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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.08.2021, RV/7102354/2020

Antrag auf FB bzw. erhöhte FB wegen Erwerbsunfähigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab 09/2017 für die Tochter V., Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe


I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte am über FinanzOnline die Gewährung der Familienbeihilfe (FB) und erhöhten Familienbeihilfe für seine Tochter V. ab September 2017, weil seiner Ansicht nach Erwerbsunfähigkeit vorliegen würde.

Das im Juli 2018 vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingeholte Gutachten bescheinigte der Tochter des Bf eine erhebliche Behinderung von 50% ab März 2018 (depressive Störung, unterer Rahmensatz, da schwere depressive Symptome vorhanden, jedoch Therapieoptionen nicht ausgeschöpft sind), aber keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit.

In Beantwortung eines Ergänzungsauftrages durch die Behörde legte der Bf am unter anderem 2 ärztliche Befunde für seine Tochter (Mag. Dr.Dr.W. und Dr. S.) vor, wobei Dr. W. im Persönlichkeitsbereich der Patientin eine major depression - schwer diagnostizierte und eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle, eine medikamentöse Unterstützung sowie eine Psychotherapie als Therapie empfahl.

Der Antrag des Bf auf FB bzw. erhöhte FB ab September 2017 für die Tochter wurde mit Bescheid vom abgewiesen.

Am wurde eine Beschwerde eingebracht.
"…Die Befunde und die Ereignisse meiner Tochter von Kindheit bis heute beweisen die verschiedenen Phasen einer psychischen Erkrankung. …Der Abbruch des Studiums war schon durch ihre Krankheit ausgelöst. …Die Bedingungen, die im Gesetz enthalten sind, wurden von der Neurologin (im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 07.0.7.2018) gar nicht geprüft. Das Gespräch konzentrierte sich auf die Symptome/Befunde der letzten Monate, praktisch nicht über die letzten 9 Jahre."

In der Folge wurde am ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellt.
Dieses bestätigte im Wesentlichen die Feststellungen im Erstgutachten und stellten den Grad der Behinderung der Tochter mit 50% ab März 2018 fest. Eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit der Tochter, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde verneint.

Die Beschwerde des Bf wurde mit Beschwerdevorentscheidung am abgewiesen.

Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht und ausgeführt, dass keine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Tochter vorläge. Sie wäre nicht selbsterhaltungsfähig.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde bzw. des Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Bundesfinanzgericht (BFG) durchgeführten Ermittlungen.

Den Feststellungen zu den Erkrankungen der Tochter des Bf und den Grad der Behinderung liegt die Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle Wien (Sozialministeriumservice) vom bzw. zugrunde.

Hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt bzw. wenn ja, ob diese vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, folgt das Gericht der Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom bzw. .

III. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
lit a) für minderjährige Kinder, ….
lit c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
lit h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden:

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt
Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.
Gemäß § 10 Abs. 4 gebührt für einen Monat Familienbeihilfe nur einmal.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

IV. Erwägungen

Für volljährige Kinder, die nicht mehr in Berufsausbildung sind oder das 24. bzw. in bestimmten Fällen das 25. Lebensjahr überschritten haben, besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden. Der Nachweis der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (ausschließlich) durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. ). Auch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung vermittelt einen Familienbeihilfeanspruch (vgl. ; ; ).

Wie bereits im , ausgeführt, sieht § 8 Abs. 6 FLAG 1967 zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vor.
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.

Bei der Antwort auf die Frage, ob Bf dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ; ).

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v.H. bzw. einer damit verbundenen voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; ; ).

Im gegenständlichen Fall wurden seitens der Fachärzte des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) insgesamt 2 ärztliche Sachverständigen Gutachten erstellt.
Die Gutachten vom und wurden, unter Bedachtnahme der Befunde von Mag. Dr.Dr. W., bzw. Dr. S.e, ausführlich und für das BFG sowohl schlüssig und nachvollziehbar übereinstimmend begründet, dass ein Behinderungsgrund von 50% erreicht wird (wobei hingewiesen wird, dass der festgestellte Grad der Behinderung durch entsprechende Therapie - Medikation, Psychotherapie etc - voraussichtlich nicht mehr als drei Jahre andauern wird. Gleichzeitig wird aber auch festgestellt, dass mit der diagnostizierten Erkrankung der Tochter (Depressive Störung) voraussichtlich keine - nach dem Gesetz relevante - dauernde Erwerbsunfähigkeit der Tochter besteht:

"…Besserungswahrscheinlichkeiten nach Etablierung einer adäquaten Therapie sowie dem natürlichen Verlauf der Erkrankungen gegeben…" (Gutachten vom )

"…Es sind psychische Auffälligkeiten im 17. LJ dokumentiert. Jedoch ist daraus nicht abzuleiten, dass es dadurch zu Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß gekommen wäre, das eine anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ daraus abzuleiten wäre…" (Gutachten vom )

Die Diagnose des Mag. Dr.Dr. W. vom , worauf sich der Bf stützt, stellt dagegen lediglich eine - Empfehlung dar und schlägt eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle, eine medikamentöse Stützung sowie eine Psychotherapie vor.

Wie bereits oben ausgeführt ist das BFG an die Feststellungen der im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstellten Gutachten gebunden. Für das Gericht ist keine Unschlüssigkeit der beiden Gutachten vom 07.07. bzw., soweit diese den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres verneinen, zu ersehen.

Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der FB bzw. des Erhöhungsbetrages zur FB nicht erfüllt.
Da ab Sommersemester 2017 (Abbruch Studium) keine Berufsausbildung der Tochter mehr vorlag, begründet die ab März 2018 bescheinigte erhebliche Behinderung der Tochter keinen Anspruch auf FB.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte der Beschwerde daher kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

V. Zulässigkeit der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Erwerbsunfähigkeit
21.Lebensjahr
Sachverständigengutachten
erhöhte FB
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102354.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at