Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2021, RV/3100154/2018

"Änderung der Verhältnisse" iZm Vorsteuerberichtigung gem. § 12 Abs. 10 UStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Umsatzsteuer 2012 Steuernummer Bf_StNr zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Beim Beschwerdeführer (Bf) wurde 2015 eine die Jahre 2007 bis 2012 umfassende Außenprüfung durchgeführt.

Die Betriebsprüferin traf unter anderem die Feststellung, dass die Vermietung der im Jahr 2004 erworbenen Wohnung Top x in Adr_Whg, im Jahr 2011 beendet worden sei. Im Sommer 2012 sei die A_Immo GmbH mit dem Verkauf der Wohnung beauftragt worden. Am sei die Wohnung um € 295.000,00 ohne Umsatzsteuer verkauft worden.

Anlässlich des Wohnungskaufs seien € 53.814,78 als Vorsteuer geltend gemacht worden. Mit der Bekanntgabe der Veräußerungsabsicht im Jahr 2012 sei eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 eingetreten und sei aus diesem Grund eine Vorsteuerberichtigung im Ausmaß von 3/10, also € 16.144,43 durchzuführen.

Auf Grundlage dieser Feststellung wurde mit Bescheid vom das Verfahren betreffend die Umsatzsteuer 2012 wiederaufgenommen. Mit gleichem Datum erging der Umsatzsteuerbescheid unter Berücksichtigung der Vorsteuerberichtigung gem. § 12 Abs. 10 UStG 1994 iHv € 16.144,43.

2. Die Beschwerde vom richtete sich sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den neuen Erstbescheid und wurde damit begründet, dass der Bf primär die Absicht gehabt habe, die Wohnung zu vermieten. Der Verkauf sei vorgenommen worden, da kein Mieter gefunden werden habe können. Der noch 2014 vorliegende Vermietungswille gehe aus einer Korrespondenz mit Frau D hervor. Zu einer Vermietung sei es dann jedoch nicht gekommen.

Eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 sei erst mit dem tatsächlichen Verkauf eingetreten.

3. Nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung am wurde am der Vorlageantrag gestellt. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Schreiben vom zurückgezogen.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (Bf) erwarb mit Kaufvertrag vom die Wohnung Top x an der Adresse Adr_Whg, um € 230.000,00 und machte in diesem Zusammenhang Vorsteuern iHv € 53.814,78 geltend.

Die Wohnung wurde ab 2005 umsatzsteuerpflichtig vermietet.

2. Zum kündigte die Mieterin M GmbH das Mietverhältnis. Im Sommer 2012 erteilte der Bf der A_Immo GmbH den Auftrag zum Verkauf der Wohnung. Auch über die B_Immo GmbH wurde der Verkauf der Wohnung ab 2012 betrieben.

3. Die Wohnung wurde mit Vertrag vom über Vermittlung der A_Immo GmbH an C verkauft. Im Jänner 2014 hatte eine Wohnungsbesichtigung mit einer Mietinteressentin stattgefunden.

4. Nicht festgestellt werden konnte, dass auch nach der Erteilung des Verkaufsauftrages an die A_Immo GmbH 2012 bis zum Verkauf 2014 eine ernsthafte Vermietungsabsicht bestanden hat und dahingehende Aktivitäten gesetzt wurden.

Festgestellt wurde, dass ab 2012 der Verkauf der Wohnung über zwei Immobilienmakler betrieben wurde. Es ist daher im Jahr 2012 eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 eingetreten.

III. Beweiswürdigung

1. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt und dem vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2. Mit Vorhalt vom wurde der Bf aufgefordert, seine in der Beschwerde behauptete primäre Vermietungsabsicht bis zum tatsächlichen Verkauf 2014 nachzuweisen.

Dieser Nachweis wurde in der Vorhaltsbeantwortung vom nicht angetreten. Es wurde lediglich behauptet, die Vermietungsabsicht sei im Vordergrund gestanden, wobei der Bf darauf vertraut habe, dass die auch bisher mit sämtlichen Angelegenheiten iZm der Vermietung der Wohnung betraute B Gruppe die nötigen Schritte zur weiteren Vermietung setzen werde.

Es wurde jedoch auch eingeräumt, die B_Immo GmbH habe rasch die Empfehlung ausgesprochen, auch den Verkauf der Wohnung zu überlegen. Damit habe der Bf in der Folge die A_Immo GmbH beauftragt, auch aufgrund von Druck seitens der finanzierenden Bank, den diese infolge des Leerstandes aufgebaut habe. Ein Verkauf habe jedoch nur stattfinden sollen, falls eine erfolgreiche Vermietung nicht mehr möglich gewesen wäre. Da 2012 ein rascher Verkauf nicht realistisch schien, habe der Bf seine Vermietungsaktivitäten noch verstärkt.

Das Vorbringen betreffend verstärkte Vermietungsaktivitäten konnte jedoch weder durch Inserate noch sonstige Unterlagen, beispielsweise Schrift- oder Mailverkehr mit Mietinteressenten, untermauert werden. Entsprechende Nachweise wurden weder im Verfahren vor der Abgabenbehörde, noch auf explizite Anforderung mit Vorhalt vom vorgelegt. Es wurde nicht einmal dargetan, welche Aktivitäten konkret vom Bf und der B_Immo GmbH gesetzt worden wären, die eine Vermietung der Wohnung zum Ziel gehabt hätten.

Demgegenüber sind mehrere Verkaufsinserate der B_Immo GmbH ab Oktober 2012 betreffend die Wohnung aktenkundig. Seitens der A_Immo GmbH wurde bereits gegenüber der Abgabenbehörde angegeben, nur mit dem Verkauf der Wohnung beauftragt worden zu sein. Gegenteiliges wurde im Übrigen vom Bf ohnehin nicht behauptet.

3. Der Kontakt mit Frau D hat erst im Jahr 2014 stattgefunden und ist nur zufällig zustande gekommen, also nicht auf etwaige Bemühungen des Bf zurückzuführen, einen Mieter für die Wohnung zu finden. Aus der Bestätigung von Frau D, dass ihr die Wohnung, 2014 zur Miete angeboten worden sei, lässt sich somit für den Bf nichts gewinnen.

4. Das Vorbringen, es sei vom Bf selbst und der B_Immo GmbH (primär) versucht worden, die Wohnung wiederum einer Vermietung zuzuführen, ist somit insgesamt nicht glaubhaft. Es ist für das Bundesfinanzgericht nicht plausibel, weshalb keinerlei Belege für derartige Bemühungen, welche sogar vorrangig vor den Verkaufsbemühungen erfolgt sein sollen, existieren, wohingegen der angestrebte Verkauf der Wohnung durch umfangreiche Unterlagen nachgewiesen ist.

Es ist daher davon auszugehen, dass eine Vermietungsabsicht jedenfalls ab 2012 nicht mehr bestanden hat. Der einzige belegte Kontakt zu einer potentiellen Mieterin ist nur zufällig entstanden und beweist für sich allein keinesfalls eine ernsthafte Vermietungsabsicht.

IV. Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF BGBl I 2013/14 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Wiederaufnahmebescheid verweist in seiner Begründung auf die der Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmenden Feststellungen der Außenprüfung. Die Niederschrift bzw. der Bericht vom verweisen zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer unter dem Punkt "Prüfungsabschluss" auf die in den Textziffern 1, 2 und 3 getroffenen Feststellungen.

Textziffer 3 betrifft die "Vorsteuerrückrechnung Whg". Darin legte die Prüferin den Sachverhalt zusammengefasst dar und führte eine rechtliche Würdigung durch aufgrund welcher sie zu dem Schluss kam, dass eine Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG vorzunehmen sei. Eine solche sei vom steuerlichen Vertreter nicht durchgeführt worden.

Damit hat die Prüferin in der Niederschrift bzw. im Prüfungsbericht ausreichend dargetan, welche neu hervorgekommene Tatsache zur Wiederaufnahme des Verfahrens geführt hat.

2. Gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung ist, wenn sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse ändern, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.
Bei Grundstücken iSd § 2 GrEStG 1987 tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neun Kalenderjahren.
Bei der Berichtigung ist bei Grundstücken für jedes Jahr der Änderung von einem Zehntel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen.

Die Ursachen der Änderung der Verhältnisse sind unerheblich. In erster Linie geht es um Änderungen, die durch einen Willensakt des Unternehmers ausgelöst werden (Änderung der Zuordnung, Option für Steuerpflicht u dgl).
Die Änderung muss innerhalb des Berichtigungszeitraums eintreten. Entscheidend ist die tatsächliche Änderung der Verwendung; die Absicht einer solchen reicht nicht aus. Wird die Absicht durch bindende Vereinbarungen konkretisiert, liegt jedoch eine Änderung vor. (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) zu § 12 UStG Rz 296 und 297 mwN)

Auf die in der genannten Kommentarstelle zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/13/0070, stützt sich die Abgabenbehörde bereits im Betriebsprüfungsbericht, aber auch in der Beschwerdevorentscheidung. Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass sich die ursprüngliche Absicht der errichtenden Wohnbaugesellschaft, die Wohnungen steuerfrei zu verkaufen, noch während der Errichtung änderte, und in der Folge Nutzungsverträge mit künftigen Mietern abgeschlossen wurden. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete die Absichtsänderung vom steuerfreien Verkauf hin zur steuerpflichtigen Vermietung als nach außen hin durch den Abschluss der Nutzungsverträge jedenfalls erkennbar und verbindlich. Eine Änderung der Faktoren iSd Art. 20 der Sechsten MwSt-RL und der Voraussetzungen iSd § 12 Abs. 11 UStG 1994 sei damit eingetreten.

In seiner Entscheidung vom , 2005/15/0069, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass im Fall einer über Jahre vermieteten Immobilie, für die es nach Kündigung durch den Mieter dem Vermieter, der laufende Vermietungsbemühungen gesetzt hat, nicht möglich war, weitere Mieter zu finden, eine Vermietungsabsicht erst dann nicht mehr gegeben sei, wenn die Bemühungen um das Erlangen von Mietern objektiv erkennbar beendet werden.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies:
Die Vermietungstätigkeit wurde nach Kündigung durch die Mieterin M GmbH beendet; dass in der Folge jedenfalls ab 2012 weiterhin die Absicht bestanden hat, die Wohnung zu vermieten, konnte nicht festgestellt werden.

Demgegenüber bestand jedenfalls ab 2012 die nach außen klar zutage getretene Absicht, die Wohnung zu verkaufen (vgl. oben Pt. III. dieses Erkenntnisses).

Es ist daher für den Beschwerdefall von einer Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 im Jahr 2012 auszugehen. Es war daher eine Vorsteuerberichtigung im Ausmaß von drei Zehntel der im Jahr der Anschaffung (2004) geltend gemachten Vorsteuern iHv € 53.814,78, das sind € 16.144,43, vorzunehmen.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war primär sachverhaltsmäßig zu beurteilen, wann die Verhältnisänderung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 eingetreten ist. Im Übrigen erging die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise

§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100154.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at