Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit/feste Niederlassung eines "slowakischen Frächters"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Straße_SK, PLZ_SK Adr_SK, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer-Identifikationsnummer UID 2017, Steuernummer St_Nr, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. 2016 wurde betreffend die Beschwerdeführerin (Bf) sowie verschiedene andere Transportunternehmen mit statutarischem Sitz in der Slowakei Umsatzsteuersonderprüfungen gem. § 147 BAO durchgeführt. Infolge der von der Großbetriebsprüfung getroffenen Feststellungen wurde die Bf, für welche bis dahin auf der Grundlage des damals noch geltenden § 17 AVOG das Finanzamt Graz-Stadt aktenführendes Finanzamt war, ans Finanzamt Innsbruck abgetreten.
2. Vom Finanzamt Innsbruck wurde am der hier angefochtene Bescheid über die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nummer) erlassen.
3. In der Beschwerde vom wurde begehrt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Zuständigkeit für Mehrwertsteuerrückerstattungen wiederum dem Finanzamt Graz-Stadt zu übertragen.
4. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde nach Wiedergabe von Art. 44 MWStSysRL und Art. 10 DVO 282/2011 damit begründet, dass die Entscheidungsträger der Bf in Österreich ansässig seien und den Großteil der Arbeitsleistung in Österreich erbrächten, weshalb nach Ansicht der Finanzbehörde von einem Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich auszugehen sei. Die Zuständigkeit des Finanzamtes Innsbruck für die Ausfertigung einer UID-Nummer und der Veranlagung für Umsatz- und Körperschaftsteuer werde durch die Bestimmungen des AVOG 2010 begründet.
5. Im Vorlageantrag vom erfolgte kein weiteres Vorbringen.
II. Sachverhalt
1. Die Bf Bf wurde mit Gründungsurkunde vom gegründet. Der satzungsmäßige Sitz der Bf befindet sich an der Adresse Straße_SK, PLZ_SK Adr_SK, Slowakei. Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der Bf ist A B. (vgl. Gründungsurkunde, BFG-Akt S. 61 ff)
2. An der genannten Adresse befindet sich ebenfalls der Sitz der slowakischen Firma C S.r.o., welche laut, im Folgenden in den wesentlichen Teilen wörtlich wiedergegebener, Vereinbarung vom ab diesem Datum folgende Tätigkeiten für die Bf übernahm (vgl. BFG-Akt S. 37):
"- Bereitstellung einer Büroräumlichkeit an der angeführten Adresse
- Bereitstellung behördlich genehmigter LKW-Abstellplätze
- Übernahme aller Buchhaltungsarbeiten ink. Lohnverrechnung
- Termingerechte Abgabe aller Unterlagen bei allen zuständigen Behörden/Ämtern
- Erstellung und Überwachung der Faktura, Bankkonten und Zahlungswesen
- Bei Abwesenheit des Geschäftsführers alle anfallenden Boten- und Behördengänge
- Personalbereitstellung von MO-FR 08:00-12:00 Uhr und von 13:00-17:00 Uhr für Disposition/Dolmetscharbeiten/LKW-Einteilung
Weiters beinhaltet diese Vereinbarung jegliche Hilfestellung in allen steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten, im speziellen Hinweispflicht aller wichtigen Änderungen durch die slowakische Behörde."
Für diese Tätigkeiten stellt die C S.r.o. der Bf monatliche Pauschalrechnungen (vgl. Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 83).
Die bereitgestellte Büroräumlichkeit an der Adresse Adr_SK besteht in einem Schreibtisch in einem Großraumbüro (vgl. Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 103).
3. Die Bf verfügt über 10 LKWs (Zugmaschinen). Die Auflieger wurden/werden von der Firma A B bzw. der D GmbH angemietet. Für die LKW´s steht in der Slowakei ein bewachter Abstellplatz zur Verfügung. (vgl. Niederschrift v. , BFG-Akt S. 16 R)
4. Bei sämtlichen 14 Angestellten der Bf handelt es sich um LKW-Fahrer. Einer dieser Fahrer war bis Anfang 2016 auch für die Einteilung der für die Bf tätigen Fahrer zuständig. Seit Anfang 2016 wird die Fahrereinteilung von E F, einem der Geschäftsführer der C S.r.o., vorgenommen.
Buchhaltung und Lohnverrechnung für die Bf werden, entsprechend der oben wiedergegebenen Vereinbarung vom , von G F, einer Geschäftsführerin der C S.r.o., besorgt. (vgl. Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 83f)
5. Die Bf verfügt über ein Bankkonto bei der slowakischen SK_Bank und ein Bankkonto bei der Ö_Bank (vgl. Anfragebeantwortung an die GBP, BFG-Akt S. 30ff).
6. A B betreibt am Standort Ort_Ö, ein Transportunternehmen. Das nicht protokollierte Einzelunternehmen wurde mit Einbringungsvertrag vom zum Stichtag in die neu gegründete D GmbH (Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer: A B) eingebracht.
Am Unternehmensstandort in Ö verfügte A B bzw. die D GmbH über keine Sattelzugfahrzeuge, es waren 2017 jedoch 17 Sattelauflieger auf das Einzelunternehmen angemeldet. In Ö wurden Transportaufträge lukriert und an andere Transportunternehmen bzw. Subfrächter weitervermittelt. Von Ö aus wurden auch Transportaufträge für die Bf sowie insgesamt vier LKWs bei zwei weiteren Transportunternehmen disponiert. (vgl. Stellungnahmen vom , BFG-Akt S. 153 R u. 154 R)
7. Das Einzelunternehmen A B bzw. später die D GmbH waren bzw. sind die einzigen Auftraggeber der Bf (vgl. AV GBP über Besprechung am , BFG-Akt S. 27; Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 83 R).
8. An der Adresse in Adr_SK haben neben der Bf weitere Transportunternehmen ihren statutarischen Sitz, für welche die C S.r.o. ebenfalls Buchhaltungstätigkeiten übernimmt (vgl. Prüfbericht FA FA_SK bzw. Übersetzung, BFG-Akt S. 47; AV GBP, BFG-Akt S. 14f).
9. Nicht festgestellt werden konnte, dass es sich bei der Bf um einen ausländischen Unternehmer iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 handelt.
III. Rechtslage
1. Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. (…)
Auf dieser Grundlage erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird (Erstattungs-VO, BGBl. 279/2015 idgF).
Gemäß § 1 Abs. 1 dieser VO ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze iSd § 6 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 2. Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen,
ausgeführt hat.
2. Unionsrechtliche Grundlage für das Erstattungsverfahren ist die Richtlinie vom , 2008/9/EG, ABl. L 44/23.
Gemäß Art. 3 lit. dieser Richtlinie gilt sie für jeden nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen, der gem. lit. a leg. cit. folgende Voraussetzungen erfüllt:
Er hat während des Erstattungszeitraums im Mitgliedstaat der Erstattung weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von der aus Umsätze bewirkt wurden, noch hat er - in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung - dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort; (…)
Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ist gem Art 10 DVO 282/2011 (EU-Durchführungsverordnung 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2011 L 77/1) der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Zu berücksichtigen sind hierbei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort des satzungsmäßigen Sitzes des Unternehmens und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt. Kann anhand dieser Kriterien der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, nicht mit Sicherheit bestimmt werden, wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium (vgl auch , Planzer, Rn 61). (Ecker/Epply/Rößler/Schwab/Ecker/Epply/Rößler/Schwab, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994 (56. Lfg 2018) zu § 3a - Kommentierung Rz 239)
3. Die vom persönlichen Geltungsbereich der Erstattungs-VO umfassten Unternehmer dürfen im Lichte der unionsrechtlichen Vorgaben somit weder den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung haben, von der aus in Österreich Umsätze bewirkt werden (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 Tz 57/1).
Unter dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist der Ort zu verstehen, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden.
Nach einer auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gefestigten Rechtsprechung verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand. Daher setzt er einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. ()
Insbesondere ist bei einer Struktur, bei der es an eigenem Personal fehlt, keine Subsumtion unter den Begriff "feste Niederlassung" möglich (, Rz 42 mit Verweis auf , Rz 19).
IV. Beweiswürdigung/Erwägungen
1. Der oben dargelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der Abgabenbehörde vorgelegten Akteninhalt lt. Vorlagebericht bzw. den jeweils in Klammer angeführten Beweismitteln. Dazu ist anzumerken, dass die vom Bundesfinanzgericht an die Bf gerichteten Vorhalte jeweils erst nach Urgenzen und Fristerstreckungen beantwortet und die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Im Schreiben vom wurde überdies moniert, dass die Bf bereits im Prüfungsverfahren des Finanzamtes Graz Stadt und weiter im gegenständlichen Verfahren wiederholt und umfangreich Stellung genommen und Unterlagen vorgelegt habe. Es möge daher seitens des Bundesfinanzgerichtes geprüft werden, welche notwendigen Unterlagen bereits vorgelegt worden seien. Die angeführten Beweismittel stammen somit zT aus dem Prüfungsverfahren der Großbetriebsprüfung. Sie wurden der Bf iSd § 115 Abs. 2 BAO vor Ergehen dieser Entscheidung zur Kenntnis gebracht.
2.1. Aus der Beschwerdevorentscheidung vom und dem Vorlagebericht vom ist ersichtlich, dass die Abgabenbehörde davon ausging, der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bf befinde sich in Österreich. Begründet wurde dies damit, dass die Entscheidungsträger, im gegenständlichen Fall somit der Alleingesellschafter sowie einzige Geschäftsführer A B, in Österreich ansässig sei und hier den Großteil seiner Arbeitsleistung für die Bf erbringe.
Diese Ansicht der Abgabenbehörde stützt sich auf die Ermittlungen der Großbetriebsprüfung, deren Feststellungen zur Abtretung der ursprünglich beim FA Graz Stadt geführten Bf ans AVOG-Finanzamt Innsbruck führte. Mit Schreiben vom wurden der Bf im Rahmen des Parteiengehörs ua Unterlagen aus dem Arbeitsbogen der Großbetriebsprüfung vorgehalten. Den Aktenvermerken vom sowie vom maß die Bf in ihrer Stellungnahme vom besondere Beweiskraft bei, da sie zeitnahe nach einer Besprechung mit A B, dem Geschäftsführer der Bf, erstellt worden seien. Es werde im Aktenvermerk vom der Rechtsstandpunkt der Bf vollumfänglich bestätigt.
In diesem Aktenvermerk wurde festgehalten, dass nach Ansicht der Großbetriebsprüfung keine Briefkastenfirma vorliege, keine direkte Zurechnung an das österreichische Unternehmen erfolge und kein Missbrauchstatbestand iSd § 22 BAO vorliege, da durch die durch die Auslagerung erfolgte Kostenersparnis ein wirtschaftlicher Grund für diese Auslagerung vorliege. Diese Punkte führt die Bf in ihrer Stellungnahme vom ausdrücklich an, übersieht dabei jedoch die fehlende Relevanz dieser Punkte für das gegenständliche Verfahren.
Zu dem letzten in dem Aktenvermerk angeführten, für das Beschwerdeverfahren zentralen Punkt hat sich die Bf demgegenüber nicht geäußert: Demnach finde nach Ansicht der Großbetriebsprüfung die Willensbildung im Inland statt und sei daher für umsatzsteuerliche Zwecke eine Sitzverlegung nach Österreich mit Betriebstätte in der Slowakei vorzunehmen (vgl. BFG-Akt S. 28 R und 152f).
Beizupflichten ist der Bf, wenn sie demgegenüber der Stellungnahme der Betriebsprüferin der belangten Behörde vom nur eingeschränkte Relevanz beimisst. Diese Stellungnahme erfolgte auf Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes, die Prüferin möge jene "persönlichen Wahrnehmungen" zum Ort der Geschäftsleitung der Bf in Ö erläutern, welche sie lt. einer im Zuge der Vorlage der gegenständlichen Beschwerde im Juli 2019 in einer Mail an die zuständige Fachbereichsleiterin im FA Innsbruck ins Treffen geführt hatte. Aufgrund des zeitlichen Abstandes (die Prüferin war im November 2017 am Betriebsstandort in Ö) und aufgrund dessen, dass es sich bei den Wahrnehmungen letztlich nur um Vermutungen handelte (vgl. BFG-Akt S. 106 ff), wurde die Stellungnahme in der gegenständlichen Entscheidung nicht berücksichtigt.
2.2. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit befindet sich nach Art. 10 DVO 282/2011 an dem Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Zur Bestimmung dieses Ortes werden der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort des satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen.
Dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist dabei die geringste Beweiskraft beizumessen, da dieser grundsätzlich beliebig gewählt werden kann. So wurde auch seitens der Bf angegeben, die Gründung der Bf in der Slowakei sei aufgrund der dort niedrigeren Personalkosten erfolgt. Zuvor hätten hohe Personalkosten dazu geführt, dass A B (damals noch als Einzelunternehmer) Bankverbindlichkeiten nicht mehr bedienen hätten können, weshalb die Hausbank 2012 einen Schuldnachlass gewährt habe (Niederschrift v. , BFG-Akt S. 17).
Die Unternehmensleitung der Bf besteht ausschließlich aus dem Geschäftsführer A B, welcher unstrittig in Österreich ansässig ist und nur bei Bedarf in die Slowakei fährt. Der Ort, an dem "die Unternehmensleitung zusammenkommt", befindet sich somit in Österreich. Es entspricht der Lebenserfahrung anzunehmen, dass der allein entscheidungsbefugte Geschäftsführer und Alleingesellschafter alle grundsätzlichen Entscheidungen zunächst in Österreich trifft, und lediglich deren Umsetzung in Form von Vertragsunterzeichnungen udgl. in der Slowakei stattfindet.
Die Abgabenbehörde durfte daher aus den Ermittlungsergebnissen der Großbetriebsprüfung den Schluss ziehen, der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bf befinde sich in Österreich.
3.1. Es wurde gegenüber der (anwaltlich vertretenen) Bf seitens des Bundesfinanzgerichtes mehrfach, zuletzt mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom , dargelegt, dass im Beschwerdefall festzustellen ist, wo sich die Ansässigkeit der Bf iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 bzw. der EU-RL 2008/9/EG, somit der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit, befindet.
Der Nachweis, dass sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bf nicht am Ansässigkeitsort des Gesellschaftergeschäftsführers A B, sondern in der Slowakei befindet, dass also die Handlungen zur zentralen Verwaltung der Bf und die wesentlichen Entscheidungen zu deren allgemeinen Leitung am statutarischen Sitz vorgenommen bzw. getroffen wurden, wurde von der Bf nicht erbracht.
Aus dem Vorbringen der Bf ergibt sich vielmehr, dass - neben routinemäßig erfolgten Fahrten zu Kontrollzwecken - während der Aufenthalte in der Slowakei hauptsächlich Behördengänge sowie allenfalls das operative bzw. Tagesgeschäft eines Transportunternehmens betreffende Erledigungen erfolgten.
So wurde in der Vorhaltsbeantwortung vom ausgeführt, dass A B zweimal monatlich zur Kontrolle der gewöhnlichen Geschäftsabläufe bzw. zB auch zu Finanzamtserledigungen in der Slowakei aufhalte. Darüber hinaus fahre er in dringenden Fällen unverzüglich in die Slowakei, wo dann direkt die Entscheidungen getroffen würden (vgl. BFG-Akt S. 83).
Auf dezidierte Aufforderung, dringende Fälle, welche die Anwesenheit des Geschäftsführers vor Ort notwendig machten, detailliert und unter Vorlage aussagekräftiger Unterlagen bzw. Schriftverkehr darzulegen, wurde stichwortartig Folgendes aufgezählt: "LKW-Käufe/-Tüv/-Verkäufe/-An- und Abmeldungen; Bank- und Amtsgänge; Versicherungsabwicklungen/geschäfte; Abwicklung Fahrereinstellungen/schulungen; Besprechung Steuerberater/Jahresabschluss/Diverses; Operative Geschäftsgänge usw"
Eine Beibringung von Schriftverkehr bzw. Unterlagen unterbleibe, da sich die Notwendigkeit aus dem operativen Tagesgeschäft ergeben habe und die Anlassfälle beinahe ausschließlich telefonisch kommuniziert worden seien. Aus fallweise erfolgter elektronischer Kommunikation erhelle sich nicht die Dringlichkeit.
Der Aufforderung, die erforderliche Kontrolle der gewöhnlichen Geschäftsabläufe und die persönlich vom Geschäftsführer wahrgenommenen Behördengänge in ausführlicher und aussagekräftiger Form darzulegen, wurde ebenfalls nur durch stichwortartige Aufzählungen ("Kontrolle Buchhaltung/Zahlungsabwicklungen/Versicherungen" bzw. "Steuerberater/Finanzamt/Versicherungen/Bankgänge etc.") entsprochen. Hervorgehoben wurde lediglich, dass die Bf sämtlichen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachkomme, was persönlichen Einsatz des Geschäftsführers erfordere. (vgl. Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 102f)
Abgesehen davon, dass diese bloß stichwortartig aufgezählten Anlässe entgegen ausdrücklicher Aufforderung ohne jeden belegmäßigen Nachweis geblieben sind, stehen sie ausschließlich im Zusammenhang mit den im Rahmen des operativen Geschäfts wahrzunehmenden Pflichten eines Geschäftsführers, welche im Übrigen unter Inanspruchnahme elektronischen Zahlungsverkehrs auch von Österreich aus erfolgen können. Anzumerken ist, dass die Bf neben einem slowakischen auch über ein österreichisches Bankkonto verfügt und die Sattelzugfahrzeuge der Bf teilweise über eine österreichische Leasinggesellschaft finanziert wurden (vgl. Anfragebeantwortung GBP, BFG-Akt S. 31 R; Übersicht "Fahrzeuge", BFG-Akt S. 36a sowie Leasingverträge im elektr. Arbeitsbogen).
3.2. In zwei jeweils am eingebrachten Stellungnahmen wurde zudem erstmals eingeräumt, dass am österreichischen Betriebsstandort Dispositionstätigkeit für die Bf sowie für zwei weitere, im Beschwerdefall nicht relevante, Transportunternehmen stattgefunden hat. Dazu wurde ausgeführt, dass es im Transport- und Speditionsgewerbe Usus sei, dass ein Spediteur oder Transportvermittler als Auftraggeber die an einen Subfrächter weitergegebenen Transportaufträge auch selbst disponiere (vgl. BFG-Akt S. 153f).
Dieses Vorbringen ist glaubhafter als die zuvor gegenüber dem Bundesfinanzgericht gemachten Angaben, wonach die Disposition bzw. LKW-Einteilung ausschließlich durch die C S.r.o. vorgenommen worden seien. So entspricht es den tatsächlichen Gepflogenheiten der Branche, dass Speditionen und Transportunternehmen nicht nur die Dienste von Subunternehmern in Anspruch nehmen, sondern auch in den Flotten ihrer Subfrächter über ausschließlich für sie fahrende LKWs verfügen, welche sie naturgemäß auch disponieren.
Auch war anlässlich einer Besprechung der Großbetriebsprüfung mit A B beispielsweise nicht von "Disposition", sondern lediglich von der Einteilung der Fahrer die Rede. Ebenso wurde eingeräumt, dass bereits anlässlich der Auftragserteilung auf dem Auftragsformular (vgl. Beispiel Transportauftrag, BFG-Akt S. 29c ff) ein LKW - wenngleich nicht verbindlich - zugeordnet wurde bzw. wird. Herr B wisse grundsätzlich, wo sich welcher LKW befinde (vgl. BFG-Akt S. 27 R).
Die vom österreichischen Unternehmen lukrierten Transportaufträge wurden also auch von Österreich aus disponiert, lediglich die unmittelbare Abwicklung der Transportdienstleistung fand in der Slowakei statt.
4. Über eigene Arbeitnehmer am statutarischen Sitz in der Slowakei verfügt die Bf zumindest seit Anfang 2016 nicht (mehr). Sämtliche vor Ort wahrzunehmenden administrativen Aufgaben wurden bzw. werden von der C S.r.o. auf Grundlage der oben unter Pt. II.2. dargestellten Vereinbarung übernommen. Dass am statutarischen Sitz eine autonome Erbringung von für das Transportgewerbe typischen Dienstleistungen in der Form erfolgt, dass direkt Transportaufträge lukriert bzw. angenommen und abgewickelt wurden, wurde nicht einmal behauptet. Vielmehr wurde von Seiten der Bf selbst vorgebracht, dass die Bf durch E F im Rahmen der mit der C S.r.o. vereinbarten Personalbereitstellung ausschließlich Transportaufträge von A B bzw. der D GmbH abgewickelt hat (vgl. Vorhaltsbeantwortung v. , BFG-Akt S. 83f).
5. Wie bereits ausgeführt, wurde die Bf 2012 gegründet, weil hohe Personalkosten das österreichische Unternehmen von A B in Zahlungsschwierigkeiten gebracht hatten. Nach einem mit der Hausbank vereinbarten Schuldnachlass sollten durch die Gründung des slowakischen Unternehmens Personalkosten, insbesondere für Fahrer, eingespart werden. (vgl. Niederschrift v. , BFG-Akt S. 17)
Das Transportunternehmen von A B in Österreich wurde weitergeführt, jedoch hat mit der Gründung der Bf eine Auslagerung der personalkostenintensiven Transportabwicklung vom österreichischen Unternehmen in die Slowakei stattgefunden.
6. Die Durchführung des Vorsteuererstattungsverfahrens iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 iVm § 1 Abs. 1 Erstattungs-VO fiel bis zum gem. § 17 AVOG in die Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt. Diese Zuständigkeit ist nunmehr auf das Finanzamt Österreich übergegangen (§ 60 Abs. 2 BAO idF 2. FORG, BGBl. I Nr. 99/2020 [Finanz-Organisationsreformgesetz]). Es besteht lediglich eine "Spezialisierung" der Dienststelle Graz-Stadt des FA Österreich in Anlehnung an die frühere AVOG-Zuständigkeit.
Der Beschwerdeantrag, die Zuständigkeit (für die Mehrwertsteuererstattung) wiederum dem Finanzamt Graz-Stadt zu übertragen, zielt jedoch darauf ab, dass die Bf, die sich laut ihrem Vorbringen als ausländischer Unternehmer iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 betrachtet, grundsätzlich das Vorsteuererstattungsverfahren anstelle des Veranlagungsverfahrens in Anspruch nehmen möchte.
7. Die Inanspruchnahme des Vorsteuererstattungsverfahrens iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 setzt voraus, dass der betreffende Unternehmer nicht im Inland ansässig ist. Die Bf stützt ihr Vorbringen darauf, ihren Sitz seit Gründung in der Slowakei zu haben und von dort aus ihr Gewerbe zu betreiben. Die Bf nehme schon seit der Gründung grenzüberschreitend am Binnenmarkt teil und verfüge seit jeher über die ihr zugeteilte UID SK2023478116, unter der sie die Umsatzsteuerrückvergütung über das Finanzamt Graz abwickle. Die Bf benötige daher keine UID eines österreichischen Finanzamtes.
Bei diesem Vorbringen bleibt außer Acht, dass eine österreichische UID nur dann "nicht benötigt" wird, wenn weder Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine Niederlassung in Österreich vorliegen.
Dass jedoch in der Slowakei der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bf iSd durch die EuGH-Rechtsprechung aufgestellten Kriterien liegt, wurde nicht nachgewiesen. Es ist nach dem im Ermittlungsverfahren gemachten Vorbringen nach wie vor davon auszugehen, dass die wesentlichen Entscheidungen zur Leitung der Bf an dem Ort getroffen werden, von wo der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Bf sein österreichisches Transportunternehmen betreibt. Dass diese Entscheidungen in der Slowakei umgesetzt werden und dass A B sich aus diesen Anlässen in die Slowakei begibt, ändert nichts daran, dass die Entscheidungsfindung in Österreich stattfindet.
Eine feste Niederlassung iSd RL 2008/9/EG bzw. der iSd DVO (EU) Nr. 282/2011 kann vor dem Hintergrund der oben unter Pt. III.3. zitierten EuGH-Rechtsprechung am statutarischen Sitz in der Slowakei schon aus dem Grund nicht angenommen werden, da die Bf dort über kein eigenes Personal verfügt.
Eine Ansässigkeit iSd § 21 Abs. 9 UStG 1994 am statutarischen Sitz in der Slowakei liegt somit nicht vor, sondern befindet sich diese in Österreich.
8. Dem Vorbringen in der Stellungnahme vom , wonach im gegenständlichen Verfahren ausschließlich festzustellen sei, ob sich in Österreich ein Betriebstätte iSd § 29 BAO befinde, nicht jedoch, wie der Betrieb in der Slowakei geführt werde, kann nicht gefolgt werden. Es wurde bereits oben dargelegt, dass das gegenständliche Beschwerdebegehren in erster Linie darauf abzielt, das Vorsteuererstattungsverfahren iSd § 21 Abs. 9 UStG in Anspruch nehmen zu können. Voraussetzung dafür ist aber, dass der betreffende Unternehmer nicht in Österreich, sondern im Ausland ansässig iSd genannten Bestimmung ist.
Weshalb in dieser Stellungnahme erstmals ins Treffen geführt wurde, es sei durchaus möglich, dass das Unternehmen von einem anderen Mitgliedsstaat aus geführt werde, ist nicht nachvollziehbar und mangels jeglicher Konkretisierung ohne Belang.
Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Beschwerdefall war ausschließlich eine Sachverhaltsfrage zu lösen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100533.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at