frage tritt aber in den Hintergrund, da die Empfängerin hier für die Abgabenbehörden in Deutschland - wie im Außenprüfungsbericht dargestellt - "nicht greifbar" ist und ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkam. So erklärte sie insbesondere keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland. Weder sie noch ihre vermeintlichen Vertreter noch die verkauften Waren sind in Deutschland auffindbar. Sie wurde von den deutschen Abgabenbehörden als "Missing Trader" eingestuft und beging ganz offensichtlich eine Mehrwertsteuerhinterziehung unter Verwendung der gelieferten Ware.
Fraglich ist, ob die Bf. dies wusste oder wissen hätte müssen.
Ob dies der Fall ist, hängt von Tatfragen ab, die das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese Beweiswürdigung muss mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut übereinstimmen (vgl. mit weiteren Nachweisen). Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).
Dazu ist zu prüfen,
ob die Bf. all ihren Sorgfaltspflichten nachkam, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, und
sie damit in gutem Glauben handelte.
Das Bundesfinanzgericht ist überzeugt davon, dass sich die Bf. der Gefahr bewusst war, in ihrem Geschäftsfeld mit den von ihr vertriebenen Gütern Teil eines Mehrwertsteuerbetrugs zu werden. Das leuchtet schon daraus hervor, dass sie selbst angab, dass sie sämtliche IMEI- und Seriennummern der gehandelten Waren speicherte um einen Mehrfachumlauf zu vermeiden und eine Teilnahme an einem Karussellbetrug zu verhindern. Sie wusste also, dass sie sich mit ihren Geschäften in einem mehrwertsteuerlichen Hochrisikobereich bewegte. Sie wusste auch, dass ihr selbst in der Vergangenheit schon Waren angeboten worden waren, die sie selbst zuvor schon einmal verkauft hatte (identische IMEI-Nummern bzw. Seriennummern; vgl. Niederschrift vom ). In dieser speziellen Situation ist an ihre Sorgfaltspflichten ein besonders strenger Maßstab anzulegen.
Dass es sich beim EDV-Handel (z.B. Großhandel mit Computerteilen, Tablets, Lizenzen für Software etc.) um eine "gefährdete Branche" handelt, wurde im Übrigen auch höchstgerichtlich bestätigt ( unter Hinweis auf ) und die besondere Betroffenheit dieser Branche von Steuerhinterziehungen leuchtet auch aus der mit BGBl. I Nr. 112/2012 geschaffenen Ermächtigung des § 19 Abs. 1d UStG 1994 hervor. Danach kann zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch Verordnung festgelegt werden, dass für bestimmte Umsätze an Unternehmer die Steuer vom Leistungsempfänger geschuldet wird. Die zu dieser Ermächtigung ergangene Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung (UStBBKVO BGBl. II Nr. 369/2013 idF BGBl. II Nr. 120/2014) sieht in § 2 ein Reverse-Charge-Verfahren für die Lieferung von Videospielkonsolen, Laptops und Tablet-Computern vor. Zudem sieht § 19 Abs. 1e lit. b UStG 1994 (Abgabenänderungsgesetz 2011, anzuwenden ab ) ein solches System für Mobilfunkgeräte und integrierte Schaltkreise vor. Auch diese Vorschrift wurde eingeführt, da der Gesetzgeber schon frühzeitig erkannte, dass der Handel mit diesen Gegenständen besonders betrugsanfällig ist (vgl. ErläutRV 1212 BlgNR 24. GP).
Insbesondere zu Beginn einer Geschäftsverbindung,
die im Handel mit hochpreisigen mehrwertsteuerbetrugsanfälligen Gütern besteht,
die von einem bislang unbekannten Kunden selbst angebahnt wurde,
einzig und allein über E-Mail-Verkehr abgewickelt wurde,
und die international ausschließlich über einen externen Lagerhalter in einem anderen Staat abgewickelt wurde,
ist hier besondere Vorsicht angebracht.
Liegen nun solche Anhaltspunkte für ein hohes abgabenrechtliches Risiko vor, ist ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, über seinen neuen Geschäftspartner umfangreiche Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Dabei reicht es nicht diese Erkundigungen auf die Registrierungsdokumente zu beschränken und keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sprechen hier insbesondere die folgenden Fakten für eine gröbliche Vernachlässigung der erhöhten Sorgfaltspflichten der Bf.:
Obwohl der Bf. aufgrund des Handelsregisterauszuges bekannt war, wer die Kundin nach außen vertreten kann (***MV***) hatte sie nur mit einem ***BBB*** (Account Manager) via E-Mail Kontakt, ohne sich mit entsprechenden Ausweisdokumenten und Vollmachten davon zu überzeugen, dass tatsächlich mit dem Geschäftsführer bzw. einem vertretungsbefugten Manager kommuniziert wurde. Wie sich später herausstellte, existiert eine Person namens ***BBB*** nicht, was die Bf. in diesem Fall sofort erkannt hätte.
Obwohl die Bf. selbst allgemein angab, über ihre Kunden auch Erkundigungen über Wirtschaftsauskunfteien einzuholen (z.B. Dun & Bradstreet etc.), unterließ sie dies bei diesem Geschäftskontakt, was als auffallend sorglos einzustufen ist. Wie sich später herausstellte, entfaltete der vermeintliche Geschäftspartner keine offizielle Geschäftstätigkeit, was der Bf. auffallen hätte müssen.
Der Bf. fiel bei ihrer Überprüfung auch nicht auf, dass die Kundin auf keiner der von ihr für den Handel bevorzugten Plattformen (z.B. GSM b2b, Handelot etc. - siehe Powerpoint-Handzettel als Beilage zum Ermittlungsbericht der Steuerfahndung) registriert bzw. bekannt war. Das muss als außergewöhnlich gewertet werden.
Die Bf. gab zwar an, die Kundin habe eine Homepage gehabt (***www.www.e3***), sie dokumentierte deren Inhalt aber nicht. Da sie offenbar bald wieder aus dem Netz entfernt wurde, kann deren Inhalt nicht mehr exakt rekonstruiert werden, er dürfte auffällige sprachliche Fehler aufgewiesen haben, was die Bf. stutzig hätte machen müssen.
Die Bf. dokumentierte auch keine anderen Erkundigungen über Referenzgeschäfte der Bf., wie es in so einem Fall üblich wäre.
Im Rechenwerk der Bf. finden sich keine Unterlagen über die Person, die die Waren im externen Warenlager abholte, und darüber wer diese beauftragte. Es ist damit nicht nachvollziehbar, wer diese Ware tatsächlich in Empfang nahm. Auch das erscheint in dieser besonderen Konstellation als sorglos.
Unter der Berücksichtigung all dieser Tatsachen und der besonderen Beweiswürdigungsvorschriften der BAO für Auslandgeschäfte zwingt das in freier Beweiswürdigung zum Schluss, dass die Bf. Gegenstände innergemeinschaftlich erwarb bzw. weiterveräußerte, obwohl sie aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie mit diesem Erwerb und der Lieferung an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Damit ist für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL davon auszugehen, dass sie sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Diese Beteiligung im umsatzsteuerlichen Sinn schließt die Freistellung von der Erwerbsteuer gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1988 in Österreich solange aus, solange die Bf. nicht nachweist, dass die Besteuerung in Deutschland erfolgte. Dieser Nachweis wirkt nur ex nunc und kann die Entstehung der Steuerschuld im Streitzeitraum nicht verhindern.
Damit kann auch der Erfassung dieser Lieferung als innergemeinschaftlicher Erwerb mit der Vorschreibung von Erwerbsteuer nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
4.4. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass das FA die bekämpften Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastete. Sie waren inhaltlich vollumfänglich zu bestätigen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen. Der Spruch der bekämpften Bescheide bleibt unverändert.
5. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Sofern die Auslegung des Gesetzes unstrittig ist, weil dies etwa durch EuGH-Rechtsprechung ausreichend geklärt ist, ist die Revision auch dann ausgeschlossen, wenn noch keine direkt einschlägige Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes existiert (in diesem Sinne wohl auch Pinetz, ecolex 2014/470, unter Hinweis auf Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz2013, 331 und Kodek in Rechberger, ZPO3, § 502 Rz 16).
Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung des EuGH und des VwGH ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
4.1. Allgemein
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
4.2. Doppelerwerbe
Es ist unbestritten, dass die Bf. bei den unter obigem Punkt "Doppelerwerb" erfassten Lieferungen zwischen zwei Mitgliedstaaten mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl diese Beförderungen und Versendungen in einem anderen Mitgliedsstaat endeten. Unbestritten blieb auch, dass dies zur Erwerbsteuerpflicht in Österreich führt.
Die Bf. gab selbst in der Beschwerde vom März 2017 an, dass sie "nun begonnen habe, sich in den beanstandeten Ländern registrieren zu lassen". Daraus leuchtet klar hervor, dass sie in diesen Ländern bislang keine Erwerbsbesteuerung durchführte und dass noch Anfang 2017 keine Nachweise darüber vorlagen. Diese Nachversteuerung erfolgte erst 2019 und auch dabei nur in Deutschland für die Jahre 2013 bis 2015.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Besteuerung in Österreich ohne Zweifel vor. Mangels Nachweisen im Streitzeitraum 2012 bis 2015 war die Erwerbsteuer in Österreich (ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) festzusetzen. Der Beschwerde konnte diesbezüglich kein Erfolg beschieden sein.
4.3. Dreiecksgeschäfte
4.3.1. ***Empfänger1*** und ***Empfänger2***
Der obige Akteninhalt belegt klar und unwidersprochen, dass die Empfänger der folgenden Ausgangsrechnungen (Lieferungen via Beförderung bzw. Versendung) jeweils mit einer UID auftraten, die nicht aus dem Mitgliedstaat stammte, in dem die Versendung oder Beförderung endete (Bestimmungsland):
[...]
Damit scheidet hier die Behandlung als begünstigtes Dreiecksgeschäft von vornherein aus. Tatsächlich liegt auch in diesen vier Fällen ein Doppelerwerb aufgrund der Verwendung der UID vor (siehe oben), weil die Bf. beim Kauf der Waren ihren Lieferanten gegenüber mit ihrer österreichischen UID auftrat, obwohl die Warenbewegung in Deutschland bzw. Tschechien endete.
Die Vorschreibung der Erwerbsteuer in Österreich erfolgte deshalb zu Recht und bleibt solange aufrecht, bis die Besteuerung im Ausland nachgewiesen wird.
4.3.2. ***Emfpänger3***
Anders liegt der Fall grundsätzlich bei der mit der AR 8 vom abgerechneten Lieferung (***##5*** Stück Apple iPad+ IPad Air = EUR 216.000,00). Hier liegt das Ende der Beförderung bzw. Versendung in Deutschland und deren Empfängerin trat mit einer deutschen UID auf. Damit wäre die Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung grundsätzlich möglich.
Zu beachten ist hier zunächst, dass die Rechnung der Bf. an die Empfängerin nur den Vermerk enthält "Dreiecksgeschäft gem. Artikel 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie" und damit abgesehen vom Hinweis auf eine Norm, die im Streitzeitraum nicht mehr in Gültigkeit war, der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der Empfängerin fehlt. Ob dies schädlich ist, ist bislang nicht endgültig geklärt (siehe Vorabentscheidungsverfahren oben). Die Bedeutung dieser Frage tritt aber in den Hintergrund, da die Empfängerin hier für die Abgabenbehörden in Deutschland - wie im Außenprüfungsbericht dargestellt - "nicht greifbar" ist und ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkam. So erklärte sie insbesondere keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland. Weder sie noch ihre vermeintlichen Vertreter noch die verkauften Waren sind in Deutschland auffindbar. Sie wurde von den deutschen Abgabenbehörden als "Missing Trader" eingestuft und beging ganz offensichtlich eine Mehrwertsteuerhinterziehung unter Verwendung der gelieferten Ware.
Fraglich ist, ob die Bf. dies wusste oder wissen hätte müssen.
Ob dies der Fall ist, hängt von Tatfragen ab, die das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese Beweiswürdigung muss mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut übereinstimmen (vgl. mit weiteren Nachweisen). Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).
Dazu ist zu prüfen,
ob die Bf. all ihren Sorgfaltspflichten nachkam, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, und
sie damit in gutem Glauben handelte.
Das Bundesfinanzgericht ist überzeugt davon, dass sich die Bf. der Gefahr bewusst war, in ihrem Geschäftsfeld mit den von ihr vertriebenen Gütern Teil eines Mehrwertsteuerbetrugs zu werden. Das leuchtet schon daraus hervor, dass sie selbst angab, dass sie sämtliche IMEI- und Seriennummern der gehandelten Waren speicherte um einen Mehrfachumlauf zu vermeiden und eine Teilnahme an einem Karussellbetrug zu verhindern. Sie wusste also, dass sie sich mit ihren Geschäften in einem mehrwertsteuerlichen Hochrisikobereich bewegte. Sie wusste auch, dass ihr selbst in der Vergangenheit schon Waren angeboten worden waren, die sie selbst zuvor schon einmal verkauft hatte (identische IMEI-Nummern bzw. Seriennummern; vgl. Niederschrift vom ). In dieser speziellen Situation ist an ihre Sorgfaltspflichten ein besonders strenger Maßstab anzulegen.
Dass es sich beim EDV-Handel (z.B. Großhandel mit Computerteilen, Tablets, Lizenzen für Software etc.) um eine "gefährdete Branche" handelt, wurde im Übrigen auch höchstgerichtlich bestätigt ( unter Hinweis auf ) und die besondere Betroffenheit dieser Branche von Steuerhinterziehungen leuchtet auch aus der mit BGBl. I Nr. 112/2012 geschaffenen Ermächtigung des § 19 Abs. 1d UStG 1994 hervor. Danach kann zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch Verordnung festgelegt werden, dass für bestimmte Umsätze an Unternehmer die Steuer vom Leistungsempfänger geschuldet wird. Die zu dieser Ermächtigung ergangene Umsatzsteuerbetrugsbekämpfungsverordnung (UStBBKVO BGBl. II Nr. 369/2013 idF BGBl. II Nr. 120/2014) sieht in § 2 ein Reverse-Charge-Verfahren für die Lieferung von Videospielkonsolen, Laptops und Tablet-Computern vor. Zudem sieht § 19 Abs. 1e lit. b UStG 1994 (Abgabenänderungsgesetz 2011, anzuwenden ab ) ein solches System für Mobilfunkgeräte und integrierte Schaltkreise vor. Auch diese Vorschrift wurde eingeführt, da der Gesetzgeber schon frühzeitig erkannte, dass der Handel mit diesen Gegenständen besonders betrugsanfällig ist (vgl. ErläutRV 1212 BlgNR 24. GP).
Insbesondere zu Beginn einer Geschäftsverbindung,
die im Handel mit hochpreisigen mehrwertsteuerbetrugsanfälligen Gütern besteht,
die von einem bislang unbekannten Kunden selbst angebahnt wurde,
einzig und allein über E-Mail-Verkehr abgewickelt wurde,
und die international ausschließlich über einen externen Lagerhalter in einem anderen Staat abgewickelt wurde,
ist hier besondere Vorsicht angebracht.
Liegen nun solche Anhaltspunkte für ein hohes abgabenrechtliches Risiko vor, ist ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, über seinen neuen Geschäftspartner umfangreiche Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Dabei reicht es nicht diese Erkundigungen auf die Registrierungsdokumente zu beschränken und keine weiteren Nachforschungen anzustellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sprechen hier insbesondere die folgenden Fakten für eine gröbliche Vernachlässigung der erhöhten Sorgfaltspflichten der Bf.:
Obwohl der Bf. aufgrund des Handelsregisterauszuges bekannt war, wer die Kundin nach außen vertreten kann (***MV***) hatte sie nur mit einem ***BBB*** (Account Manager) via E-Mail Kontakt, ohne sich mit entsprechenden Ausweisdokumenten und Vollmachten davon zu überzeugen, dass tatsächlich mit dem Geschäftsführer bzw. einem vertretungsbefugten Manager kommuniziert wurde. Wie sich später herausstellte, existiert eine Person namens ***BBB*** nicht, was die Bf. in diesem Fall sofort erkannt hätte.
Obwohl die Bf. selbst allgemein angab, über ihre Kunden auch Erkundigungen über Wirtschaftsauskunfteien einzuholen (z.B. Dun & Bradstreet etc.), unterließ sie dies bei diesem Geschäftskontakt, was als auffallend sorglos einzustufen ist. Wie sich später herausstellte, entfaltete der vermeintliche Geschäftspartner keine offizielle Geschäftstätigkeit, was der Bf. auffallen hätte müssen.
Der Bf. fiel bei ihrer Überprüfung auch nicht auf, dass die Kundin auf keiner der von ihr für den Handel bevorzugten Plattformen (z.B. GSM b2b, Handelot etc. - siehe Powerpoint-Handzettel als Beilage zum Ermittlungsbericht der Steuerfahndung) registriert bzw. bekannt war. Das muss als außergewöhnlich gewertet werden.
Die Bf. gab zwar an, die Kundin habe eine Homepage gehabt (***www.www.e3***), sie dokumentierte deren Inhalt aber nicht. Da sie offenbar bald wieder aus dem Netz entfernt wurde, kann deren Inhalt nicht mehr exakt rekonstruiert werden, er dürfte auffällige sprachliche Fehler aufgewiesen haben, was die Bf. stutzig hätte machen müssen.
Die Bf. dokumentierte auch keine anderen Erkundigungen über Referenzgeschäfte der Bf., wie es in so einem Fall üblich wäre.
Im Rechenwerk der Bf. finden sich keine Unterlagen über die Person, die die Waren im externen Warenlager abholte, und darüber wer diese beauftragte. Es ist damit nicht nachvollziehbar, wer diese Ware tatsächlich in Empfang nahm. Auch das erscheint in dieser besonderen Konstellation als sorglos.
Unter der Berücksichtigung all dieser Tatsachen und der besonderen Beweiswürdigungsvorschriften der BAO für Auslandgeschäfte zwingt das in freier Beweiswürdigung zum Schluss, dass die Bf. Gegenstände innergemeinschaftlich erwarb bzw. weiterveräußerte, obwohl sie aufgrund von Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich durch diesen Umsatz nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligte, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie mit diesem Erwerb und der Lieferung an einem Umsatz teilnahm, der in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Damit ist für die Zwecke der Mehrwertsteuer-RL davon auszugehen, dass sie sich an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Diese Beteiligung im umsatzsteuerlichen Sinn schließt die Freistellung von der Erwerbsteuer gem. Art. 3 Abs. 8 UStG 1988 in Österreich solange aus, solange die Bf. nicht nachweist, dass die Besteuerung in Deutschland erfolgte. Dieser Nachweis wirkt nur ex nunc und kann die Entstehung der Steuerschuld im Streitzeitraum nicht verhindern.
Damit kann auch der Erfassung dieser Lieferung als innergemeinschaftlicher Erwerb mit der Vorschreibung von Erwerbsteuer nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
4.4. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass das FA die bekämpften Bescheide nicht mit Rechtswidrigkeit belastete. Sie waren inhaltlich vollumfänglich zu bestätigen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen. Der Spruch der bekämpften Bescheide bleibt unverändert.
5. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Sofern die Auslegung des Gesetzes unstrittig ist, weil dies etwa durch EuGH-Rechtsprechung ausreichend geklärt ist, ist die Revision auch dann ausgeschlossen, wenn noch keine direkt einschlägige Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes existiert (in diesem Sinne wohl auch Pinetz, ecolex 2014/470, unter Hinweis auf Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz2013, 331 und Kodek in Rechberger, ZPO3, § 502 Rz 16).
Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch Rechtsprechung des EuGH und des VwGH ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 25 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 25 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Mayr in SWK 31/2021, 1357 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102021.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at