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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.09.2021, RV/2100414/2021

§ 9 BAO: Berücksichtigung eines langen Zeitraumes zwischen Entstehen der Abgabenschuld und Erlassung des Haftungsbescheides im Zuge der Ermessensentscheidung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, Adresse, vertreten durch V, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer 123, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters, Rechtsanwalt V, der Vertreterinnen des Finanzamtes Österreich, VÖ1 und VÖ2, sowie der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
***Bf1*** wird im Ausmaß von 5.033,78 Euro zur Haftung für folgende aushaftende Abgabenverbindlichkeiten der X.GmbH herangezogen:


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Abgabe
Laut Haftungsbescheid
Davon 50%
Lohnsteuer 2005
1.987,17 €
993,59 €
Dienstgeberbeitrag 2005
1.045,75 €
522,88 €
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005
97,59 €
48,80 €
Lohnsteuer 2006
4.563,80 €
2.281,90 €
Dienstgeberbeitrag 2006
2.170,63 €
1.085,32 €
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006
202,57 €
101,29 €
gesamt
5.033,78 €

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Alleingesellschafter der im Datum1 errichteten X.GmbH und vertrat diese seit ihrer Gründung bis Datum2 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Am Datum2 trat der Bf. die Gesellschaftsanteile an G2 ab, der die Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt auch als alleiniger Geschäftsführer vertrat.

Am Datum3 wurde die Gesellschaft im Firmenbuch von Amts wegen gelöscht (Auszug Firmenbuch FN 321).

Im Jahr 2008 führte das Finanzamt bei der X.GmbH eine Lohnsteuerprüfung durch (Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , ABNr. 234).

Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt am Haftungs- und Abgabenbescheide an die X.GmbH betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2005 und 2006 (Abgabennachforderung insgesamt 10.067,51 €).
Die gegen diese Bescheide eingebrachte Beschwerde vom wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung der damals zuständigen Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Mit dem , wurde die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt, weil die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft durch die Auflösung und Löschung im Firmenbuch beendet wurde und auch mangels Abwicklungsbedarfs kein Fortbestand der Rechtssubjektivität gegeben war. Eine Zustellung des Beschlusses an die Gesellschaft erfolgte im Hinblick auf das Erlöschen der Parteifähigkeit nicht.

Dem Antrag der Gesellschaft in der Berufung vom , die Aussetzung der Einhebung der strittigen Abgabenbeträge gemäß § 212a BAO zu bewilligen, wurde mit dem Bescheid vom stattgebend erledigt.
Der Ablauf der Aussetzung der Einhebung wurde vom Finanzamt mit dem Bescheid vom verfügt.

Mit dem Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Bf. als potentiell Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenverbindlichkeiten der X.GmbH in der Höhe 13.706,64 €, auf, nachzuweisen, dass die Abgaben bei der Gesellschaft einbringlich seien oder der Bf. ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben aus deren Vermögen und laufenden Einnahmen zu sorgen.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte der Vertreter des Bf. aus:

"Die Firma X.GmbH FN 321 wurde am Datum3 zu GZ 432 amtswegig gelöscht. Die Geschäftsanteile an der vorgenannten Firma wurden am Datum2 von Herrn ***Bf1*** an Herrn G2[richtig: G2], Adresse, übertragen.
Die Geschäftsführungsbefugnis wurde zum gleichen Zeitpunkt niedergelegt und auch im Firmenbuch gelöscht. Die gegenständliche GmbH betreibt seit dem Jahre 2009/2010 keine Geschäftstätigkeit mehr. Sie war daher ab 2010 nur mehr ein Mantel. Seit diesem Datum wurden auch keine wie immer gearteten Erträge erzielt, und auch keine wie immer gearteten Verbindlichkeiten bezahlt. Die nun ausgewiesenen Lohnabgaben aus dem Jahre 2005 und 2006 konnten daher in diesem Zeitraum auch nicht bezahlt werden.
Hinsichtlich der angeführten Lohnabgaben von 2006 bis 2007 wird jedenfalls die Verjährung eingewandt.
….
Die Gesellschaft wurde amtswegig gelöscht, sodass jetzt davon auszugehen ist, dass sie jedenfalls kein Vermögen mehr besitzt.
….
Der Geschäftsführer ist zur Zeit angestellt und bezieht ein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit. Er besitzt weder Grundbesitz noch hat er, ausgenommen die Forderung aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit, keine Geldforderungen.
…... "

Mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt Österreich den Bf. gemäß § 9 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH im Ausmaß von 10.067,51 € heran (Lohnsteuer 2005 1.987,17 €, Dienstgeberbeitrag 2005 1.045,75 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005 97,59 €, Lohnsteuer 2006 4.563,80 €, Dienstgeberbeitrag 2006 2.170,63 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006 202,57 €).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob die Vertretene über die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel verfügte, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben nicht ausreichende Mittel zur Bezahlung aller Verbindlichkeiten vorhanden gewesen seien, werde nicht vorgebracht.
Zur eingewendeten Verjährung werde festgestellt, dass die Lohnabgaben 2005 und 2006 im Zeitraum vom bis gemäß § 212a BAO ausgesetzt gewesen sein, weshalb die Verjährung der Einhebung nicht eingetreten sei.
Die Aufgliederung der Lohnabgaben auf die einzelnen Abgabenzeiträume erfolgte in der Begründung des Haftungsbescheides.
Dem Haftungsbescheid angeschlossen waren die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend die Lohnabgaben vom sowie der Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom .

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. durch seinen Vertreter aus:

"Der gegenständliche Bescheid wird in seinem gesamten Umfang angefochten. Der Beschwerdeführer wird hinsichtlich der Abgabenschuldigkeiten der Firma X.GmbH FN 321 zur Haftung herangezogen.
Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Firma
x.GmbH[richtig: X.GmbH] seit 2010 keine Geschäftstätigkeit mehr ausführt.
Der gegenständliche GmbH Mantel wurde an Herrn
g2[richtig: G2] aus Wiener Neustadt übertragen.
In weiterer Folge wurde die Gesellschaft am aus dem Firmenbuch gelöscht.

Der Geschäftsführer und Beschwerdeführer konnte die gegenständlichen Zahlungen in Folge mangelnder Betriebseinnahmen nicht begleichen.

Wie bereits ausgeführt, wird auch Verjährung eingewandt.
Die Finanzbehörde führt selbst aus, dass die in Haftung gezogenen Beträge aufgrund einer Lohnsteuerprüfung mit Bescheiden vom festgesetzt wurden. Gegen diese Bescheide wurde am eine Beschwerde eingebracht, welche der Behörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt wurde. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde, wie richtig ausgeführt, ein Antrag gem. § 212a BAO gestellt und auch bewilligt.

Mit Bescheid vom wurde die Aussetzung des strittigen Betrages gem. § 212a BAG [richtig: BAO] bewilligt. Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom die Beschwerde vom für gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt. Der Ablauf der Aussetzung wurde mit Bescheid vom verfügt. Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Abweisung der Beschwerde nicht mehr rechtmäßig erfolgte, zumal diese nicht mehr der Beschwerdeführerin zugestellt werden konnte, zumal diese zu diesem Zeitpunkt amtswegig gelöscht war. Also entfaltet auch der Bescheid über die Aussetzung der Einhebung keine Rechtswirkung mehr.
Da es sich sowohl beim Beschluss des Bundesfinanzgerichtes als auch beim Bescheid über den Ablauf der Aussetzung um Nichtbescheide handelt, entfalten diese keine Rechtswirkung und ist sehr wohl die Verjährung eingetreten.

Zusammenfassend wird daher der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den gegenständlichen Bescheid aus dem Rechtsbestand nehmen."

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Zur vorgebrachten Verjährung wurde ausgeführt, diese sei unter anderem während des Zeitraumes gehemmt, in dem die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt sei. Die Wirkung der Hemmung bestehe für die Zeitspanne zwischen Bewilligung und Ablauf der Aussetzung der Einhebung. Diese sei anspruchsbezogen, bestehe also nicht nur gegenüber der Primärschuldnerin, sondern auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen. Die Lohnabgaben seien vom bis gemäß § 212a BAO ausgesetzt gewesen; Verjährung sei daher nicht eingetreten.

Mit dem Schriftsatz vom beantragte der Bf. ohne weitere Ausführungen die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde vom Vertreter des Bf. ergänzend ausgeführt, die Höhe der Lohnabgaben werde im Haftungsverfahren nicht bestritten.

Vom Finanzamt vorgelegt wurde der Amtsvermerk im Einbringungsakt der X.GmbH vom . Dieser lautet: "Rückstand am E-Konto laut 68.510,27 Euro, Einbringungsmaßnahmen erfolglos, daher Haftungsverfahren derzeit nicht zielführend."

Nach dem Vorbringen der Vertreterin des Finanzamtes betraf der Amtsvermerk nur die offene Umsatz- und die Körperschaftsteuer, die in der Folge bei der Gesellschaft gelöscht wurden, da die Lohnabgaben zu diesem Zeitpunkt nach wie vor ausgesetzt waren.

Vom Vertreter des Bf. wurde der im Schuldenregulierungsverfahren des Bf. ergangene Beschluss des BG G vom , 345, vorgelegt, in dem der zwischen dem Bf. und seinen Gläubigern abgeschlossene Zahlungsplan mit einer Quote von 11% bestätigt wurde. Der Bf. gab an, die Quotenzahlung habe ca. 46.000 € ausgemacht; das Geld habe er von seinem Vater erhalten.

Der Vertreter des Bf. führte dazu aus, dass die Haftungsbeträge in das Insolvenzverfahren des Bf. einbezogen hätten werden müssen und er für diese maximal im Ausmaß von 11 % wie für die Verbindlichkeiten der übrigen Gläubiger hafte. Es handle sich um Abgabenansprüche, die bereits 2005 und 2006 auch gegenüber dem Bf. latent entstanden seien.
Laut Vermerk des Finanzamtes vom seien im Februar 2015 Einbringungsmaßnahmen erfolglos geblieben. Auch wenn das nur für die Umsatz- und Körperschaftsteuer gegolten habe, sei klar gewesen, dass auch die Lohnabgaben uneinbringlich seien. Das Finanzamt hätte daher die Aussetzung der Einhebung widerrufen müssen.

Die Richterin verwies im Zuge der Diskussion über das Ermessen auf das Erkenntnis des , wonach ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld bzw. zwischen der Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Gesellschaft und der Erlassung des Haftungsbescheides im Zuge der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei. Als weiterer Gesichtspunkt sei aber z.B. auch die Schwere des Verschuldens des Geschäftsführers an der Nichteinbringung der Abgaben zu berücksichtigen. Diesbezüglich wurde auf die Feststellungen im Lohnsteuerbericht vom verwiesen, wonach im Zuge einer KIAB-Kontrolle festgestellt wurde, dass für das Geschäftsführerentgelt des Bf. weder Dienstgeberbeitrag noch Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag abgeführt wurde und Dienstnehmer in einem zeitlich weitaus höheren Zeitausmaß tätig waren, als es ihrer Anmeldung entsprach, was eine vorsätzliche Abgabenverkürzung naheliegend erscheinen lasse.

Der Vertreter des Bf. führte dazu aus, das Verschulden des Bf. wiege nicht schwer, weil die Aussagen der befragten Personen nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Bei der Erhebung der abgabenerheblichen Tatbestände durch die KIAB seien Auskunftspersonen befragt worden, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Ein Dolmetsch sei der Befragung nicht beigezogen worden. Dass der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Geschäftsführerbezug nicht abgeführt wurde, sei nicht dem Bf. anzulasten, da dieser einen Lohnverrechner beschäftigt habe.
Bei der Ermessensentscheidung wäre auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft vermögenslos ist, was durch die Löschung im Firmenbuch nach § 40 FBG bestätigt werde. Auch der Bf. selbst sei quasi vermögenslos; diesbezüglich werde auf das durchgeführte Schuldenregulierungsverfahren verwiesen. Er habe auch von 2015 bis dato kein Vermögen anschaffen können. Dazu ergänzte der Bf., er verdiene monatlich 2.100 € und sei für ein neunjähriges Kind sorgepflichtig.

Die Vertreterin des Finanzamtes führte aus, nach der Rechtsprechung des VwGH folge aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Bei der Ermessensübung sei daher im Fall eines endgültigen Abgabenausfalls den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen des Bf. der Vorrang zu geben. Die angedeutete Nichteinbringung der Haftungsschuld beim Bf. sei bei der Haftungsinanspruchnahme nicht von Bedeutung.
Beantragt wurde die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

Der Vertreter des Abgabepflichtigen beantragte die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Verjährung

Der Bf. machte hinsichtlich der Lohnabgaben 2005 und 2006 in der Vorhaltsbeantwortung vom und in der Beschwerde vom den Einwand der Verjährung geltend.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen (§ 238 Abs. 2 BAO).

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO verjährt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, innerhalb von fünf Jahren.
Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO).
Bei Steuerabzugsbeträgen entsteht der Abgabenanspruch im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte (
§ 4 Abs. 2 Z 3 BAO).
Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr.

Nach diesen Bestimmungen begann die Festsetzungsverjährungsfrist der Lohnabgaben 2005 und 2006 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstand. Da die steuerabzugspflichtigen Einkünfte in den Jahren 2005 und 2006 zuflossen, begann die Verjährungsfrist somit Ende 2005 bzw. Ende 2006 zu laufen und verlängerte sich infolge der im Jahr 2008 durchgeführten Lohnsteuerprüfung um ein Jahr (theoretisch bis Ende 2011 bzw. Ende 2012).

Gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO ist die Verjährung gehemmt, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist.

Die antragsgemäße Bewilligung der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO erfolgte unbestritten mit der Erlassung des Bescheides vom .
Die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung erfolgte mit der Erlassung des Bescheides vom (siehe § 212a Abs. 4 lit. c BAO).
Die Verjährungsfrist war daher von September 2008 bis Juli 2019 gehemmt.

Der vom Finanzamt am an den Beschwerdeführer gerichtete Vorhalt betreffend die Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger stellt eine die Einhebungsverjährung unterbrechende Amtshandlung dar, die die ab Juli 2019 nach dem Wegfall der Hemmung weiter laufende Einhebungsverjährung unterbrach, so dass diese gemäß § 238 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres 2020 neu zu laufen begann. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides am war die Einhebungsverjährung der Lohnabgaben 2005 und 2006 daher nicht eingetreten.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Ablaufbescheides der Aussetzung der Einhebung am war die X.GmbH im Firmenbuch bereits wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, weshalb der Bescheid der Primärschuldnerin nicht mehr zugestellt werden konnte.
Die Aussetzung der Einhebung der Abgaben war aber jedenfalls bis zur Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch am aufrecht, sodass auch unter der Annahme, die Aussetzung der Einhebung erlösche mit der Beendigung der Gesellschaft, die Einhebungsverjährungsfrist nicht eingetreten ist.

Die Rechtsansicht des Vertreters des Bf. in der Beschwerde, die Verjährungsfrist sei eingetreten, weil der Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom mangels Rechtsfähigkeit der Primärschuldnerin nicht zugestellt werden konnte, kann nicht gefolgt werden, weil in diesem Fall die Aussetzung der Einhebung trotz Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach wie vor aufrecht wäre.

Ein derartiger Fall lag auch dem Erkenntnis des , zu Grunde. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes kann der Haftende im Fall der Auflösung der Gesellschaft von vornherein und allein zur Leistung herangezogen werden. Seiner Heranziehung steht auch nicht entgegen, wenn die weitere Verfolgung des Anspruchs gegenüber der Gesellschaft infolge ihrer Vollbeendigung während eines Beschwerdeverfahrens scheitert. Eine an die Gesellschaft zu richtende Ablaufverfügung der Aussetzung der Einhebung, die infolge ihrer Beendigung nicht mehr zugestellt werden kann, ändert daran nichts.

Schuldenregulierungsverfahren des Bf.

Der Vertreter des Bf. brachte in der mündlichen Verhandlung vor, die Haftungsschuld wäre vom Finanzamt bereits in das im Jahr 2015 durchgeführte Schuldenregulierungsverfahren des Bf. einzubeziehen gewesen, weil die Abgabenschuld bereits in den Jahren 2005 und 2006 (auch) gegenüber den Bf. entstanden ist. Der Bf. hafte daher maximal im Ausmaß der in diesem Verfahren zwischen Gläubigern und Schuldner vereinbarten 11 %igen Quote für die Haftungsschuld.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Abgabenrechtliche Haftungen setzen den Bestand einer Abgabenschuld voraus. Wäre die Haftungsschuld nicht gültig entstanden oder wäre sie bereits erloschen, wäre eine Geltendmachung der Haftung nicht möglich.
Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär (der Haftungspflichtige kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Abgabe beim Hauptschuldner uneinbringlich ist) und akzessorisch (die Haftung besteht nicht für mehr und kann nur in einer Höhe begründet werden, die auch der Hauptschuldner leisten muss (siehe die Ausführungen im VwGH-Erkenntnis vom , 2013/16/0200).

Persönliche Haftungen - wie die Haftung nach § 9 BAO - werden durch die Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht.
Der Haftungsbescheid wirkt insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird (z.B. ).

Der Abgabenanspruch der Lohnabgaben war daher in den Jahren 2005 und 2006 entstanden, eine Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenschuld bestand für den Bf. aber erst nach der Erlassung des Haftungsbescheides vom (Fälligkeit ein Monat ab Zustellung des Bescheides, siehe Bescheidspruch). Erst durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde der Bf. (Gesamt-) Schuldner der Abgaben.

Eine Anmeldung der Haftungsschulden im Schuldenregulierungsverfahren des Bf. im Jahr 2015 war für das Finanzamt daher nicht möglich.

Dem Einwand des Bf., das Finanzamt hätte im Februar 2015 - nach der Feststellung der Uneinbringlichkeit der nicht ausgesetzten Abgaben der Gesellschaft - die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung widerrufen müssen, ist entgegen zu halten, dass die Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen betrifft, gemäß § 294 Abs. 1 lit. a BAO nur zulässig ist, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind.

Im Unterschied zu Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO), bei denen eine Gefährdung der Einbringlichkeit einer Bewilligung entgegensteht, ist die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO grundsätzlich auch zulässig, wenn die Einbringlichkeit der Abgabe gefährdet ist.

Gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Ein der Aussetzung nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO entgegenstehendes Verhalten des Abgabepflichtigen läge z.B. im Fall des Verkaufs von Mitunternehmeranteilen, des Verkaufs von Wirtschaftsgütern, der Übertragung des Vermögens an nahe Angehörige oder an eine Stiftung, etc. vor. Die - unentgeltliche - Übertragung der Gesellschaftsanteile durch den Bf. an G2 erfolgte erst im Jahr 2017 und somit zwei Jahre nach der Beendigung des Schuldenregulierungsverfahrens. Ein Widerruf der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung hätte daher, abgesehen davon, dass die GmbH nach dem Vorbringen in der Vorhaltsbeantwortung vom seit März 2009 keine Geschäftstätigkeit mehr ausübte und nur mehr als "Mantel" existierte, weshalb von einer "Vermögens"verschiebung nicht ausgegangen werden kann, vom Finanzamt rechtskonform im Jahr 2015 nicht erlassen werden können.

Das Finanzamt hatte daher weder die Möglichkeit noch die Veranlassung, den bewilligenden Aussetzungsbescheid zu widerrufen. Ein (Mit-) Verschulden der Abgabenbehörde am Umstand, dass der Haftungsbescheid erst nach der Löschung der GmbH - gemäß § 212a Abs. 5 BAO ist der Ablauf der Aussetzung nur anlässlich einer (eines) über die Beschwerde ergehenden Beschwerdevorentscheidung oder Erkenntnisses oder anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung möglich - erging, und die Haftungsschuld daher nicht schon im Jahr 2015 durchgeführten Insolvenzverfahren des Bf. angemeldet wurde, liegt nach der Aktenlage nicht vor.

Vertreterstellung

Nach der Aktenlage war der Bf. vom Datum4 bis Datum2 und daher im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH (Auszug aus dem Firmenbuch FN 321).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().
Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum3 gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN 321), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Höhe der verfahrensgegenständlichen Abgaben

Dem Haftungsbescheid lagen die Haftungs- und Abgabenbescheide betreffend die Lohnabgaben 2005 und 2006 bei.
Geht einem Haftungsbescheid (nach § 9 BAO) ein Abgabenbescheid - oder betreffend Lohnsteuer ein Haftungsbescheid nach § 82 EStG 1988 - voraus, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid (bzw. den Haftungsbescheid nach § 82 EStG 1988) zu halten. Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (, mwN).
Das Finanzamt war somit hinsichtlich der Höhe der Abgabenbeträge im angefochtenen Haftungsbescheid an die im Haftungs- und Abgabenbescheid vom festgesetzten Abgaben gebunden.

Eine Beschwerde gegen die Abgabenbescheide wurde vom haftungspflichtigen Bf. nicht erhoben (siehe § 248 BAO sowie die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom ). Die Höhe der Lohnabgaben wird nach den Ausführungen des Rechtsvertreters des Bf. in der mündlichen Verhandlung im Haftungsverfahren nicht bestritten.

Da im gesamten Verfahren (Vorhaltsbeantwortung, Beschwerde, mündliche Verhandlung) auch eine Gläubigergleichbehandlung nicht behauptet wurde, ist eine Aufgliederung der Abgabenschuldigkeiten nach den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten im Spruch des Haftungsbescheides nicht geboten (siehe ).

Lohnsteuer

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen.
Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).
In Bezug auf die Lohnsteuer bedarf es daher keiner Gleichbehandlungsberechnung.

Die Lohnsteuer entsteht nicht erst im Zeitpunkt der Nachforderung, sondern im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO).
Bei Selbstberechnungsabgaben ist für die Frage, ob die Gesellschaft über Mittel für die Abgabenentrichtung verfügt hat, bereits der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären ().
Dass der Bf. laut seinem Vorbringen in der Beschwerde die Nachforderungen in Folge mangelnder Betriebseinnahmen im Zeitpunkt der "Nachforderung" der Lohnabgaben nicht begleichen konnte, ist für die Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Haftender daher nicht maßgeblich.
Die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. liegt nicht darin, die Abgabennachforderungen (infolge Einstellung der Geschäftstätigkeit im Jahr 2009/2010) nicht entrichtet zu haben, sondern darin, dass die Abgaben nicht im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet wurden.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Für die übrigen Abgaben (im vorliegenden Fall Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Haftung des Vertreters nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre.
Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).

Ein Nachweis, ob dem Bf. ausreichende Mittel zur Abgabenentrichtung fehlten bzw. ob sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt wurden, wurde vom Bf. trotz Aufforderung im Vorhalt vom und ausführlicher Darlegung der Rechtslage im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung ebensowenig erbracht wie die Berechnung des Betrages, der - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.
Eine monatliche Aufschlüsselung der Haftungsbeträge erfolgte vom Finanzamt in der Begründung des Haftungsbescheides vom , sodass der Vorlage einer monatlichen Berechnung der Gleichbehandlung aller Gläubiger durch den Bf. grundsätzlich nichts im Wege gestanden wäre.
Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der gegenständlichen Abgaben ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal die damalige Geschäftstätigkeit jedenfalls den Einkauf von Waren, die Bezahlung der Betriebskosten sowie die Ausbezahlung von Löhnen erforderte.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Hat der Geschäftsführer im Haftungsverfahren nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis in Bezug auf die Abgabenentrichtung erbracht, kann die Behörde schon deshalb eine die Inanspruchnahme zur Haftung rechtfertigende schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Dass die Lohnabgaben bei der Auszahlung der Löhne nicht korrekt einbehalten wurden, ergibt sich aus den Feststellungen im Lohnsteuerbericht vom .

Demnach handelt es sich bei den Nachforderungen der Jahre 2005 und 2006 u.a. um nicht abgeführte Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu Dienstgeberbeiträgen in Bezug auf das Geschäftsführergehalt des Bf., der seit Errichtung der Gesellschaft als wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer in deren betrieblichen Organismus eingegliedert war.
Nach der unmittelbar vor der Bestellung des Bf. zum Gesellschafter-Geschäftsführer der X.GmbH ergangenen und große mediale Aufmerksamkeit verursachte Rechtsprechung des , wurden für den Bereich der Lohnnebenkosten (Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Kommunalsteuer) wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer als Dienstnehmer qualifiziert.
Der Ansicht des Vertreters des Bf. in der mündlichen Verhandlung, der Bf. habe sich für die Lohnverrechnung der Gesellschaft eines Lohnverrechners bedient und sei daher an der Nichtabfuhr der gegenständlichen Abgaben schuldlos, kann nicht gefolgt werden.

Als schuldhaft im Sinne der Bestimmung des § 9 BAO gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037).
Rechtsunkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren. Die Betrauung Dritter mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten befreit den Geschäftsführer nicht von seiner Verantwortung, für eine rechtzeitige und richtige Entrichtung der bei der Gesellschaft anfallenden Abgaben Sorge zu tragen. Dritte sind zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass dem Geschäftsführer Steuerrückstände verborgen bleiben Unterbleibt die Überwachung - eine solche wurde im vorliegenden Fall nicht behauptet - liegt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor (siehe ).

Weiters fielen laut Lohnsteuerbericht vom Nachforderungen an Lohnabgaben an, weil Dienstnehmer mit einer niedrigeren Stundenanzahl pro Woche angemeldet waren als diese tatsächlich geleistet hatten (betraf die Dienstnehmer D1 und D2), sowie die Dienstnehmer D3 und D4, für die keinerlei entsprechende Arbeitsaufzeichnungen vorgelegt werden konnten.
Auch wenn in der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, die nicht Deutsch sprechenden Auskunftspersonen seien falsch verstanden worden, ist das Nichtvorliegen von Stundenaufzeichnungen ein Hinweis auf nicht offiziell abgerechnete Arbeitszeit. Auch die Feststellung des Prüfers, dass der Dienstnehmer D3 als Abwäscher in der angemeldeten Stundenzeit einen Stundenlohn von 24 € bezog, ist nicht nachvollziehbar und mit Unkenntnis in buchhalterischen Belangen nicht begründbar.
Ein im Zuge der Ermessensentscheidung zu Gunsten des Bf. zu berücksichtigender minderer Grad des Verschuldens an der Nichtabfuhr der Lohnabgaben ist aus den Feststellungen im Lohnsteuerbericht daher nicht ableitbar.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Zu den Ausführungen zur geltend gemachten derzeitigen schlechten Einkommens- und Vermögenslage des Bf., die eine Einbringlichkeit der Haftungsschuld als zweifelhaft darstellen, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wirtschaftliche Lage eines Haftungspflichtigen in keinen erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht ().
So kann die Haftung auch nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (). Dem Vorbringen des Finanzamtes ist daher zuzustimmen, dass die wirtschaftliche Lage des Bf. im Zuge der Ermessensentscheidung unmaßgeblich ist.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist jedoch ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Ein solcher Umstand liegt hier vor, wurden doch Lohnabgaben der Jahre 2005 und 2006 erst mit dem Haftungsbescheid vom geltend gemacht. Eine Berücksichtigung des langen Zeitabstandes zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld und der Haftungsinanspruchnahme wurde vom Finanzamt im Zuge der Ermessenentscheidung nicht berücksichtigt.
Um der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung zu tragen, wird die Haftungsinanspruchnahme auf 50% der ursprünglichen Haftungsschuld herabgesetzt.
Eine weitere oder gänzliche Abstandnahme von der Haftung konnte angesichts des nicht nur geringfügigen Verschuldens des Bf., wie oben ausgeführt, nicht in Erwägung gezogen werden.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage für jede Partei: Niederschrift vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100414.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at