Schätzung durch das BFG bei mangelhafter Bescheidbegründung der Behörde und fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den seit zuständigen Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Einkommensteuer 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Das Einkommen beträgt 93.837 Euro. Die Einkommensteuer beträgt 35.577 Euro.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde das Einkommen des Beschwerdeführers mit -3.445,69 Euro und die Einkommensteuer mit 0 Euro festgesetzt. Dem vorangegangen ist eine Außenprüfung, im Zuge derer laut Bp-Bericht vom , auf den begründend verwiesen wird, die geltend gemachten Verluste iHv 394.706,24 Euro nicht anerkannt werden, weil "die zustehenden Ausgaben bereits teilweise im Rechenwerk der Firma ***1*** erfasst wurden" und der Bf mit der Nichtanerkennung einverstanden sei. Damit entstehe auch kein Verlustvortrag, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden mit 0 Euro festgesetzt.
Ein Aktenvermerk ebenfalls vom lautet: "Mit ***Bf*** wurden die Aktenlage sowie seine Tätigkeiten etc. besprochen. Die im Jahr 2013 geltend gemachten Betriebsausgaben in Höhe von 394.706,-- € werden zur Gänze nicht zuerkannt, da sie teilweise bereits in der ***1*** berücksichtigt wurden, teils nicht abzugsfähige Ausgaben wie Geschenke und Bestechungen darstellen. Die eingereichten Unterlagen für die anderen Jahre des Prüfungszeitraumes sind in Ordnung, daher wurden, im Hinblick auf den erheblichen Abgabenrückstand von ca. 346.500,-- € zum Zeitpunkt der Prüfung, und auch aus verwaltungsökonomischen Gründen keine weiteren Ermittlungen angestellt."
Aufgrund geänderter Feststellungsbescheide über Mitunternehmerbeteiligungen des Beschwerdeführers (Bf) erließ die belangte Behörde gemäß § 295 Abs 1 BAO am einen neuen Einkommensteuerbescheid, mit dem das Einkommen mit 223.176,08 Euro und die Einkommensteuer mit 100.246,00 Euro festgesetzt wurde.
In der Beschwerde vom bringt der Bf vor, die Veranlagung 2013 sei mit der Niederschrift vom abgeschlossen worden. Im Zuge dessen habe er auf Verluste von über 300.000 Euro verzichtet unter der Bedingung, dass das Gesamtergebnis des Jahres 2013 Null betrage. Daran habe sich das Finanzamt nun nicht gehalten.
In der Beschwerdevorentscheidung vom wird das Einkommen mit 201.797,01 Euro und die Einkommensteuer mit 89.557,00 Euro festgesetzt, weil neuerlich eine Gewinntangente einer Beteiligung geändert wurde. Zum Beschwerdevorbringen führt die belangte Behörde aus, das Nichtzustehen der Verluste begründe sich laut den Feststellungen der Prüfung einerseits in der teilweisen Berücksichtigung im Rechenwerk der ***1*** und andererseits in teilweise belegmäßig nicht nachgewiesenen bzw nicht abzugsfähigen Ausgaben. Die Nichtabzugsfähigkeit sei in der Schlussbesprechung besprochen worden, außerdem hätte Ende 2015 bereits bekannt sein müssen, dass im Jahr 2013 Beteiligungseinkünfte erzielt wurden. Das Einlangen einer Tangente sei nicht mit der grundsätzlichen Geltendmachung von Betriebsausgaben in Zusammenhang zu stellen.
Im Vorlageantrag vom bringt der Bf vor, neben nicht belegmäßig nachgewiesenen Teilen gebe es sehr wohl auch solche Ausgaben, die belegmäßig nachgewiesen werden könnten und im Bedarfsfall nachgebracht würden, wodurch sich wieder ein Verlust ergebe, aus dem kein steuerliches Einkommen resultiere.
Am , somit knapp zwei Jahre später, legt die belangte Behörde ohne weitere ersichtliche Ermittlungen den Akt vor. Aufgrund dreier weiterer geänderter Gewinntangenten aus Mitunternehmerbeteiligungen (Bescheide aus dem August-September 2017) sei der Bescheid gegenüber der BVE entsprechend abzuändern. In der Stellungnahme trifft die belangte Behörde lediglich Ausführungen zur Bindungswirkung an abgeleitete Bescheide, ohne auf die Vorbringen des Bf zu den geltend gemachten Verlusten einzugehen.
Mit Beschluss vom wird die belangte Behörde aufgefordert, sämtliche für die Einkommensteuerveranlagung 2013 relevanten Akten vorzulegen. Gemäß § 295 BAO erlassene Bescheide sind voll anfechtbar iSd § 251 BAO, weshalb alle maßgeblichen Akten vorzulegen sind, denn aus den vorgelegten Fragmenten lässt sich die Position der belangten Behörde nicht hinreichend prüfen. Auf § 266 Abs 4 BAO wird ausdrücklich hingewiesen.
Daraufhin werden einerseits Unterlagen zu den Gewinntangenten vorgelegt, andererseits die Vorhaltskorrespondenz aus dem Frühjahr 2015, in der im Wesentlichen eine Liste "Ausgaben ***2***" 2012-2013 mit Ausgaben von insgesamt 177.495 Euro (davon 12.200 Euro das Jahr 2013 betreffend) samt Firmenbuchauszug der ***1*** enthalten ist. In der Stellungnahme dazu führt die belangte Behörde aus, da weder eine Bilanz noch eine Aufgliederung der außerordentlich hohen Ausgaben in der Einkommensteuererklärung von 395.706,24 Euro einlangte, sei eine Betriebsprüfung durchgeführt worden. Der Bf habe die Gelegenheit gehabt, seine Ausgaben nachzuweisen, was er bisher nicht getan habe. Eine Betriebsprüfung bei der ***1*** habe für 2013 nicht stattgefunden, lediglich Erhebungen im Gründungsjahr 2012 und 2014-2018 (bis zum Konkurs). Betreffend 2013 waren im Akt der ***1*** keine Ausgaben enthalten.
Mit Beschluss vom wurde der Bf aufgefordert, Unterlagen zu den im Jahr 2013 geltend gemachten Betriebsausgaben vorzulegen.
Am ruft der Bf an und teilt mit, dass er weder genau wisse, worum es geht, noch steuerlich vertreten sei und daher keine Ahnung habe. Zwar könne er Belege heraussuchen, doch sei ihm gleichgültig, ob er eine Million mehr oder weniger Schulden habe. Er habe resigniert und wolle mit der Sache nichts mehr zu tun haben. Nach Erörterung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Bf teilt dieser in einem Mail vom mit, er wolle der Verhandlung am fern bleiben und habe alle vorhandenen Unterlagen und Beweise bereits eingebracht. Darüber wurde die belangte Behörde informiert und blieb deshalb ebenso der mündlichen Verhandlung fern.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Der Bf begehrt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben in Höhe von 394.706 Euro. Dafür legt er im Rahmen der Betriebsprüfung eine Liste vor mit dem Titel "Ausgaben ***2***" für die Jahre 2012-2013 mit Ausgaben von insgesamt 177.495 Euro (davon 12.200 Euro das Jahr 2013 betreffend, die laut Buchungstext Steuerberatungskosten betreffen; in der Liste finden sich im Vorjahr auch Gründungskosten der ***1***) und eine Liste mit dem Titel "ausgaben ***3***". Diese Liste ist unterteilt in den Zeitraum - mit einer Summe von 186.348,59 Euro, wovon 31.055,37 Euro in das Jahr 2013 fallen und in einen Zeitraum von -, wobei 60.404,28 Euro in das Jahr 2013 fallen, von denen 49.791,50 Euro als "Kosten Umbau" gekennzeichnet sind. Laut Buchungstexten sind in dieser Liste hauptsächlich Mieten, Personalkosten, Materialkosten, Kosten für eine Mulde und für Elektriker und Installateur enthalten.
Die belangte Behörde erkennt die Betriebsausgaben nicht an, zunächst mit der Begründung, die Ausgaben seien bereits "teilweise" im Rechenwerk der ***1*** enthalten (wobei ein Aktenvermerk davon abweichend auch teils nicht abzugsfähige Ausgaben wie Geschenke und Bestechungen nennt). In der BVE lautet die Begründung letztlich, es handle sich teilweise um Ausgaben der ***1***, teilweise um nicht abzugsfähige Ausgaben und [neu] teilweise um belegmäßig nicht nachgewiesene Ausgaben. Aus dem Verwaltungsakt und den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen ist jedoch nicht ersichtlich, welche Ausgaben aus welchem Grund nicht anerkannt werden.
Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung der Rechtsmittelinstanz für diese nachvollziehbarist (zB ). Dem wird der angefochtene Bescheid nicht im Geringsten gerecht, denn einerseits steht die Begründung im Bp-Bericht vom im Widerspruch zum Aktenvermerk vom , und andererseits ist weder aus der Begründung noch aus den vorgelegten Akten nachvollziehbar, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat und in welchem Ausmaß die begehrten Ausgaben unter welchen Tatbestand subsumiert worden sind.
Leider kommt auch der Bf seiner Mitwirkungspflicht nur unzureichend nach, weshalb anhand der vorgelegten Unterlagen nicht ermittelt werden kann, in welchem Ausmaß Betriebsausgaben vorliegen. Können die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt oder berechnet werden, sind sie zu schätzen (§ 184 Abs 1 BAO), insbesondere, wenn der Abgabepflichtige an der Aufklärung nicht ausreichend mitwirkt (§ 184 Abs 2 BAO) oder Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden bzw unrichtig sind.
Die Liste "***2***" enthält zwar Ausgaben im Zusammenhang mit der Gründung der ***1***, doch fallen diese einerseits nicht in das Jahr 2013 und sind andererseits vom Bf nicht in die Summe der Ausgaben eingerechnet worden. Da seitens der belangten Behörde keine Feststellungen darüber getroffen wurden, welche Ausgaben bereits bei der ***1*** berücksichtigt wären, sehr wohl aber, dass diese im Jahr 2013 keine Ausgaben geltend gemacht hat, wird davon ausgegangen, dass die vom Bf geltend gemachten Steuerberatungskosten im Ausmaß von 12.200 Euro ihn selbst betreffen und auch nicht wegen Repräsentation oder Bestechung nicht abziehbar wären.
Bei den insgesamt 91.459,65 Euro, die in der Liste "ausgaben ***3***" das Jahr 2013 betreffen, ist nicht ersichtlich, weshalb sie einen anderen Steuerpflichtigen betreffen sollen oder wegen Repräsentation oder Bestechung nicht abziehbar wären. Allerdings sind 49.791,50 Euro als "Kosten Umbau" gekennzeichnet und stellen aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwand dar, der nur über die - hier nicht weiter bekannte - Nutzungsdauer absetzbar ist. Es verbleiben daher sofort absetzbare Betriebsausgaben im Ausmaß von 41.668,15 Euro.
Insgesamt erscheint es damit vertretbar, unter Berücksichtigung der nicht näher berechenbaren AfA und eines Sicherheitsabschlages für die mangelhaften Aufzeichnungen 30.000 Euro im Schätzungsweg als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Damit setzen sich die Einkünfte des Beschwerdeführers wie folgt zusammen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen) | -30.000,00 |
Beteiligung ***4*** | 0,00 |
Beteiligung ***5*** | 64.655,87 |
Beteiligung ***6*** | 40.832,58 |
Beteiligung ***7*** | 20.898,24 |
Vermietung ***8*** | -2.549,69 |
Summe | 93.837,00 |
Nach Abzug von (unstrittigen) Sonderausgaben ergibt sich ein Einkommen von 92.941 Euro. Unter Berücksichtigung von Unterhaltsabsetzbetrag und Rundung (§ 39 Abs 3 EStG) beträgt die Einkommensteuer 35.577 Euro.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103466.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at