Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 13.09.2021, RV/7100429/2021

Einkommensteuervorauszahlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Wolfgang Tiwald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***WP***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***A*** vom betreffend die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre werden in Höhe von 1.841 € festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am stellte die steuerliche Vertretung der Bf den Antrag, die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre mit Null Euro festzusetzen, da die Bf ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erziele.

Mit Vorauszahlungsbescheid 2020 vom wurden die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre mit 3.220 € festgesetzt. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass dem Antrag nicht habe entsprochen werden können, da für das Jahr 2020 ein Sanierungsgewinn zu berechnen und gemäß § 36 EStG zu versteuern sei.

Mit Schriftsatz vom erhob die steuerliche Vertretung der Bf Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre vom und begründete diese damit, dass die von der Abgabenbehörde aufgestellten Verbindlichkeiten nur zum Teil betrieblich verursacht seien, der größere Teil sei privat verursacht, sodass im Hinblick auf den privat verursachten Teil kein Sanierungsgewinn entstehen könne. Die steuerliche Vertreterin stellte in Aussicht, eine umfassende Begründung nachzureichen, da der Sachverhalt bis 2001 zurückreiche und ihr nicht alle Unterlagen vorlägen. Die steuerliche Vertretung ersuchte daher, die Begründung bis zum nachreichen zu dürfen und stellte den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid betreffend die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre vom als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass für die Berechnung der Vorauszahlungen für ein Kalenderjahr die Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr - im gegenständlichen Fall das Jahr 2017 - herangezogen werde, die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen worden sei und daher mangels Änderung der für die Festsetzung der Vorauszahlung maßgeblichen Veranlagung, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen sei.

Mit Schreiben vom stellte die steuerliche Vertretung der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom gegen den Bescheid betreffend die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre vom , durch das Bundesfinanzgericht und verwies unter anderem darauf, dass die Beschwerdevorentscheidung betreffend den Einkommensteuerbescheid 2017 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden sei, sodass eine Erhöhung der Einkommensteuervorauszahlungen um 4 % bzw 5 % - wie in der BAO vorgesehen - nicht erfolgen könne. Bezüglich des Sanierungsgewinnes führte die steuerliche Vertretung der Bf aus, dass die im Zahlungsplan des Schuldenregulierungsverfahrens genannten Positionen 3, 5, 6, 8, 9, und 12 betriebliche Schulden seien und diese Positionen hochgerechnet EUR 227.565,60 ergäben. 95 % davon seien EUR 216.187,32. Aufgrund des Zahlungsplanes ergebe 1/7 davon EUR 30.883,90, abzüglich 95 %, ergebe dies einen Sanierungsgewinn pro Jahr von EUR 1.544,19. Da die Bf Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit von ca EUR 45.000,00 erziele, betrage der Grenzsteuersatz 42 % und betrügen diese 42 % aufgerundet von dem Sanierungsgewinn von EUR 1.544,19 nur ca. EUR 650,00.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde von der Abgabenbehörde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens unter anderem gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer für 2017 fand am eine mündliche Senatsverhandlung statt.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7103530/2019, wurde unter anderem der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2017 teilweise Folge gegeben und die Einkommensteuer für das Jahr 2017 in Höhe von 1.615 € festgesetzt, wobei davon ausgegangen wurde, dass von den laut Zahlungsplan des Schuldenregulierungsverfahrens zu bedienenden Insolvenzforderungen in Höhe von 990.090,51 € die betrieblich veranlassten Schulden 595.203,57 € betragen.

Mit Schriftsatz vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der steuerlichen Vertretung der Bf zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bf betrieb von Jänner 1997 im Rahmen der ***B*** OEG bzw ab Mai 2001 als KEG bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am xx.xx.2002 das Baumeistergewerbe mit dem Schwerpunkt der Planung und Überwachung von Bauvorhaben.
Mit Beschluss vom des Landesgerichtes ***C*** wurde der über das Vermögen der ***B*** KEG eröffnete Konkurs nach Abschluss eines Zwangsausgleiches (Quote 20 %) aufgehoben.
Die Quote des Zwangsausgleichs konnte von der Bf nicht erfüllt werden.

In den Folgejahren war die Bf bis einschließlich 2011 als Einzelunternehmerin tätig.
Seit 2012 erzielt die Bf ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Am stellte die Republik Österreich (Finanzamt ***A***), vertreten durch die Finanzprokuratur beim Bezirksgericht ***D***, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 70 IO.

Mit Beschlussfassung vom über den Zahlungsplan (§§ 140ff IO, § 193 IO) wurde unter anderem festgehalten, dass die im Rahmen des Zahlungsplans zu bedienenden Insolvenzforderungen 990.090,51 € betragen, die Quote 5 % beträgt, in 7 Jahresraten zahlbar und die erste Rate am fällig ist.

Außer Streit steht, dass die im Zahlungsplan des Schuldenregulierungsverfahrens genannten Positionen 3, 5, 6, 8, 9 und 12 betrieblich veranlasste Schulden sind.

Insgesamt betragen die betrieblich veranlassten Schulden 595.203,57 €:


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betrieblich
privat
1
***Bank1***
7.337,05 €
2
***Bank2***
23.628,48 €
59.130,84 €
3
***Bank3***
12.523,18 €
4
***Bank4***
96.620,29 €
5
Sozialversicherungsanstalt der gew. Wirtschaft
137.059,25 €
6
***X*** Gebietskrankenkasse
31.626,34 €
7
***Bank6***
242.979,91 €
8
***E*** GmbH
17.213,48 €
9
***F*** AG
2.050,31 €
10
***G***
2.675,56 €
11
Republik Österreich, vertr. durch die Finanzprokuratur
101.029,56 €
229.123,20 €
12
***H***
27.093,06 €
Summe der betriebl./privaten Insolvenzforderungen
595.203,57 €
394.886,94 €
Summe der Insolvenzforderungen
990.090,51 €

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7103530/2019, wurde unter anderem der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2017 teilweise Folge gegeben und die Einkommensteuer für das Jahr 2017 in Höhe von 1.615 € festgesetzt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde übermittelten Unterlagen, dem Insolvenzakt des Bezirksgerichts ***D*** (***GZ***), der E-Mail des steuerlichen Vertreters der Bf vom und der im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7103530/2019, ausgeführten Beweiswürdigung.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß 45 Abs 1 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige auf die Einkommensteuer nach dem allgemeinen Steuertarif und nach einem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Vorauszahlungen zu entrichten. Vorauszahlungen sind auf volle Euro abzurunden. Für Lohnsteuerpflichtige sind Vorauszahlungen nur in den Fällen des § 41 Abs 1 Z 1 und 2 festzusetzen. Die Vorauszahlung für ein Kalenderjahr wird wie folgt berechnet:

- Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der Beträge im Sinne des § 46 Abs 1 Z 2 und Z 3.

- Der so ermittelte Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr wirkt, um 4 %, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5 % für jedes weitere Jahr erhöht.

Gemäß § 41 Abs 1 Z 1 EStG 1988 ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt.

Die Restschuldbefreiung bzw die Erfüllung eines Zahlungsplanes führt zu nachträglichen Betriebseinnahmen, weshalb letztere bei der Veranlagung im Jahr 2017 in Höhe von 80.777,63 € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Ansatz zu bringen waren. Da die Bf im Jahr 2017 andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt, war die Bf gemäß § 41 Abs 1 Z 1 EStG 1988 zu veranlagen und waren gemäß § 45 Abs 1 EStG 1988 Vorauszahlungen festzusetzen.

Wirkt die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr, so erfolgt auf den ermittelten Betrag ein Zuschlag von 4 %; wirkt sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr, beträgt der Zuschlag 5 % für jedes weitere Jahr (dh zB 9 % für das zweitfolgende Jahr) (vgl Jakom/Peyerl EStG, 2018, § 45 Rz 7).

Die Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr 2017 in Höhe von 1.615 € ist gemäß § 45 Abs 1 Teilstrich 2 EStG 1988 um 14 % (= 4 % + 5 % + 5 %) für das drittfolgende Kalenderjahr, ds 226,10 € zu erhöhen. Da die Vorauszahlungen gemäß § 45 Abs 1 leg cit auf volle Euro abzurunden sind, sind die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2020 und Folgejahre in Höhe von 1.841 € (= 1.615 € + 226,10 €) festzusetzen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage erfolgte im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 45 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 45 Abs. 1 Teilstrich 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Vorauszahlungen
Einkommensteuervorauszahlungen
nachträgliche Betriebseinnahmen
Restschuldbefreiung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100429.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at