Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.09.2021, RV/7104368/2017

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen aufgrund mangelhafter Aufzeichnungen; Maßgeblichkeit des vereinbarten Veräußerungserlöses bei Betriebsveräußerung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch B O S Bilanz- Organisations- und Steuerservice GmbH, Graben 29 A, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2010, 2011 und 2012 und betreffend Umsatzsteuer 2010, 2011 und 2012 sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht:

  • Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern V bis XI zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer hat in den Streitjahren ein Restaurant in der Rechtsform eines Einzelunternehmens betrieben. Im Jahr 2013 veräußerte der Beschwerdeführer seinen Betrieb.

Im Zuge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2013 und Einkommensteuer 2010 bis 2012 (Nachschauzeitraum: 1/2013 bis 2/2015) wurden unter anderem diverse Mängel in der Buchführung festgestellt, die im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wie folgt dargelegt wurden:

  • Keine Vorlage der elektronischen Daten als Grundaufzeichnung

  • Von den vorgelegten, ausgedruckten Kassastreifen an Monatsabrechnungen fehlen:
    2010: Jan., Feb., April
    2011: Juni, Juli
    2013: Jan., Feb., März, April, Mai, Juni

  • Keine Vorlage von Inventuren

  • Schwankende, bzw teilweise zu niedrig ausgewiesene Rohaufschlagsverhältnisse

  • Nicht verbuchter Wareneinkauf (Summe 2010: 12.211,87 Euro; 2011: 2.843,61 Euro; 2012: 6.511,72 Euro)

Aufgrund der festgestellten Mängel nahm die Prüferin eine griffweise Zuschätzung zum Umsatz und Gewinn vor (2010: 97.000,- Euro; 2011: 40.000,- Euro; 2012: 52.000,- Euro).

Im Zuge der USt-Nachschau wurde zudem festgestellt, dass der Erlös für den im Jahr 2013 erfolgten Verkauf des Lokales noch nicht der Umsatzsteuer unterzogen wurde und sei daher der Verkaufserlös iHv 140.000,- Euro im Jahr 2013 den steuerbaren Umsätzen hinzuzurechnen.

Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 (im Folgenden bezeichnet als belangte Behörde) folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ am unter anderem entsprechende Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012, jeweils nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer ein von der Prüferin erstelltes Kalkulationsblatt übermittelt worden sei, der Beschwerdeführer sei jedoch zu keinem Zeitpunkt zu den seinen ehemaligen Gaststättenbetrieb betreffenden Kalkulationen befragt worden. Die von der Prüferin ihrer Kalkulation zugrundegelegten Annahmen hinsichtlich Rohaufschlag und Rohaufschlagsätze im Bereich der Küche und der Getränke seien im Ergebnis zu hoch: So habe der Beschwerdeführer ein "2-Sterne/Hauben/Restaurant" geführt. Das Kochen auf dem Sterneniveau erfordere im Bereich des Wareneinkaufes enorme Qualitäten und damit verbunden seien auch dementsprechende hohe Einkaufspreise in Kauf zu nehmen. In der Sternegastromonie gehe man von einem durchschnittlichen Wareneinsatz im Küchenbereich zwischen 35-40% aus. Zudem habe der Beschwerdeführer im Rahmen des Tagesgeschäftes Mittagsmenüs in Höhe von EUR 20,00 verkauft und sei es daher bei den Umsätzen zu einer Verwässerung des Rohaufschlages gekommen. Betreffend den Rohaufschlag im Bereich Getränke sei zudem zu bedenken, dass der Beschwerdeführer "fast ein Komplettangebot an Qualitätsweinen der ganzen Welt angeboten" habe und für die Weine sehr hohe Einstandspreise zu zahlen seien. Infolge des Eintritts der Wirtschaftskrise 2008/2009 habe sich das Trinkverhalten der Gäste geändert und habe der Beschwerdeführer teure Weine nach längerer Lagerdauer größtenteils nur noch zum Einstandspreis verkaufen können. Dasselbe gelte für den Bereich Spirituosen. Hinzukomme, dass die vom Beschwerdeführer eingekauften Spirituosen auch dafür verwendet worden seien, langjährigen Stammkunden ein Digestivgetränk unentgeltlich anzubieten.

Der Beschwerdeführer legte seiner Beschwerde eine von ihm erstellte Rohaufschlagskalkulation (Nachkalkulation) bei, die im Vergleich zu der von der belangten Behörde durchgeführten Schätzung niedrigere Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn ausweist (2010: 43.381,45 Euro; 2011: 6.815,29 Euro; 2012: 15.580,34 Euro) und beantragte der Beschwerdeführer die Abänderung der angefochtenen Bescheide entsprechend dieser Kalkulation.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer 2013 mit 58.255,00 Euro fest, wobei die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung gem § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt wurden. Die Schätzung erfolgte unter Berücksichtigung der Entwicklung der Vorjahre und der eingebrachten Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Der Veräußerungserlös aus dem im Jahr 2013 erfolgten Verkauf des Betriebes wurde dem Gewinn hinzugerechnet.

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers erhob gegen diesen Bescheid rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und legte dieser der Beschwerde eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 bei. Betreffend den Veräußerungsvorgang wurde in der Beschwerde insbesondere ausgeführt, dass - da der Beschwerdeführer sein Einzelunternehmen zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung im Jahr 2013 bereits mehr als 7 Jahre betrieben hatte und über 60 Jahre alt war - auf den Veräußerungsgewinn richtigerweise der Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs 5 EStG anzuwenden sei und sich die von der belangten Behörde vorgenommene Steuerberechnung bereits aus diesem Grund als falsch erweise.

In der Folge erließ die belangte Behörde betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 - 2013 und betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2012 Beschwerdevorentscheidungen:

Dabei wurde der Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2013 teilweise Folge gegeben und erfolgte weitgehend eine der der Beschwerde beigelegten Abgabenerklärung entsprechende Veranlagung. Abweichend von der Abgabenerklärung wurde von der belangten Behörde bei der Ermittlung des Gewinns aus der erfolgten Betriebsveräußerung jedoch ein Veräußerungserlös von € 140.000,- angesetzt, da es sich hierbei bereits um den Nettobetrag exklusive USt handle, in der vorgelegten Berechnung seien von diesem Nettobetrag jedoch fälschlicherweise weitere 20% abgezogen worden.

Die Beschwerde gegen die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2012 und betreffend Umsatzsteuer 2010 bis 2012 wurde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu wie folgt ausgeführt:

Im Rahmen der Beschwerde sei die Schätzungsbefugnis der Prüferin nicht in Zweifel gezogen und seien auch keine neuen Belege vorgelegt worden. Das Begehren habe sich ausschließlich gegen die Schätzungshöhe, im Speziellen gegen den angewendeten Rohaufschlag gerichtet.

Der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehöres gehe ins Leere. So sei mit dem damaligen Steuerberater des Beschwerdeführers ein Vertreter zur Wahrung der rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers anwesend gewesen. Der damalige Steuerberater habe während der Schlussbesprechung im Beisein der Prüferin mehrfach vergeblich versucht, den Beschwerdeführer für eine Stellungnahme zu erreichen.

Der in der gegenständlichen Schätzung angewandte Rohaufschlag weiche, wenn man das Ausmaß der mit diesem Fall verbundenen Unsicherheit berücksichtigt, nicht wesentlich von der Schätzung des Beschwerdeführers ab. Die Schätzung der Prüferin weiche betreffend die Höhe des Rohaufschlags ohnehin zugunsten des Beschwerdeführers von jener eines Durchschnittslokals ab, weil bereits Rücksicht auf die in der Beschwerde eingewendeten Besonderheiten eines Haubenrestaurants genommen worden sei. Der Beschwerdeführer könne sich angesichts der im konkreten Fall vorliegenden schwerwiegenden Aufzeichnungsmängel durch den gewählten Schätzungsansatz nicht als beschwert erachten. Schließlich sei in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass eine gewisse Ungenauigkeit jeder Schätzung immanent ist. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, müsse eben die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Beschwerde habe nicht überzeugend darlegen können, dass die beigelegte Kalkulation die tatsächlichen Vorgänge genauer widerspiegelt als jene der BP. Die Ausführungen in der Beschwerde würden sich auf bloße Behauptungen beschränken, welche aber nicht mittels Belegen untermauert worden seien. Der Beschwerdeführer hätte zumindest glaubhaft darlegen müssen, inwiefern die Schätzung zu hoch gegriffen war.

Mit Schreiben vom stellte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers einen Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2010 - 2012. Darin wurde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt: Die in der in Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer erstellten Kalkulation angeführten Rohaufschläge würden der jahrelangen Erfahrung des Beschwerdeführers als Haubenkoch entsprechen. Dies hätte der Beschwerdeführer - sofern er im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens beigezogen worden wäre - auch jederzeit bestätigen können. Wie bereits in der Beschwerde angeführt, sei der Beschwerdeführer in keiner Phase des Betriebsprüfungsverfahrens mit den Annahmen der Betriebsprüferin konfrontiert bzw dazu befragt worden. Es könne wohl angenommen werden, dass die Angaben des Beschwerdeführers, welcher seit Jahrzehnten als Haubenkoch tätig gewesen sei, der Wirklichkeit näherkommen als eventuell die von der Betriebsprüferin vorgenommen Schätzungsannahmen. Abschließend wurde im Vorlageantrag die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und im Zuge dessen die Einvernahme des Beschwerdeführers, des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers sowie der Prüferin als Zeugen beantragt.

Mit gesondertem Schreiben vom stellte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers zudem einen Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2013 und führte darin im Wesentlichen wie folgt aus: Es sei richtig, dass der ursprüngliche Rechnungsbetrag € 140.000,00 plus Umsatzsteuer betragen hat. Allerdings sei vom Käufer des Unternehmens die Umsatzsteuer nicht wie im Vertrag vereinbart durch Finanzamtsüberrechnung ausgeglichen worden. Durch die zwischenzeitliche Insolvenz des Käufers bestehe auch keine Möglichkeit mehr, die ausgestellte Rechnung zu berichtigen. In diesem Fall sei davon auszugehen, dass der Betrag in Höhe von € 140.000,00 der zivilrechtlich vereinbarte Kaufpreis ist und daher die Umsatzsteuer in Hundert zu verrechnen ist und der Veräußerungserlös demnach € 116.676,00 beträgt. Der Veräußerungsgewinn wäre daher um € 23.333,00 zu reduzieren und die Einkommensteuer aus der Veräußerung mit dem Halbsatz dementsprechend neu festzusetzen.

Am wurden die gegenständlichen Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vorgelegt. Betreffend die in den Jahren 2010 bis 2013 der Besteuerung zugrunde gelegte Schätzung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus wie in der Beschwerdevorentscheidung. Hinsichtlich der im Jahr 2013 erfolgten Geschäftsveräußerung führte die belangte Behörde im Vorlagebericht sinngemäß wie folgt aus:

Hinsichtlich der Geschäftsveräußerung sei geltend gemacht worden, dass der Kaufpreis nicht € 168.000,-, sondern € 140.000,- betrage. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass die Umsatzsteuer in Form einer Überrechnung des Vorsteuerguthabens erfolgen soll. Dazu sei es allerdings nicht gekommen. Aus diesem Grund wäre nach der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht davon auszugehen, dass der zivilrechtlich vereinbarte Kaufpreis € 140.000,- betrug. Damit verkenne der Beschwerdeführer jedoch die Rechtslage. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei unzweifelhaft ein Kaufpreis von € 168.000,- vereinbart worden und sei der Beschwerdeführer auch davon ausgegangen, diesen Betrag als Gegenleistung zu erhalten. Der Veräußerungsgewinn unterliege im Jahre der Veräußerung der Einkommensteuerpflicht, auch wenn die Zahlung später erfolgt. Dass die Überrechnung nicht zustande gekommen ist bzw nicht möglich war, ändere an dieser Beurteilung nichts, da es sich lediglich um eine Zusatzvereinbarung hinsichtlich der Zahlung handle, bei deren Unmöglichkeit die Forderung selbst nicht wegfalle. Der Beschwerdeführer habe den Käufer zur Zahlung mit einer anderen Zahlungsmodalität auffordern können. Die Insolvenz des Käufers am führe dazu, dass die Forderung inzwischen (teilweise) nicht mehr werthaltig ist, dies berühre jedoch nicht die Steuerperiode 2013. Der Wegfall der Forderung gegenüber dem Käufer könne nur ex nunc im Jahr 2014 berücksichtigt werden, nicht aber ex tunc bei Vertragsabschluss.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde das Finanzamt Österreich vor dem Hintergrund, dass bislang keine Unterlagen betreffend eine kalkulatorische Schätzung, auf die im Rahmen der Begründung zu den ergangenen Beschwerdevorentscheidungen Bezug genommen wird ("Der in der gegenständlichen Schätzung angewandte Rohaufschlag…"), vorgelegt wurden, um Darlegung der Sachverhaltsannahmen, die der Schätzung zugrunde gelegt wurden, und der Ableitung der Schätzungsergebnisse ersucht. Darüber hinaus wurde das Finanzamt Österreich um Vorlage der entsprechenden Berechnungsunterlagen ersucht.

Mit Schreiben vom nahm das FA zu diesem Vorhalt im Wesentlichen wie folgt Stellung und legte das FA eine nach Kostenstellen gegliederte Nachkalkulation vor: Die im Prüfbericht angesetzten griffweisen Zuschätzungen seien in Anlehnung an eine im Wege einer Nachkalkulation ermittelte Differenz zwischen erklärtem und kalkulatorischem Gewinn erfolgt (zB Zuschätzung im Jahr 2010: € 97.000,-; kalkulatorische Differenz: € 96.582,275). Die Wareneinkäufe in der nunmehr vorgelegten Rohaufschlagskalkulation seien der Buchhaltung des Steuerpflichtigen entnommen. Wo in einer weiteren Zeile Beträge hinzugerechnet wurden (zB Küche 2010: € 7.351,74), seien Ergänzungsersuchen zu den erbrachten Lieferungen an die Lieferanten versendet und in der Buchhaltung nicht erfasste Wareneinkäufe aufgedeckt worden. Die angewendeten Rohaufschlagskoeffizienten würden Erfahrungswerten der Behörde mit der Gastronomiebranche entstammen.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurden dem Beschwerdeführer folgende Unterlagen zur Kenntnis gebracht: Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der beim Beschwerdeführer durchgeführten Außenprüfung vom ; Bericht über das Ergebnis der beim Beschwerdeführer durchgeführten Außenprüfung betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2012 und Umsatzsteuer 2010 bis 2013; Rohaufschlagskalkulation zum vorgenannten BP-Bericht; Begleitschreiben des Finanzamtes Österreich vom zur vorgenannten Rohaufschlagskalkulation.

Darüber hinaus wurden dem Beschwerdeführer sowie dem Finanzamt Österreich als Partei gem § 265 Abs 5 BAO mehrere Berechnungsblätter, in denen eine vom Bundesfinanzgericht auf der Grundlage der derzeitigen Aktenlage durchgeführte Schätzung abgebildet war, sowie ergänzend dazu schriftliche Erläuterungen zur Wahl der Schätzungsmethode, zu den Sachverhaltsannahmen, die der Schätzung zugrunde gelegt wurden, und zur Ableitung der Schätzungsergebnisse zur Kenntnis gebracht und wurden die Parteien um Übermittlung einer Stellungnahme zu dieser Schätzung ersucht.

Der Antrag auf Zeugeneinvernahme des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom abgelehnt. Dies mit der Begründung, dass die Partei bereits begrifflich niemals als Zeuge im eigenen Verfahren einvernommen werden könne, da als Zeuge ein "an der Sache des Verwaltungsverfahrens regelmäßig nicht beteiligter Mensch" zu verstehen ist (vgl Stoll, BAO-Kommentar 1798 unter Verweis auf ; vgl auch Ritz, BAO6 § 169 Rz 1 mwN). Davon unabhängig komme dem Beschwerdeführer selbstverständlich das Recht zu, an einer allfälligen mündlichen Verhandlung zu partizipieren und (auch) im Zuge dessen Ergänzungen des Beschwerdevorbringens vorzutragen. Dies sei jedoch Ausfluss seiner Rechte als Partei im Beschwerdeverfahren; eine Ladung als Zeuge sei dafür weder erforderlich noch gesetzlich vorgesehen. Betreffend den Antrag auf Zeugeneinvernahme der Prüferin sowie des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers wurde der Beschwerdeführer um ordnungsgemäße Angabe des konkreten Beweisthemas, somit jener für die Rechtsanwendung im gegenständlichen Beschwerdefall erheblichen Tatsache(n), die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden soll(en), ersucht.

Mit E-Mail vom teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers ua mit, dass der Grund für den Antrag auf Zeugeneinvernahme darin gelegen habe, dass er im BP-Verfahren nicht involviert gewesen sei und daher nochmals im Verfahren vor dem BFG die Prüfungshandlungen der Prüferin und des ehemaligen Steuerberaters evaluieren habe wollen. Da der Beschwerdeführer aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes derzeit nicht vernehmungsfähig sei und die Ausführungen der übrigen Zeugen nicht wirklich zur Aufklärung der Differenzen im BP-Verfahren führen würden, werde der Antrag auf Zeugeneinvernahme zurückgezogen. Hinsichtlich der vom BFG vorgenommenen Schätzung wurde mitgeteilt, dass diese dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers "durchaus realistisch" erscheine. Da der Beschwerdeführer aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes bislang nicht erreichbar gewesen sei, werde jedoch um eine Verlängerung der zur Vorhaltsbeantwortung gesetzten Frist ersucht.

Mit Schreiben vom nahm das FA zu der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Schätzung im Wesentlichen wie folgt Stellung: Die Differenz zwischen der Kalkulation im Prüfbericht und jener in den übermittelten Berechnungsblättern ergebe sich letztlich daraus, dass sich das Bundesfinanzgericht wesentlich stärker auf die Buchhaltung gestützt habe, während die Prüferin die Rohaufschlagsverhältnisse auf Basis von Erfahrungswerten ermittelt habe. Vorangestellt werde, dass sich die Kalkulation des BFG innerhalb der durch die Buchhaltungsmängel verursachten Unsicherheit/Schwankungsbreite bewege. Es sei im Kern eine Frage der Sachverhaltsbeurteilung, ob im konkreten Fall die Ermittlung der Rohkostenaufschläge auf Basis der - nachweislich mangelhaften - Aufzeichnungen oder auf Basis von Erfahrungswerten den tatsächlichen Gegebenheiten näherkommt. Das Finanzamt gehe weiterhin davon aus, dass im gegenständlichen Fall die Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung ein so großes Ausmaß erreicht haben, dass eine Schätzung der Rohaufschlagsverhältnisse unter Rückgriff auf Erfahrungswerte den tatsächlichen Gegebenheiten näher kommen würde. Abschließend wies das Finanzamt erneut darauf hin, dass derjenige, der zu einer Schätzung begründeten Anlass gibt, die mit jeder Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen müsse. Es liege im Wesen einer Schätzung, dass die auf diese Weise ermittelten Größen die tatsächlich ermittelten Ergebnisse nur bis zu einem mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad erreichen (Verweis auf ).

Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass er die vom BFG angewendete Schätzungsmethode als "realistisch" einschätze. Zudem wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren 2010 bis 2013 ein Restaurant in der Rechtsform eines Einzelunternehmens.

Im Jahr 2013 verkaufte der Beschwerdeführer den Betrieb. Betreffend den Kaufpreis enthält die diesbezügliche vertragliche Vereinbarung folgende Regelung:

"Der Kaufpreis beträgt insgesamt € = 140.000,-
(Euro = einhundertvierzigtausend =)
Zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer von 20% € = 28.000,-
(= achtundzwanzigtausend =)
Gesamtkaufpreis € = 168.000,-
(= hundertachtundsechszigtausend =)

(…)

Die Umsatzsteuer wird auf die Art und Weise bezahlt, dass ein entsprechender Antrag auf Überrechnung des Vorsteuerguthabens des Käufers von dessen Finanzamtkonto des Verkäufers erfolgt. Diese Überrechnung muss umgehend stattfinden. Der entsprechende Antrag wird vom Steuerberater der Käuferin gestellt."

Entgegen der vorgenannten Vereinbarung fand keine Überrechnung eines Vorsteuerguthabens statt und konnte die Forderung betreffend den der gesetzlichen Mehrwertsteuer entsprechenden Kaufpreisbestandteil (€ 28.000,-) infolge der im Jahr 2014 eingetretenen Insolvenz der Käuferin vom Beschwerdeführer nicht mehr (zur Gänze) durchgesetzt werden.

Nach der Maßgabe der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung über den Zeitraum 2010 bis 2012 sind folgende Mängel hinsichtlich der Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers festzustellen:

  • Keine Vorlage der elektronischen Daten als Grundaufzeichnung;

  • Unvollständige Vorlage ausgedruckter Kassastreifen an Monatsabrechnungen (betreffend das Jahr 2010 fehlen die Monate Jänner, Februar und April; betreffend das Jahr 2011 fehlen die Monate Juni und Juli);

  • Keine Vorlage von Inventuren;

  • Starke, nach der Aktenlage sachlich nicht erklärbare Schwankungen der Rohaufschlagsverhältnisse bei den verbuchten Geschäftsfällen (siehe Berechnungsblatt I Punkte 2 und 3);

  • Nicht verbuchter Wareneinkauf bei den Kostenstellen "Küche" und "Wein":

2010: 12.211,87 Euro (davon Kostenstelle "Küche": 7.351,74 Euro; davon Kostenstelle "Wein": 4.860,13 Euro)

2011: 2.843,61 Euro (zur Gänze Kostenstelle "Küche");

2012: 6.511,72 Euro (davon Kostenstelle "Küche": 4.924,71 Euro; davon Kostenstelle "Wein": 1.587,01 Euro)

Es ist somit festzustellen, dass nicht alle Geschäftsfälle ordnungsgemäß erfasst wurden und es somit in den Streitjahren zu Verkürzungen des Umsatzes sowie des Gewinns gekommen ist. Betreffend die Höhe der aus diesem Grund erforderlichen Zuschätzungen zum Umsatz und zum Gewinn (zur Schätzungsbefugnis siehe unter Punkt 3.1) wird auf die beiliegenden Berechnungsblätter I bis IV verweisen, die einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bilden.

Diese vom erkennenden Gericht erstellten Kalkulationen gehen zunächst von der Feststellung aus, dass im streitgegenständlichen Zeitraum Wareneinkäufe betreffend die Kostenstellen "Küche" und "Wein" teilweise nicht verbucht wurden (siehe Berechnungsblatt I Punkt 1). Betreffend diese Kostenstellen wurde vom Bundesfinanzgericht eine Nachkalkulation der Umsätze vorgenommen, indem auf die nicht verbuchten Wareneinkäufe der aus den buchhalterisch erfassten Geschäftsfällen derselben Kostenstellen abzuleitende Rohaufschlagskoeffizient angewendet wurde. Somit ergibt sich beispielsweise im Jahr 2010 aus der Multiplikation des nicht verbuchten Wareneinkaufs in der Kostenstelle "Küche" (€ 7.351,74) mit dem aus den verbuchten Geschäftsfällen abgeleiteten Rohaufschlagskoeffizienten (3,58) eine kalkulatorische Zuschätzung zu den verbuchten Umsätzen im Betrag von € 26.328,82 (siehe Berechnungsblatt II).

Darüber hinaus ist angesichts der festgestellten Buchführungsmängel sowie aufgrund der erwiesenermaßen gegebenen Unvollständigkeit der Geschäftsaufzeichnungen in den Kostenstellen "Küche" und "Wein" anzunehmen, dass auch bei den nicht überprüften Kostenstellen Umsatzverkürzungen stattgefunden haben. Diese Annahme wird im Wesentlichen dadurch bestätigt, dass die aus den gebuchten Geschäftsfällen abzuleitenden Rohaufschläge stark variieren, ohne dass diese Schwankungen nach der Aktenlage sachlich erklärbar wären. So war etwa der Rohaufschlag in der Kostenstelle "Kaffee/Tee" im Jahr 2012 weniger als halb so hoch wie im Jahr 2011. Im Jahr 2010 war der Rohaufschlag noch ca 2,6-mal so hoch wie im Jahr 2012. Auch in den Kostenstellen "Bier", "Spirituosen" und "alkoholfreie Getränke" weisen die aus den gebuchten Geschäftsfällen abzuleitenden Rohaufschläge erhebliche Schwankungen auf (siehe Berechnungsblatt I Punkte 2 und 3). Das Bundesfinanzgericht hat aus diesem Grund bei den betreffenden Kostenstellen eine Umsatzzuschätzung in Form eines Sicherheitszuschlages, dessen Höhe sich aus der errechneten Abweichung des Rohaufschlages im Vergleich zu dem in den Jahren 2010 bis 2012 bei den verbuchten Geschäftsfällen erzielten jährlichen Spitzenwert orientiert (siehe dazu Berechnungsblatt I Punkt 3), durchgeführt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen betreffend die im Jahr 2013 erfolgte Betriebsveräußerung ergeben sich aus dem aktenkundigen Kaufvertrag bzw entsprechen diese den Feststellungen der belangten Behörde (siehe Beschwerdevorentscheidung und Vorlagebericht), denen vom Beschwerdeführer nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen betreffend die Mängel der Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers beruhen auf den im Rahmen der durchgeführten Außenprüfung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die festgestellten Schwankungen bei den Rohaufschlagsverhältnissen der Jahre 2010 bis 2012 nicht mit dem seitens des Beschwerdeführers ins Treffen geführten geänderten (rückläufigen) Trinkverhaltens der Gäste bzw Umsatzrückganges infolge einer Wirtschaftskrise erklärbar sind. So waren etwa die aus den verbuchten Geschäftsfällen abzuleitenden Rohaufschläge in den Kostenstellen Bier, Spirituosen und alkoholfreie Getränke im Jahr 2012 deutlich höher als in den Jahren 2010 und 2011 (siehe Berechnungsblatt I Punkte 2 und 3). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge hätte der Rohaufschlag jedoch kontinuierlich abnehmen müssen.

Dass aus den festgestellten Mängeln der Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers (insbesondere nicht verbuchter Wareneinsatz) Verkürzungen des Umsatzes und des Gewinns abzuleiten sind, entspricht der Erfahrung (vgl ).

Die beiliegenden, vom erkennenden Gericht erstellten Kalkulationen (Berechnungsblätter I bis IV) sowie ergänzend dazu schriftliche Erläuterungen zur Wahl der Schätzungsmethode, zu den Sachverhaltsannahmen, die der Schätzung zugrunde gelegt wurden, und zur Ableitung der Schätzungsergebnisse wurden den Parteien mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zur Kenntnis gebracht und wurden vom Beschwerdeführer dagegen keine substantiierten Einwendungen vorgebracht. Betreffend den seitens der Amtspartei vorgebrachten Einwand, dass die von der Prüferin vorgenommene Schätzung den tatsächlichen Gegebenheiten näherkommen würde, da diese auf Erfahrungswerten beruhe, ist wie folgt auszuführen:

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (vgl Ritz, BAO6 § 184 Rz 12 mit Nachweisen der Rsp des VwGH). Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist Ziel einer Schätzung, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen (vgl zB ; , 2008/15/0122; , Ra 2017/13/0006), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ; , 2012/13/0068). Es ist jene Schätzungsmethode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung dieses Zieles am geeignetsten erscheint (vgl Ritz, BAO6 § 184 Rz 12 mit Nachweisen der Rsp des VwGH).

Auch eine griffweise Schätzung der Besteuerungsrundlagen kann nach der Lage des jeweiligen Falles zulässig sein. Eine griffweise Schätzung kommt nach der Rsp des VwGH insbesondere in Betracht, wenn der Abgabenbehörde mit der Vernichtung nahezu aller Belege die Möglichkeit genommen ist, aus dem Rechenwerk des Abgabepflichtigen verlässliche innerbetriebliche Kennzahlen zu ermitteln und überdies auch begründete Zweifel an maßgeblichen Bilanzpositionen und Aufwandspositionen (Lieferantenverbindlichkeiten, Wareneinsatz, Lohnaufwand) bestehen (). Eine auf Grund von festgestellten Kalkulationsdifferenzen vorgenommene Schätzung ist der Rsp des VwGH zufolge in der Regel jedoch besser geeignet, dem tatsächlichen Betriebsergebnis soweit wie möglich nahezukommen, als es mit griffweisen Zuschätzungen erreicht werden könnte (vgl ; , 94/14/0003).

In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, stellt auch die Anwendung eines Sicherheitszuschlages ein zulässiges Element der möglichen Schätzungsmethoden dar (zB ; , 2003/15/0019; , 2006/13/0164). Hiermit werden Fälle erfasst, in denen es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht gesetzeskonform aufgezeichnet wurden (vgl zB ; ; ). Solche Sicherheitszuschläge können sich (beispielsweise) an den Gesamteinnahmen, an den Einnahmenverkürzungen oder auch an den Umsätzen orientieren (). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Sicherheitszuschlag - ebenso wie anderen Schätzungskomponenten - kein Strafcharakter zukommt (kein "Straf-Zuschlag"; vgl Ritz, BAO6 § 184 Rz 18 mwN). Auch der Sicherheitszuschlag hat damit dem Ziel, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen, zu dienen. So darf nach der Rsp des VwGH etwa kein zusätzlicher Sicherheitszuschlag verhängt werden, wenn die Einnahmen global - etwa kalkulatorisch - geschätzt werden (; Ritz, BAO6 § 184 Rz 18 mwN).

Das erkennende Gericht hat im gegenständlichen Fall betreffend die Kostenstellen "Küche" und "Wein" eine kalkulatorische Schätzung der Umsätze vorgenommen, während bei den Kostenstellen "Kaffee/Tee", "Bier", "Spirituosen" und "alkoholfreie Getränke" ein Sicherheitszuschlag angewendet wurde. Im Hinblick auf die oa Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erscheinen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes diese Schätzungsmethoden im Vergleich zu einer griffweisen Globalschätzung besser geeignet, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Soweit die Amtspartei in diesem Zusammenhang das Vorliegen von Erfahrungswerten mit der Gastronomie ins Treffen führt, ist dem wie folgt zu entgegnen:

Die Durchführung einer Schätzung nach § 184 BAO auf die Art und Weise, dass sich die Finanzverwaltung bei ihren Berechnungen der Bemessungsgrundlagen zwar auf Erfahrungswerte und Vergleichsbetriebe beruft, ohne dem Abgabepflichtigen dabei aber Gelegenheit zu geben, festzustellen, wie diese Erfahrungswerte ermittelt wurden und inwieweit die bezogenen Vergleichsbetriebe hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Situation tatsächlich mit dem Betrieb des Abgabepflichtigen vergleichbar waren, ist der Rsp des VwGH zufolge mangelhaft (vgl ). Die Heranziehung von Erfahrungswerten setzt der Rsp des VwGH zufolge voraus, dass diese nachprüfbar und schlüssig als Beweismittel gewonnen und dem Abgabepflichtigen vorgehalten werden; bloße Behauptungen genügen hiefür nicht (vgl ). Im vorliegenden Beschwerdefall hat sich das Finanzamt auch in seinen an das erkennende Gericht gerichteten Stellungnahmen darauf beschränkt, das Vorliegen von Erfahrungswerten zu behaupten und hat es die Amtspartei somit unterlassen, die Mangelhaftigkeit der im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommenen Schätzung zu sanieren. Das Vorbringen der Amtspartei ist vor diesem Hintergrund nicht dazu geeignet, die vom erkennenden Gericht gewonnenen Schätzungsergebnisse in Zweifel zu ziehen.

Betreffend den von der beschwerdeführenden Partei gestellten Antrag auf Zeugeneinvernahme der Prüferin sowie des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers ist wie folgt auszuführen:

Beweisanträge sind gemäß § 183 Abs 3 BAO abzulehnen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen ua unerheblich sind. Erheblich ist ein Beweisantrag nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn sie schon nicht (sachverhalts-)erheblich ist, zumindest mittelbar beitragen kann, Klarheit über eine (sachverhalts-)erhebliche Tatsache zu gewinnen (vgl ). Ein im verwaltungsbehördlichen Verfahren realisierte Verletzung des Rechts auf Parteiengehör wird im Beschwerdeverfahren durch die sodann gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel der ständigen Rechtsprechung des VwGH zufolge saniert wird (vgl zB ) bzw kann ein derartiger Mangel durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden (vgl ). Ob eine derartige Verletzung tatsächlich stattgefunden hat, kann somit im gegenständlichen Beschwerdefall dahingestellt bleiben und ist der seitens der beschwerdeführenden Partei gestellte Antrag auf Zeugeneinvernahme der Prüferin sowie des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers mangels Erheblichkeit für die Klärung des unter Punkt 1 dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalts abzulehnen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Berechtigung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen

Gemäß § 163 Abs 1 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 184 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

§ 184 Abs 3 BAO ist unter anderem dann zu schätzen, "wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Im Beschwerdefall entsprechen die Bücher und Aufzeichnungen aufgrund der festgestellten Mängel nicht den Vorschriften des § 131 BAO, sodass die in § 163 Abs 1 BAO normierte Vermutung der ordnungsgemäßen Führung derselben nicht zur Anwendung gelangt.

Liegen - wie im Beschwerdefall - formelle Fehler der Bücher und Aufzeichnungen vor, die zu Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen Anlass geben, bedarf es nach der Rechtsprechung des VwGH keines Nachweises, dass die genannten Unterlagen mit den Wirtschaftsabläufen tatsächlich nicht übereinstimmen (vgl zB ; ). Zwar steht dem Abgabepflichtigen die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften oder unrichtigen Aufzeichnungen zu beweisen und damit der ansonsten bestehenden Schätzungsbefugnis entgegenzuwirken (vgl wiederum ); im vorliegenden Fall hat jedoch der Beschwerdeführer die schon von der Betriebsprüferin festgestellten Mängel seiner Buchführung niemals bestritten, sondern es wurde ausschließlich die Höhe der in Ansatz gebrachten Zuschätzungen, in concreto die Höhe der diesen Zuschätzungen zugrundeliegenden Annahmen betreffend die Höhe der branchenüblichen Rohaufschläge, moniert.

Im Beschwerdefall war somit bereits auf Grund der im Rahmen der Betriebsprüfung aufgezeigten wesentlichen formellen Mängel in der Buchführung und Aufzeichnungsführung eine Schätzung im Hinblick auf die Bestimmungen des § 184 BAO jedenfalls geboten (vgl zB ; und 0034).

3.2. Höhe des Veräußerungserlöses

Betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2013 ist im Beschwerdefall ausschließlich die Höhe des in Zusammenhang mit der erfolgten Betriebsveräußerung anzusetzenden Veräußerungserlöses strittig. Während das FA in diesem Zusammenhang von einem Kaufpreis iHv € 168.000,- inklusive der gesetzlichen Umsatzsteuer ausgeht, vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass infolge einer teilweisen Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung nur der bezahlte Kaufpreis iHv € 140.000,- in Ansatz zu bringen sei und aus diesem die gesetzliche Umsatzsteuer noch herauszurechnen sei.

Gemäß § 24 Abs 2 EStG 1988 ist Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 Abs 1 EStG 1988 der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder der Aufgabe nach § 4 Abs 1 oder § 5 EStG 1988 zu ermitteln.

Konsequenz des angeordneten Betriebsvermögensvergleiches ist, dass nicht der zugeflossene, sondern die Forderung auf den vereinbarten Veräußerungserlös dem Betriebsvermögen gegenüberzustellen ist (Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch § 24 Tz 66 mwN).

Im vorliegenden Fall wurde als Kaufpreis für den vom Beschwerdeführer veräußerten Betrieb vertraglich ein Betrag von 168.000,- Euro inklusive USt vereinbart und ist somit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in dieser Höhe eine Forderung entstanden.

Die Bewertung einer Forderung nach § 6 Z 2 EStG 1988 richtet sich ausschließlich nach den am Bilanzstichtag bestehenden Verhältnissen. Dass die Kaufpreisforderung bereits im Jahr 2013 nicht mehr werthaltig gewesen sei, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Angesichts des klaren Wortlautes des § 32 Abs 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 ("... Verluste aus dem Ausfall von Forderungen") kann eine allenfalls nach dem Bilanzstichtag eingetretene Uneinbringlichkeit einer Forderung erst durch entsprechende Wertberichtigung in dem (den) Folgejahr(en) berücksichtigt werden (vgl ; ). Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die im Jahr 2014 eingetretene (teilweise) Uneinbringlichkeit der Forderung nicht rückwirkend im Jahr 2013 zu berücksichtigen ist.

In Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom ist daher der Veräußerungserlös mit einem Betrag von 140.000,- Euro anzusetzen. Aufgrund der in den Jahren 2011 und 2012 eingetretenen Verluste ist allerdings insoweit von der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde abzuweichen, als nach der Maßgabe des § 18 Abs 6 EStG 1988 ein Verlustabzug zu berücksichtigen ist (siehe beiliegendes Berechnungsblatt VIII).

3.3. Unzulässigkeit der Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Strittig waren im gegenständlichen Beschwerdefall vorwiegend Tatfragen, die als solche einer Revision nicht zugänglich sind. Soweit im vorliegenden Fall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis der im Rahmen der rechtlichen Erwägungen zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 183 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 163 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 131 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 24 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 24 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 6 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104368.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at