Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.10.2021, RV/3100876/2018

Rückstellung für Hinterbliebenenpension: Individualmethode vs. Kollektivmethode

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehrige Zuständigkeit: Finanzamt für Großbetriebe) vom betreffend Körperschaftsteuer 2015, Steuernummer Bf_StNr, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin (Bf) 2017 durchgeführten, die Jahre 2013 bis 2015 umfassenden Außenprüfung hat die Großbetriebsprüfung ua die Feststellung getroffen, dass die Berechnung der Pensionsrückstellung iZm Hinterbliebenenpensionen nicht nach der Individualmethode, sondern nach der Kollektivmethode zu erfolgen habe. Diese Feststellung führte zu einer Anpassung der Rückstellung im wiederaufgenommenen Verfahren des Jahres 2015. Der nunmehr angefochtene Körperschaftsteuerbescheid erging am .

2. In der Beschwerde vom wurde nach Darstellung der "Richtlinien der österreichischen Bf_Ges für Pensionszusagen idF vom " ausgeführt, dass in den mit den jeweiligen Mitarbeitern geschlossenen individuellen Pensionsvereinbarungen zwar nicht die gegebenenfalls hinsichtlich einer Hinterbliebenenpension anspruchsberechtigten Ehepartner bzw. deren persönliche Daten erwähnt werden, dass diese Daten der Bf jedoch vorlägen und alljährlich zum Zwecke der Berechnung (ua) der steuerlichen Rückstellungen für die Hinterbliebenenpensionen an den versicherungsmathematischen Gutachter, im gegenständlichen Fall die M GmbH, übermittelt würden. Diese berechne, wie dem der Beschwerde beigelegten versicherungsmathematischen Gutachten für das Jahr 2015 zu entnehmen sei, die Anwartschaften auf Witwen- bzw. Witwerpension nach der Individualmethode.

Im Weiteren wird in der Beschwerde nach Wiedergabe der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen, der Einkommensteuerrichtlinienrandzahl 3382 zur Berechnung von Pensionsrückstellungen sowie eines Auszuges aus dem Fachgutachten Nr. 80 des Fachsenates für Handelsrecht und Revision vom der Schluss gezogen, dass die Berechnung mittels Individualmethode nicht nur genauere Werte liefere als die Kollektivmethode, sondern sich gerade aufgrund der im Beschwerdefall vorliegenden kleinen, inhomogenen Gruppe von Anwartschaftsberechtigten erhebliche Abweichungen zwischen den beiden versicherungsmathematischen Methoden ergeben würden.

Es sei außerdem so, dass zum in der betroffenen Gruppe von sieben Personen drei Personen bereits das Alter von 60 Jahren erreicht haben. In diesen Fällen sei es gemäß den Richtlinien der österreichischen Bf_Ges gar nicht mehr denkbar, dass eine andere Person als die derzeitige Ehegattin einen Anspruch erwerbe.

Der Beschwerde beigelegt war eine Stellungnahme von DI_P, Aktuarin bei der M GmbH, welche sich im Falle einer geringen Personenanzahl mit teilweise großen Altersunterschieden zwischen den Ehegatten, wie im Beschwerdefall vorliegend, aufgrund der exakteren Ergebnisse für die Anwendung der Individualmethode aussprach.

3. Die Beschwerde wurde am unter Hinweis auf Ettl/Pagler sowie die Richttafeln 2005 G von Heubeck abgewiesen. Laut beiden Standardwerken sei die Anwendung der Individualmethode an die ausdrückliche Nennung des berechtigten Ehegatten in der jeweiligen Pensionsvereinbarung gebunden.

4. Im Vorlageantrag wurde zunächst auf das Beschwerdevorbringen verwiesen. Der Standpunkt der Bf wurde durch Verweise auf deutsches Schrifttum und deutsche Verwaltungsmeinung sowie durch ein Gutachten des Univ.-Doz. Dr. F (TU Wien) untermauert.

Abschließend wurde auf den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit verwiesen, zumal bereits in der Vergangenheit die Pensionsrückstellung in der Höhe angesetzt worden sei, die sich bei der Bewertung mittels Individualmethode ergeben habe. Ein nunmehriger Wechsel zur Kollektivmethode würde dem Stetigkeitsgebot widersprechen.

II. Sachverhalt

1. Die Bf hat mit sieben ihrer Mitarbeiter Pensionszusagen auf Grundlage der Richtlinien der österreichischen Bf_Ges für Pensionszusagen geschlossen. Die Pensionszusagen erklären die Richtlinien jeweils zu integrierenden Bestandteilen der geschlossenen Vereinbarungen (vgl. zB Pensionsvereinbarungen im BFG-Akt S. 76 u. 78).

In der jeweiligen Pensionszusage namentlich genannt ist lediglich der Mitarbeiter, mit dem die Vereinbarung geschlossen wird, nicht ein(e) allfällige(r), hinsichtlich einer Hinterbliebenenpension anwartschaftsberechtigte(r) Ehegatte/-gattin.

2. Im Beschwerdejahr lagen betreffend diese sieben Mitarbeiter folgende Gegebenheiten vor:

Von den sieben betroffenen Mitarbeitern waren im Beschwerdejahr drei jünger als 60 Jahre:
- MA_1, geb. Gebdat_1; seit 2001 verheiratet
- MA_2, geb. Gebdat_2, seit 2014 verheiratet
- MA_3, geb. Gebdat_3, seit 1989 verheiratet

Ein weiterer Mitarbeiter, MA_4, vollendete das 60. Lebensjahr im Monat 2015.

Ein Mitarbeiter, MA_5, war bereits 2010 verstorben; es wurde bzw. wird eine Hinterbliebenenpension an dessen Witwe ausbezahlt.

Die beiden verbleibenden Mitarbeiter hatten 2015 ihr 60. Lebensjahr bereits vollendet; diese beiden Mitarbeiter sind zum (MA_6, geb. Gebdat_6) bzw. zum (MA_7, geb. Gebdat_7) in den Ruhestand getreten.

Die Ehegattin von MA_7 ist um acht Jahre jünger als ihr Mann, im Fall von MA_6 beträgt der Altersunterschied zehn Jahre. Bei den anderen betroffenen Mitarbeitern liegt der Altersunterschied bei zwei bis vier Jahren.

(vgl. Beschwerde v. , BFG-Akt S. 19ff; Unterlagen iZm Pensionszusagen aus AB, BFG-Akt S. 69ff)

3. Die Richtlinien der österreichischen Bf_Ges für Pensionszusagen sehen unter Pt. 2.6 (Hinterbliebenenpension) vor, dass der hinterlassene Ehepartner eines Anwärters mit dessen Tod den Anspruch auf Hinterbliebenenpension erwirbt, sofern zu diesem Zeitpunkt weitere Voraussetzungen (Erteilung einer Pensionszusage, Ablauf einer Wartezeit) vorliegen und der Anwärter bis zu dessen Tod Mitarbeiter von BfGes war oder bis zu seinem Tod selbst Anspruch auf Ruhegeld hatte. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand. (vgl. RL für Pensionszusagen, BFG-Akt S. 39ff)

4. Die Berechnung der Pensionsrückstellung erfolgt durch die M GmbH bzw. die für diese tätigen Aktuare, welche jährlich ein versicherungsmathematisches Gutachten betr. Pensionsrückstellungen für die Bf verfassen. Anwartschaften auf Witwen/Witwerpension werden von der M GmbH nach der Individualmethode berechnet. (vgl. versicherungsmath. GA 2013-2015, BFG-Akt S. 45ff)

5. Dass im Beschwerdefall die Anwendung der Individualmethode als versicherungsmathematisches Verfahren zur Berechnung der Pensionsrückstellung für Hinterbliebenenpensionen nicht den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik iSd § 14 Abs. 6 Z. 1 EStG 1988 entspräche, konnte nicht festgestellt werden.

III. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt einschließlich Auszügen aus dem Arbeitsbogen, sowie der folgenden Beweiswürdigung:

1.1. Die Berechnung der Pensionsrückstellung für die Bf erfolgte im Beschwerdejahr ebenso wie in den Vorjahren durch die Aktuare der M GmbH. In einer mit der Beschwerde eingereichten Stellungnahme führt die Aktuarin DI_P zur Berechnung der Pensionsrückstellung für die Bf aus, dass ihres Erachtens bei Bekanntsein individueller Daten bzw. einer eher geringen Personenanzahlt die Individualmethode angewendet werden sollte, da diese, vor allem bei großen Altersdifferenzen, wie sie im Beschwerdefall bei zwei Anwartschaftsberechtigten vorlägen, die exakteren Werte ergäben. Eine Rechtsquelle, die die Anwendung der Kollektivmethode immer dann zwingend vorsehe, wenn lediglich eine allgemeine Pensionszusage ohne namentliche Nennung des/der anwartschaftsberechtigten Ehegatten/-gattin vorliege, sei der M GmbH nicht bekannt.

1.2. Dementsprechend weisen die vorliegenden versicherungsmathematischen Gutachten der M GmbH für die Jahre 2013 bis 2015 jeweils die Individualmethode als Methode zur Berechnung der Anwartschaften auf Witwen(r)pensionen aus.

2. Mit dem Vorlageantrag legte die Bf ein Gutachten von Univ.-Doz. Dr. F vor. In diesem Gutachten wurde der Schluss gezogen, dass es die kaufmännische Sorgfaltspflicht gebiete, wenn möglich die Individualmethode anzuwenden, da diese die Gegebenheiten bei jedem Begünstigten berücksichtige und daher genauer sei als die Kollektivmethode, die auf Durchschnittswerten aufbaue. Lediglich bei einem größeren homogenen Bestand sei es, vor allem in Hinblick auf den umfangreichen Aufwand der Erfassung und Wartung der individuellen Daten, die Kollektivmethode anzuwenden.

3. Es liegen somit übereinstimmende Gutachten vor, welche für den Fall, dass eine kleine, inhomogene Gruppe von Anwartschaftsberechtigten vorliegt, für welche die individuellen Daten für die Rückstellungsermittlung bekannt sind, die Individualmethode präferieren.

Die konkreten Gegebenheiten des Beschwerdefalls wurden bereits oben unter Pt. II.3. dargestellt. Es handelt sich um eine kleine Gruppe von Berechtigten im Alter von (im Beschwerdejahr) 41 bis 76 Jahren mit zT erheblichem Altersunterschied zwischen den Ehegatten.

Betreffend die vier letztgenannten Mitarbeiter konnte eine Änderung der Verhältnisse, die sich auf die Anwartschaften für die Hinterbliebenenpensionen auswirken hätte können, gemäß den Richtlinien der österreichischen Bf_Ges nicht mehr eintreten.

4. Da detaillierte Fachfragen über die mathematischen bzw. versicherungsmathematischen Hintergründe der Berechnung der Höhe von Pensionsrückstellungen eher den Versicherungsmathematiker betreffen und bei der Konzeption von betrieblichen Versorgungswerken eine eher untergeordnete Rolle spielten, verweist Felbinger in Felbinger, Betriebliche Altersvorsorge4, auf das Fachgutachten Nr. 80 der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom (KFS-RL 3) und die "Änderungen und Ergänzungen der Fachgutachten KFS-RL 2 und 3 über die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung von Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen nach den Vorschriften des Rechnungslegungsgesetzes" vom .

5.1. Im Fachgutachten Nr. 80 ("Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen nach den Vorschriften des Rechnungslegungsgesetzes") wird unter Pt. 3. ("Die Bewertung der Pensionsverpflichtungen"), Unterpunkt 3.3. ("Die einzelnen Berechnungsfaktoren") wie folgt ausgeführt:
"Das angeführte Bewertungsziel wird erreicht, wenn
- der versicherungsmathematischen Berechnung aktuelle Annahmen über die biometrischen Größen zugrunde gelegt werden;
(…)
Bei Pensionszusagen, die auch eine Hinterbliebenenpension vorsehen, sind die Verpflichtungen gegenüber den Hinterbliebenen in die versicherungsmathematische Berechnung einzubeziehen. Die Berechnung der Anwartschaften auf Witwenpensionen kann unter Zugrundelegung entweder der individuellen Gegebenheiten oder statistischer Wahrscheinlichkeitswerte (Verheiratungswahrscheinlichkeit, statistischer Altersunterschied von Ehegatten) erfolgen. Bei Vorliegen weniger und im einzelnen hoher Verpflichtungen ist die Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten insbesondere dann vorzuziehen, wenn diese von den Wahrscheinlichkeitswerten stärker abweichen."

Diese Passage aus dem Fachgutachten Nr. 80 wurde auch in der Beschwerde zitiert. Es wird darin ausdrücklich der Individualmethode der Vorzug eingeräumt, wenn es sich um eine kleine, inhomogene Gruppe von Anwartschaftsberechtigten handelt.

wurde das Fachgutachten Nr. 80 durch die AFRAC-Stellungnahme 27 ("Personalrückstellungen UGB") ersetzt.

Dort heißt es unter Pt. 4. ("Bewertung von Rückstellungen für Pensionen"), Unterpunkt 4.2. ("Berechtigte"):
"(31) Der Bewertung der Gesamtpensionsverpflichtung sind die am Abschlussstichtag existierenden direkt (Arbeitnehmer - Anm.) und indirekt Berechtigten (Hinterbliebene - Anm.) zugrunde zu legen.
(32) Potenzielle indirekt Berechtigte sind entsprechend der konkreten Pensionszusage bei der Bewertung zu berücksichtigen, wenn geeignete und verlässliche statistische Unterlagen für die Wahrscheinlichkeit der Existenz von indirekt Berechtigten vorliegen (z.B. die Verheiratungswahrscheinlichkeit)."

Daraus ist abzulesen, dass, wenn die indirekt Berechtigten am Abschlussstichtag bekannt sind, die Daten dieser Personen bei der Bewertung der Pensionsrückstellung heranzuziehen sind.

5.3. Weder dem Fachgutachten Nr. 80 noch aus der AFRAC-Stellungnahme 27 ist zu entnehmen, dass die Individualmethode nur anwendbar sein soll, wenn in der konkreten Pensionszusage der/die indirekt Berechtigte namentlich genannt ist.

6. Das Finanzamt stützt sich bei seiner Argumentation auf bzw. zitiert in der Beschwerdevorentscheidung das Standardwerk "Rechnungsgrundlagen für die Pensionsversicherung" von Wolfgang Ettl und Franz Walter Pagler, erschienen im VWGÖ-Verlag 1989. Dort heißt es: "Wird in einer Pensionszusage der versorgungsberechtigte Ehepartner explizit angegeben, so kann im Gegensatz zur Kollektivmethode, der tatsächliche Altersunterschied in der Bewertung der Pensionsverpflichtung berücksichtigt werden."

Weiter zitiert die Beschwerdevorentscheidung aus "Die Richttafeln 2005 G - Modell, Herleitung, Formeln" von Klaus Heubeck ua: "Pensionszusagen, die Hinterbliebenenrenten in Form von Witwen-/Witwerrenten vorsehen, sind danach zu unterscheiden, ob der potentielle Hinterbliebene des Begünstigten in der Pensionszusage namentlich genannt ist oder ob die Zusage abstrakt zugunsten eines im Zeitpunkt des Todes vorhandenen Ehegatten ausgesprochen wird.
Nur im erstgenannten Fall mit namentlicher Nennung, d.h. bei Einschränkung der Zusage auf einen bestimmten potentiellen Hinterbliebenen, kann die Bewertung auf den tatsächlichen Altersunterschied der Personen abstellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hinterbliebene im Todeszeitpunkt des Begünstigten lebt, ergibt sich dann aus seiner Überlebenswahrscheinlichkeit; besonderer weiterer Annahmen hinsichtlich der Verheiratungswahrscheinlichkeit im Tode bedarf es dann nicht. In diesem Falle kommt eine Bewertung des Hinterbliebenenrisikos nach der individuellen Methode in Betracht.
In allen anderen Fällen ist die Bewertung der Hinterbliebenenrentenanwartschaft nach der kollektiven Methode vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn im Pensionsvertrag zwar der Ehegatte namentlich genannt ist, die Hinterbliebenenleistungszusage jedoch im Falle einer Wiederheirat nach Trennung oder Vorversterben zugunsten eines neuen Ehegatten fortbesteht."

Aus diesen beiden Buchpassagen schließt die Abgabenbehörde, dass eine Ermittlung von Pensionsrückstellungen für Hinterbliebenenpensionen nach der Individualmethode nur dann den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" entspricht, wenn der versorgungsberechtigte Ehepartner namentlich in der Pensionszusage angeführt ist.

Aus welchen Gründen gerade die Verbindlichkeit der Ausführungen dieser beiden Werke angenommen wurde, ist weder dem Bericht des Betriebsprüfers noch der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen.

Eine Auseinandersetzung mit den von der Bf vorgebrachten Argumenten (siehe dazu unten Pt. IV.2.2. dieses Erkenntnisses) und den vorgelegten Beweismitteln hat nicht stattgefunden. In der Beschwerdevorentscheidung wird lediglich der Hinweis der Bf, dass im Beschwerdejahr drei der betroffenen Mitarbeiter bereits über 60 Jahre alt seien, damit abgetan, dass auch diese betreffend die Kollektivmethode anzuwenden gewesen sei. Der abschließende Hinweis, dass aus Gründen der Bewertungsstetigkeit ein Wechsel der Berechnungsmethode für die Pensionsrückstellung nicht zulässig sei, ist insofern unverständlich, da gerade von der Betriebsprüfung ein solcher Wechsel der Berechnungsmethode vorgenommen wurde.

8. Vor dem Hintergrund der von der Bf vorgelegten Gutachten sowie der Ausführungen im Fachgutachten Nr. 80 und der AFRAC-Stellungnahme 27 ist nicht erkennbar, dass durch die Anwendung der Individualmethode für die Berechnung der Pensionsrückstellung für Hinterbliebenenpensionen die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik verletzt worden wären. Es ist der Aktuarin DI_P beizupflichten, wenn sie ausführt, es existiere keine gesetzliche Regelung, welche die Anwendung der Kollektivmethode zwingend vorsehe. Die Abgabenbehörde stützt sich ausschließlich auf Schrifttum, dem jedoch keine normative Wirkung zukommt.

Soweit somit im Beschwerdefall durch die Aktuare der M GmbH die Individualmethode angewendet wurde, ist dies im Rahmen der nicht näher definierten Vorgabe der "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" erfolgt.

IV. Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 211 Abs. 1 UGB sind Rückstellungen für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen sowie ähnliche Verpflichtungen mit dem sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ergebenden Betrag anzusetzen.

Eine Berechnung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berücksichtigt die ungewissen Einflussfaktoren, wie Lebenserwartung, Fluktuation, Invalidität und möglichen Anfall einer Witwenpension auf der Grundlage statistischer Unterlagen. Die Höhe der Pensionsrückstellung hängt entscheidend von der Wahl des Rechnungszinsfußes und des Berechnungsverfahrens ab, die bewusst nicht gesetzlich normiert wurden (Leitner/Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum UGB II/Rechnungslegung3, § 211 Rz 29 mwN).

2.1. Gemäß § 14 Abs. 6 EStG 1988 können Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 ermitteln, für direkte Leistungszusagen in Rentenform im Sinne des Betriebspensionsgesetzes Pensionsrückstellungen bilden.

Die Rückstellungsbildung hat nach unternehmensrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen. Eine Einschränkung gegenüber dem Unternehmensgesetzbuch sieht das EStG 1988 insofern vor, als der Rechnungszinsfuß in § 14 Abs. 6 Z. 6 mit 6 % festgesetzt wird.

Die Pensionsrückstellung ist gem. Z. 1 leg. cit. nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu bilden. Eine nähere Definition der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

2.2. Im Schrifttum zu § 6a dEStG wird die Kollektivmethode als "Näherungsverfahren" genannt, die zur Anwendung gelangen können, um beispielsweise Rechenarbeit in Grenzen zu halten (Littmann ua, Das Einkommensteuerrecht [ESt], § 6a Rz 124f mwN; Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG-Kommentar, § 6a Anm. 121 mwN).

Auch die Bf verweist im Vorlageantrag auf deutsches Schrifttum (Höfer, BetrAVG Bd. II, 2014), sowie auf einen Erlass des Finanzministeriums Sachsen vom . Während Höfer im Fall kleinerer Bestände von Anwartschaftsberechtigten die Individualmethode befürwortet, schließt die sächsische Finanzverwaltung diese jedenfalls dann nicht aus, wenn die konkreten Umstände nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung dafür sprächen, dass die Verbindlichkeit in der Höhe zu erfüllen sei, die sich bei Anwendung der individuellen Methode ergebe.

3. Gemäß § 201 Abs. 1 UGB hat die Bewertung den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung zu entsprechen. Gemäß Abs. 2 Z. 1 leg. cit. gilt demnach insbesondere, dass die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beizubehalten sind.

Unter Bewertungsmethoden sind dabei sämtliche Verfahren zur Ermittlung von Wertansätzen (Bilanzansätzen der Höhe nach) zu verstehen, die einem bestimmten (festgelegten) Ablauf folgen und bestimmte (festgelegte) Bewertungselemente verwenden (Urnik/Urtz/Rohn in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum UGB II/Rechnungslegung3, § 201 Rz 17 mwN).

Wie oben unter Pt. III. dieses Erkenntnisses ausgeführt, konnte eine Verletzung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik durch die Anwendung der Individualmethode im Beschwerdefall nicht festgestellt werden.

Es entspricht daher dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, die von der M GmbH angewendete Methode zur Berechnung der Rückstellung iZm Hinterbliebenenpensionen, die Individualmethode, beizubehalten.

V. Neuberechnung Körperschaftsteuer 2015

[...]

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war keine (grundsätzlich bedeutsame) Rechtsfrage zu lösen, sondern sachverhaltsmäßig festzustellen, ob eine Verletzung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik vorlag. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100876.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at