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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2021, RV/7104955/2020

Kilometergeld oder Pendlerpauschale bei Vorliegen einer zweiten Arbeitsstätte?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104955/2020-RS1
Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. Ob die Dienstzuteilung auf Antrag des Beamten oder aus dienstlichen Erfordernissen erfolgt, ist für die gegenständliche Frage des Vorliegens einer Arbeitsstätte nicht von Relevanz, weil in allen Fällen die Erteilung eines dienstlichen Auftrages dazu führt, dass sich der Beamte in Erfüllung seiner Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis an den mitgeteilten Ort zu begeben hat ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***StrNr***, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.
Das Einkommen beträgt 35.395,05 Euro. Die Einkommensteuer beträgt nach anrechenbarer Lohnsteuer und Rundung -759,00 Euro (Gutschrift).

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Strittig im Verfahren ist, ob der Beschwerdeführer (Bf), ein Polizist, der neben seinem Dienst in einer Polizeiinspektion auch als Mitglied der Polizeimusik des Landespolizeikommandos dorthin zu Proben und Einsätzen fährt, letztere Fahrten als Werbungskosten geltend machen kann, oder diese nur im Rahmen des Pendlerpauschales berücksichtigen darf.

Der Bf legt dafür Dienstpläne, Dienstaufträge, Reisekostenabrechnungen und Stammdatenauswertungen vor und führt im Wesentlichen aus, es liege eine Dienstreise vor, weil er den Dienstort im Auftrag des Arbeitgebers verlasse und dafür Fahrtkosten ersetzt bekomme; allerdings lediglich im Ausmaß des günstigsten Massenverkehrsmittels, weshalb er die Differenz auf seine Pkw-Ausgaben als Werbungskosten geltend mache. Die Fahrt zu Musikproben begründe keinen weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit, das Pendlerpauschale beziehe sich nur auf seine Fahrten zwischen Wohnung und Stammdienststelle. Es liege auch keine funktionale Arbeitsstätte vor, weil Polizeimusiker nicht in die Landespolizeidirektion eingegliedert seien und ihnen dort kein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe (Verweis auf LStR 2002 Rz 700).

Die belangte Behörde führt für ihren Standpunkt ins Treffen, laufend am selben Ort stattfindende Proben begründeten einen funktionalen Arbeitsplatz. Würden Fahrten dorthin von zu Hause angetreten, könnten sie nur mit dem Pendlerpauschale abgegolten werden. Nur, soweit vom Dienstort in der Polizeiinspektion zu den Proben gefahren werde, stünden Werbungskosten für eine Reise zu, was - nach gänzlich abschlägigem Erstbescheid - in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt worden ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ist Polizist und versieht seinen Dienst an der Polizeiinspektion Ort1. Von dieser wohnt er 6,5 km entfernt und bestreitet die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Pkw, weil die Verwendung eines Massenverkehrsmittels auf dieser Strecke nicht zumutbar ist.

Daneben ist er in der Polizeimusik tätig, wofür regelmäßig Fahrten zur rund 100 km vom Wohn- bzw auch Dienstort entfernten Landespolizeidirektion Ort2 erforderlich sind, wo Proben und Musikeinsätze durchgeführt werden. Für diese Tätigkeiten erhält er jedes Mal einen Dienstauftrag und bekommt einen nicht steuerbaren Fahrtkostenersatz (§ 26 Z 4 EStG) im Ausmaß des Preises eines Fahrscheines für ein öffentliches Verkehrsmittel.

Im Streitjahr hat der Bf folgende Fahrten nach Ort2 bestritten: Jänner 2, Februar 1, März 8, April 9, Mai 6, Juni 5, Juli 1, August 4, September 6, Oktober 4, November 7, Dezember 0. Für Einsätze am 15.3. und 29.10. ist er von seiner Dienststelle in Ort1 angereist, zu allen übrigen Einsätzen hat er die Fahrt von seiner Wohnung aus angetreten und ist wieder dorthin zurückgekehrt.

Um nach Ort2 zu gelangen, hat der Bf seinen privaten Pkw verwendet. Angesichts der Art des Fahrzeuges (Volvo XC90) erscheint die Schätzung der tatsächlichen Kosten mit dem amtlichen Kilometergeld sachgerecht.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den Vorbringen des Bf und den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten (§ 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988). Für die Frage, ob dem Bf für seine Fahrten von seiner Wohnung nach Ort2 Werbungskosten zustehen, ist daher von entscheidender Bedeutung, ob er in der dortigen Landespolizeidirektion eine Arbeitsstätte hat.

Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird (). Dass die Tätigkeit des Dienstnehmers auch darin bestehen kann, sich die für die Erbringung der Dienste notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem zum EStG 1972 ergangenen Erkenntnis vom , 90/14/0232, betreffend die Schulung eines österreichischen Heeresangehörigen auf Luftwaffenstützpunkten in den USA, ausgesprochen. Ebenso findet sich im Erkenntnis vom , 87/14/0024, die Aussage, dem Umstand, dass eine Dienstzuteilung zum Zwecke der Fortbildung erfolge, komme für die Werbungskosteneigenschaft keine eigenständige Bedeutung zu, weil in einem solchen Fall die Fortbildung im Rahmen der Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stattfindet (). Ob die Dienstzuteilung auf Antrag des Beamten oder aus dienstlichen Erfordernissen erfolgt, ist für die gegenständliche Frage des Vorliegens einer Arbeitsstätte nicht von Relevanz, weil in allen Fällen die Erteilung eines dienstlichen Auftrages dazu führt, dass sich der Beamte in Erfüllung seiner Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis an den mitgeteilten Ort zu begeben hat ().

Nach diesen Ausführungen begründet die Landespolizeidirektion Ort2, in der grundsätzlich mehrmals monatlich Proben und Musikeinsätze stattfinden, eine Arbeitsstätte. Soweit der Bf seine Fahrten dorthin von seiner Wohnung aus antritt, kann er dafür keine gesonderten Werbungskosten für tatsächliche Kfz-Ausgaben geltend machen, weil diese Fahrten nach § 16 Abs 1 Z 6 EStG abpauschaliert sind.

Die Verweise des Bf auf Dienstauftrag, Reisekostenvergütung, Stammdienststelle und LStR 2002 Rz 700 lassen für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Dies alles betrifft nämlich den Begriff der Dienstreise nach § 26 Z 4 EStG; diese Norm regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen vom Dienstgeber bezahlte Vergütungen nicht steuerbar sind. Davon losgelöst sind jedoch die von § 16 Abs 1 Z 6 EStG verwendeten Begriffe der Wohnung und Arbeitsstätte zu sehen.

In der Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde in dem nach § 16 Abs 1 Z 6 lit d und e EStG 1988 möglichen Ausmaß für die Fahrten nach Ort2 das Pendlerpauschale berücksichtigt. Weiters hat sie für die beiden Fahrten, die nicht von § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 erfasst sind, weil sie von der Dienststelle in Ort1 aus angetreten worden sind, in der vom Bf begehrten Höhe Werbungskosten berücksichtigt.

Die von der belangten Behörde bei Bescheiderlassung angestellten Berechnungen mögen auf Unverständnis des Bf stoßen, weil es steuerlich günstiger erscheint, den Dienst in Ort2 über den Umweg seiner Stammdienststelle anzutreten. Sie entsprechen aber den anzuwendenden Normen, die zulässiger Weise im Massenverfahren der lohnsteuerpflichtigen Einkünfte von einer typisierenden Betrachtung ausgehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104955.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at