Steuerpflicht von Einkünften im Rahmen einer in Frankreich ausgeübten Tätigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch WINKEL STEINER WAIBEL Steuerberater GmbH, Schweizer Straße 77, 6845 Hohenems, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 bis 2017 zu Recht erkannt:
I. Die angefochtenen Bescheide werden im Umfang der Einkommensteuerbescheide (Beschwerdevorentscheidungen) 2015 bis 2017 vom abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den Einkommensteuerbescheiden (Beschwerdevorentscheidungen) 2015 bis 2017 vom zu entnehmen.
Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der in Österreich ansässige Beschwerdeführer (Bf.) war in den Jahren 2015 bis 2017 bei der ***Bf1-AG1*** in ***Bf1-AG1-Ort** in Frankreich als technischer Geschäftsführer beschäftigt.
Mit den angefochtenenBescheiden setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für diese Jahre auf der Basis von geschätzten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (2015: 275.000,00 Euro; 2016: 285.000,00 Euro; 2017: 295.000,00 Euro) mit 9.677,00 Euro im Jahr 2015, 8.217,00 Euro im Jahr 2016 und 8.883,00 Euro im Jahr 2017 fest. Zur Begründung gab es an, der Bf. habe keine Steuererklärungen abgegeben. Mit der Schätzung der Einkünfte orientierte sich das Finanzamt an den Einkünften des Jahres 2014, in dem der Bf. noch bei der ***Bf1-AG2*** in Österreich beschäftigt war.
In der Beschwerde wandte der Bf. durch seine Steuervertretung gegen die angefochtenen Bescheide ein, die Abgabe der Steuererklärungen sei lediglich aus einem Versehen unterblieben.
Der Bf. sei in ***Bf1-AG1-Ort** beschäftigt. Sein Wohnsitz befinde sich aber nach wie vor in ***Bf1-Wohnort*** in Vorarlberg. Um die Fahrten zwischen dem Wohnsitz und dem Tätigkeitsort während der Woche zu vermeiden, habe der Bf. in ***Bf1-AG1-Ort** eine Wohnung gemietet. Er fahre in der Regel am Sonntagabend oder am Montagmorgen nach ***Bf1-AG1-Ort** und am Freitagabend oder auch am Samstagmorgen wieder nach ***Bf1-Wohnort*** zurück. Er habe sich daher an mehr als an 183 Tagen im Jahr in Frankreich aufgehalten und stehe das Besteuerungsrecht an den ausländischen Einkünften nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und Frankreich (DBA-Frankreich) daher Frankreich zu. Österreich behalte nur das Recht, die französischen Einkünfte in die Berechnung der Steuerprogression einzubeziehen, was aber mangels inländischer Einkünfte ohne Folgen bleibe. Es werde daher der Antrag gestellt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Einkommensteuer der Jahre 2015 bis 2017 unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes mit Null festzusetzen.
Mit der Beschwerde legte die Steuervertretung in Frankreich eingereichte Steuererklärungen und Steuerbescheide sowie eine Kalenderaufstellung 2015 bis 2017 der ***Bf1-AG1*** über die Aufenthalte des Bf. in Frankreich und außerhalb Frankreichs vor. Danach war er im Jahr 2015 an 208 Tagen von 236 Arbeitstagen in Frankreich und an 28 Tagen außerhalb Frankreichs tätig, im Jahr 2016 arbeitete er an 202 Tagen von 236 Arbeitstagen in Frankreich und an 34 Tagen außerhalb Frankreichs und im Jahr 2017 an 211 von 235 Arbeitstagen in Frankreich und an 24 Tagen außerhalb Frankreichs.
Mit Ergänzungsersuchen vom und vom teilte das Finanzamt der Steuervertretung mit, die auf Tätigkeiten außerhalb Frankreichs entfallenden Anteile an den Einkünften unterlägen gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Frankreich in Österreich der Einkommensteuer und die in Frankreich der Steuer unterzogenen Einkünfte seien in die Ermittlung der Steuerprogression einzubeziehen. Aus diesem Grunde werde um Vorlage der Jahreslohnausweise 2015 bis 2017 ersucht.
Mit dem Antwortschreiben vom legte die Steuervertretung eine Tätigkeitsbeschreibung durch die ***Bf1-AG1*** und die Kumulativjournale 2015 bis 2017 vor. Zur im Ergänzungsersuchen geäußerten Rechtsansicht des Finanzamtes merkte sie in diesem Schreiben an, dass in Artikel 15 Abs. 2 DBA-Frankreich klar ausgeführt werde, in welchen Fällen dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zukomme. Die Normierung eines Beobachtungszeitraumes von 12 Monaten bei der 183-Tage-Regel wäre sinnlos, wenn es möglich wäre, davon tageweise abzugehen. Im DBA-Deutschland finde sich eine Sondervorschrift zur Arbeitskräfteüberlassung, die die 183-Tage-Regel ausheble. Im DBA-Frankreich fehle eine derartige Sondervorschrift. Daher liege das Besteuerungsrecht über die in Rede stehenden Einkünfte ausschließlich bei Frankreich.
Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen änderte das Finanzamt die angefochtenen Bescheide mit neuenEinkommensteuerbescheiden 2015 bis 2017 (Beschwerdevorentscheidungen) vom in der Weise ab, dass es bei der Festsetzung der Einkommensteuern die vom Bf. nunmehr erklärten Einkünfte heranzog. Dabei schied es von den Bruttogehältern die Sonderzahlungen aus und zog vom Restbetrag die laufenden Sozialversicherungsbeiträge ab. Die so ermittelten Einkünfte (2015: 162.799,20 €; 2016:171.483,44 €; 2017: 174.715,43 €) behandelte es insoweit steuerfrei, als sie auf Tätigkeiten in Frankreich entfielen, während es die auf Tätigkeiten außerhalb Frankreichs entfallenden Anteile an den Einkünften unter Anwendung des Progressionsvorbehalts der Einkommensteuer unterzog. Solcherart setzte es die Einkommensteuern für diese Jahre mit 8.118,00 Euro (2015), 10.123,00 Euro (2016) und 6.949,00 Euro (2017) neu fest.
Im Vorlageantrag wandte die Steuervertretung gegen die mit den Beschwerdevorentscheidungen durchgeführten Steuerfestsetzungen ein, das Verhältnis zwischen den Arbeitstagen in und außerhalb Frankreichs sei für den Beschwerdefall nicht relevant. Bedeutung komme diesem Verhältnis nur für die Ermittlung der Progression zu. Da der Bf. in Österreich aber keinerlei Einkünfte erzielt habe, könne er in Österreich auch nicht mit einem Anteil an den Einkünften steuerpflichtig sein.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Im Folgenden wird der aufgrund des bisherigen Verfahrenslaufes vorliegende entscheidungsrelevante Sachverhalt noch einmal kurz zusammengefasst wie folgt:
Bis war der Bf. bei der ***Bf1-AG2*** unselbständig beschäftig.
Seit ist er als technischer Geschäftsführer bei der ***Bf1-AG1*** in ***Bf1-AG1-Ort** tätig, wo er die Bereiche Produktentwicklung, Technologieentwicklung und das Qualitätsmanagement über hat.
Diese Tätigkeiten wurden von ihm vorwiegend am Standort in ***Bf1-AG1-Ort** ausgeübt. Daneben war er für die ***Bf1-AG1-Ort** auch an anderen Orten in und außerhalb Frankreichs, hier vorwiegend in Deutschland, der Schweiz und Österreich, tätig.
Die Tätigkeiten in und außerhalb Frankreichs erfolgten in folgendem Verhältnis:
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Mit seinen aus der Tätigkeit für die ***Bf1-AG1*** bezogenen Einkünften unterlag der Bf. in Frankreich der Einkommensteuer.
Der Bf. wohnt seit dem Jahr 2010 mit seiner Ehefrau, ***Bf1-Gattin***, und dem gemeinsamen Sohn ***Bf1-Sohn*** in ***Bf1-Adr***.
Seit dem Jahr 2015 verfügt er auch noch über eine Mietwohnung in ***Bf1-AG1-Ort**, die er bei einem Aufenthalt in ***Bf1-AG1-Ort** während der Arbeitswoche benützt.
Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, und zwar der Arbeitsbeschreibung und Aufstellung über die Arbeitstage- und orte sowie der Kumulativjournale 2015 bis 2017 der ***Bf1-AG1***; den Steuererklärungen und Steuerbescheiden der Direction Génerale des Finances-Publique sowie den Eintragungen in das Zentrale Melderegister. Über die Wohnung in ***Bf1-AG1-Ort** wurden zwar keine Unterlagen vorgelegt, es ist aber glaubwürdig, dass der Bf. während der Arbeitswoche in ***Bf1-AG1-Ort** geblieben und nicht täglich zwischen ***Bf1-Wohnort*** und ***Bf1-AG1-Ort** pendelt ist und sich deshalb für die Aufenthalte in ***Bf1-AG1-Ort** eine Wohnung genommen hat.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1988 sind jene Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf die in- und ausländischen Einkünfte (sog. Welteinkommen).
Da der Bf. in den Jahren 2015 bis 2017 in Österreich wohnhaft war, war er daher auch mit seinen französischen Einkünften in Österreich steuerpflichtig.
Andererseits unterlag er mit diesen Einkünften auch in Frankreich der Einkommensteuer.
Eine dadurch eintretende doppelte Einkommensbesteuerung derselben Einkünfte wird durch das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik, BGBl. 1994/613 (DBA-Frankreich), vermieden.
Artikel 15 DBA-Frankreich teilt mit seinen in diesem Zusammenhang relevanten Absätzen 1 und 2 das Besteuerungsrecht über in einem der beiden Staaten erzielte Einkünfte aus unselbständiger Arbeit wie folgt zu:
"(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 17, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die in einem Vertragsstaat ansässige Personen aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.
(2) Ungeachtet des Absatz 1 dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn
a) der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 während eines 12 aufeinanderfolgende Monate nicht übersteigenden Zeitraumes aufhält und
b) die Vergütungen von einem oder für einen anderen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und
c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat."
Im Anwendungsbereich des DBA-Frankreich bedeutet der Ausdruck "in einem Vertrag ansässige Person" gemäß Artikel 4 Abs. 1 erster Satz DBA-Frankreich "eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsführung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist."
Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt nach Artikel 4 Abs. 1 lit. a DBA-Frankreich die Person als "in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen)."
Unter dem Ausdruck "ständige Wohnstätte" ist eine Wohnung zu verstehen, die die natürliche Person zur dauernden Nutzung bestimmt und beibehalten hat. Das zeitliche Element "ständig" bezieht sich auf deren Verwendung als Wohnung (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer Art 4 Rz 58). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es nicht erforderlich, dass die Wohnung tatsächlich ununterbrochen benützt wird (); es reicht hin, wenn eine Wohnung jährlich durch mehrere Wochen (zwei bis drei Monate) benutzt wird (;). Entscheidend ist nach Art 4/13 OECD-MK, dass die ständige Wohnstätte natürlichen Personen jederzeit zur Verfügung steht und nicht gelegentlich für Aufenthalte, die ihrem Anlass nach notwendigerweise nur von kurzer Dauer sein können (vgl. Tumpel/Luketina in Aigner/Tumpel, DBA-Kommentar, Art 4 Rz 31f.).
Maßgebend für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist grundsätzlich das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (; , 2010/13/0269) unter zusammenfassender Wertung aller Umstände (). Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (, , Ra 2016/15/0057). Dieser Zeitraum sollte zwei Jahre übersteigen (Loukota/Jirousek, IntStR I/1 Z 4 Rz 12; EAS 1086). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) ist bei gleichgewichtigen persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat und wirtschaftlichen Beziehungen zum anderen Vertragsstaat im Zweifel den näheren persönlichen Beziehungen und dabei wiederum der Gestaltung des Familienlebens der Vorrang zu geben.
Der Bf. ist aufgrund seines Wohnsitzes in ***Bf1-Wohnort*** in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und damit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA-Frankreich hier ansässig.
Aufgrund des Artikel 4 B Z 1 lit. a des französischen Einkommensteuergesetzes, des Code général des impôts, wonach Personen ihren Steuerwohnsitz in Frankreich haben, die ihren Haushalt oder ihren Hauptaufenthaltsort in Frankreich haben, war er aufgrund des Wohnsitzes in ***Bf1-AG1-Ort** auch in Frankreich steuerpflichtig und damit auch im Sinne des Artikel 4 Abs. 1 DBA-Frankreich in Frankreich ansässig.
Da der Bf. in beiden Staaten über ständige Wohnstätten verfügte, richtete sich die Ansässigkeit nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen.
Dieser lag in den Jahren 2015 bis 2017 unstreitig am Familienwohnsitz in ***Bf1-Wohnort***. Der einzige Bezug zu Frankreich bestand in der Arbeit und den daraus bezogenen Einkünften. Diese erst seit kurzer Zeit bestehende Bindung zu Frankreich trat aber gegen die engen persönlichen (familiären) Bindungen weit in den Hintergrund.
Somit stand das Besteuerungsrecht über die in Frankreich erzielten Einkünfte gemäß Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich grundsätzlich Österreich zu.
Nur insoweit die Tätigkeit des Bf. in Frankreich ausgeübt wurde, durften die dafür bezogenen Vergütungen auch in Frankreich besteuert werden ("Arbeitsortprinzip").
Der Ort der Arbeitsausübung ist der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit persönlich aufhält bzw. wo er körperlich anwesend ist. Die bloße Verwertung stellt keine Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DBA-Frankreich dar (vgl. Tumpel/Luketina in Aigner/Tumpel, DBA-Kommentar, Art. 15 Rz 1.).
Das heißt, dass Frankreich als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht über die Einkünfte des Bf. aus seiner Tätigkeit für die ***Bf1-AG1*** nur insoweit zustand, als die Tätigkeit auch tatsächlich in Frankreich ausgeübt wurde. Insoweit sie in anderen Staaten als in Frankreich ausgeübt wurde, stand das Besteuerungsrecht Österreich als dem Ansässigkeitsstaat zu. Für die Zuordnung der Einkünfte gilt in diesem Fall das Kausalitätsprinzip, das heißt, die Einkünfte waren entsprechend dem Verhältnis zwischen den Arbeitstagen im anderen Vertragsstaat, hier Frankreich, und den Arbeitstagen in anderen Staaten als dem anderen Vertragsstaat, aufzuteilen. Eben das hat das Finanzamt in den Beschwerdevorentscheidungen vom getan.
Die sog. 183-Tage-Regel des Artikel 15 Abs. 2 DBA-Frankreich regelt lediglich den Rückfall des Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat. Sie kommt entgegen der Ansicht der Steuervertretung nur dann und nur insoweit zur Anwendung, als das Besteuerungsrecht nach Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich auf den Tätigkeitsstaat übergangen ist. Sie hat aber keinen Einfluss auf jene Einkunftsteile, die schon nach Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen wurden. Mit der Wendung "Ungeachtet des Absatzes 1 .." in Artikel 15 Abs. 2 DBA-Frankreich wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass unabhängig von der Zuteilung des Besteuerungsrechtes über Einkünfte oder Anteile von Einkünften an den Tätigkeitsstaat nach Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich diese zugeteilten Einkünfte dennoch im Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen, wenn sämtliche Voraussetzungen des Artikel 15 Abs. 2 DBA-Frankreich vorliegen. Diese Bestimmung bezieht sich aber nur auf jene Einkünfte oder Einkünfteteile, die nach Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich dem Tätigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen werden, nicht aber auf die, für die schon aufgrund des Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zukommt.
Im Beschwerdefall kam es zu keinem Rückfall des nach Artikel 15 Abs. 1 DBA Frankreich zugewiesenen Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat Österreich, weil der Bf. in allen den Jahren 2015 bis 2017 an mehr als an 183 Tagen in Frankreich tätig war und zudem die Vergütungen von einer Arbeitgeberin (die ***Bf1-AG1***) in ausbezahlt wurden, die in Frankreich ansässig ist. Sie blieben daher Frankreich zur Besteuerung zugewiesen.
Somit stand Österreich nach Artikel 15 Abs. 1 DBA-Frankreich das Besteuerungsrecht auf jene Anteile an den Vergütungen zu, die auf Arbeitstage außerhalb Frankreichs entfielen. Nach den vorgelegten Aufstellungen über die Arbeitstage waren das 11,86% der Einkünfte im Jahr 2015, 14,41 % im Jahre 2016 und 10,21 % im Jahr 2017.
Die Anteile an den Vergütungen, die auf die Arbeitstage in Frankreich entfielen, waren hingegen gemäß Artikel 23 Abs. 2 lit. a DBA-Frankreich von der Besteuerung auszunehmen. Sie waren allerdings gemäß Artikel 23 Abs. 2 lit. c DBA-Frankreich bei der Festsetzung der Steuer für die Österreich zugewiesenen Vergütungen einzubeziehen.
Die vom Finanzamt mit den Einkommensteuerbescheiden 2015 bis 2017 (Beschwerdevorentscheidungen) vom durchgeführte Besteuerung der Einkünfte 2015 bis 2017 ist daher nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 vom waren daher im Umfang dieser Einkommensteuerbescheide (Beschwerdevorentscheidungen) abzuändern.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit diesem Erkenntnis ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verbunden, die (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 15 Abs. 2 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 15 Abs. 2 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 § 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 15 Abs. 2 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 4 Abs. 1 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 4 Abs. 2 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 23 Abs. 2 lit. c DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 15 Abs. 1 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 |
Verweise | Wassermeyer in Wassermeyer/Debatin, Art 4 Rz58 Tumpel/Luketina in Aigner/Tumpel, DBA-Kommentar, Art 4 Rz 31f. /0057 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100077.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at