Erhöhte Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juli 2014 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin beantragte mit den Formblättern Beih 100-PDF und Beih 3-pdf am die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Laut Bescheid des Bundessozialamtes vom sei der Grad der Behinderung mit 70% ab festgestellt worden. Da somit keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr vorgelegen habe, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom, GZ RV/7102062/2017, dem Bescheid des Bundessozialamtes vom , dem Bericht der Kinderstation des Landeskrankenhauses Innsbruck vom , zwei Zeitungsartikeln zu den Vorgängen im Kinderheim ***2*** und der Vorlage einer Ersatzbestätigung über den Besuch der einjährigen Haushaltsschule am Sonderschulinternat ***2*** im Schuljahr 1984/85 die Durchführung der nach § 8 FLAG 1967 von Amts wegen durchzuführenden Untersuchung bzw. die Rückdatierung des Gutachtens betreffend ihrer Behinderung.
Mit der vom Finanzamt beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 angeforderten Bescheinigung vom wurde festgestellt, dass ein länger als drei Jahre andauernder Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH ab September 2016 und - ohne Nennung eines Zeitpunktes - eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorliege.
Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin unter Beifügung weiterer Unterlagen den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Erstellung eines neuerlichen fachspezifischen Gutachtens.
In ihrer Begründung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass das Gutachten von Dr. ***3*** zu verwerfen sei. Es sei in grundlegenden Aussagen massiv fehlerhaft, ignoriere vorliegendes Beweismaterial und verschweige bereits feststehende Tatsachen. Es habe sich offensichtlich niemand mit den Angaben in der nötigen intensiven und expliziten Form auseinandergesetzt. Dazu komme, dass Dr. ***4***, ein HNO-Arzt, ein psychiatrisches Gutachten vidiere, obwohl er dieses gar nicht beurteilen könne und dürfe. Dem Gutachter dürfte entgangen sein, dass der umfangreiche Clearingbericht die Gewalterfahrungen im Kinderheim ***2*** und in der Kinderbeobachtungsstation wiederspiegle. Dass ein Mensch derartige Zustände über Jahre hinweg unbeschadet überstehe, sei wohl nur im Betrachtungswinkel einer tendenziösen gutachterlichen Betrachtungsweise zu sehen.
Der Gutachter habe selbst festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zwischen 1978 und 1985, also über 7 Jahre, massivster Menschenrechtsverbrechen und diversen Straftatbeständen ausgesetzt gewesen sei. Dass die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt minderjährig gewesen sei, liege nicht nur in der Natur der Sache, sondern sei ein Faktum, dass der Gutachter offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine weitere Unzulänglichkeit des Gutachtens stelle die Aussage dar, dass die Beschwerdeführerin seit 2017 pensioniert sei. Sie sei aber nachweislich schon seit 2009 pensioniert.
Der Gutachter habe auch festgestellt, dass sich die Antragstellerin seit 2008 in psychiatrischer und seit vielen Jahren in psychotherapeutischer Behandlung befinde, psychopharmakologische Therapieversuche aber bisher ohne dauerhaften Erfolg geblieben seien. Wenn man die Zeiträume der Verbrechen 1978 - 1985 betrachte und der Gutachter dann feststelle, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst in Unterhalt zu verschaffen, mit der Anmerkung, dass die Beschwerdeführerin bis 2017 erwerbstätig gewesen sei, würden diese Aussagen keine logischen Denkansätze darstellen bzw. würden die Realität verfälschen.
Hätte sich der Gutachter pflichtbewusst nur ansatzweise mit den vorliegenden Unterlagen auseinandergesetzt, dann hätte er aus dem Sozialversicherungsauszug erkennen müssen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2017 nicht erwerbstätig gewesen sei. Die letzte Erwerbstätigkeit sei auf den Zeitraum bis zurückzuführen. Daher seien die Feststellungen des Gutachters Dr. ***3*** in seinem Gutachten substanzlos, weil sie allesamt von falschen Thesen und Fakten ausgehen würden.
Ein wesentlicher Eckpfeiler der falsch angegebenen Erwerbstätigkeit, die mit zur ablehnenden Begründung der Familienbeihilfe geführt hätten, seien somit objektiv und anhand des vorliegeden Beweismaterials widerlegt. Hätte Dr. ***4*** diese Angaben ordnungsgemäß überprüft, hätten ihm diese massiven Fehler auffallen müssen.
Dr. ***3*** zitiere das Gutachten der Kinderstation Innsbruck aus dem Jahr 1977, das Gutachten der Kinderstation vom fehle inhaltlich zur Gänze:
"Wir teilten zuerst die Meinung, dass sie möglicherweise in einer Normalschule zu fördern sei. Jedoch hat die längere Beobachtung mit Sicherheit ergeben, dass dies nicht der Fall ist. ***5*** versagt schon im Alltag in heikleren Situationen, die eine Bewältigung durch Denkprozesse verlangen. Sie lebt einfach kurzschlüssig in den Tag hinein und ist nicht imstande, aus ihren Erfahrungen abzuleiten.
Dies zeigt sich auch in den Intelligenztests, [bei denen sie] bei formalen und abstrakten Denkaufgaben nicht annähernd altersgemäße Resultate erbringt. Wir haben deshalb dazu geraten, ***5*** unter allen Umständen in der Sonderschule zu lassen.
Natürlich könne sie bei sehr gezielter Nachhilfe mit einigem […] Schulrückstand wohl auch in der Normalschule mitkommen, jedoch fürchten wir, dass bei einem Kind, das auch aus einer seelisch so belasteten Familie stammt, durch jede Überlastung eine ähnliche pathologische Reaktion ausgelöst und dadurch ein Lebensversagen provoziert werden könnte.
So scheint es uns der seelischen Gesundheit dieses Kindes viel zuträglicher zu sein, in einer Sonderschule eine durchschnittliche bis gute Entwicklung zu nehmen"
Dieses Gutachten zeige deutlich auf, welche Probleme die Beschwerdeführerin bereits 1978 hatte, hinzukommen würden noch die bereits anerkannten und manifestierten Menschenrechtsverbrechen an der Beschwerdeführerin, vollführt durch einen jahrelangen Kinderheimaufenthalt in ***2***. Eine Reaktion auf die nachgewiesenen Ereignisse sollte laut Dr. ***3*** erst 2017 eingetreten sein. Das sei weder fachlich und denklogisch begründbar, noch durch die Unterlagen erklärlich.
Das Wort Sonderschule beinhalte schon in der Bezeichnung, dass etwas nicht der Norm entspreche. Damit sei deutlich erkennbar, dass die Beschwerdeführerin schon als Minderjährige weder der Norm, noch den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprochen habe. Auch die vorliegende Unterlage des Besuchs des Haushaltskurses für leistungsschwache (leistungsbehinderte) Mädchen bestätige, dass die Beschwerdeführerin bereits als Minderjährige nicht im Stande gewesen sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Sozialversicherungsausdruck 1985 - 2005 beinhalte 22 Dienstverhältnisse, davon ein integrativer Betrieb über das Jugendamt Tirol für schwer vermittelbare Jugendliche und ein EU Förderungsprojekt von 1996 - 2000 beim Institut für Geotechnik.
Dies zeige deutlich die Schwierigkeiten der Antragstellerin auf und seien nach der gängigen Judikatur zur Familienbeihilfe als Arbeitsversuche zu werten, aber nicht als Beweis einer Arbeitsfähigkeit bis 2017, wenn das letzte Arbeitsverhältnis bereits 2005 nachweislich beendet worden sei.
Überdies entgingen dem Gutachter sämtliche Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt, die von der Sachverhaltsermittlungspflicht explizit nicht ausgenommen seien. Wenn bereits 2014. festgestanden sei, dass die Antragstellerin am Arbeitsplatz durch ihre Kindheitserfahrungen nicht einsetzbar gewesen sei, so schließe dies die Feststellung von Dr. ***3***, das die Antragstellerin erst seit 2017 arbeitsunfähig sei, denklogisch aus. Wenn eine Krankheit bereits 2014 chronifiziert und auf Kindheitserfahrungen zurückzuführen sei, schließe dies ebenfalls die weiteren Thesen des Gutachters denklogisch aus. Aus diversen Gutachten und Unterlagen ergebe sich, dass die Schädigungen aus dem Kinderheimaufenthalt ausreichlich dokumentiert seien und die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei ohne Behinderung in das erste Dienstverhältnis eingetreten, nicht haltbar sei.
Ebenso sei die Feststellung falsch, dass der GdB seit 09/2016 vorliege. Nachweislich sei der Behinderungsgrad von 70 % schon mit Bescheid vom , gültig ab Antragstellung , ausgewiesen worden.
Die Feststellung von Dr. ***3***, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst ab 2017 eingetreten sein solle, sei durch diverse Unterlagen fachspezifisch widerlegt worden. Auch die Zusammenhänge diverser Erkrankungen der Beschwerdeführerin und dem Kinderheim ***2*** seien denklogisch, fachspezifisch und mit Beweismitteln nachzuvollziehen.
Mit Verweis auf das Gz 2 Ob 221/18s, mit dem in einem Fall einer posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Unfall die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben worden seien, führte die Beschwerdeführerin außerdem an, dass es bei weitem nicht so sei, wie es Dr. ***3*** darstelle, dass bis 2017 eigentlich alles in Ordnung gewesen sei
Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf handschriftliche Unterlagen des ersten Arbeitgebers im Jahr 1985, aus dem hervorgehe, dass entweder die Familienbeihilfe weiterhin an den Arbeitgeber gegangen oder widerrechtlich vorenthalten worden sei. Wie aus den Unterlagen ersichtlich, sei aus der "Schulbildung" Haushaltsschule für leistungsbehinderte Mädchen eine Anstellung im Haushalt mit Mindestlohn bei Familie ***6*** entstanden. Diese Tatsache weise eindeutig auf eine bereits vorhandende Behinderung vor dem 18. bzw. 21. Lebensjahr hin, denn eine normale duale Lehrlings- oder andere Ausbildung habe nachweislich nicht stattgefunden.
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor, welches in der Folge mit Beschluss vom dem Finanzamt auftrug, beim Sozialministeriumservice unter Übermittlung sämtlicher vorgelegter Unterlagen ein neues Gutachten anzufordern, mit dem festgestellt werde, ab wann bzw. ob die Beschwerdeführerin bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wurde in der Folge Dr. ***7*** mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieses Sachverständigengutachten vom wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht.
In ihrer Stellungnahme machte die Beschwerdeführerin darauf aufmerksam, dass die Feststellung, dass "Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als drei Jahre andauern" mit "Nein" beantwortet worden sei, einen Irrtum darstelle. Den Grad der Behinderung sei schon von Dr. ***8*** am mit 70% als Dauerzustand anerkannt worden.
Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, dass durch die Bestätigung des Dr.***7***: "[Die Beschwerdeführerin] ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen", "Aus den Befunden geht eindeutig hervor, dass bereit vor Erreichen der Volljährigkeit eine psychische bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder Veränderung der Persönlichkeit sich entwickelt hat" und "Es ist eine psychische Erkrankung bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten" offensichtlich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe vorliegen würden.
Da aus dem Gutachten vom nicht klar hervorging, warum das Stadium der Erkrankung, die schlussendlich die Erwerbsunfähigkeit bewirkte, erst mit 09/2016 eingetreten sein soll, wurde das Gutachten zur Ergänzung dieses Punktes zurückgestellt. Gleichzeitig wurde auf die Abweichung zwischen dem vorliegenden Gutachten und dem Bescheid des Bundessozialamtes vom in Bezug auf den Zeitpunkt des Vorliegens des Gesamtgrades der Behinderung von 70 vH hingewiesen.
Der Gutachter ergänzte das Gutachten zur Frage der Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen in Form eines neuen Gutachtens dahingehend, dass bereits in der Adoleszenz durch die traumatischen Erfahrungen in Heimunterbringung und teilweise auch psychiatrischer Behandlung posttraumatische Belastungsbeschwerden bzw. andauernde Veränderungen der Persönlichkeit (im Sinne einer Persönlichkeitsstörung), die bis heute persistiert und Beschwerden verursache) aufgetreten seien. Die Betroffene sei seit 2017 in der Invaliditätspension, ab 2009 befristet, zuvor sei sie berufstätig gewesen. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass Einschränkungen durch die Erkrankung bereits seit der Jugendzeit bestanden haben, allerdings eine primäre Erwerbsunfähigkeit oder ein Eintritt derselben vor dem 18. oder dem 21. Lebensjahr nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen sei bzw. sich dieselbe nicht aus der beruflichen Anamnese ergebe.
In Ihrer hierzu abgegebenen Stellungnahme vom führte die Beschwerdeführerin unter Zitierung von Rechtsprechung, Auszügen aus dem Gutachten und Hinweis auf bereits vorgelegte Beweismittel aus, dass der Gutachter mit seinen Ausführungen, wonach aus den Befunden eindeutig hervorgehe, dass bereits vor Erreichen der Volljährigkeit eine psychiatrische Erkrankung bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung mit andauernder Veränderung der Persönlichkeit sich entwickelt habe und zu entsprechenden Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit, der Leistungsfähigkeit, der psychischen Stabilität und der sozialen Kompetenzen geführt habe, der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit c. FLAG 1967 erfüllt sei. Bestätigt werde dies auch durch das dem Akt beiliegende Schreiben der Bildungsdirektion vom September 2019, wonach die Beschwerdeführerin im Schuljahr 1984/85 an einem Haushaltungskurs für leistungsbehinderte Mädchen an der Allgemeinen Sonderschule in ***2*** teilgenommen habe. Anhand dieser unwiderlegbaren Beweismittel hätte der Gutachter die Rückdatierung bis mindestens 1984 vornehmen müssen, wenn er seiner Wahrheitspflicht nachgekommen wäre. Es werde daher der Antrag gestellt, die Rückdatierung des Grades der Behinderung mittels Auftrag an den Gutachter zu veranlassen.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Erwerbsfähigkeit im Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung eines Beamten führt die Beschwerdeführerin weiters aus, dass dem Tatsachensubstrat zu entnehmen sei, dass sie vor Vollendung der Volljährigkeit nicht in der Lage gewesen sei einer Beschäftigung nachzugehen, die Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei.
Der Gutachter Dr. ***7*** stelle fest, dass der Grad der Behinderung angeblich seit 09/2016 vorliege und nicht länger als drei Jahre andauern werde. Faktum sei, dass mit Bescheid vom der Grad der Behinderung seit Antragstellung am vorliege. Schon allein die Tatsache, dass vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Fertigung des Gutachtens von Dr. ***3*** am über 6 Jahre ins Land gezogen seien, zeige eindeutig, dass die Feststellung von Dr. ***7*** "… und wird nicht länger als 3 Jahre andauern", denklogisch und fachlich eindeutig nicht nachvollziehbar sei. Der Gutachter verweise auf das Vorgutachten von Dr. ***3*** ,übersehe aber gänzlich, dass Dr. ***3*** in seinem Gutachten vom die Fragestellung der länger als drei Jahre andauernden Behinderung bejaht habe. Warum Dr. ***7*** diese bereits feststehende Tatsache ignoriert habe, entziehe sich jedem logischen Denkansatz. Eine dahingehende Begründung sei auch nicht ersichtlich.
Das Gutachten gebe keinen Hinweis darauf, dass es seit Vollendung des 21. Lebensjahres zu einer Verschlechterung der Leiden gekommen sei. Das Gutachten begründe daher nicht schlüssig, wieso, wenn das seit Jugendjahren an bestehende Leiden eine selbständige dauerhafte Unterhaltsbeschaffung nicht möglich mache, eine voraussichtliche dauernde Erwerbsfähigket erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sein solle.
Der Grad der Behinderung liege nicht seit 09/2016 vor, wie der Gutachter fälschlich angebe, sondern nachweislich seit dem , wie der Bescheid vom des Bundessozialamtes beweise. Eine Rückdatierung sei in diesem Verfahren nicht beantragt worden, daher sei eine Rückdatierung auch nicht erfolgt. Dass der fertigende Gutachter offensichtlich nicht wisse, dass eine Rückdatierung in diesem Verfahren nur auf Antrag eingeleitet werde, sei offensichtlich auf mangelndes Rechtsverständnis zurückzuführen.
Die Aufgabe des Gutachters wäre dahingehend zu erledigen gewesen, da die vorliegenden Gutachten und Befunde bzw. die Bestätigung der Bildungsdirektion Tirol vom Besuch des "Haushaltungskurses für leistungsbehinderte Mädchen an der Allgemeinen Sonderschule in ***2***, eindeutig bestätigen würden, dass die Antragstellerin nachweislich für den ersten Arbeitsmarkt nicht geeignet gewesen sei, zu würdigen. Auch die Bestätigung vom des Kinder- und Jugendheimes ***10*** als integrativer Betrieb für schwer vermittelbare Jugendliche und lediglich unfallversichernder Praktikumsplatz, ignoriere der fertigende Gutachter zur Gänze. Von 1984 (Haushaltungskurs für leistungsbehinderte Mädchen) bis 1988 (***11*** - Integrativer Betrieb) sei nachweislich eine Anstellung am ersten Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen. Da erstaune es nach "state of art" oder "lege artis" doch, dass der fertigende Gutachter keine Rückdatierung der Behinderung vornehmen habe können.
Aus den Beschreibungen des Gutachters gehe eindeutig hervor, dass die Behinderung weit in die Jugend zurückführe. Warum die Behinderung dann nicht länger als drei Jahre andauern soll, erschließe sich nicht. Der Gutachter manifestiere selbst nicht nur eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit seit Kindheitstagen, könne aber nicht schlüssig erklären, warum eine Erwerbsfähigkeit erst ca. 30 Jahre später eingetreten sein solle. Abgesehen davon, sei dies sei laut Judikatur eine Rechtsfrage, würden Arbeitsversuche keine Bestätigung der Arbeitsfähigkeit bedeuten und die vorliegenden Gutachten, Befunde und Bestätigungen die Erwerbsunfähigkeit am ersten Arbeitsmarkt seit Kindheitstagen bestätigen.
Bezugnehmend auf den Sozialversicherungsauszug sei festzustellen, dass von 1985 bis 2005 19 Arbeitsstellen und 27 AMS-, Notstands-, Krankengeld/Sonderfall-, Beihilfen- und Überbrückungshilfebezüge ausgewiesen werden würden. Dies innerhalb von 20 Jahren der "Berufstätigkeit", also ein "jährlicher" Arbeitsplatzwechsel. Nach allen Regeln der Kunst stelle diese Tatsache klar, dass die Antragstellerin niemals in der Arbeitswelt Fuß fassen habe können, denn gehäufte Arbeitsplatzwechsel, die oft nur wenige Tage, Wochen und Monate andauerten, Krankenstände, AMS- und Notstandsbezüge samt teilweiser wochen- und monatelanger nicht versicherter Zeiten, seien wohl kaum als normaler Berufsverlauf zu bezeichnen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I.
Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Die Beschwerdeführerin, geboren am , ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 15 Jahren und befand sich vom bis in der Kinderstation des A.ö. Landeskrankenhauses in Innsbruck. Danach war sie bis 1985 im Sonderschulinternat ***2*** untergebracht und besuchte dort im letzten Jahr des Heimaufenthaltes (Schuljahr 1984/85) die damalige einjährige Haushaltungsschule. Sie ist anerkanntes Heimopfer (Klasnik-Kommission). Sie vollendete im Juni 1990 das 21. Lebensjahr und holte als 22jährige (1991) den Hauptschulabschluss nach. Im Jahr 2008 wurde mit einer Psychotherapie begonnen.
Mit Bescheid vom wurde vom Bundessozialamt mit Wirksamkeit gemäß § 3 Behinderteneinstellungsgesetz festgestellt, dass die Beschwerdeführerin dem begünstigten Behinderten angehört und der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung 70 vH betrage.
Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom wurde festgestellt, dass die vorübergehende Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege, weil die Wiederbegutachtung ergeben habe, dass die Arbeitsfähigkeit soweit herabgesunken ist, dass die Ausübung einer am allgemeinen Arbeitsmarkt noch bewerteten Tätigkeit voraussichtlich dauerhaft nicht mehr möglich sei und die Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien. In der Folge wurde mit Bescheid vom mit Wirksamkeit die dauernde Berufsunfähigkeitspension bewilligt.
Mit der Bescheinigung nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 vom wurde laut dem dieser zugrundeliegenden Gutachten vom der Gesamtgrad der Behinderung mit 70 vH ab 09/2016 und eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt, wobei bei letzterem der Eintrittszeitpunkt nicht ganz klar zum Ausdruck gebracht wurde.
Das Bundesfinanzgericht fasste daher den Beschluss, das Finanzamt zu beauftragen das Gutachten ergänzen zu lassen.
Vom Bundessozialamt wurde in der Folge der Gutachter Dr. ***7*** mit der Erstellung eines neuen Gutachtens beauftragt. Mit diesem Gutachten vom , ergänzt mit Gutachten vom , wurde aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung mittleren Grades mit anhaltender Veränderung der Persönlichkeit nach jahrelanger Extrembelastung, somit eine Traumafolgestörung mit fixierter Symptomatik und voraussichtlich dauernder Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wiederum ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH, beginnend mit 09/2016, festgestellt.
Begründend führte der Gutachter aus, dass bereits in der Adoleszenz durch die traumatischen Erfahrungen in Heimunterbringung und teilweise auch psychiatrischer Behandlung posttraumatische Belastungsbeschwerden bzw. andauernde Veränderungen der Persönlichkeit (im Sinne einer Persönlichkeitsstörung, die bis heute persistiert und Beschwerden verursacht) aufgetreten sind. Die Betroffene sei ab 2009 befristet und seit 2017 unbefristet in der Invaliditätspension und zuvor berufstätig gewesen. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass Einschränkungen durch die Erkrankung bereits seit der Jugendzeit bestanden haben, allerdings eine primäre Erwerbsunfähigkeit oder ein Eintritt derselben vor dem 18. oder dem 21. Lebensjahr nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen bzw. sich dieselbe nicht aus der beruflichen Anamnese ergebe.
Das Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustandes auf Basis des objektiv feststellbaren Sacherhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. zB -I/11).
Das Familienlastenausgleichsgesetz geht klar davon aus, dass die Behinderung kausal für das dauernde "außer Stande sein" sein muss und dieser Umstand vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein muss. Im gegenständlichen Fall somit spätestens während der Nachholung des Hauptschulabschlusses im Jahr 1991. Andere Gründe (wie zB mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitswilligkeit etc., dürfen für die Beurteilung ebensowenig herangezogen werden, wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach diesem Zeitpunkt.
Die Diagnostik von psychischen Erkrankungen stellt komplexe Anforderungen an den Unter-sucher. Gründe dafür sind beispielsweise unterschiedliche Ausprägungen, unterschiedliche Krankheitsverläufe, verschiedene psychische Krankheitsbilder. Die Festsetzung des Zeitpunktes, wann ein psychisch kranker Mensch erwerbsunfähig geworden ist, gestaltet sich daher oftmals schwierig. Viele Personen sind nämlich trotz ihrer psychischen Erkrankung mehr oder weniger lang berufstätig, auch wenn ihnen dadurch die Ausübung des Berufes schwerfällt. Typischerweise häufen sich bei psychisch kranken Menschen Krankenstände. Es wird erfahrungsgemäß auch der Dienstgeber meist häufiger gewechselt als dies bei nicht psychisch kranken Arbeitnehmern der Fall ist.
Im Beschwerdefall hat der Gutachter medizinische Feststellungen zu treffen, die rund 30 Jahre zurückliegen. Die Sachverständigen ziehen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. zur Festlegung des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit, neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heran. Hilfreich sind dabei vorallem Befunde aus dem maßgeblichen Zeitraum, die darauf schließen lassen, dass die Erkrankung bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. zutreffendenfalls während einer späteren schulischen Ausbildung, spätestens aber vor Vollendung des 25. Lebensjahres vorgelegen hat.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin die der Bescheinigung des Sozialministeriumservice zugrundeliegenden Gutachten vom und die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Ergänzung (erstellt in Form einer Neuerstellung am ) in Bezug auf die Frage, ob eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vorliegt, und bejahendenfalls, wann dieser Umstand eingetreten ist, als schlüssig, wenn unter den gegebenen Umständen der Gutachter den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit 09/2016 feststellt, dem Zeitpunkt also, zu welchem in der psychotherapeutischen Stellungnahme von ***1*** festgestellt worden ist, dass die Beschwerdeführerin den Belastungen einer Berufstätigkeit aufgrund multipler chronifizierter Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht gewachsen und nicht arbeitsfähig sowie die Wiedererlangung der vollen Leistungsfähigkeit unwahrscheinlich sei, was in der Folge zur Zuerkennung der dauernden Berufungsunfähigkeitspension führte.
Eine Unschlüssigkeit des Gutachtens vermag die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf den Besuch der Haushaltungsschule bzw. Haushaltungskurses für leistungsbehinderte Mädchen im Sonderschulinternat ***2*** im Schuljahr 1984/85 oder dem Bericht der Kinderstation des A. ö. Landeskrankenhauses Innsbruck vom , an der sie als 8jährige vom bis untergebracht war, nicht aufzuzeigen. Der Besuch einer Sonderschule ist nicht mit einer Erwerbsunfähigkeit gleichzusetzen. Das gleiche gilt für das Praktikum beim Kinder- und Jugendland des Vereines ***11***. Auch dem Bericht der Kinderstation ist keine zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende dauernde Erwerbsunfähigkeit zu entnehmen. Dieser empfiehlt lediglich die Beschwerdeführerin in einer Sonderschule zu fördern. Auch die Erlebnisse im Kinderheim ***2*** mögen zwar bei aller menschlichen Tragik (Mit-)ursache der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin sein, vermögen aber nicht das Ergebnis des Sachverständigengutachtens in Zweifel zu ziehen. Die Begründung des Gutachters, dass eine Erwerbsunfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden könne, wird auch dadurch gestützt, dass die Beschwerdeführerin sich laut der Anamnese erst 2008 und somit lange nach dem hier ausschlaggebenden Zeitpunkt in psychiatrische Behandlung begab.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass das Gutachten keinen Hinweis enthalte, dass sich das Leiden seit Vollendung des 21. Lebensjahres verschlechtert habe, ist ihr entgegen zu halten, dass der Gutachter eben diese Feststellung nicht mit ausreichender Sicherheit treffen kann, weil entsprechend aussagekräftige Befunde aus dieser Zeit fehlen. Auch mit dem Hinweis auf das Gz 2 OB 221/18s vermag die Beschwerdeführerin das Ergebnis des im gegenständlichen Fall maßgeblichen Gutachtens ebenso nicht in Zweifel zu ziehen. Dort geht es um die Zurechnung einer unfallbedingten Beeinträchtigung, die von der Vorinstanz verneint wurde und daher keine Feststellungen ob und in welchem Umfang die Arbeitsfähigkeit aufgrund der postraumatsichen Verbitterungsstörung die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt hat. Im gegenständlichen Fall geht es hingegen um die Frage, ob eine Behinderung bereits vor Vollendung eines bestimmten Alters ein derartiges Stadium erreicht hat, dass von einer dauernden Erwerbsunfähigkeit gesprochen werden kann. Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der leitende Arzt unabhängig von seiner Fachrichtung die Bescheinigung des Sozialministeriumservice fertigt. Die Bescheinigung ist aufgrund eines Sachverständigengutachtens eines Arztes der entsprechenden Fachrichtung erstellt worden.
Das bedeutet im Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin erst im Alter von 47 Jahren das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit attestiert worden ist.
Soweit die Beschwerdeführerin weiters rügt, dass im Gutachten der Zeitpunkt des Erreichens des Gesamtgrades der Behinderung mit 09/2016 ausgewiesen werde und die Aussage, der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern mit nein beantwortet wird, ist sie im Hinblick auf die diesen Punkt bereits bestehende Nachweise zwar im Recht. Der Grad der Behinderung hat aber, wie in den rechtlichen Erwägungen näher auszuführen sein wird, im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Relevanz. Die (nochmalige) Veranlassung einer Richtigstellung oder Nachreichung näheren Begründung der Abweichung konnte daher unterbleiben.
Rechtliche Erwägungen:
Gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. d und Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 138/2013, haben volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihren Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist,
und sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen (vgl. ).
§ 8 Abs. 4 bis 6 FLAG 1967 gilt nach § 8 Abs. 7 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist der Bezug der Familienbeihilfe somit Grundvoraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung. Auf den Grad der Behinderung kommt es bei der Beurteilung des Anspruches auf den Grundbetrag nicht an. Besteht also keine vor Vollendung des 21. bzw. zutreffendenfalls 25. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 19).
§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeit-punkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Es kommt somit weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. zuletzt wiederum ).
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist daher zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe erfüllt sind, somit, ob die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, spätestens 1991 eingetreten ist. In diesem Jahr hat die Beschwerdeführerin, welche im Juni 1990 das 21. Lebensjahr vollendete, nach dem Akteninhalt den Hauptschulabschluss nachgeholt. Dass bereits zum damaligen Zeitpunkt eine Erkrankung vorgelegen hat, wird weder vom Gutachter, noch von der Abgabenbehörde in Abrede gestellt.
Es ist Sache der Beschwerdeführerin, den Sachverständigen durch Vorlage entsprechender Beweismittel in die Lage zu versetzen, eine verlässliche Beurteilung für den für die gegenständliche Entscheidung relevanten Zeitpunkt abgeben zu können. Wie oben ausgeführt, liegt laut der aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens vom ausgestellten Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , welche der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde zu legen ist, eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst ab September 2016 vor und somit erst ab einem Zeitpunkt der (lange) nach dem maßgeblichen Zeitraum (1991) liegt.
Auch mit dem Vorbringen, dass nur eine Unterbrechung des Beihilfenbezuges vorliege, vermag die Beschwerdeführerin ihrem Anbringen nicht zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Unterbrechung des Anspruches bedingt einen vorher bestandenen Anspruch. An diesem fehlt es jedoch.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Grundbetrages an Familienbeihilfe nicht vor. Deshalb kann auch der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe nicht gewährt werden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Das Bundesfinanzgericht ist auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Entscheidung ergibt sich aufgrund des festgestellten Sachverhaltes unmittelbar aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100448.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at