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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.08.2021, RV/7100692/2016

Doppelstudium für Toleranzsemester des Erststudiums anerkannt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Familienbeihilfe 10.2014-09.2015 für den Sohn ***S***, geb ***1***, SVNr ***2***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

II. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Streit besteht darüber, ob von einem beihilfenschädlichen Studienwechsel oder von einem unschädlichen Doppelstudium auszugehen ist.

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte die belangte Behörde die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs 1 vom Beschwerdeführer (Bf) zurück, weil der Sohn sein Hauptstudium Elektrotechnik im WS 2011 begonnen habe und verspätet im WS 2014 auf das Studium Betriebswirtschaft gewechselt habe. Damit liege ein ungünstiger Studienerfolg gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 iVm § 17 StudFG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde vom , mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt und in der Sache vorgetragen wurde, dass der Sohn weiterhin an der TU Wien inskribiert sei und sein Hauptstudium weiterhin betreibe, wenngleich er sich im vergangenen Studienjahr mehr auf sein Zweitstudium konzentriert habe. Vorgetragen wird, dass dem Sohn für das Zweitstudium voraussichtlich ca 15 ECTS aus seinem Hauptstudium (gemeint offenbar: aus dem Zweitstudium für sein Hauptstudium) angerechnet würden, jedoch sei das Anrechnungsverfahren noch im Laufen. Der Beschwerde wurden die Sammelzeugnisse beider Studien vorgelegt. Der Erfolg im Studium Betriebswirtschaft der Universität Wien (im Folgenden BWL-Studium) betrug für das Studienjahr 2014/15 59 ECTS, aus dem Sammelzeugnis für das Studienjahr 2014/15 im technischen Studium geht kein Studienerfolg hervor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, wogegen form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom Vorlageantrag erhoben wurde, mit dem das Beschwerdebegehren aufrechterhalten und die Bestätigung der TU-Wien vom über die tatsächlich erfolgte Anerkennung von 13 ECTS aus dem BWL-Studium vorgelegt wurde. Die darin angeführten Prüfungen wurden zur Gänze in WS 2014/15 absolviert. Ein Ergänzungsschriftsatz darüber, ob und wann das technische Bachelorstudium abgeschlossen wurde, ist beim BFG nicht eingegangen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Rückforderungszeitraum umfasst laut angefochtenem Bescheid vom den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015, i.e. das WS 2014 und das SS 2015.

Der im September 1990 geborene Sohn absolvierte nach der im Juni 2010 abgelegten Matura zunächst den Präsenzdienst und studierte ab dem WS 2011 Elektrotechnik und Informationstechnik im Bachelorstudium an der TU Wien (im Folgenden Erststudium bezeichnet). Im Zuge einer im Jahr 2015 erfolgten Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen wurde der Bf unter Zusendung des Formulars Beih1 aufgefordert, das Abschlussdiplom seines Sohnes wegen Beendigung der Studienzeit vorzulegen. Das Diplom wurde nicht vorgelegt, stattdessen wurde auf dem Formular Beih1 folgender Vermerk vermerkt: "[Mein Sohn] hat die Studienrichtung gewechselt und studiert nunmehr Betriebswirtschaft an der Universität Wien. Das Elektrotechnik-Studium hat nicht seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprochen." Diese Aussage wurde in der Beschwerde als Irrtum bezeichnet. In Wahrheit habe der Sohn das Studium der Elektrotechnik weiterhin und das Wirtschaftsstudium als Zweitstudium betrieben. Das Formular wurde am bei der belangten Behörde eingebracht.

Das Studium der Betriebswirtschaftslehre an (im Folgenden Zweitstudium) hat der Sohn Wirksamkeit vom Oktober 2014 an der Universität Wien begonnen. Im Studienjahr 2014/15 hat der Sohn im BWL-Studium laut Sammelzeugnis der Universität Wien 59 ECTS erreicht und im Erststudium laut zunächst vorgelegtem Sammelzeugnis der TU-Wien keinen Studienerfolg erzielt; im Erststudium wurde die letzte Prüfung am abgelegt. Der Erfolg von drei im BWL-Studium im WS 2014/15 am , und abgelegten Prüfungen über 13 ECTS wurde von der TU Wien auf den Studienerfolg des Erststudium tatsächlich angerechnet.

Für das WS 2015 war der Sohn ordnungsgemäß auch an der TU Wien als ordentlicher Studierender fortgemeldet. Für das WS 2015/16 wurde am , und damit vor Ergehen des angefochtenen Bescheides, der Studienbeitrag an der TU Wien iHv € 382,06 einschließlich der Studiengebühr entrichtet, für die davorliegenden Zeiträume wurde als Studienbeitrag der ÖH-Beitrag an die TU Wien entrichtet. Ein Ergänzungsschriftsatz mit Nachweisen über Zeiträume ab dem SS 2015 liegt dem Verwaltungsakt nicht ein und wurde auch beim Bundesfinanzgericht nicht eingebracht.

Beweismittel:

Bestätigung des Studienerfolgs der TU Wien vom , Studienbestätigung der TU Wien vom über Fortmeldung als Studierender, Zahlungseingangsbestätigung der TU Wien vom , Bestätigung der TU Wien vom über Anrechnung von 13 ECTS aus dem BWL-Studium, Sammelzeugnis der Universität Wien vom .

Beweiswürdigung

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig aus den dem Verwaltungsakt einliegenden, oben dargestellten Beweismitteln und ist zwischen den Parteien unstrittig.

Der Bf hat anlässlich der Überprüfung des Beihilfenanspruchs mitgeteilt, dass sein Sohn das Hauptstudium abgebrochen und auf das Studium der Betriebswirtschaftslehre gewechselt habe. Erst in der Beschwerde wurde vorgetragen, er habe diese Aussage irrtümlich getätigt, vielmehr liege ein Doppelstudium vor.

Im Beschwerdefall , wurde dem Bf bei gleichgelagertem Irrtum kein Glauben geschenkt. In freier Beweiswürdigung erkannte das BFG zu Recht, dass der zuerst getätigten Aussage zu glauben sei.

Die Rechtsfolge der Wirkung einer erfolgten Anrechnung eines Studienerfolgs ergibt sich unmittelbar aus § 78 Abs 6 Universitätsgesetz 2002. Diese Rechtsfolge ist zwingend (vgl insbesondere ). Damit bleibt für eine freie Beweiswürdigung iSd des Erkenntnisses , kein Raum. Die in der Beschwerdevorentscheidung als tragend herangezogene wirtschaftliche Betrachtungsweise, wonach es "auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt ankomme, weshalb es nicht auf Absichten oder "Wunschvorstellungen" ankomme", ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Zur Abgrenzung der Anwendbarkeit von wirtschaftlicher und formalrechtlicher Betrachtungsweise sei auf , verwiesen.

Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet auszugsweise:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, […] Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. […] Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß"

§ 26 Abs 1 FLAG 1967 lautet:

"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."

§ 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) lautet auszugsweise:

"Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. […] Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden."

§ 17 Abs 1 Z 2 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG lautet:

"(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat […]"

§ 14 Abs 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) lautet:

"(1) Bei gleichzeitiger Absolvierung mehrerer Studien besteht Anspruch auf Studienbeihilfe nur für ein Studium. Die Wahl des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, steht dem Studierenden frei. Jede Änderung dieser Entscheidung gilt als Studienwechsel."

§ 78 Abs 6 Universitätsgesetz 2002 in der für den Streitzeitraum geltenden Stammfassung BGBl I 120/2002 vom lautet:

"Die Anerkennung einer Prüfung gilt als Prüfungsantritt und positive Beurteilung der entsprechenden im Curriculum vorgeschriebenen Prüfung in dem Studium, für welches die Prüfung anerkannt wird."

Rechtsstandpunkte:

Beschwerdeführer:

Es liegt während des gesamten Rückforderungszeitraumes ein FLAG-begünstigtes Doppelstudium vor. Die belangte Behörde ist zu Unrecht nicht auf die Anrechnung eines Teiles des im Zweitstudium erzielten Studienerfolgs auf den Erfolg im Erststudium nicht eingegangen.

Belangte Behörde:

Es liegt ein verspäteter und somit FLAG-schädlicher Studienwechsel vor, weil der Studienwechsel erst nach dem dritten Semester erfolgte. Im Vorlagebericht wurde ergänzend ausgeführt:

"Laut VwGH ist bei der Auslegung des Begriffes des Studienwechsels aus dem Gesamtzusammenhang des FLAG auch die Rechtsprechung zu berücksichtigen, wonach die Gewährung von FB für volljährige Kinder nach § 2 Abs 1 lit b nach den näheren Regelungen dieser Bestimmung ersichtlich darauf abstellt, dass sich das Kind einer Berufsausbildung mit dem ernstlichen und zielstrebigen, nach außen erkennbaren Bemühen um den Ausbildungserfolg unterzieht ().

Wird bei einem Doppelstudium die für den Anspruch auf FB bekannt gegebene Studienrichtung A (das "Hauptstudium") ab einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr ernsthaft betrieben, während in der anderen Studienrichtungen (Studium B) laufend Prüfungen abgelegt werden, dann ist - bei widersprüchlichen Angaben hinsichtlich des Zeitpunktes - davon auszugehen, dass ein Wechsel zum Studium B vorgenommen wurde.

Im gegenständlichen Fall wurde die letzte Prüfung für Elektrotechnik am abgelegt. Demgegenüber wurden für das Betriebswirtschaftsstudium von November 2014 bis Juli 2015 laufend Prüfungen abgelegt. Wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, kommt es auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht auf Absichten oder "Wunschvorstellungen" an.

Nur ein Studienwechsel, bei welchem DIE GESAMTEN Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des neuen Studiums berücksichtigt werden, weil sie diesem Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind, zählt nicht als Studienwechsel. Selbst wenn (im Nachhinein, da offenbar ein Verfahren im Laufen ist) 15 ECTS-Punkte angerechnet werden sollten, ändert das in concreto nichts an der Beurteilung als Studienwechsel, weil das nicht alle ECTS-Punkte des Vorstudiums sind."

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Die Beschwerde, mit der der Rückforderungsbescheid zur Gänze angefochten und dessen Aufhebung begehrt wird, und der Vorlageantrag sind form- und fristgerecht, sowie teilweise begründet.

Es wurde kein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung gestellt, sodass die Entscheidung in die Einzelrichterkompetenz fällt (Art 135 Abs 1 S 1 B-VG).

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof zum Studienwechsel iSd § 2 Abs. 1 lit. bFLAG bzw zur Abgrenzung von Mehrfachstudium und Studienwechsel folgende Grundsätze entwickelt:

"Das FLAG enthält keine Definition eines Studienwechsels und verweist in § 2 Abs. 1 lit. b nur für den Fall, dass ein Studienwechsel vorliegt, auf § 17 StudFG, welche Bestimmung aber auch keine abschließende Definition des Studienwechsels enthält. Es ist somit zu prüfen, ob überhaupt ein Studienwechsel iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt, bevor auf einen solchen Studienwechsel die Bestimmungen des § 17 StudFG angewendet werden können (; ). Bei der Auslegung des Begriffes des Studienwechsels im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist aus dem Gesamtzusammenhang des FLAG auch die […] Rechtsprechung [des VwGH] zu berücksichtigen, wonach die Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nach den näheren Regelungen dieser Bestimmung ersichtlich darauf abstellt, dass sich das Kind einer Berufsausbildung mit dem ernstlichen und zielstrebigen, nach außen erkennbarem Bemühen um den Ausbildungserfolg unterzieht (vgl ; ; ). Ein Studienwechsel iSd § 17 Abs 1 StudFG 1992 liegt dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt. Dabei ist es ohne rechtserhebliche Bedeutung, ob der Studierende unmittelbar im Anschluß an den Abbruch des Vorstudiums ein neues (anderes) Studium aufnimmt oder ob dazwischen ein mehr oder weniger langer Zeitraum liegt. Irrelevant ist es auch, ob der Studierende im Vorstudium Studienbeihilfe bezogen oder zumindestens einen Anspruch auf Studienbeihilfe gehabt hätte (). Innerhalb eines Doppelstudiums kann zwischen den zwei betriebenen Studien auch schon gewechselt werden, bevor das eine Studium abgebrochen oder unterbrochen wird (vgl , VwSlg 8335 F/2008; ). Der Verwaltungsgerichtshof vertrat [in seinen zum StudFG ergangenen Erkenntnissen , ,] die Ansicht, dass im Falle der gleichzeitigen Absolvierung mehrerer Studien (Mehrfachstudien) ein Studienwechsel dann vorliegt, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt. Diese Rechtsprechung zum StudFG ist nicht ohne weiteres auf das FLAG zu übertragen, weil § 2 Abs. 1 lit. b FLAG auf den dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden § 14 StudFG nicht verweist. Während Studienbeihilfe für ein bestimmtes, im Fall von Mehrfachstudien vom Studierenden wählbares Studium beantragt und bewilligt werden kann, wird Familienbeihilfe für ein Kind gewährt, das ein Studium erfolgreich betreibt. Während die dem Studierenden nach § 14 StudFG offen stehende Wahl, für welches der beiden gleichzeitig betriebenen Studien Studienbeihilfe beantragt wird, durch die Benennung des anderen als des bisherigen Studiums den Studienwechsel iSd StudFG bewirkt, bewirkt der Studienwechsel iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG die Verpflichtung nach § 25 FLAG, wonach der Empfänger der Familienbeihilfe (nicht notwendig der Studierende) die Tatsachen zu melden hat, welche ein Erlöschen des Anspruchs bewirken. Im Fall eines Studienwechsels ist nach § 25 FLAG daher nur dann eine Meldung an das Finanzamt erforderlich, wenn dieser Studienwechsel auch zu einem Erlöschen des Anspruchs auf Familienbeihilfe führt. Die in der erwähnten Rechtsprechung für einen Studienwechsel im Falle von Mehrfachstudien (zB Doppelstudium) erforderliche Benennung ist damit eine Willenserklärung, die in § 25 FLAG festgelegte Meldung von Tatsachen eine Wissenserklärung. Das Fehlen von Prüfungen im ersten der beiden Doppelstudien allein spricht noch nicht für einen Wechsel von diesem auf das zweite Studium, wenn wie im Beschwerdefall die Prüfungen aus dem zweiten Studium für das erste Studium anrechenbar sind (vgl. auch § 78 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002) ()."

Gemäß , "[hat der Gesetzgeber des FLAG] für den Fall eines Studienwechsels lediglich auf die Bestimmung des § 17 StudFG verwiesen, nicht aber auf den 4. Abschnitt des StudFG oder auf das StudFG insgesamt, weshalb sich die bei einem Studienwechsel im Zusammenhang mit der Studienbeihilfe ergebenden und nach anderen Bestimmungen als nach § 17 StudFG zu beantwortenden Fragen im Bereich der Familienbeihilfe nicht aus diesen anderen Bestimmungen beantworten lassen."

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes , worauf die belangte Behörde ihre Entscheidung stützt, ist im Lichte oben angeführter VwGH-Judikatur nicht ohne weiteres auf das FLAG und somit den streitgegenständlichen Fall übertragbar, da § 2 Abs 1 lit b FLAG auf den diesem Judikat zugrundeliegenden § 14 StudFG nicht verweist und das Erkenntnis , ausschließlich zum Studienförderungsgesetz ergangen ist.

Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) 1992 genannte Einrichtung besuchen, [ist] eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschreiten. Bei Studienrichtungen mit mehreren Studienabschnitten ist in Bezug auf die Gewährung der Familienbeihilfe somit jeder Studienabschnitt für sich zu betrachten. Unter "vorgesehene Studienzeit" ist dabei jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnittes oder eines Studiums festgelegt ist (gesetzliche Studiendauer). Wird in der vorgesehenen Studienzeit ein Studienabschnitt nicht absolviert, fällt der Anspruch auf die Familienbeihilfe weg. Die Familienbeihilfe kann erst mit Beginn des Monats weiter gewährt werden, in dem dieser Studienabschnitt erfolgreich vollendet wurde. Als Nachweis dient das Diplomprüfungszeugnis ( RV/0169-G/11).

Der Sohn des Bf hat als Erststudium (entspricht dem Hauptstudium nach dem StudFG) das Bachelorstudium für Elektrotechnik und Informationstechnik mit dem WS 2011 begonnen. Dieses Studium ist nicht in Studienabschnitte gegliedert, sodass neben der gesetzlichen Mindeststudiendauer noch zusätzlich zwei Toleranzsemester zustehenDie Mindeststudiendauer hat folglich mit dem SS 2014 geendet. Zuzüglich zweier Toleranzsemester erstreckte sich die anspruchsbegünstige Studiendauer auch auf den Streitzeitraum (Oktober 2014 bis September 2015).

Für das Studienjahr 2014/15 wurde dem Sohn mit Sammelzeugnis der Universität Wien für sein Zweitstudium ein Studienerfolg im Ausmaß von 59 ECTS bescheinigt, wovon ihm nachweislich 13 ECTS auf den Erfolg seines Erststudiums angerechnet wurden. Dieser angerechnete Studienerfolg ist gemäß § 78 UniversitätsG für das Studienjahr 2014/15 beim Erststudium zu berücksichtigen, weil § 2 Abs 1 lit b FLAG bezüglich des Zeitraumes, für das ein Studienerfolg nachzuweisen ist, auf das Studienjahr abstellt. Dass der angerechnete Studienerfolg aus Prüfungen resultiert, die zur Gänze im WS 2014 abgelegt wurden, ist daher unerheblich. Als für die Familienbeihilfe ausreichender Studienerfolg ordnet das FLAG einen Studienerfolg von 16 ECTS je Studienjahr an. Angesichts dessen ist ein angerechneter Studienerfolg von 13 ECTS für das Erststudium keinesfalls als gering anzusehen.

Mit dem WS 2015 (ab Oktober 2015) entfällt das Erststudium, sodass ab diesem Zeitpunkt begrifflich ein FLAG-begünstigtes Doppelstudium nicht mehr vorliegen kann. Damit steht die Familienbeihilfe für den Streitzeitraum noch zu.

Nach § 14 Abs. 2 StudFG ist für den Bezug von Studienbeihilfe bei kombinationspflichtigen Studien der günstige Studienerfolg aus jeder der beiden kombinierten Studienrichtungen nachzuweisen. Daraus ist auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe abzuleiten, dass bei einem Doppelstudium die Studienzeit des Hauptstudiums maßgebend ist und keinen Verlängerungstatbestand darstellt (nochmals RV/0169-G/11). Der Anspruch auf die Familienbeihilfe würde im konkreten Fall daher wiederaufleben, sobald das Erststudium (bzw Hauptstudium iSd StudFG) erfolgreich abgeschlossen (vgl im Fall eines gegliederten Studiums) und die Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres noch nicht abgelaufen wäre.

Aufgrund der obigen Ausführungen war zum Zeitpunkt Oktober 2014 nicht von einem Studienwechsel auszugehen, sodass sich die Auseinandersetzung mit der Frage, ob "nur ein Studienwechsel, bei welchem DIE GESAMTEN Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des neuen Studiums berücksichtigt werden" anzuerkennen ist, wie im Vorlagebericht ins Treffen geführt wird, erübrigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im konkreten Fall war die Abgrenzung zwischen schädlichem Studienwechsel und FLAG-begünstigtem Mehrfachstudium vorzunehmen. Zur Beantwortung dieser Rechtsfrage konnte sich das BFG auf eine ständige Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs stützen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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