Roamingleistungen von Mobilfunkgesellschaften aus dem Drittland an ihre Kunden aus dem Drittland sind in Österreich steuerbar
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100114/2020-RS1 | Laut , ist Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***AdresseBf1***, vertreten durch ***StV***, ***Adresse StV***, betreffend nachstehende Bescheide Finanzamtes, nunmehr Finanzamt Österreich, über die Erstattung von Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995
a) Bescheid vom über den Zeitraum 01-12/2014 und die Beschwerde vom ,
b) Bescheid vom über den Zeitraum 01-12/2015 und die Beschwerde vom ,
c) Bescheid vom über den Zeitraum 01-03/2016 und die Beschwerde vom ,
d) Bescheid vom über den Zeitraum 04-06/2016 und die Beschwerde vom
e) Bescheid vom über den Zeitraum 07-09/2016 und die Beschwerde vom
zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerden gegen die Bescheide a) bis e) werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (=Bf.) ist eine im Drittland ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre ebenfalls im Drittland ansässigen Kunden Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich erbracht hat.
Um ihren Kunden während deren Aufenthalten in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellten österreichische Netzbetreiber (Provider) der Bf. ihr Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Bf. verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaminggebühren, die sie jedoch im Inland nicht versteuerte.
Vielmehr stellte die Bf. für die im Spruch genannten Zeiträume Anträge auf Erstattung der von den Providern verrechneten Vorsteuern beim Finanzamt Graz-Stadt nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.
Das Finanzamt wies die Anträge mit den angefochtenen Bescheiden ab.
Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern mit dem angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Umsätze der Bf. (Roaminggebühren) nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland steuerbar seien, weil die erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich genutzt und ausgewertet würden. Die Bf. habe daher in den Erstattungszeiträumen Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 UStG 1994 im Inland durchgeführt, was die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausschließe.
Die Bf. bekämpfte die Abweisungsbescheide ohne Erfolg, worauf sie die dem nunmehrigen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Vorlageanträge einbrachte.
Nachstehend werden die beschwerdegegenständlichen Anträge samt den jeweiligen Verfahrensschritten aufgelistet:
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Datum | Zeitraum | Abweisungs bescheid | Beschwerde | abweisende Beschwerde vorentscheidung | Vorlageantrag |
01-12/2014 | |||||
01-12/2015 | |||||
01-03/2016 | |||||
04-06/2016 | |||||
07-09/2016 |
Die Bf. geht in ihren Beschwerden im Wesentlichen davon aus, dass der Leistungsort für die Ermöglichung der Benützung von Mobiltelefonen in Österreich durch Kunden der Bf. nicht in Österreich, sondern im Drittland liege. Diese Leistungen seien daher in Österreich nicht steuerbar.
Die Erstattungsverordnung komme folglich zur Anwendung, weshalb die Bf. Anspruch auf Erstattung der an die inländischen Provider bezahlten Vorsteuern habe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (=Bf.) ist eine im Drittland ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre ebenfalls im Drittland ansässigen Kunden Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich erbracht hat.
Um ihren Kunden während deren Aufenthalten in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellten österreichische Netzbetreiber (Provider) der Bf. ihr Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Bf. verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaminggebühren.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist unbestritten und beruht auf den vorgelegten Unterlagen und Beweismitteln.
Rechtslage:
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.
Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.
Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 lit. a UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.
§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:
"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird."
Rechtliche Würdigung
Das Bundesfinanzgericht stellte in einem anderen Fall zu diesen Rechtsfragen einen Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (=EuGH).
Der EuGH beantwortete diese Fragen im Urteil vom , Rs C-593/19 wie folgt:
Nach Art. 59 Abs. 1 Buchst, i der MwStSystRL sind Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, bei denen es sich unbestritten um Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 MwStSystRL handelt, die an nicht steuerpflichtige Personen erbracht werden, die außerhalb der Union ansässig sind bzw. ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Union haben, als Ort dieser Roamingleistungen der Ort, an dem diese Personen ansässig sind bzw. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Allerdings können die Mitgliedstaaten davon abweichend nach Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der MwStSystRL bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich u. a. gemäß Art. 59 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt, diesen Ort, der grundsätzlich außerhalb der Union liegt, so behandeln, als läge er in ihrem Gebiet, wenn in ihrem Gebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung der Dienstleistungen erfolgt.
Nach Art. 59b dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten deren Art. 59a Abs. 1 Buchst, b auf Telekommunikationsdienstleistungen anzuwenden, die von einem Steuerpflichtigen, der wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Mobilfunkbetreiber den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Union hatte, an Nichtsteuerpflichtige erbracht wurden, die in einem Mitgliedstaat ansässig waren bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Die in Art. 59b der Richtlinie vorgesehene Verpflichtung hat jedoch nicht zur Folge, dass unter anderen als den in dieser Bestimmung genannten Umständen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, bei Telekommunikationsdienstleistungen von der ihnen nach Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie eingeräumten allgemeinen Befugnis Gebrauch zu machen, beschränkt wäre.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie keine Voraussetzung in Bezug auf die Dauer des Aufenthalts im Gebiet der Mitgliedstaaten für Personen enthält, die in einem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, insbesondere nicht im Sinne eines nur vorübergehenden Aufenthalts im Mitgliedstaat.
Somit ist für die Ausübung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis zu prüfen, ob Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Gebiet des Mitgliedstaats, der ihren Erbringungsort dorthin verlagern möchte, tatsächlich genutzt oder ausgewertet werden.
Eine Roamingleistung besteht im Wesentlichen in der Leistung eines Anbieters von Mobilfunkdienstleistungen an seine Kunden, die es ihnen ermöglicht, ihr mobiles Gerät in einem anderen Mobilfunknetz als dem dieses Anbieters zu nutzen, und zwar aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Betreibern dieser Netze. Im vorliegenden Fall sollen die Kunden der Bf., auch wenn sie sich außerhalb der Reichweite des von der Bf. betriebenen Mobilfunknetzes befinden, durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen die Möglichkeit erhalten, Mobilfunkdienstleistungen über das Mobilfunknetz eines österreichischen Betreibers zu nutzen.
Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, nach der sich aus Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der MwStSystRL ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf (Urteil vom , KPC Herning, C-71/18, EU, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, handelt es sich bei Roamingleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die an Personen erbracht werden, die sich vorübergehend im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, im Verhältnis zu den anderen von diesen Personen empfangenen Mobilfunkdienstleistungen um eigene, selbständige Leistungen.
Bereits aus der Natur der Roamingleistungen ergibt sich somit, dass ihre tatsächliche Nutzung oder Auswertung notwendigerweise im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt, wenn sich die Kunden dort vorübergehend aufhalten.
Doch selbst wenn die Voraussetzung der tatsächlichen Nutzung oder Auswertung der betreffenden Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens erfüllt ist, kann dieser Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, den Ort der Dienstleistungen, der außerhalb der Union liegt, so zu behandeln, als läge er in seinem Gebiet, nur dann Gebrauch machen, wenn dadurch Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.
Als Erstes ist hierzu auszuführen, dass zwar, wie das vorlegende Gericht hervorgehoben hat, aus dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, dass die Besteuerung sämtlicher Telekommunikationsdienstleistungen, die in der Union in Anspruch genommen werden, dem Willen des Unionsgesetzgebers entspricht, Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach denen der Ort der Besteuerung von Dienstleistungen zu bestimmen ist, darin besteht, einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , WebMindLicenses, C-419/14, Rn. 41, und vom , Srf konsultema, C-647/17, Rn. 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Angesichts des Wortlauts von Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie und seiner Stellung in Titel V Kapitel 3 Abschnitt 3 Unterabschnitt 10 ("Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Nichtbesteuerung") der Richtlinie ist davon auszugehen, dass sich die durch diese Bestimmung eröffnete Möglichkeit nicht nur in den Rahmen der Vorbeugung von Wettbewerbsverzerrungen einfügt, sondern auch Doppelbesteuerung und Nichtbesteuerung vermeiden soll.
Folglich steht es den Mitgliedstaaten frei, von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies lediglich dazu dient, einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abzuhelfen, was nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen der Fall war.
Als Zweites ist entsprechend der Feststellung des Generalanwalts in Nr. 88 seiner Schlussanträge auszuführen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung etwaige Fälle von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung anhand der steuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind, ohne dass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen.
Die umgekehrte Lösung gegenüber der in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils dargestellten würde dazu führen, dass die Anwendung der Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer vom nationalen Steuerrecht der Drittländer abhängig gemacht würde. Mangels eines entsprechenden Hinweises kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies die Absicht des Unionsgesetzgebers war.
Eine Auslegung, nach der die Mitgliedstaaten grundsätzlich von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen können, ohne die steuerliche Behandlung berücksichtigen zu müssen, der die Dienstleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des betreffenden Drittlands unterliegen, wird im Übrigen durch den Ansatz des Mehrwertsteuerausschusses bestätigt, eines nach Art. 398 dieser Richtlinie eingesetzten beratenden Ausschusses, dessen Leitlinien zwar nicht verbindlich sind, aber doch als Auslegungshilfe zur Mehrwertsteuerrichtlinie dienen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom , Weindel Logistik Service, C-621/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:814, Rn. 48).
Aus den Leitlinien dieses Ausschusses (89. Sitzung vom , Dokument B - taxud.d.l [2010]176579 - 645) geht nämlich hervor, dass dieser einstimmig der Auffassung war, dass die Inanspruchnahme der in Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet tatsächlich genutzte und ausgewertete Dienstleistungen zu besteuern, nicht davon abhängt, welcher steuerlichen Behandlung diese Dienstleistungen außerhalb der Union unterliegen. Insbesondere soll die Tatsache, dass eine Dienstleistung in einem Drittland nach den dort gültigen Vorschriften besteuert wird, einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, diese Dienstleistung zu besteuern, wenn die tatsächliche Nutzung und Auswertung in seinem Gebiet erfolgt.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen.
Conclusio:
Aus diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofes geht für den vorliegenden Beschwerdefall klar hervor, dass die strittigen Roamingleistungen der Bf. Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 im Inland darstellen, die die Anwendung der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995, mit der ein eigenes "Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", ausschließen (siehe in diesem Sinne auch ; Ro 2016/15/0035; , Ra 2019/15/0010 und ).
Die beantragte Erstattung der von der Bf. in den Streitzeiträumen entrichteten Vorsteuern für die Nutzung des inländischen Netzes ist danach nicht zulässig.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.
Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt II)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung folgt der oa. Judikatur des Europäischen Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb keine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die Revision ist folglich nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 3a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 |
Verweise | , Weindel Logistik Service , SK Telecom |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100114.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at