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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.08.2021, RV/5100787/2020

Zahlungsplan nach einem Schuldenregulierungsverfahren: sind die geleisteten Teilquoten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, zu Recht erkannt:

  • Der angefochtene Bescheid wird im Ausmaß der Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 279 BAO abgeändert.

  • Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019

In ihrer am elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) das Pendlerpauschale in Höhe von 2.568 € als Werbungskosten, den Pendlereuro im Ausmaß von 110 € als Absetzbetrag sowie außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 9.680 € geltend.

Vorhalteverfahren

Auf Aufforderung der belangten Behörde legte die Bf. am elektronisch einen Beschluss des Bezirksgerichtes vom vor, mit welchem der zwischen der Bf. als Schuldnerin und deren Gläubigern abgeschlossene Zahlungsplan bestätigt wird.

Die Bf. führte dazu aus, dass sie eine im Stahlbausektor tätige Firma gehabt habe. Auf Grund gescheiterter Aufträge sei sie zahlungsunfähig geworden und habe das Unternehmen schließen müssen. Anfang Dezember 2018 sei das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen würden sich auf die Quotenzahlungen des Zahlungsplanes beziehen. Die Rechtsverbindlichkeit eines Aufwandes werde nicht freiwillig herbeigeführt, um Zwangsläufigkeit im steuerlichen Sinn zu bewirken. Das Eingehen dieser Verbindlichkeiten sei zwangsläufig und sei nicht durch das Verhalten des Steuerpflichtigen grob fahrlässig oder vorsätzlich ausgelöst worden.

Einkommensteuerbescheid 2019 vom

Der am erlassene Einkommensteuerbescheid 2019 ergab eine Nachforderung in Höhe von 306 €. Die beantragte außergewöhnliche Belastung fand keine Berücksichtigung. Begründend wurde hierzu auf den Vorjahresbescheid bzw die Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Dieser Vorjahresbescheid (2018) wurde wie folgt begründet: "Im Zuge der Betriebsaufgabe wären offene Verbindlichkeiten und Forderungen anzusetzen gewesen. Die Kosten der Gehaltsexekution stellen keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar und können nicht im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung angesetzt werden."

Beschwerde vom

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wiederholte die Bf. ihre im Vorhalteverfahren getätigten Aussagen und bemängelte die fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides.

In Bezug auf das Pendlerpauschale sei ihr ein Fehler unterlaufen. Der konkrete Wert würde 3.672 € und der Pendlereuro 140 € betragen.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde in Bezug auf das Pendlerpauschale/den Pendlereuro statt und setzte Einkommensteuer in Höhe von -6 € (Guthaben) fest.

Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung wurde dem Begehren nicht Folge gegeben. Die offenen Verbindlichkeiten und Forderungen wären im Zuge der Betriebsaufgabe anzusetzen gewesen. Die Kosten der Gehaltsexekution würden hingegen keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes darstellen und könnten daher auch nicht im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung angesetzt werden.

Vorlageantrag vom

Mit Schriftsatz vom erhob die steuerlich unvertretene Bf. "Beschwerde gegen den Bescheid vom ", welcher von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde. Inhaltlich wiederholte die Bf. ihre bereits dargelegten Argumente.

Darüber hinaus wurde der belangten Behörde ein willkürliches Vorgehen vorgeworfen, da sie den Bescheid mit Ausführungen begründet habe, denen jeglicher Begründungswert fehle.

Vorlagebericht vom

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. bezog im beschwerdegegenständlichen Jahr als Behindertenfachbetreuerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Bf. betrieb in den Jahren 2002 bis 2004 einen Stahlbaubetrieb. Nach den Eintragungen im elektronischen Abgabeninformationssystem wurden im Jahr 2002 (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. In den Jahren 2003 und 2004 erfolgte eine Schätzung wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen. Ein Konkursverfahren über das Vermögen der Bf. wurde im Jahr 2005 mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. In den nachfolgenden Jahren erzielte die Bf. ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Auf Grund der - vorwiegend aus der selbständigen Tätigkeit resultierenden - Schulden wurde mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens verfügt. Der von den Gläubigern angenommene Zahlungsplan (Quote von 53%, zahlbar in 70 Teilquoten, Fälligkeit der ersten Teilquote am ) wurde mit Beschluss vom vom Bezirksgericht bestätigt und das Schuldenregulierungsverfahren mit Eintritt der Rechtskraft aufgehoben.

Im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung machte die Bf. die im Jahr 2019 bezahlten Teilquoten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen, der Insolvenzdatei sowie aus dem elektronischen Abgabeninformationssystem.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Nach Absatz 2 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß Absatz 3 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Absatz 4 zufolge, beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Aus der in Absatz 3 leg. cit. normierten Wortfolge ergibt sich, dass freiwillig getätigte Aufwendungen ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder sonst die Folgen eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (Fuchs, in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, § 34 Abs 2 bis 5 EStG, Tz. 8). Die Erfüllung einer Verbindlichkeit kann nicht schlechthin deshalb, weil der Schuldner rechtlich zur Erfüllung verpflichtet war, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Vielmehr muss schon die Begründung des Schuldverhältnisses zwangsläufig erfolgt sein ().

Ein aus der Beteiligung am Wirtschaftsleben bestehendes Risiko in Form der Ermäßigung der Einkommensteuer auf die Allgemeinheit abzuwälzen, entspricht nicht dem Zweck des § 34 (; , 2001/15/0175; , 89/13/0093). Normzweck ist daher nicht, wirtschaftliche Misserfolge des Unternehmers, die verschiedenste Ursachen haben können, durch die Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Somit führen auch solche Aufwendungen zu keiner außergewöhnlichen Belastung, die sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellen (; , 85/14/0116; , 2000/14/0163; , 2001/15/0173; , 2001/15/0307). Die Verschuldung aus einer gewerblichen Tätigkeit entsteht im Rahmen des mit dieser verbundenen Wagnisses, das der Steuerpflichtige freiwillig auf sich genommen hat ().

Erwägungen

Die Bf. war kurzzeitig unternehmerisch tätig. Dass ihre Entscheidung, eine Stahlbaufirma selbständig zu betreiben, aus freien Stücken erfolgt ist, steht ebenso außer Zweifel wie die Tatsache, dass die Begründung der Schuldverhältnisse mit den jeweiligen Gläubigern nicht zwangsläufig erfolgt ist, sondern Ausfluss der (freiwillig aufgenommenen) unternehmerischen Tätigkeit war.

Die dem österreichischen Zivilrecht zugrundeliegende Privatautonomie ermöglicht es jedem Rechtssubjekt, durch freie eigene willentliche Entscheidung seine Rechtsverhältnisse (sowohl Berechtigungen als auch Verpflichtungen) eigenverantwortlich nach Belieben innerhalb der vorgegebenen Schranken zu gestalten. Aus den zwischen der Bf. und deren Gläubigern freiwillig geschlossenen zweiseitigen Rechtsgeschäften resultieren Leistungspflichten beider Parteien, nämlich die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts, der die Verpflichtung zur Lieferung/Leistung gegenübersteht. Da die Bf. die Erbringung ihrer Leistung schuldig geblieben ist, ergibt sich ihre Inanspruchnahme mittels Gehaltsexekution.

Mit der Aufnahme jeder unternehmerischen Tätigkeit ist unweigerlich das Risiko des wirtschaftlichen Scheiterns verbunden. Fehlende oder gescheiterte Kundeaufträge - aus welchen Gründen auch immer - sind die häufigsten Ursachen für einen wirtschaftlichen Misserfolg. Die aus der Tätigkeit der Bf. resultierende Verschuldung entstand im Rahmen des damit verbundenen Unternehmerwagnisses, welches die Bf. zweifelsfrei freiwillig auf sich genommen hatte. Damit können auch ihre Schulden nicht zwangsläufig entstanden sein, sondern sind Ausfluss des jeden Unternehmer treffenden und freiwillig eingegangenen Unternehmerrisikos.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vermeint, wurde § 34 EStG 1988 nicht zu dem Zweck geschaffen, wirtschaftliche Misserfolge des Unternehmers durch die Ermäßigung der Einkommensteuer die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Die von der Bf. genannte Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates zur GZ. RV/3558-W/07 hatte die Frage zum Inhalt, ob die auf Grund einer von der Stadt Wien betriebenen Fahrnis- und Gehaltsexekution geleisteten Zahlungen eine außergewöhnliche Belastung darstellen oder nicht. Zurückzuführen war die Exekution auf die der Stadt Wien entstandenen Kosten für eine behördliche Räumung und Schädlingsbekämpfung einer vernachlässigten Wohnung. Der Unabhängige Senat gab der Berufung keine Folge, weil die Aufwendungen Folge eines Verhaltens darstellten, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hatte. Die völlige Vernachlässigung einer Wohnung, die die zwangsweise behördliche Säuberung zur Folge hatte, beruhte auf einem freiwilligen Verhalten.

In der Rechtssache zur GZ. RV/0187-W/05 entschied der Unabhängige Finanzsenat, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Privatkonkurs (Ausschüttungen an die Konkursgläubiger nach einem durchgeführten Schuldenregulierungsverfahren, Tilgung von Schulden) nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, wenn der Schuldgrund ein außergewöhnlicher und zwangsläufiger ist, somit also schon die Begründung des Schuldverhältnisses zwangsläufig war. Da die gerichtlich festgestellte Verpflichtung zum Aufwandsersatz nicht zwangsläufig erfolgte, sondern sich als Folge eines Verhaltens des Steuerpflichtigen darstellte, zu dem er sich aus freien Stücken entschlossen hat bzw von diesem vorsätzlich verursacht wurde, wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung als unbegründet ab.

Beide Judikate sind nicht geeignet, die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes zu widerlegen. Sie untermauern diese vielmehr.

In Bezug auf die Vorwürfe einer fehlenden bzw untauglichen Bescheidbegründung ist zu bemerken, dass die belangte Behörde sehr wohl ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist. Dass der Verweis auf die Begründung eines anderen, der Partei bekannten Bescheides nicht rechtswidrig ist, hat schon der Verwaltungsgerichtshof mehrmals bestätigt (; , 2006/13/0172; , 2006/13/0122). Unabhängig davon können Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide - abgesehen von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - im Rechtsmittelverfahren saniert werden (; , 2012/15/0045).

Der Beschwerde war somit in diesem Punkt kein Erfolg beschieden.

In Bezug auf die Höhe des Pendlerpauschales und des Pendlereuros wird der Beschwerde stattgegeben.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid war folglich im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 279 BAO abzuändern.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine (ordentliche) Revision war somit nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100787.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at