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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.08.2021, RV/4100082/2021

Zurückweisung einer verspätet eingebrachten Beschwerde infolge eines per E-Mail eingebrachten "Fristverlängerungsantrages"

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pippan & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH& Co KG, 9500 Villach, Scholzstraße 5, betreffend die Beschwerden vom gegen die unter EW-AZ ***1*** erfassten und mit datierten Bescheide, nämlich

  1. Einheitswertbescheid zum (Wertfortschreibung § 21 Abs. 1 Z 1 BewG 1955)

  2. Bescheid über die Zerlegung des Einheitswertes und Grundsteuermessbetrages zum

  3. Grundsteuermessbescheid zum (Fortschreibungsveranlagung § 21 GrStG 1955)

  4. Einheitswertbescheid zum (Wert- und Zurechnungsfortschreibung § 21 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 BewG 1955)

  5. Grundsteuermessbescheid zum (Fortschreibungsveranlagung § 21 GrStG 1955)

und

gegen die unter EW-AZ ***2*** erfassten und mit datierten Bescheide, nämlich,

  1. Einheitswertbescheid zum (Nachfeststellung § 22 Abs. 1 BewG 1955)

  2. Grundsteuermessbescheid zum (Nachveranlagung § 22 GrStG 1955)

Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. b der Bundesabgabenordnung, BGBl Nr. 194/1961, idgF (BAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Bescheide

Das Finanzamt (FA) erließ nachstehende mit datierten Bescheide zu EW-AZ ***1***:

  1. Einheitswertbescheid zum (Wertfortschreibung gem. § 21 Abs. 1 Z 1 BewG 1955

  2. Bescheid über die Zerlegung des Einheitswertes und Grundsteuermessbetrages zum

  3. Grundsteuermessbescheid zum (Fortschreibungsveranlagung gemäß § 21 GrStG 1955)

  4. Einheitswertbescheid zum (Wert- und Zurechnungsfortschreibung gemäß (21 Abs. 1 Z 1 und 4 BewG 1955)

  5. Grundsteuermessbescheid zum (Fortschreibungsveranlagung gemäß § 21 GrStG 1955)

Weiters erließ das FA nachstehende mit datierten Bescheide zu EW-AZ ***2***:

  1. Einheitswertbescheid zum (Nachfeststellung gemäß § 22 Abs. 1 BewG 1955)

  2. Grundsteuermessbescheid zum (Nachveranlagung gemäß § 22 GrStG 1955)

Fristverlängerungsanträge per E-Mail

Mit E-Mail vom , 11:20 Uhr, beantragte die Vertretung des Beschwerdeführers (Bf.) die Frist zur Einreichung der Beschwerden "Dr. ***Bf**, EWAZ ***1***.pdf und EWAZ ***2***.pdf" bis zum zu verlängern. Die Bescheide vom zu EW-AZ ***1*** seien am und die Bescheide vom zu EW-AZ ***2*** am in der Kanzlei eingelangt.

Mit E-Mail vom , 12:37 Uhr, teilte ein Mitarbeiter des FA - unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit der Vertreterin des Bf. - ihrer Kanzlei mit, dass beiden Anträgen auf Fristverlängerung zur Einreichung der Beschwerden bis stattgegeben werde. Die Anträge und die Information hinsichtlich der Stattgabe der Fristverlängerungen seien dem zuständigen Sachbearbeiter des FA übermittelt worden.

Die Beschwerden gegen die zu EW-AZ ***1*** und EW-AZ ***2*** erlassenen Bescheide wurden am beim FA eingereicht.

Beschwerdevorentscheidungen

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das FA die Beschwerden gegen die zu EW-AZ ***1*** und EW-AZ ***2*** ergangenen Bescheide nach § 260 BAO zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerden verspätet eingebracht worden seien, weil die Beschwerdefristen am bzw. abgelaufen seien. Unter Verweis auf die Judikatur des , , Ra 2015/15/0007 und die §§ 85 und 86a BAO, komme einem E-Mail die Eigenschaft einer Eingabe nicht zu, auch dann nicht, wenn das FA die "Eingabe" per Mail akzeptiert habe. Die Beschwerden seien somit als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Informativ teilte das FA - unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des amtlichen Bodenschätzers - mit, dass die Zurechnung zum Grundvermögen sich aus der Lage und den sonstigen Verhältnissen jedenfalls ergebe.

Fristverlängerungsanträge

Mit Schriftsätzen vom wurde um Fristverlängerung zur Einbringung der Vorlageanträge zu EW-AZ ***1*** und EW-AZ ***2*** bis ersucht. Die Ansuchen wurden mit Bescheiden vom abgewiesen.

Vorlageanträge

Der Bf. beantragte mit Schriftsätzen vom die Beschwerden vom gegen die zu EW-AZ ***1*** und EW-AZ ***2*** ergangenen o.a. Bescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Vorlagebericht

Das FA legte die Beschwerden mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung 5016 abgenommen und der Gerichtsabteilung 5011 zugewiesen.

Das FA informierte das BFG über die mit datierten Anträge auf Aufhebung nach § 299 BAO der zu EW-AZ ***1*** und zu EW-AZ ***2*** ergangenen Bescheide. Darin verwies der Bf. darauf, dass "die BVS's mit der Aufhebung der Erstbescheide völlig in der Luft hingen und dass die Fristverlängerungen nicht nur elektronisch, sondern auch telefonisch erfolgt und solcherart nach der BAO wirksam seien."

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom zu EW-AZ ***1***, und zwar der

  1. Einheitswertbescheid zum (Wertfortschreibung gem. § 21 Abs. 1 Z 1 BewG 1955,

  2. Bescheid über die Zerlegung des Einheitswertes und Grundsteuermessbetrages zum ,

  3. Grundsteuermessbetrag zum (Fortschreibungsveranlagung gem. § 21 GrStG 1955),

  4. Einheitswertbescheid zum (Wert- und Zurechnungsfortschreibung gem. § 21 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 BewG 1955),

  5. Grundsteuermessbescheid zum (Fortschreibungsveranlagung gemäß § 21 GrStG 1955)

wurden am , einem Montag, dem Bf. zugestellt.

Die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom zu EW-AZ ***2***, und zwar der

  1. Einheitswertbescheid zum (Nachfeststellung gem. § 22 Abs. 1 BewG 1955),

  2. Grundsteuermessbescheid zum (Nachveranlagung gem. § 22 GrStG 19559

wurden am , einem Mittwoch, zugestellt.

Mit E-Mail vom , 11:20 Uhr, wurden die Anträge auf Fristverlängerung "zur Einreichung der Beschwerden für Herrn Dr. ***Bf**, …, betreffend die Einheitswertaktenzeichen ***1*** und ***2***" dem FA übermittelt. Verwiesen wurde dabei auf eine Rücksprache zwischen dem FA und der Vertreterin des Bf.

Das FA teilte mit E-Mail vom , 12:37 Uhr, der Vertretung des Bf. mit, dass - wie telefonisch besprochen - beiden Anträgen auf Fristverlängerung bis stattgegeben wird.

Am wurden die Beschwerden gegen die o.a. Bescheide zu den EW-AZ ***1*** und ***2*** eingebracht.

Das FA wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Nach Abweisung weiterer Fristverlängerungsanträge brachte der Bf. am die Vorlageanträge ein.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig und durch aktenkundige Beweismittel belegt.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsdarstellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Ausführungen

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Ausgehend von den obigen Sachverhaltsfeststellungen wurden die Bescheide zu EW-AZ ***1*** dem Bf. am (Anm.: der von der Bf. angegebene war ein Sonntag, und kommt somit als Zustelldatum nicht in Betracht) und die Bescheide zu EW-AZ ***2*** am , einem Mittwoch, zugestellt. Die Beschwerdefrist hätte somit grundsätzlich im ersten Fall am , einem Donnerstag, und im zweiten Fall am geendet.

Nach § 97 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen idR durch Zustellung.

Gemäß § 245 Abs. 3 BAO ist die Beschwerdefrist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

Nach § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 85 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen (lit. a) oder wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist (lit. b), oder wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann (lit. c).

Da im gegenständlichen Fall das Vorliegen eines mündlichen Anbringens auf Fristverlängerung weder behauptet wird, noch sich ein solches aus der Aktenlage ergibt, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Voraussetzungen des § 85 Abs. 3 BAO, zumal nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes telefonische Ersuchen keine mündlichen Anbringen iSd § 85 BAO darstellen (zB mwN; , ). Somit geht das Vorbringen des Bf., dass die Anträge auf Fristverlängerungen nicht nur elektronisch, sondern auch telefonisch erfolgt seien, ins Leere.

Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden.

Mit § 1 der Verordnung BGBl 494/1991 idF BGBl II 2013/447 wird für Anbringen iSd § 86a Abs. 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an die Verwaltungsgerichte, an ein Finanzamt oder an ein Zollamt gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.

Mit der FinanzOnline-Verordnung 2006 (BGBl II 2006/97 idgF BGBl II 2014/52) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigne Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen.

Da § 85 und § 86a BAO sowie die auf Grund § 86a BAO ergangenen beiden erwähnten Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Eigenschaft eines Anbringens zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt (, , ), mwN).

Ein mit einem E-Mail eingebrachtes "Anbringen" löst daher weder die Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl. , , Ra 2015/16/0065, , Ra 2019/15/0081).

Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einem E-Mail die Eigenschaft einer Eingabe auch dann nicht zu, wenn das Finanzamt derartige Anbringen (zunächst) in Bearbeitung nimmt (vgl. ).

Nach der BAO gelten "Anbringen", die der Abgabenbehörde auf einem für sie nicht zugelassenen Weg zugeleitet werden, als nicht eingebracht, weshalb sie auch keine Entscheidungspflicht auslösen können (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO6, § 86a Anm. 4, ).

Aufgrund dieser Rechtslage vermochten die im Beschwerdefall per E-Mail eingebrachten "Fristverlängerungsanträge" aber auch nicht die Rechtsfolge einer Hemmung des Fristenlaufes gemäß § 245 Abs. 3 zweiter Satz BAO auszulösen, weshalb auch die das Ende einer solchen Hemmung betreffende Regelung des § 245 Abs. 4 letzter Satz BAO im vorliegenden Fall keine Anwendung finden kann.

Da somit in der gegenständlichen Beschwerdesache die Beschwerdefristen am bzw. endeten, erweisen sich die erst mit erhobenen Beschwerden zu EW-AZ ***1*** und EW-AZ ***2*** als verspätet.

Im Beschwerdefall wurden die Beschwerden nicht fristgerecht eingebracht, weshalb sie nach § 260 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. a BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen waren.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ergibt sich aus dem Gesetz und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 22 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 GrStG 1955, Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149/1955
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 Abs. 1 Z 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955
§ 1 Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Verweise
Zitiert/besprochen in
Gombotz/Rusnak in AVR 2022, 102
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100082.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at