TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2021, RV/5101780/2019

Gemeiner Wert des Baurechtes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LBG Oberösterreich Steuerberatung GmbH, Leopold-Werndl-Straße 44/1, 4400 Steyr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, nunmehr: Finanzamt Österreich, vom betreffend Grunderwerbsteuer, St.Nr., Erf.Nr. 2015, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Baurechtsvertrag, Selbstberechnung

Am schloss die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) als Bauberechtigte mit dem Grundeigentümer einen Baurechtsvertrag ab.

Darin bestellte der Grundeigentümer zugunsten der Bf an dem im Vertrag näher bezeichneten Grundstück im Ausmaß von 825 m² ein Baurecht auf die Dauer von 99 Jahren. Als jährlicher Bauzins im vorhinein wurde ein Betrag "von € 1,50 (im Falle einer Steuerbelastung durch Gesetzesänderung zuzüglich USt oder der entsprechenden Steuer) je m², somit € 1.237,50" vereinbart.

Die Grunderwerbsteuer wurde vom Vertragserrichter von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 25.380,00 selbst berechnet.

2. Grunderwerbsteuerbescheid

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer gemäß § 201 BAO fest und begründete dies wie folgt:

"Bei Überprüfung der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durch den befugten Parteienvertreter Dr. ……….. wurde festgestellt, dass die Grunderwerbsteuer vom Bauzins in der Höhe von € 25.380,00 berechnet wurde.

Die Grunderwerbsteuer ist bei der Begründung eines Baurechts vom Wert des Bauzinses gemäß § 15 BewG, mindestens vom gemeinen Wert des Baurechtes zu berechnen. Wird an einem unbebauten Grundstück ein Baurecht mit einer Dauer von mindestens 50 Jahren begründet, entspricht der gemeine Wert für das Grundstück dem gemeinen Wert des Baurechts.

Der gemeine Wert des gegenständlichen Grundstückes (825 m2) wird laut Immobilienpreisspiegel bez. Punkt IX des Vertrages mit € 75,00/m2 festgesetzt und beträgt € 61.875,00."

3. Beschwerde

Innerhalb offener Frist wurde Beschwerde erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass Baurechte von Grund und Gebäude verschiedene eigenständige Grundstücke nach § 2 GrEStG sind. Werden Baurechte marktkonform entgeltlich eingeräumt, so wären Leistung und Gegenleistung äquivalent. Der gemeine Wert nach § 10 BewG sei nicht höher als die Gegenleistung nach § 5 GrEStG. Der Kapitalwert der Bauzinsen nach § 15 BewG würde daher dem gemeinen Wert nach § 10 BewG entsprechen. Der Gesamtwert dürfe das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht übersteigen.

4. Beschwerdevorentscheidung

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens gab das Finanzamt der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung teilweise statt und führte in der Begründung aus:

"Als gemeiner Wert des Baurechtes ist nicht der nach § 15 BewG 18fach kapital. Bauzins heranzuziehen, sondern ist dieser völlig eigenständig nach § 10 BewG zu bewerten. Der gemeine Wert kann durch verschiedene Beweismittel, etwa anhand von Entgelten für vergleichbare Liegenschaften glaubhaft gemacht oder mit einem Schätzgutachten nachgewiesen werden. Ein Schätzgutachten im Sinne einer "eigenständigen Bewertung nach § 10 BewG" wurde nicht beigebracht. In Anlehnung an das BFG Erkenntnis vom , RV/3100727/2018 wird folgende Ermittlungsmethode zur Bestimmung des maßgeblichen gemeinen Wertes des Baurechts angewandt. Als Wertansatz wird der Bauzins von € 1,50/m2, das sind bei der Grundstücksfläche von 825 m/2 zuzügl. USt gesamt jährl.€ 1.485,00, zugrunde gelegt. Im Hinblick auf die lange Laufzeit des Entgeltes ist jedoch eine jährliche Abzinsung vorzunehmen. Der gesetzliche (gem. § 15 Abs. 1 BewG) bzw. im Abzinsungsrechner auf der Homepage des BMF vorgegebene Abzinsungszinssatz in Höhe von 5,5 % erscheint derzeit nach Ansicht des BFG weitaus überhöht. Das BFG erachtet daher einen Abzinsungszinssatz von maximal 3 % als angemessen. Ausgehend von den Prämissen - angemessener Baurechtszins jährl. € 1.485,00, Dauer 99 Jahre, Abzinsungszinssatz 3 %, bemisst sich daher der gemeine Wert des Baurechts als Summe der abgezinsten Beträge über die gesamte Laufzeit mit € 48.252,52. Dieser Wert übersteigt die Gegenleistung (€ 25.380,00) und ist daher als Mindestbemessungsgrundlage gem. § 4 Abs 2 Z 3 lit. a GrEStG idF BGBl I 2014/36 anzusetzen."

5. Vorlageantrag

Fristgerecht wurde dagegen der Antrag gestellt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat anzuberaumen. Zur Begründung wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und die in der Beschwerdvorentscheidung vorgenommene Bewertung des Baurechtes in Frage gestellt.

6. Vorlage an das Verwaltungsgericht

Mit Bericht vom wurde die Beschwerde samt den im Aktenverzeichnis angeführten Teilen des Verwaltungsaktes an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

7. Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes

Im Zuge dieses Verfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs konnte abgeklärt werden, dass für den Bauzinsbetrag keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wird (Nachweis durch Bankbelege). Die Vertragsbestimmung (in der Klammer) zur Umsatzsteuer sollte den Fall einer geänderten Rechtslage abdecken. Der jährliche Bauzins beträgt daher € 1.237,50.

Die vom Finanzamt angenommene Abzinsung von 3 % in Anlehnung an das Erkenntnis des , wurde von der Bf moniert. Aufgrund der Zinsprognosen sei ein Zinssatz von 5,5 % abzuleiten.

Das Finanzamt übermittelte eine Neuberechung des gemeinen Wertes des Baurechtes - auf Basis des Nettobetrages.

8. Mündliche Verhandlung vor dem Senat

Mit Fax vom wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Baurechtsvertrag vom erwarb die Bf ein Baurecht an einer Liegenschaft auf die Dauer von 99 Jahren. Der zu entrichtende Bauzins beträgt € 1.237,50 pro Jahr.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem Vorbringen beider Parteien.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Der gegenständliche Baurechtsvertrag wurde im Oktober 2015 abgeschlossen. Es gilt daher die Rechtslage vom bis (GrEStG idF BGBl I Nr. 36/2014).

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987, unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Da gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 Baurechte Grundstücken gleichstehen, unterliegt auch die Begründung eines Baurechts durch Abschluss eines Baurechtsvertrags dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 (vgl. , Rechtssatz [kurz: RS] 1, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2000/16/0012).

Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 36/2014, ist die Grunderwerbsteuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

Ist die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert des Baurechts, ist der Berechnung der Grunderwerbsteuer der gemeine Wert des Baurechts zugrunde zu legen (siehe § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014).

Nach § 1 Abs. 2 BewG 1955 gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§ 19 bis 68) nur "nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze" für die Grunderwerbsteuer (vgl. ). Eine solche Regelung enthält aber § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 - im Gegensatz zu den auf den "Einheitswert" abstellenden Ziffern 1 und 2 dieses Absatzes - nicht. Die in § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 vorgesehene Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage (Mindestbemessungsgrundlage bei einer niedrigeren Gegenleistung) ist somit ausschließlich der auf der Grundlage des § 10 BewG 1955 zu ermittelnde "gemeine Wert" des einzuräumenden Baurechts. Es kommt also auf den Preis an, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (am freien Markt) - unter zueinander fremden Personen - für die Einräumung eines solchen Baurechts (z.B. bei Einmalerlag) gezahlt würde, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse auszublenden sind. Hingegen bildet, wenn § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 anzuwenden ist, die tatsächlich im konkreten Einzelfall gezahlte Gegenleistung nicht die Bemessungsgrundlage (vgl. , RS 2).

Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, wonach Baurechte den Grundstücken gleichstehen, bedeutet, dass die in § 1 leg. cit. angeführten Tatbestände auch auf Baurechte anzuwenden sind, nicht jedoch, dass bei der Bemessungsgrundlage des gemeinen Wertes derjenige des Grundstücks auch für das Baurecht heranzuziehen wäre (vgl. , RS 3).

§ 15 BewG 1955 regelt nur die Bewertung wiederkehrender Nutzungen und Leistungen. Damit ist § 15 BewG 1955 (und die Einschränkung auf ein bestimmtes Vielfaches des Jahreswerts) aber nur für die Bewertung der Bauzinsverpflichtung, somit der Gegenleistung (§ 4 Abs. 1 GrEStG 1987) für die Einräumung des Baurechts, nicht aber für die Bewertung des Baurechts selbst von Bedeutung. Der Wert des Baurechts ist eigenständig nach § 10 BewG 1955 zu ermitteln (vgl. , RS 4).

Gemäß § 10 Abs. 2 BewG 1955 bestimmt sich der gemeine Wert nach dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

Das Bundesfinanzgericht hat im Erkenntnis vom , RV/3100727/2018, als Ermittlungsmethode zur Bestimmung des gemeinen Wertes des Baurechtes die Summe der abgezinsten Bauzinsbeträge über die gesamte Laufzeit herangezogen. Der konkrete Beschwerdefall bietet keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Im Hinblick auf die lange Laufzeit und die jährlich verteilte Abstattung des Entgeltes ist dieses nach dem Dafürhalten des BFG nicht im Nominalbetrag anzusetzen, sondern ist vielmehr eine jährliche Abzinsung vorzunehmen. In diesem Zusammenhalt erscheint allerdings der gesetzliche (gemäß § 15 Abs. 1 BewG) bzw. im Abzinsungsrechner auf der Homepage des BMF vorgegebene Abzinsungszinssatz in Höhe von 5,5 % derzeit aufgrund der Niedrigzinspolitik am Finanzmarkt nach Ansicht des BFG weitaus überhöht. Entgegen des von der Bf begehrten Abzinsungszinssatzes von 5,5 %, der im Hinblick auf die nahezu Nullzinspolitik der EZB jedenfalls als nicht schlüssig zu beurteilen ist, erachtet daher das BFG vielmehr einen Abzinsungszinssatz von maximal 3 % für angemessen (vgl. ).

Der gemeine Wert des Baurechtes errechnet sich sohin wie folgt:

Dieser Wert übersteigt die Gegenleistung in Höhe von € 25.380,00 und ist daher als Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014, der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.

3.2. Steuerberechnung

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG 3,5 % vom Wert des Grundstückes in Höhe von € 40.210,43 ergibt eine Grunderwerbsteuer von € 1.407,37 (gerundet gemäß § 204 BAO).

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, da sich das Bundesfinanzgericht bei der Rechtsfrage der Bemessungsgrundlage auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/16/0005, stützen konnte.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101780.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at