Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.09.2021, RV/3100500/2021

Unterlassene Ermessensübung bei der Auswahl eines Gesamtschuldners

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebühren 2021 Steuernummer StNr zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf) iZm einem Jagdpachtvertrag eine Gebühr gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 2 GebG 1957 in Höhe von € 900,00, sowie eine Gebührenerhöhung gem. § 9 Abs. 1 GebG 1957 in Höhe von € 450,00 fest.

In der Begründung des Gebührenbescheides legte das Finanzamt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage dar. Diese sei somit aufgrund des Pachtzinses laut Vertrag zuzüglich geschätzter jährlicher Kosten für Wild- und Jagdschäden sowie Verbiss- und Hegeschutzmaßnahmen erfolgt.

Weiters wurde ausgeführt:
Die Festsetzung erfolgt gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO von Amts wegen. Auf Grund einer Kontrollmitteilung der BH Schwaz erlangte das FA Österreich DSt Sonderzuständigkeit Kenntnis vom Jagdpachtvertrag.
Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen.
Auch können die steuerlichen Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie nicht bloß als geringfügig bezeichnet werden. Daher war dem Gesetzeszweck, mittels der Erlassung dieses Sachbescheides ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Steuerergebnis zu erzielen, Rechnung zu tragen.

2. Die Beschwerde vom richtet sich gegen den Ansatz der geschätzten Jagdschäden bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gebühr. Es sei für die Bf nicht nachvollziehbar, wie die Abgabenbehörde die bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage berücksichtigten Kosten für Wild- und Jagdschäden sowie Verbiss- und Hegeschutzmaßnahmen errechnet habe.

In der Beschwerde wird weiters eingeräumt, dass es verabsäumt wurde, die Rechtsgeschäftsgebühr ordnungsgemäß bzw. rechtzeitig abzuführen, jedoch liege das Verschulden dafür nicht bei der Bf als Verpächterin, sondern, wie aus dem Inhalt des Pachtvertrages eindeutig hervorgehe, beim Pächter.

3. Die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen ergingen am .

In der gesonderten Bescheidbegründung betr. den Gebührenbescheid wurde ausschließlich auf die die Höhe der festgesetzten Gebühr betreffenden Beschwerdeeinwendungen eingegangen.

4. Der Vorlageantrag wurde am eingebracht und richtete sich ausschließlich gegen den Gebührenbescheid.

Sachverhalt

Am schlossen die Bf als Verpächterin und P als Pächter den Jagdpachtvertrag betreffend die Bf.

Neben dem jährlichen Pachtentgelt iHv € 3.700,00 wurde vereinbart, dass der Pächter unter bestimmten Bedingungen Wild- und Jagdschäden zu ersetzen hat. Er hat weiters auf seine Kosten ausreichende Verbiss- und Hegeschutzmaßnahmen vorzunehmen und ist zur Wildfütterung verpflichtet.

Unter Pt. 13 des Vertrages heißt es: Sämtliche mit der Errichtung und dem Bestand dieses Vertrages verbundenen Kosten, Steuern und Abgaben, einschließlich Landesjagdabgaben und Gebühren aller Art, hat der Pächter zu tragen.

III. Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 2 GebG 1957 beträgt die Rechtsgeschäftsgebühr für Jagdpachtverträge 2 vH der Bemessungsgrundlage.

2. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 sind, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet.

Diese Bestimmung normiert ein abgabenrechtliches Gesamtschuldverhältnis iSd § 6 Abs. 1 BAO. Das bedeutet für den Beschwerdefall, dass die Bf als Verpächterin und P als Pächter dieselbe abgabenrechtliche Leistung, nämlich die Rechtsgeschäftsgebühr für den Jagdpachtvertrag, schulden (Ritz, BAO6, § 6 Tz 3).

Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, welche sich bei der Ermessensübung primär am Zweck der das Ermessen einräumenden Norm zu orientieren hat (Ritz, BAO6, § 20 Tz 8 mwN).

Das Wesen der Gesamtschuld besteht in einer besonders starken Sicherung des Gläubigers (zB ). Der Steueranspruch wird gewissermaßen auf mehrere Beine gestellt und die Finanzbehörde dadurch in die Lage versetzt - unabhängig vom Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft des in erster Linie zur Leistung Verpflichteten und dem oft nicht vorhersehbaren Erfolg von Vollstreckungsmaßnahmen - , die zur Erfüllung der Ansprüche geeignete Person auszuwählen (Ritz, BAO6, § 6 Tz 2 mwN).

Ermessensentscheidungen sind zu begründen. Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (Ritz, BAO6, § 20 Tz 13 mwN).

Wurde im vertraglichen Innenverhältnis eine entsprechende Vereinbarung getroffen, dann darf sich die Abgabenbehörde nicht ohne sachgerechten Grund an die Person halten, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen sollte. Denn auch wenn durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Gesamtschuldnern die Abgabepflicht eines Gesamtschuldners nicht ausschließbar ist, ist doch dieses Innenverhältnis für die Ermessensübung von Bedeutung. (Ritz, BAO6, § 6 Tz 13, mit Hinweisen auf zB ; , 99/16/0405).

Im Beschwerdefall wurde das Ermessen der Abgabenbehörde ausschließlich in der Richtung begründet, dass eine bescheidmäßige Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr nach den Kriterien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit geboten war.

Eine Auseinandersetzung damit, dass nach dem vertraglichen Innenverhältnis der Pächter diese Gebühr zu tragen gehabt hätte, hat bereits im Erstbescheid nicht stattgefunden. Das dahingehende Beschwerdevorbringen, bzw. der Hinweis auf die vertragliche Verpflichtung des Pächters zur Entrichtung der Gebühr, blieb in der Beschwerdevorentscheidung unbeachtet.

3.1. Im Beschwerdeverfahren ist die Ermessensübung der Abgabenbehörde voll zu prüfen (Ritz, BAO6, § 20 Tz 11 mwN).

Vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung hätte das Finanzamt die im vertraglichen Innenverhältnis getroffene Vereinbarung im Rahmen seiner Ermessensübung bei der Auswahl des Gesamtschuldners beachten müssen. Indem sie dies unterlassen hat, hat die Abgabenbehörde das Ermessen bei der Erlassung des angefochtenen Gebührenbescheides insgesamt unrichtig geübt.

3.2. Im Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht das Ermessen eigenverantwortlich zu üben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 11 mwN).

Wurde im vertraglichen Innenverhältnis die Tragung der Steuerlast durch eine der Vertragsparteien vereinbart, so wird insbesondere bei Gefährdung der Einbringlichkeit naheliegen, von dieser Vereinbarung abzuweichen (Ritz, BAO6, § 6 Tz 9 mwN).

Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung der Einbringlichkeit beim Pächter, die somit ohne Weiteres für eine Inanspruchnahme der Bf anstelle des Pächters sprechen würden, sind für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Eine Ermessensübung dahingehend, dass nicht der nach der vertraglichen Vereinbarung primär zur Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr iZm dem Jagdpachtvertrag verpflichtete Pächter, sondern die Bf in Anspruch zu nehmen gewesen wäre, scheint dem Bundesfinanzgericht daher nicht geboten.

Es war sohin der Beschwerde gegen den Gebührenbescheid stattzugeben und der Bescheid aufzuheben.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung erging in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
§ 33 TP 5 Abs. 1 Z 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 9 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100500.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at