Behauptete Befangenheit eines Richters
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AO/3100015/2021-RS1 | Auch wenn zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, Organwalter könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei einer Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden. (vgl. ) |
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Leiter der Außenstelle Innsbruck,***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2013
beschlossen:
Der Antrag vom auf Ablehnung der Richterin ***R*** wegen Befangenheit wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach § 268 Abs. 1 BAO steht den Parteien das Recht zu, den Einzelrichter oder ein Mitglied des Senates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 BAO aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind Anträge beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Gründe für die Ablehnung sind glaubhaft zu machen.
Gemäß § 76 Abs. 1 lit. c BAO haben sich Organe der Verwaltungsgerichte der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn (sonstige) wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
Über Ablehnungsgründe in Abgabenverfahren gegen Richterinnen oder Richter hat gemäß Punkt 3.3.6 der Geschäftsverteilung des Bundesfinanzgerichtes an den Außenstellen die Leiterin oder der Leiter der Außenstelle zu entscheiden.
Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag vom auf Ablehnung der Richterin ***R*** darauf, dass sie anlässlich der Erörterung am nicht den geringsten Zweifel daran gelassen habe, dass für sie die Sache bereits entschieden sei, wenngleich zu diesem Zeitpunkt die Zeugen noch nicht einvernommen und das Ergebnis des Beweisverfahrens noch nicht festgestanden habe. Zudem sei die Diskussion hinsichtlich der aufgeworfenen Verjährung sowie des gewerblichen Grundstückhandels in der Form diskutiert und erläutert worden, dass die Richterin eine vorgefasste und voreingenommene Beurteilung eingenommen habe, die befürchten lasse, dass sich die Richterin vorweg ohne Rücksicht auf den künftigen Verfahrensverlauf aus nicht in der Sache gelegenen Gründen auf ihre Meinung zum Gegenstand festgelegt habe und davon auch nicht mehr abweichen werde. Diese Besorgnis und Zweifel hätten sich anlässlich der Akteneinsicht am und nach nunmehriger Kenntnis der Zeugeneinvernahmen insofern erhärtet und bestätigt, als dass die Zeugen zum jeweiligen Beweisthema die Ausführungen des Beschwerdeführers vollinhaltlich bestätigt hätten und dennoch die Richterin erneut dargelegt habe, dass sie nicht von ihrer vorgefassten und voreingenommen Meinung abrücke und offensichtlich gar nicht den zukünftigen Verfahrenslauf abzuwarten bereit sei, wenngleich dies das genaue Gegenteil des Aktenstandes sei. Es werde vielmehr versucht telefonisch auf Zeugen einzuwirken und die bereits getätigten Zeugenaussagen abzuändern oder aufzuweichen. In der Folge wurden zum Erörterungstermin, zur Akteneinsicht und zu den Zeugeneinvernahmen weitere Ausführungen gemacht.
Wichtige Gründe im Sinne des § 76 Abs. 1 lit. c BAO sind Umstände, die es nach objektiver Prü-fung und Beurteilung rechtfertigen, die volle Unbefangenheit des Organwalters in Zweifel zu ziehen, etwa aufgrund persönlicher Beziehungen des Organwalters zu der Partei oder zu deren Vertreter (vgl. weitere Beispiele in Ritz, BAO6, § 76 Rz 8ff). Maßgebend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (Ritz, aaO, mwH).
Auch wenn zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, Organwalter könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei einer Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden. Befangenheit ist entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeter Weise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen könnten (, mwN).
Sachliche Differenzen führen für sich genommen nicht zur Befangenheit eines Organwalters. In dem Umstand, dass sich die Rechtsansicht eines Organwalters nicht mit jener der Partei oder der Fachexpertise eines Sachverständigen deckt, ist daher grundsätzlich keine Befangenheit zu erblicken. Dass ein Organwalter eine gewisse Rechtsmeinung vertritt, begründet sohin nicht den Anschein einer Befangenheit. Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nämlich nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Organwalters. Eine allfällige Unrichtigkeit seiner Entscheidung ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und grundsätzlich keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens (vgl. hierzu , mwH).
Vor diesem Hintergrund geben die Aussagen der Richterin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage bzw. im Rahmen der Akteneinsicht keinen Anlass zur Befürchtung, dass weitere Verfahrensergebnisse bei der rechtlichen Beurteilung der Beschwerdesache unberücksichtigt bleiben würden. Die Aufgabe des Berichterstatters im Senatsverfahren ist es, die im § 269 BAO eingeräumten Rechte (vor allem Ermittlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen oder auch Erörterungstermine abzuhalten) auszuüben. Auch wenn die Entscheidung dem Senat obliegt, wird der Berichterstatter Rechtsansichten äußern dürfen bzw. wohl auch müssen. (vgl. Ritz, BAO6, § 269 Rz 14, mwH). Es ist somit keineswegs ausgeschlossen, dass sich die Rechtsmeinung ändert, sodass die rechtlichen Äußerungen in einem bestimmten Verfahrensstadium (hier zur Frage, ob ein gewerblicher Grundstückhandel vorliegt oder nicht bzw. zur Frage der Gewinnaufteilung im Lichte der bestehenden Rechtsprechung) keinen Befangenheitsgrund darstellen.
Der Beschwerdeführer vermag auch mit seinen Ausführungen zur Zeugeneinvernahme der Prüforgane das Vorliegen einer Befangenheit nicht glaubhaft darzulegen. Zeugeneinvernahmen sind nicht auf die von einem Beschwerdeführer genannten Beweisthemen eingeschränkt. Im Übrigen zeigt der Vorhalt betreffend die seinerzeitige Beurteilung des Projektes**** durch die Prüferin die Unvoreingenommenheit der Richterin auf, weil die Aussagen und die Gründe für die Bewertung durch die Prüferin durchaus auch geeignet sind, Argumente, die für die Rechtsansicht des Beschwerdeführers sprechen, aufzuzeigen.
Die gerügte Nichtaufnahme der Bestätigung der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers im Rahmen der Prüfung in die diesbezügliche Niederschrift vermag auch keine Befangenheit aufzuzeigen, zumal dies offensichtlich unstrittig ist und dies gegenüber dem Beschwerdeführer im Rahmen der Akteneinsicht am auch bestätigt wurde.
Das Ersuchen, der Zeuge ***Z*** möge seine Aussage dahingehend ergänzen bzw. erläutern, woher er Kenntnis von der gemeinsamen Haftung des Beschwerdeführers mit der ****GmbH im Innenverhältnis und einer zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH vereinbarten Gewinnaufteilung habe, wenngleich ihm dies wohl nur vom Beschwerdeführer mitgeteilt worden sein könne, zeigt ebenfalls keine Befangenheit auf. Schon aus der Fragestellung ist erkennbar, dass es sich um ein Ergänzungsersuchen und nicht um eine Abänderung der Aussage handelt. Die Beeinflussung des Zeugen in eine bestimmte Richtung kann daraus nicht abgeleitet werden, mag auch die Meinung darüber, ob die ergänzend gestellte Frage vom Zeugen bereits ausreichend beantwortet worden ist oder nicht bzw. sich bereits aus dem Akteninhalt ergebe, zwischen dem Beschwerdeführer und der Richterin unterschiedlich sein. Im gegebenen Zusammenhang musste für Herrn ***Z*** klar erkennbar sein, dass diese Ergänzung nur im Falle des Zutreffens erfolgen sollte. Daran ändert auch der Formulierungsvorschlag durch die Richterin nichts. Davon abgesehen, wurde der Inhalt des Ergänzungsersuchens von der Richterin bereits mit klargestellt. Dass der Zeuge sich gegenüber der Richterin geäußert habe, dass seine Kenntnisse aus der Grundsatzvereinbarung vom stammen, behauptet selbst der Beschwerdeführer nicht.
Zu den fehlenden Kalkulationsblättern im vorgelegten Akt ist anzumerken, dass ein Vorlagebericht nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren zu beurteilen ist, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Dieser ist dem entsprechend auch nicht einem förmlichen Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs. 2 zugänglich (vgl. ).
Gemäß § 266 BAO hat die Abgabenbehörde mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen und den Parteien eine Ausfertigung des Aktenverzeichnisses zu übermitteln. Diese Bestimmung soll es der Partei ermöglichen, Kenntnis davon zu erlangen, welche Akten die Abgabenbehörde dem Verwaltungsgericht vorgelegt hat und ob sie das Gericht vollständig von bedeutsamen Verhältnissen informiert hat. Das Aktenverzeichnis ist Inhalt des (elektronisch übermittelten) Vorlageberichts. Der Beschwerdeführer kann aufgrund des Aktenverzeichnisses, aber auch im Rahmen einer Akteneinsicht die Vollständigkeit der Akten überprüfen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren mit der Akteneinsicht am auch passiert. Inhaltliche Mängel einer Vorlage führen nicht zur Befangenheit der zuständigen Richterin oder des zuständigen Richters. Im Übrigen wurden die angesprochenen, zunächst fehlenden Kalkulationsblätter zwischenzeitlich dem Akt beigefügt
Soweit der Beschwerdeführer im Papierakt keine Unterlagen über den Zuteilungsvorgang der Beschwerdesache findet, ist darauf zu verweisen, dass die Zuteilung auf elektronischem Weg nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Die Abgabenbehörde wurde am automatisiert über den Namen der zuständigen Richterin informiert. Vor dem konnte der Name der zuständigen Richterin somit niemandem bekannt sein. Davon abgesehen, kann mit Aussagen von Organen der Abgabenbehörde nicht die Befangenheit eines Richters des Verwaltungsgerichts aufgezeigt werden.
Gerade die Durchführung der Erörterungen der Sach- und Rechtslage durch die Richterin, zu der sie nicht verpflichtet ist, zeigt die Bereitschaft auf alle Vorbringen und Ergebnisse der Beweisaufnahmen einzugehen und allfällige Verfahrensfehler zu korrigieren. Letztere stellen im Übrigen per se auch nicht bereits einen Befangenheitsgrund dar.
Der Beschwerdeführer konnte somit das Vorliegen einer Befangenheit im Sinne einer Voreingenommenheit der Richterin nicht glaubhaft machen.
Der Eventualantrag, dem VwGH den "Vorfall" anzuzeigen, geht ins Leere. § 30 JN ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht keine zu beachtende Norm. Im Übrigen darf hierzu auf die nachstehende Rechtsbelehrung verwiesen werden.
Rechtsbelehrung
Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 76 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 268 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:AO.3100015.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at