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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.08.2021, RV/5100874/2020

Afa-Bemessungsgrundlage bei erstmals vermieteter und zuvor umgebauter Wohnung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***3***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***4*** vom betreffend Einkommensteuer 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***,

beschlossen:

1. Der angefochtene Bescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt aufgehoben.

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Begründung

1. Streitpunkt:

Strittig ist die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Abschreibung für Abnutzung für eine vermietete Wohnung und ob zusätzlich eine Fünfzehntelabsetzung von den Umbaukosten für die vermietete Wohnung anzuerkennen ist.

2. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, im folgenden "die Bf.", ist Eigentümerin der Liegenschaft ***5*** in ***6***, welche sie mit Übergabsvertrag vom ***7*** von ihrem Vater übergeben erhalten hat.

Im Erdgeschoß des Gebäudes befindet sich die ***8***apotheke ***9*** (Abgabenkonto ***10***), an welcher die Bf. beteiligt ist und daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Im 1. OG (Größe 186 m²) befindet sich die Privatwohnung (Zweitwohnsitz) der Bf.. Das 2. OG (Größe 193,66 m²) wurde 2013 saniert und es bestand bereits 2013 die Absicht, das Objekt zu vermieten. Die tatsächliche Vermietung erfolgte erst ab . Laut vorgelegtem Mietvertrag beträgt der Mietzins für die sanierte Wohnung im 2. OG EUR 2.200,00. In diesem Mietzins sind die gesetzliche Umsatzsteuer von derzeit 10% sowie die anfallenden Betriebskosten enthalten.

2016 erfolgte eine Betriebsprüfung hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2011 - 2014 sowie eine Nachschau für den Zeitraum 2/2015 - 3/2016. In dieser wurde auch bereits die Vermietungsabsicht betreffend die Wohnung im 2. OG des Gebäudes ***5*** anerkannt und diverse Aufwendungen im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten der Obergeschoßwohnung im 2. Stock geprüft. Unter anderem wurde im BP-Bericht, Tz 4, ausgeführt, dass der von der Bf. für die Sanierung angeführte Betrag von € 83.339,46 auf € 70.564,36 zu kürzen ist, da ein Teil der Umbaukosten der Privatwohnung bzw. Apotheke zuzurechnen sind. Mangels Geltendmachung der AfA in den prüfungsrelevanten Jahren blieb die Kürzung ohne steuerliche Auswirkung.

Die Bf. beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung 2018 eine Absetzung für Abnutzung in Höhe von EUR 13.307,06. Dieser Betrag setzte sich aus Fünfzehntelabschreibung iHv EUR 5.555,96 und einer tatsächlichen Afa von EUR 7.751,10 zusammen.

In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes übermittelte die steuerliche Vertretung der Bf. eine Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Afa. Diese Berechnung sieht wie folgt aus:

Das Finanzamt anerkannte im Einkommensteuerbescheid 2018 vom lediglich die laut Berechnung sich ergebende Afa iHv EUR 4.950,00, nicht aber die Fünfzehntelabschreibung.

Dagegen wurde Beschwerde eingebracht. Darin wurde die Absetzung für Abnutzung mit EUR 7.751,10 und eine Fünfzehntelabsetzung nach § 28 Abs. 2 EStG 1988 iHv EUR 5.555,96 beantragt.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde ein Vorlageantrag, Schreiben vom , eingebracht.

Im Vorlagebericht beantragte das Finanzamt eine teilweise Stattgabe der Beschwerde. Das Finanzamt anerkannte den für "Umbauarbeiten ***5***" geltend gemachten Betrag iHv € 83.339,46 als Instandsetzungsmaßnahmen, fordert jedoch dessen Kürzung um den in der BP festgestellten Privatanteil auf € 70.564,36 und die Absetzung dieses Betrages verteilt auf 15 Jahre - jährlich sohin € 4.704,30. Hinsichtlich der Afa blieb es unverändert bei EUR 4.950,00.

Nach dem Akteninhalt gibt es keine Anhaltspunkte, dass die im 2. OG renovierte Wohnung vor ihrer Instandhaltung vermietet worden ist.

3. Rechtliche Erwägungen

3.1.

Die Vermietung der Wohnung im 2. OG erfolgt außerbetrieblich. Auch bei den außerbetrieblichen Einkunftsarten können Wirtschaftsgüter, deren Nutzungsdauer länger als ein Jahr beträgt, nur im Wege der Afa abgesetzt werden.

Die zur Berechnung der Afa zur Anwendung gelangende Bemessungsgrundlage ist in § 16 Abs.1 Z 8 EStG 1988 in der Fassung zum wie folgt geregelt:

Die Übergabe des gesamten Hauses vom Vater an die Tochter erfolgte im Jahr 1987. Im Jahr 2012 war daher das Grundstück nicht mehr steuerverfangen.

Die Sanierung des 2. OG erfolgte im Jahr 2013 und die Vermietung erst dann im Jahr 2018. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung im 2. OG im unsanierten Zustand zur Erzielung von Einkünften verwendet wurde, weshalb davon ausgegangen wird, dass die Bf. die Wohnung im 2. OG erstmals im Jahr 2018 zur Erzielung von Einkünften nutzte.

Anhand des Übergabsvertrages kann nicht beurteilt werden, ob ein entgeltlicher oder unentgeltlicher Vorgang vorliegt, nicht zuletzt, weil Angaben von Wertverhältnissen fehlen und die Bf. erhebliche Gegenleistungen zu Lebzeiten ihres übergebenden Vaters und ihrer Mutter zu erbringen hatte. Im Beschwerdefall ist diese Beurteilung jedoch ohnehin aus nachfolgenden Gründen nicht relevant.

§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. b EStG 1988 idF vor dem SchenkMG 2008, BGBl. I Nr. 85/2008 (auf Übertragungen bis zum anzuwenden) lautet:

"b) Wird ein Gebäude unentgeltlich erworben, dann ist der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zugrunde zu legen. Auf Antrag sind auch die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (§ 6 Z 9) anzusetzen."

Primär ist im Fall der unentgeltlichen Übergabe der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb als Afa-Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen. Auf Antrag sind die sog. "fiktiven Anschaffungskosten" anzusetzen. Der Antrag ist anlässlich der Veranlagung für das Kalenderjahr zu stellen, in dem der Steuerpflichtige erstmals Einkünfte aus der Vermietung des Gebäudes erzielt ().

Selbst wenn die Übergabe im Jahr 1987 als unentgeltlich zu beurteilen ist, ist in der Abgabe der Steuererklärung mit Beilage, in der die fiktiven Anschaffungskosten (siehe oben) berechnet und als Bemessungsgrundlage für die Afa herangezogen und dem Einkommensteuerverfahren zugrunde gelegt werden, ein Antrag auf Heranziehung der fiktiven Anschaffungskosten zu sehen. Bei einem entgeltlichen Vorgang sind ohnehin die fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

3.2.

Nach § 6 Z 9 lit. b EStG 1988 ist unter "fiktiven Anschaffungskosten" der Betrag zu verstehen, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Empfangs hätte aufwenden müssen. Das Gesetz regelt nicht, wie dieser Wert im Einzelnen festgestellt werden soll; somit ist letztlich eine Ermittlung im Schätzungsweg nach § 184 BAO geboten. Die im Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) heranzuziehenden Methoden können bis zu einem gewissen Grad auch im Steuerrecht Anwendung finden (vgl. Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 37). An Wertermittlungsverfahren akzeptiert der Verwaltungsgerichtshof sowohl das Vergleichs- als auch das Ertragswertverfahren (vgl. Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 39).

Vom steuerlichen Vertreter der Bf. wurde das Ertragswertverfahren herangezogen. Dieses hat auch das Finanzamt als taugliche Methode zur Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten im Beschwerdefall akzeptiert.

3.3.

Die Ertragswertberechnung der Bf. weist gravierende Fehler auf, die nachfolgend erläutert werden.

Wie aus dem Buch Liegenschaftsbewertung von Heimo Kranewitter, 7. Auflage, Seite 109, zur Ermittlung des Verkehrswerts im Ertragswertverfahren hervorgeht, ist im Ertragswertverfahren vom Liegenschaftsreinertrag der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts, der sich aus der Multiplikation von Bodenwert und Liegenschaftszinssatz ergibt, abzuziehen. Der danach verbleibende Jahresreinertrag der baulichen Anlagen ist zu vervielfältigen. Die Höhe des Vervielfältigungsfaktors wird durch den Liegenschaftszinssatz und die Restnutzungsdauer bestimmt.

Im Gegensatz zu diesem üblichen Schema für die Ertragswertberechnung wurde in der Berechnung der Bf. der Liegenschaftsreinertrag unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 2% und einer Nutzungsdauer von 67 Jahren sofort vervielfältigt und davon pauschal ein Anteil von Grund und Boden iHv 40% lt. Grundanteilsverordnung abgezogen. Der sich danach ergebende Wert des Gebäudes wurde gekürzt um die Umbaukosten iHv EUR 83.339,46 und erst dieser Restsaldo als fiktive Anschaffungskosten und damit als Bemessungsgrundlage für die 1,5% herangezogen. Die EUR 83.339,46 wurden einer 15-tel Absetzung unterworfen.

3.3.1

Zu den einzelnen Stufen des Ertragswertverfahrens:

Aufgrund gänzlich fehlender Ermittlungen kann nicht beurteilt werden, ob der Jahresrohertrag und die Bewirtschaftungskosten im Beschwerdefall den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Für den Jahresrohertrag ist die Bruttomiete von EUR 2.200,00 auf eine Nettomiete von EUR 2.000,00 umzurechnen. Bei Multiplikation mit 12 ergibt sich ein Betrag von EUR 24.000,00. In der Ertragswertrechnung der Bf. wurden EUR 22.000,00 angesetzt. Die Differenz von EUR 2.000,00 könnten die Betriebskosten bilden, die als Durchlaufposten aus der Miete herauszurechnen sind. Ob dem so ist, wird zu ermitteln sein, insbesondere wird der Aufteilung der Betriebskosten Augenmerk zu schenken sein, da die verschiedenen Stockwerke des Gebäudes unterschiedlichen Nutzungen dienen.

Der Bodenwert ist auch im Ertragswertverfahren im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Zur Höhe des Bodenwertes gibt es im Beschwerdeverfahren keinerlei Angaben und auch keinerlei Ermittlungen.

Ebenso erfolgte keine Begründung des herangezogenen Liegenschaftszinssatzes, der bei der Ertragswertermittlung der Bf. nur beim Vervielfältiger zur Anwendung gekommen ist. Ein kurzes Gespräch der zuständigen Richterin mit einem Fachexperten für Liegenschaftsbewertung der Finanzverwaltung hat ergeben, dass im Bezirk ***11*** die Bandbreite für die anzuwendenden Zinssätze üblicherweise zwischen 2,5% und 3,1% liegt. Der von der Bf. herangezogene Liegenschaftszinssatz von 2% scheint daher zu niedrig. Zu hinterfragen ist auch, ob die Restnutzungsdauer tatsächlich mit 67 Jahren anzunehmen ist.

3.3.2.

Die Instandsetzungsmaßnahmen wurden im Beschwerdefall vor der Vermietung getätigt. Erst durch sie wurde eine Vermietung mit der vereinbarten Höhe des Mietzinses möglich.

Werden Instandsetzungsmaßnahmen vor dem fiktiven Erwerb getätigt, fließen diese in die Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten mit ein, da Instandsetzungsaufwendungen den Nutzwert eines Gebäudes wesentlich erhöhen bzw. die Nutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängern. Dadurch ist die Erzielung eines höheren Mietzinses möglich. Ein höherer Mietzins führt im Ertragswertverfahren wiederum zu höheren fiktiven Anschaffungskosten. Darin liegt auch der Grund, dass eine zusätzliche Berücksichtigung dieser Instandsetzungsaufwendungen im Rahmen einer Fünfzehntelabsetzung iSd § 28 Abs. 2 EStG 1988 ausgeschlossen ist. Es käme sonst zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung. Fünfzehntelabsetzungen nach § 28 Abs. 2 EStG 1988 können nur für Instandsetzungsaufwendungen berücksichtigt werden, die nach Beginn der Vermietung erfolgen.

3.3.3.

Auch wenn die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben (vgl. etwa ), erweist sich im gegenständlichen Fall im Hinblick auf den Umstand, dass noch umfassende weitere Ermittlungen zur Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten erforderlich sind, die Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt als zweckmäßig.

Das Finanzamt hat die von der Bf. vorgelegte Ertragswertberechnung in keiner Weise beanstandet, obwohl sie augenscheinlich von dem in der Liegenschaftsbewertungspraxis entwickelten Schema zur Ermittlung des Ertragswertes abweicht. Für die beschwerdegegenständliche Liegenschaft in ***11*** fehlen wesentliche Angaben. Diese Faktoren sind aber für die die Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten nach dem Ertragswertverfahren als Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung und für deren Überprüfung entscheidungswesentlich.

Das Finanzamt wird im weiteren Verfahren einen Amtssachverständigen für Liegenschaftsbewertung beizuziehen haben, der die fehlenden Parameter ermittelt. Seine Stellungnahme wird vom Finanzamt zu prüfen und der Bf. zur Stellungnahme vorzulegen sein.

Da es nicht Sache des Verwaltungsgerichts ist, anstelle der Verwaltungsbehörde im Ergebnis erstmals ein zweckentsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 278 BAO aufzuheben und ist die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen. Dies ist sowohl im Interesse der Raschheit der Entscheidung gelegen als auch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zum einen kann nach Abschluss der Ermittlungen das Finanzamt unter Zugrundelegung der obigen Rechtsausführungen neu entscheiden, ohne dass das Bundesfinanzgericht nochmals befasst werden muss. Zum anderen kann das Finanzamt auf einen beim Finanzamt tätigen Fachexperten ("Amtssachverständigen") zurück greifen, wohingegen das BFG einen externen Sachverständigen beauftragen müsste, was dem BFG Kosten, wie aus vergleichbaren Fällen bekannt ist, von mehreren Tausend Euro verursachen würde.

4. Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Verbindung mit § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Rechtsfragen sind vielmehr in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst, die Beurteilung von Tatfragen ist der Revision nicht zugänglich.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100874.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at