Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.08.2021, RV/7102681/2018

Keine mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit bei hydrocephalus internus nachgewiesen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Kerstin Friedrich, Kornplatz 9, 2550 Langenlois, als Verlassenschaftskuratorin, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom , nunmehr Finanzamt Österreich), betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab November 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung beantragte namens der 1960 geborenen Beschwerdeführerin (Bf) mit den amtlichen Formularen Beih1 und Beih3 vom rückwirkend die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe infolge Verlustes der Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem 21. bzw 25. Lebensjahr wegen hydrocephalus internus / seit Geburt (Beih1) und aktuellem hypox. Hirnschaden / CPR (Beih3). Im Zeitpunkt der Antragstellung wurde Pflegegeld der Stufe 7 bezogen. Als Beruf wurde "Pensionstin" angegeben und als Adresse die eines Pflegeheimes genannt.

Die belangte Behörde veranlasste die sachverständige Begutachtung der Bf durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden BASB). Im Gutachten vom (im Folgenden "erstes Gutachten") werden der Bf ein Grad der Behinderung (GdB) von 100% ab 7/2017 infolge "Hypoxischen Hirnschadens nach Beinaheertrinken und erfolgreicher Reanimation am " und die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt attestiert. Weiters wurde befunden, dass "keine Krankheiten oder Funktionseinschränkungen dokumentiert [seien], die eine Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ nachvollziehbar machen würden." Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde nach Wiedergabe der §§ 8 Abs 5ff, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967, letzterer in der ab gültigen Fassung, die Anträge als unbegründet ab, weil "keine vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit [bestehe]."

Gegen diesen Bescheid richtete sich die form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom erhobene Bescheidbeschwerde, mit der Unvollständigkeit des Gutachtens und unrichtige Bescheinigung in Bezug auf den Zeitpunkt des Eintritts der Selbsterhaltungsunfähigkeit eingewandt wurden. Mit dem zweiten Sachverständigengutachten vom wurde - unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen - das erste Gutachten bestätigt, sodass mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt durch Übernahme am , die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, wogegen die Bf mit Schriftsatz vom Vorlageantrag erhob, mit dem gerügt wird, dass die belangte Behörde das Beschwerdevorbringen und die mit der Beschwerde vorgelegten Befunde nicht gewürdigt habe. Damit werde das Recht auf ein faires Verfahren und das Parteiengehör verletzt. Auf die Verletzung allfälliger weiterer Grundrechte werde verwiesen.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung vorgelegt.

Am xx.xx.2020 verstarb die Bf und das zuständige Verlassenschaftsgericht bestellte mit Beschluss vom gemäß § 156 AußStrG die im Spruch als Vertreterin der Verlassenschaft bezeichnete Verlassenschaftskuratorin.

Zuvor erteilte das Bundesfinanzgericht dem Verlassenschaftsgericht auf Ersuchen mit Beschluss vom Auskunft zum Verfahrensstand und übermittelte folgende Schriftstücke:

  • Beilage 1: angef Bescheid vom

  • Beilage 2. Beschwerde vom

  • Beilage 3: Beschwerdevorentscheidung vom

  • Beilage 4: Vorlageantrag

  • Beilage 5: SV-Gutachten vom BSB vom

  • Beilage 6: SV-Gutachten vom BSB vom "

Mit Schriftsatz vom ersuchte die Verlassenschaftskuratorin um Bekanntgabe des Verfahrensstandes und Übermittlung des wesentlichen Akteninhalts. Anlässlich eines diesbezüglichen Telefonats wurde sie auf die bereits erfolgte Übermittlung der wesentlichen Aktenteile an das Verlassenschaftsgericht informiert. Mit Schriftsatz vom teilte sie mit, dass nach Sichtung sämtlicher Unterlagen keine neuen relevanten Sachverhalte ihrerseits festgestellt bzw. vorgefunden werden konnten.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Sachverhalt

Die Bf wurde 1960 geboren. Ihr 21. Lebensjahr hat die Bf somit im Jahr 1981 vollendet. Aus den von der Bf ausgeübten Berufen Serviererin und Textilarbeiterin wird geschlossen, dass sie keine weiterführende Berufsausbildung in einem über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgehenden Zeitraum betrieben hat. In welchem Zeitraum genau die Bf diese Berufe ausgeübt hat, hat weder der Sachwalter vorgetragen noch ergibt sich das aus den vorgelegten Unterlagen oder den Sachverständigengutachten.

Die Rechtsmittel und anderen Eingaben enthalten keine Auflistung der dem BASB anlässlich der Begutachtung vorgelegten oder der den Schriftsätzen beigelegten Befunde und Unterlagen. Nach ON 10 des Verwaltungsaktes wurden mit dem Antrag vorgelegt:

  • Arztbrief des Öffentlichen KH der Landeshauptstadt St Pölten, Neurologische Abteilung, vom , Beschwerden beim Gehen, DU wegen Gangstörung.

  • MRT des Schädels des Instituts für Digitals Bilddiagnostik, St Pölten vom , Ergebnis: "Bei der Asymmetrie hinsichtlich der Seitenventrikel ist in erster Linie an eine Normvariante zu denken. Bei dem im Bereich des li. Hinterhornes zur Darstellung gelangten, hyperintensen Areales konnte es sich um einen Teilvolumeneffekt handeln, ein kleiner, demyelinisierter Plaque ist allerdings nicht gänzlich auszuschließen."

  • Arztbrief des Öffentlichen KH der Landeshauptstadt St Pölten, Neurologische Abteilung, vom wegen vorliegender Befunde mit Verdacht auf Multiple Sklerose.

  • Bericht des Allgemeinen öffentlichen KH Waidhofen a.d.Thaya, vom über den erstmaligen stationären Aufenthalt der Bf vom bis in der dortigen Sozialpsychiatrischen Abteilung. Der Bericht erwähnt eine Zutransferierung vom KH Krems. Entlassungsdiagnose: "Schwere depressive Episode ohne psychot. Symptome, Alkohol-, Tranquilizer- und Schmerzmittelabusus, Cerebeliarer Tremor, Alkoholtoxische Cardiomyopathie".

  • Arztbrief des KH Horn, Neurologie, über die stationäre Behandlung der Bf vom bis : Diagnose: "Tremorbetontes extrapyramidalmotorisches Syndrom, Depressio, Z.n. Diskusprolaps L4/5 1992, Parapelvine Nierencysten"..

Zusätzlich berücksichtigt das ersten Gutachten:

  • Arztbrief Psychiatrie Mauer, 07.11- (unvollständig) :...Anamnese: "Die Pat. kommt mit Zuweisung vom Dr. X lautend auf chron. Athylismus, Tremor......"

  • PVA Pflegegeldgutachten vom :

"Dg.: Hypoxischer Hirnschaden nach Beinaheertrinken und erfolgreicher Reanimation am ; hochgradig eingeschränkte Mobilität mit Notwendigkeit der Lagerungs- und Transferhilfe, reduzierter Allgemeinzustand, Inkontinenz, Ernährungssonde, Defiziten in allen Bereichen....Es sind leider keine zielgerichteten/Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung möglich......frühere Erkrankungen: Hydrocephalus internus, Z.n. Medikamenten- und Alkoholabusus ...."

Sämtliche sieben medizinischen Beweismittel werden im ersten Gutachten ausdrücklich aufgelistet und berücksichtigt. Das älteste Beweismittel ist der Arztbrief des Öffentlichen Krankenhauses der Landeshauptstadt St Pölten vom , der Beschwerden beim Gehen und das Gangbild der Bf zum Gegenstand hat. Es wird festgestellt, dass keines dieser sieben medizinisch-diagnostischen Beweismittel, auch nicht das MRT des Schädels vom , einen medizinischen Bezug zum Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres herstellt.

Gutachten vom :

Basierend auf diesen diagnostischen Beweismitteln kam das erste Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass nur der Hypoxische Hirnschaden nach Beinaheertrinken und erfolgreicher Reanimation am " einen Grad der Behinderung begründe. "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigenden erreichen keinen Grad der Behinderung: 2002 wurde wegen eines grobschlägigen Zittern des ganzen Körpers eine neurologische Abklärung durchgeführt, die als Diagnose eine extrapyramidale tremordominante Symptomatik ergab, bei festgestellter Ausweitung der Hirnhohlraume, die über 10 Jahr nur minimal zunahm. Bereits 1992 wurde eine neurologische Untersuchung wegen Gangstörung durchgeführt, die aber keine eindeutige Diagnose erbrachte. Es wurde auch eine funktionelle Komponente suspiziert. 2002 wurde auch eine Depression beschrieben und Alkoholabhängigkeit. Daraus lässt sich keine EU ableiten. Nach Befundlage sind diese genannten Erkrankungen nicht durchgehend dokumentiert, sodass keine gesonderte Einschätzung möglich ist."

Laut dem vorgelegten Verwaltungsakt, ON 12, wurden mit der Beschwerde der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom , und der Befundbericht der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten, Psychiatrie der Erwachsenen, vom , über den stationären Aufenthalt der Bf vom bis wegen Rückfalls in die Alkoholsucht vorgelegt, wobei der Beschwerdeschriftsatz zum zweitgenannten Befundbericht kein Vorbringen enthält.

Es wird festgestellt, dass der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom im Punkt "Aufnahmestaus" mit dem Kürzel "SMV" einen Selbstmordversuch vor 23 Jahren und auch das liegende Shuntsystem festhält und beides nicht im ersten Gutachten erwähnt wird. Der Befundbericht vom stellt aber ebenfalls keinen Bezug zum Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres her, hat insbesondere nicht die Gründe erhoben, die zum Selbstmordversuch geführt haben.

Die Bf befand sich von 16.03. bis in stationärer Behandlung Ostarrichiklinikum Mauer/Amstetten, Abteilung für Akutpsychiatrie. Der diesbezügliche Befundbericht lautet auszugsweise:

"Anamnese: Die Aufnahme der Patientin erfolgte wegen Depression, Weinerlichkeit, soziale Isolation, verstärktem Alkoholkonsum aber auch extremer Gewichtsabnahme sowie Zittrigkeit.

Psych. Aufnahmestatus: Bewusstsein klar, Orientierung zu allen Qualitäten gegeben, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis grobklinisch unauff., Ductus zielführend, Affekt flach, Affizierbarkeit im pos. wie im neg. Skalenbereich nachweisbar, Stimmung depressiv, antriebsarm, innere Unruhe, keine prod. Symptomatik explorierbar, zur Suizidalitat klar distanziert, SMV vor 23 Jahren.

Neurolog. Aufnahmestatus: HNA ffci, kein Meningismus, Okulomotorik oB, Pupillen rund, isocor, prompte LR und C, die Zunge wird gerade hervorgestreckt, keine Atrophie, OE: AVV bds. gehalten, FNV bds. zielsicher, grobschlägiger Tremor, keine epileptischen Anfälle bekannt. UE: Tonus, Trophik, grobe Kraft, Sens, unauff., Babinski neg. PSR nur leicht auslosbar.

Somatischer Aufnahmestatus: 43jährige Pat. in red. AZ und anorektischem EZ, Haut trocken, Zähne sanierungsbedürftig, Zunge trocken, Rachen bland, Schilddrüse normgroß, schluckverschieblich, Cor: HT rein, rhythmisch, tachycard, Pulmo VA; sonorer Klopfschall, Abdomen unter Thoraxniveau, weich, leichte Resistenzen am Oberbauch, Hepar nicht tastbar, Lien nicht tastbar, NL frei, WS im Sakralbereich klopfdolent, Gelenke frei beweglich, keine Varizen, periphere Pulse schwach tastbar.

Erhobene Befunde:

[…]

CT Cerebrum vom : Shuntsystem frontal links; mit der Shuntspitze im rechten Vorderhorn. Kein Hydrocephalus.

[…]

CT Cerebrum vom : Im Vergleich zum Vor-CT vom liegt keine Befundänderung vor. Insbesondere kein Hydrocephalus. Shunt-System weiterhin frontal links mit der Shuntspitze im rechten Vorderhorn. Keine frische Läsion.

[…]

Konsiliar-Befund vom : Der grobschlägige Tremor ist gegenüber der letzten Begutachtung heute gebessert. Eine-GT Kontrolle hinsichtlich Funktionsfähigkeit des liegenden Shuntsystems war idem zum Vorbefund, insbesondere zeigte sich kein Hydrocephalus. Als neuer Befund zeigte eine MRT der LWS […] Eine deutliche Medikamentenreduktion, insbesondere ein Absetzen der Entzugsmedikation wurde einen vorgenommen.

[…]

Psychiatrischer Entlassungsstatus: Die Patientin war zuletzt wach, allseits orientiert, die ohne prod. psychotische Symptomatik. Es ging der Patientin gut, wobei noch immer eine Zittrigkeit und eine gelegentliche Gehunsicherheit auffallend war. Erfreulich war die Gewichtszunahme von 42 auf 53 kg.

Entlassungsdiagnose(n):

  • Depression F32.0

  • Chronischer Alkoholismus F10.2

  • Normaldruck Hydrozephalus mit liegendem Shuntsystem G91.2

  • Perinizöse Anämie D51.0

  • Toxisch nutritive Hepatopathie K76.9

  • Hypokaliämie E87.6

  • Lumbalgie mit Diskusprolaps L5/S1 M54.5

  • Polyneuropathie G62.1

[…]"

Gutachten vom :

"Neu vorgelegte Befunde mit Beschwerde:

Psychiatrie Mauer 16.03-:

Entlassungsdiagnose(n):

[…]

Die Aufnahme der Patientin erfolgte wegen Depression, Weinerlichkeit soziale Isolation, verstärktem Alkoholkonsum aber auch extremer Gewichtsabnahme sowie Zittrigkeit.

Psychiatrischer Aufnahmestatus: Bewusstseinslage klar, Orientierung zu allen Qualitäten gegeben, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis grobklinisch unauff., Ductus zielführend; Affekt flach, Atfizierbarkeit im pos. wie im neg, Skalenbereich nachweisbar, Stimmung depressiv, antriebsarm, innere Unruhe, keine prod. Symptomatik explorierbar, zur Suizidalität klar distanziert: ein SMV vor 23 Jahren."

CT Cerebrum vom wie bereits oben dargestellt.

"Psychiatrie Mauer :

Die Pat. kommt mit Zuweisung vom Dr. X lautend auf chron. Athylismus, Tremor, Diskusprolaps, in Begleitung ihres Ehemannes zur stat. Aufnahme. Die Pat. erzählt,. alkoholrückfällig geworden zu sein, seit Ostern dieses Jahres, nachdem die Mutter im Rahmen einer eitrigen Appendizitis ins Koma gefallen war u. notoperiert werden musste. Im Sommer dieses Jahres ist dann der 34-jahrige Bruder im Rahmen eines Griechenlandaufenthaltes wegen einer schweren Pneumonie ebenfalls 4 1/2 Wochen im Koma gelegen u. dort behandelt worden. Dies habe sie einfach nicht verkraftet u, deswegen wieder zu trinken begonnen. Sie trinkt nun 1 Liter Wein, 2 Bier u. manchmal auch etliche Stamperl Schnaps täglic., Bereits am Morgen trinkt die Pat. das erste Seidel Bier.

Die Pat. ist verheiratet, hat einen 15-jährigen Sohn, der allerdings aus einer vorehelichen Beziehung stammt u. bezieht seit 5 1/2 Jahren eine Invaliditätspension. Sie hat vorher als Serviererin u. als Textilarbeiterin gearbeitet. Den Beginn des chron. Alkoholismus gibt die Pat. mit 1996 an, allerdings geht aus dem Aufnahmebefund v. OA Bieber v. Pav. 5 hervor, dass die Pat, bereits vor 1997 mehrere Jahre an einer Alkoholproblematik litt. Im Februar 1997 war die Pat. auf Pav. 5 vorstellig, dort auch stat. aufgenommen, wurde dann allerdings wegen Verdachts auf Enc.diss. im Rahmen des stat, Aufenthaltes auf die Neurol, Abteilung transferiert. Im Aufnahmestatus läßt sich erheben, dass eine Gangstörung u. ein gestörtes Gleichgewicht schon seit dem Jahre 1992 bestehen. Seit 1994 besteht ein grobschlägiger Tremor, wobei eine Betonung der rechten Halbseite vorliegt. Auch schildert die Pat. immer wieder Parästhesien im Bereich der re Hand u, der beiden OE [oberen Extremitäten] distal. Eine damals durchgeführte MRT u. evozierte Potentiale gaben keinen sicheren Hinweis auf Enc.diss. Ein EMG/ENG ergab eine diskret sens, betont gemischt axonal demyelinisierende Polyneuropathie. Im Vergleich zum Vorbefund 94 war keine Befundänderung erhebbar. Wegen einer makrozetären Anämie wurde die Pat, damals auf Folsan eingestellt, bezüglich des Tremors, der als cerebellarer rechtsbetonter Tremor bei Alkoholkrankheit eingestuft wurde, erhielt die Pat. Delpral 3x täglich. Weitere Diagnose lauteten diskrete sensible Polyneuropathie, toxische Hepatopathie, Lumbago bei medianen Diskusprolaps L5/S1.

Seit der Entlassung am 28.3, ist die Pat. It. Anamnese ein 3/4 Jahr völlig trocken gewesen u. hat dann bis Ostern dieses Jahres mäßig (des Öfteren 1 Gespritzter) getrunken. Im Aufnahmegespräch ist die Pat. verzweifelt, auch weinerlich u, möchte v. Alkohol wieder loskommen, sie meint, sie würde sonst alles zerstören, es wird ihr nichts bringen, wenn sie weiter Alk konsumiert."

Bezüglich des Zeitpunkts des Eintritts der Behinderung, GdB und Zeitpunkts des Eintritts des Verlustes der Selbsterhaltungsfähigkeit kommt das zweite Gutachten zu demselben Ergebnis wie das erste. Darüber hinaus enthält es zur Beschwerderüge und als Begründung, betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, folgende Ausführungen:

"Die [Bf] ist nach dem Ertrinkungsunfall unfähig, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen. Auch aus den neu vorgelegten Befunden, kann keine eindeutige Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18. bzw.21.Lebensjahr nachgewiesen werden. In einem Arztbrief aus dem Jahr 2004 wurde zwar im Aufnahmestatus ein Selbstmordversuch vor 23 Jahren erwähnt, dies beweist aber nicht, dass deswegen eine dauerhafte Unfähigkeit, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, vorgelegen hat. Aus den Befunden geht weiters hervor, dass eine Gangstörung und Gleichgewichtsstörung erst seit dem Jahr 1992 besteht, seit 1994/95 sei die Antragstellerin in Invaliditätspension.

Eine Shuntoperation ist nicht wie im Beschwerdeschreiben erwähnt eine Operation, die nur im Kindesalter durchgeführt wird. Wegen fehlender Befunde und bei beschriebener Gangstörung und Gleichgewichtsstörung ab 1992, ist anzunehmen, dass die Shuntversorgung erst im Erwachsenenalter durchgeführt wurde. Auch wenn diese Operation im Kindesalter stattgefunden hat, bedeutet dies rückblickend nicht zwingend, dass eine Selbsterhaltungsfähigkeit deswegen nicht erreicht werden konnte. Davor sei sie als Serviererin und Textilarbeiterin tätig gewesen. Sie selbst gibt an, dass ein problematischer Alkoholkonsum seit dem Jahr 1996 vorgelegen hat, es wird aber in einem Arztbrief aus dem Jahr 1997 vermutet, dass die Alkoholabhängigkeit schon länger vorgelegen hat. Wie schon im Vorgutachten beschrieben ist keine Erkrankung oder Funktionseinschränkung dokumentiert, die eine Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 21.Lebensjahr nachvollziehbar macht."

Mit ON 13 liegt dem elektronischen Verwaltungsakt der ärztliche Entlassungsbrief des Universitätsklinikum Krems vom wegen eines epileptischen Anfalls, welcher der belangten Behörde per Fax vom übermittelt wurde, ein. Unter Aufnahmegrund wird darin ausgeführt, dass die Bf "mit einem Ventrikel-Shunt bei Hydrocephalus internus seit 2003 versorgt [sei]". Es wird festgestellt, dass die Shuntoperation im Jahr 2003, also im Alter der Bf von 43 Jahren, stattgefunden hat.

Mit ON 15 liegt dem elektronischen Verwaltungsakt der Arztbrief der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten vom , welcher der belangten Behörde per Fax vom übermittelt wurde, ein. Demgemäß wurde die Bf am mit folgender Diagnose entlassen:

"[Die Bf] wurde zur Durchuntersuchung bei Verdacht auf Enc.diss. am 17.3. von Pav. 5 aufgenommen. Auffällig im Status war ein cerebellärer rechts-betonter Tremor, der sich bei geschlossenen Augen verstärkte. Parästhesien bestanden mit fluktuierender Lokalisation. Überprüfung von Romberg, Unterberger und Gangbild ergaben Ataxie und Unsicherheit besonders mit geschlossenen Augen, FNV mit Intentionstremor, KHV ataktisch bds.

Im Bereich der UE war der Lasegue rechts endlagig positiv, das Vorfußheben, das Heben der Großzehe waren vermindert im Vergleich zur Gegenseite, PSR rechts konnte in der Aufnahmesituation nicht ausgelöst werden (aufgrund hoher psychischer Anspannung). Bei der Durchuntersuchung konnte der Verdacht einer Enc.diss. nicht bestätigt werden. Die makrozytäre Anämie wurde weiter mit Folsan 5 mg 1-0-1 behandelt, der cerebelläre rechts-betonte Tremor wurde mit Delpral 3x1 therapiert und zur psychischen Stabilisierung Gladem 1-0-0 gegeben. Diese Medikation sollte auch weitergeführt werden. Ein Gespräch mit Hern OA Dr. Bieber bezüglich des weiteren psychotherapeutischen Procedere wurde vor der Entlassung durchgeführt."

Therapievorschlag und erhobener Blutbefund werden nicht widergegeben.

"Magnetresonanztomographie (Cerebrum) vom

Deutlich erweiterte asymmetrische Seitenventrikel mit wandständiger Gliose vor allem im Hinterhornbereich links. Für eine Enc. diss. typische Veränderungen finden sich in der vorliegenden MR-Studie nicht.

EMG / ENG vom

Diskret sens, betont gemischt axonal demyelinisierende Polyneuropathie. Im Vergleich zum Vorbefund 1994 keine Befundänderung.

(Evozierte Potentiale vom

Medianus

o.B.

Tibialis

o.B.

Visuell

W-Konfiguration bds., kein sicher pathologischer Behind."

Es wird festgestellt, dass die mit ON 13 und ON 15 nach Einbringung des Vorlageantrages ohne Ergänzungsschriftsatz kommentarlos vorgelegten Befunde keinen Eingang in die Begutachtung gefunden haben.

Beweiswürdigung

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich aufgrund der dem Verwaltungsakt einliegenden Beweismittel. Im Übrigen beruht die Sachverhaltsfeststellung auf folgenden Überlegungen.

Das Datum der Shunt-Operation ergibt sich zweifelsfrei aus dem Entlassungsbrief des Universitätsklinikum Krems vom , Aufnahmegrund, ON 13.

Der der belangten Behörde am per Fax übermittelte ärztliche Entlassungsbrief vom wurde erst nach Erstellung des zweiten Gutachtens vom vorgelegt.

Rechtsgrundlagen

Gemäß des ersten Satzes des Artikel 7 Abs 1 B-VG sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich.

Gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl I 111/2010 (Budgetbegleitgesetz 2011) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in der bis gültigen Stammfassung des Bundesgesetzes vom , BGBl 376/1967, bestand Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande waren, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

§ 5 Abs 2 FLAG 1967 lautet:

"Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist."

§ 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 lauten:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]."

Rechtstandpunkte:

Beschwerdeführerin:

In der Beschwerde wurde folgende Unvollständigkeit und damit Unrichtigkeit des Gutachtens eingewendet und der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom sowie der Befundbericht der NÖ Landesnervenklinik Mauer, Psychiatrie der Erwachsenen, vom dem Schriftsatz beigelegt:

Das Sachverständigengutachten […] "nehme keinen Bezug auf den beiliegenden Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom , wo […] im Rahmen des psychischen Aufnahmestaus ein Selbstmordversuch vor 23 Jahren festgestellt [worden sei]. [Im Zeitpunkt des Selbstmordversuchs muss die Bf daher 21 Jahre alt gewesen sein.] Es [müsse] davor ein - rechtsrelevantes Leiden gegeben haben, das [die Bf] zu diesem Selbstmordversuch bewog[en habe]. Auch sei das im selben Befund erwähnte, liegende Shuntsystem nicht richtig beurteilt worden. Liegende Shuntsysteme werden normalerweise im Kindesalter gesetzt. Das liegende Shuntsystem müsse im Kindesalter gesetzt worden sein, weil in den Befunden kein Ereignis beschrieben wird, das das Setzen des liegenden Shuntsystems nach Vollendung des 21. LJ notwendig gemacht hätte. Im Ergebnis liege daher eine rechtsrelevante Erkrankung, die den Anspruch rechtfertigt, vor."

Im Vorlageantrag wird vorgetragen: Die erstinstanzliche Behörde habe von ihrer Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht im Wege der freien Überzeugung zur Beurteilung des Sachverhalts ein Ergänzungsgutachten im Lichte des schlüssigen Vorbringens der [Bf] von Amts wegen einzuholen. Dieses Ergänzungsgutachten werde ausdrücklich beantragt. Die Ausführungen, dass "die ärztliche Bescheinigung jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung bildet, ob eine erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen" und das "eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen [sei]", widersprächen dem Recht auf ein faires Verfahren und würden das Recht auf Parteiengehör, wenn lediglich das Sachverständigengutachten per se als Grundlage für die Entscheidung herangezogen [werde], vereltzen. Die von der Bf umfangreich vorgelegten älteren Gutachten und Befunde seien auch Teil des Verfahrens.

Belangte Behörde:

Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da keine vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit bestehe. Beide Gutachten hätten zum selben Ergebnis geführt.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 sei der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die ärztliche Bescheinigung bilde jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zustehe, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen. Eine andere Form der Beweisführung sei nicht zugelassen. Was ein ärztliches Zeugnis, betreffend das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des FLAG, anlange, so habe ein solches Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (). Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht, aber unbegründet.

Wie aus dem Befund der Psychiatrie Mauer vom hervorgeht, ist die Bf verheiratet. Für den Anspruch auf den Eigentrag an Familienbeihilfe ist Voraussetzung, dass der Ehemann der Antragstellerin nicht in der Lage ist, den Ehegattenunterhalt zu leisten. Dazu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Im angefochtenen Bescheid wurde § 6 (2) d FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung herangezogen. Entgegen der belangten Behörde ist das BFG der Auffassung, dass für die im Jahr 1960 geborene Bf § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in seiner Stammfassung heranzuziehen ist. Aus dem dem Art 7 Abs 1 S 1 B-VG innewohnenden Sachlichkeitsgebot ergibt sich, dass die 1960 geborene Bf mit einer Antragstellerin gleichzustellen ist, die- nach der Stammfassung des § 8 leg.cit. - zeitgerecht den Grundbetrag der Familienbeihilfe wegen mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit beantragt hatte. Hätte sich diese historische Antragstellerin in einer späteren Berufsausbildung befunden, so wäre ihr die längere Frist bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zur Verfügung gestanden ()

In diesem Sinn wird die Rechtslage auch dem Verwaltungsgerichtshof gesehen, wenn er ausführt: "Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildungvor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen" (zB , und Erkenntnisse , , mwN, Hervorhebung durch BFG). Die belangte Behörde hat daher nicht nur die Rechtslage verkannt, sondern auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht gelassen (BFG RV/7100557/2019).

Welche Fassung des § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 (§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967) und damit welche Frist für den Einzelfall maßgeblich ist, ist eine Rechtfrage, die von der Beihilfenbehörde zu beantworten ist. Die Sachverständigengutachten iSd § 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 haben zum Gegenstand, ob nach medizinischem Fachwissen erweisen werden kann, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem von der Beihilfenbehörde anhand der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Fassung des § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 (§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967) zu bestimmenden Zeitpunkt verloren gegangen ist oder nicht. Es obliegt somit den Beihilfenbehörden, dem BASB den maßgeblichen Zeitpunkt anlässlich der Gutachtensanforderung mitzuteilen. Nach keiner der oben dargestellten Fassungen des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 kam es auf die Vollendung des 18. Lebensjahres an (BFG RV/7100557/2019).

Sachverhaltsbezogen ist angesichts der von der Bf ausgeübten Tätigkeiten als Serviererin und Textilarbeiterin nicht von einer über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgehende Berufsausbildung auszugehen, zumal solches auch nicht vorgetragen wurde. Das Familienbeihilfenverfahren ist ein Antragsverfahren und demnach ist der Behilfenwerber behautungs- und beweispflichtig. Dennoch hat die Beihilfenbehörde die ausdrücklich herangezogene Rechtslage in der zutreffenden Fassung anzuführen bzw ist die EDV, die die Einspielung der Rechtsgrundlagen in Bescheide steuert, rechtskonform zu programmieren.

Die Beschwerde rügt zunächst Unvollständigkeit des ersten Sachverständigengutachtens. Laut obig festgestelltem Sachverhalt wurde mit dem zweiten Sachverständigengutachten ausführlich auf das Beschwerdevorbringen eingegangen und die Unvollständigkeit beseitigt. Der Vorlageantrag enthält kein Vorbringen mehr zur Shunt-Operation und zum Selbstmordversuch im Alter von 21 Jahren.

Zum zweiten Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass die mit ON 13 und ON 15 vorgelegten Befunden darin keinen Eingang gefunden haben, weil sie erst nach Einbringung des Vorlageantrages - und nach dem vorgelegten Verwaltungsakt - weiters kommentarlos nachreicht wurden.

Die Einholung eines dritten Sachverständigengutachtens wird als nicht erforderlich angesehen, weil der Entlassungsbrief (ON 13) ausschließlich auf den tragischen Zustand der Bf Bezug nimmt, den die Bf seit ihrem Beinahe-Ertrinken im Jahr 2017 hat, und der mit ON 15 vorgelegte Arztbrief der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten vom , keinerlei Hinweis auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Jahr 1981 enthält. Der darin erwähnte Befund zur MRT (Cerebrum) vom bestätigt die Feststellung, dass der Bf das Shunt-System erst im Jahr 2003 gesetzt wurde, sodass die schlüssigen Ausführungen im zweiten Sachverständigengutachten erhärtet werden. Im CT-Cerebrum vom ist das Shunt-System bereits erwähnt und festgestellt worden, dass kein Hydrocephalus vorliegt, worauf der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom Bezug nimmt.

Ob der seit Geburt bestandene hydrocephalus internus zu gesundheitlichen Problemen in der körperlichen und geistigen Entwicklung der Bf geführt hat bzw ob diese Erkrankung kausal für den Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres war, ist weder durch zeitnahe noch durch zeitferne medizinisch-diagnostische Unterlagen, allenfalls durch Rückschluss, belegt. Für die Bf wurden keine Fakten - und sei es erzählend aus ihrer Vergangenheit - vorgetragen, die auf eine verzögerte oder eingeschränkte geistige Entwicklung in der Kindheit und Jugend hinweisen. Vielfach gehen mit einem hydorcephalus internus Lernschwächen, Verminderung der Intelligenz- und Gedächtnisleistung, Schwierigkeit bei der Orientierung und Logik, Schwäche der Feinmotorik, Reduzierung der Arbeitsgeschwindigkeit einher (vgl BVwG , W1732185403-1/11E). Auch in diesem Punkt ist auf den bereits oben erwähnten Grundsatz iZm einem antragsgebundenen Hoheitsakt und die damit verbundene Verpflichtung hinzuweisen.

Zu dem Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens und dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel ist auf , hinzuweisen, wo Folgendes ausgeführt wird:

"Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte de[s] in Rede stehenden [§ 8 Abs 6 FLAG] ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt hat, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden kann. Damit kann auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden. Der Gesetzgeber hat daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen ist. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen. Ob der zeitweilige Einkommensbezug zum - zeitweiligen - Entfall der Familienbeihilfe führt, ist eine davon zu unterscheidende Frage, die nach den allgemeinen Regeln des FLAG zu lösen ist." Dieser Rechtsansicht hat sich sodann der VwGH angeschlossen ().

Die Bindung der Behilfenbehörden ist daher keinesfalls eine absolute, sondern lediglich eine relative, weil eine entsprechend qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten ein Abgehen davon zulässt. Im Ergebnis ist auch das Sachverständigengutachten des BSAB wie andere als Beweismittel vorgelegte Gutachten zu beurteilen. Die Abgabenbehörde wird ihren Bescheid bei Nichtbefolgung eines vollständigen und schlüssigen Gutachtens ohne ausführliche Begründung mit demselben mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, was den Bescheid anfechtbar macht. Da die Beihilfenbehörden nicht über das notwendige medizinische Fachwissen verfügen, sind sie nicht befugt, medizinische Befunde etc, abgesehen von der von der Rechtsprechung der Beihilfebehörde auferlegten Verpflichtung der Vollständigkeitsprüfung und der Schlüssigkeitskontrolle, selbstständig zu beurteilen.

Selbst wenn der Ehemann der Bf den Ehegattenunterhalt nicht geleistet haben sollte, so wäre der Beschwerde wegen Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 nicht stattzugeben, weil sämtliche Merkmale kumulativ zu erfüllen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Die Bf wurde 1960 geboren. Ihr 21. Lebensjahr hat die Bf somit im Jahr 1981 vollendet. Aus den von der Bf ausgeübten Berufen Serviererin und Textilarbeiterin wird geschlossen, dass sie keine weiterführende Berufsausbildung in einem über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgehenden Zeitraum betrieben hat. In welchem Zeitraum genau die Bf diese Berufe ausgeübt hat, hat weder der Sachwalter vorgetragen noch ergibt sich das aus den vorgelegten Unterlagen oder den Sachverständigengutachten.

Die Rechtsmittel und anderen Eingaben enthalten keine Auflistung der dem BASB anlässlich der Begutachtung vorgelegten oder der den Schriftsätzen beigelegten Befunde und Unterlagen. Nach ON 10 des Verwaltungsaktes wurden mit dem Antrag vorgelegt:

  • Arztbrief des Öffentlichen KH der Landeshauptstadt St Pölten, Neurologische Abteilung, vom , Beschwerden beim Gehen, DU wegen Gangstörung.

  • MRT des Schädels des Instituts für Digitals Bilddiagnostik, St Pölten vom , Ergebnis: "Bei der Asymmetrie hinsichtlich der Seitenventrikel ist in erster Linie an eine Normvariante zu denken. Bei dem im Bereich des li. Hinterhornes zur Darstellung gelangten, hyperintensen Areales konnte es sich um einen Teilvolumeneffekt handeln, ein kleiner, demyelinisierter Plaque ist allerdings nicht gänzlich auszuschließen."

  • Arztbrief des Öffentlichen KH der Landeshauptstadt St Pölten, Neurologische Abteilung, vom wegen vorliegender Befunde mit Verdacht auf Multiple Sklerose.

  • Bericht des Allgemeinen öffentlichen KH Waidhofen a.d.Thaya, vom über den erstmaligen stationären Aufenthalt der Bf vom bis in der dortigen Sozialpsychiatrischen Abteilung. Der Bericht erwähnt eine Zutransferierung vom KH Krems. Entlassungsdiagnose: "Schwere depressive Episode ohne psychot. Symptome, Alkohol-, Tranquilizer- und Schmerzmittelabusus, Cerebeliarer Tremor, Alkoholtoxische Cardiomyopathie".

  • Arztbrief des KH Horn, Neurologie, über die stationäre Behandlung der Bf vom bis : Diagnose: "Tremorbetontes extrapyramidalmotorisches Syndrom, Depressio, Z.n. Diskusprolaps L4/5 1992, Parapelvine Nierencysten"..

Zusätzlich berücksichtigt das ersten Gutachten:

  • Arztbrief Psychiatrie Mauer, 07.11- (unvollständig) :...Anamnese: "Die Pat. kommt mit Zuweisung vom Dr. X lautend auf chron. Athylismus, Tremor......"

  • PVA Pflegegeldgutachten vom :

"Dg.: Hypoxischer Hirnschaden nach Beinaheertrinken und erfolgreicher Reanimation am ; hochgradig eingeschränkte Mobilität mit Notwendigkeit der Lagerungs- und Transferhilfe, reduzierter Allgemeinzustand, Inkontinenz, Ernährungssonde, Defiziten in allen Bereichen....Es sind leider keine zielgerichteten/Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung möglich......frühere Erkrankungen: Hydrocephalus internus, Z.n. Medikamenten- und Alkoholabusus ...."

Sämtliche sieben medizinischen Beweismittel werden im ersten Gutachten ausdrücklich aufgelistet und berücksichtigt. Das älteste Beweismittel ist der Arztbrief des Öffentlichen Krankenhauses der Landeshauptstadt St Pölten vom , der Beschwerden beim Gehen und das Gangbild der Bf zum Gegenstand hat. Es wird festgestellt, dass keines dieser sieben medizinisch-diagnostischen Beweismittel, auch nicht das MRT des Schädels vom , einen medizinischen Bezug zum Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres herstellt.

Gutachten vom :

Basierend auf diesen diagnostischen Beweismitteln kam das erste Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass nur der Hypoxische Hirnschaden nach Beinaheertrinken und erfolgreicher Reanimation am " einen Grad der Behinderung begründe. "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigenden erreichen keinen Grad der Behinderung: 2002 wurde wegen eines grobschlägigen Zittern des ganzen Körpers eine neurologische Abklärung durchgeführt, die als Diagnose eine extrapyramidale tremordominante Symptomatik ergab, bei festgestellter Ausweitung der Hirnhohlraume, die über 10 Jahr nur minimal zunahm. Bereits 1992 wurde eine neurologische Untersuchung wegen Gangstörung durchgeführt, die aber keine eindeutige Diagnose erbrachte. Es wurde auch eine funktionelle Komponente suspiziert. 2002 wurde auch eine Depression beschrieben und Alkoholabhängigkeit. Daraus lässt sich keine EU ableiten. Nach Befundlage sind diese genannten Erkrankungen nicht durchgehend dokumentiert, sodass keine gesonderte Einschätzung möglich ist."

Laut dem vorgelegten Verwaltungsakt, ON 12, wurden mit der Beschwerde der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom , und der Befundbericht der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten, Psychiatrie der Erwachsenen, vom , über den stationären Aufenthalt der Bf vom bis wegen Rückfalls in die Alkoholsucht vorgelegt, wobei der Beschwerdeschriftsatz zum zweitgenannten Befundbericht kein Vorbringen enthält.

Es wird festgestellt, dass der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom im Punkt "Aufnahmestaus" mit dem Kürzel "SMV" einen Selbstmordversuch vor 23 Jahren und auch das liegende Shuntsystem festhält und beides nicht im ersten Gutachten erwähnt wird. Der Befundbericht vom stellt aber ebenfalls keinen Bezug zum Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres her, hat insbesondere nicht die Gründe erhoben, die zum Selbstmordversuch geführt haben.

Die Bf befand sich von 16.03. bis in stationärer Behandlung Ostarrichiklinikum Mauer/Amstetten, Abteilung für Akutpsychiatrie. Der diesbezügliche Befundbericht lautet auszugsweise:

"Anamnese: Die Aufnahme der Patientin erfolgte wegen Depression, Weinerlichkeit, soziale Isolation, verstärktem Alkoholkonsum aber auch extremer Gewichtsabnahme sowie Zittrigkeit.

Psych. Aufnahmestatus: Bewusstsein klar, Orientierung zu allen Qualitäten gegeben, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis grobklinisch unauff., Ductus zielführend, Affekt flach, Affizierbarkeit im pos. wie im neg. Skalenbereich nachweisbar, Stimmung depressiv, antriebsarm, innere Unruhe, keine prod. Symptomatik explorierbar, zur Suizidalitat klar distanziert, SMV vor 23 Jahren.

Neurolog. Aufnahmestatus: HNA ffci, kein Meningismus, Okulomotorik oB, Pupillen rund, isocor, prompte LR und C, die Zunge wird gerade hervorgestreckt, keine Atrophie, OE: AVV bds. gehalten, FNV bds. zielsicher, grobschlägiger Tremor, keine epileptischen Anfälle bekannt. UE: Tonus, Trophik, grobe Kraft, Sens, unauff., Babinski neg. PSR nur leicht auslosbar.

Somatischer Aufnahmestatus: 43jährige Pat. in red. AZ und anorektischem EZ, Haut trocken, Zähne sanierungsbedürftig, Zunge trocken, Rachen bland, Schilddrüse normgroß, schluckverschieblich, Cor: HT rein, rhythmisch, tachycard, Pulmo VA; sonorer Klopfschall, Abdomen unter Thoraxniveau, weich, leichte Resistenzen am Oberbauch, Hepar nicht tastbar, Lien nicht tastbar, NL frei, WS im Sakralbereich klopfdolent, Gelenke frei beweglich, keine Varizen, periphere Pulse schwach tastbar.

Erhobene Befunde:

[…]

CT Cerebrum vom : Shuntsystem frontal links; mit der Shuntspitze im rechten Vorderhorn. Kein Hydrocephalus.

[…]

CT Cerebrum vom : Im Vergleich zum Vor-CT vom liegt keine Befundänderung vor. Insbesondere kein Hydrocephalus. Shunt-System weiterhin frontal links mit der Shuntspitze im rechten Vorderhorn. Keine frische Läsion.

[…]

Konsiliar-Befund vom : Der grobschlägige Tremor ist gegenüber der letzten Begutachtung heute gebessert. Eine-GT Kontrolle hinsichtlich Funktionsfähigkeit des liegenden Shuntsystems war idem zum Vorbefund, insbesondere zeigte sich kein Hydrocephalus. Als neuer Befund zeigte eine MRT der LWS […] Eine deutliche Medikamentenreduktion, insbesondere ein Absetzen der Entzugsmedikation wurde einen vorgenommen.

[…]

Psychiatrischer Entlassungsstatus: Die Patientin war zuletzt wach, allseits orientiert, die ohne prod. psychotische Symptomatik. Es ging der Patientin gut, wobei noch immer eine Zittrigkeit und eine gelegentliche Gehunsicherheit auffallend war. Erfreulich war die Gewichtszunahme von 42 auf 53 kg.

Entlassungsdiagnose(n):

  • Depression F32.0

  • Chronischer Alkoholismus F10.2

  • Normaldruck Hydrozephalus mit liegendem Shuntsystem G91.2

  • Perinizöse Anämie D51.0

  • Toxisch nutritive Hepatopathie K76.9

  • Hypokaliämie E87.6

  • Lumbalgie mit Diskusprolaps L5/S1 M54.5

  • Polyneuropathie G62.1

[…]"

Gutachten vom :

"Neu vorgelegte Befunde mit Beschwerde:

Psychiatrie Mauer 16.03-:

Entlassungsdiagnose(n):

[…]

Die Aufnahme der Patientin erfolgte wegen Depression, Weinerlichkeit soziale Isolation, verstärktem Alkoholkonsum aber auch extremer Gewichtsabnahme sowie Zittrigkeit.

Psychiatrischer Aufnahmestatus: Bewusstseinslage klar, Orientierung zu allen Qualitäten gegeben, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis grobklinisch unauff., Ductus zielführend; Affekt flach, Atfizierbarkeit im pos. wie im neg, Skalenbereich nachweisbar, Stimmung depressiv, antriebsarm, innere Unruhe, keine prod. Symptomatik explorierbar, zur Suizidalität klar distanziert: ein SMV vor 23 Jahren."

CT Cerebrum vom wie bereits oben dargestellt.

"Psychiatrie Mauer :

Die Pat. kommt mit Zuweisung vom Dr. X lautend auf chron. Athylismus, Tremor, Diskusprolaps, in Begleitung ihres Ehemannes zur stat. Aufnahme. Die Pat. erzählt,. alkoholrückfällig geworden zu sein, seit Ostern dieses Jahres, nachdem die Mutter im Rahmen einer eitrigen Appendizitis ins Koma gefallen war u. notoperiert werden musste. Im Sommer dieses Jahres ist dann der 34-jahrige Bruder im Rahmen eines Griechenlandaufenthaltes wegen einer schweren Pneumonie ebenfalls 4 1/2 Wochen im Koma gelegen u. dort behandelt worden. Dies habe sie einfach nicht verkraftet u, deswegen wieder zu trinken begonnen. Sie trinkt nun 1 Liter Wein, 2 Bier u. manchmal auch etliche Stamperl Schnaps täglic., Bereits am Morgen trinkt die Pat. das erste Seidel Bier.

Die Pat. ist verheiratet, hat einen 15-jährigen Sohn, der allerdings aus einer vorehelichen Beziehung stammt u. bezieht seit 5 1/2 Jahren eine Invaliditätspension. Sie hat vorher als Serviererin u. als Textilarbeiterin gearbeitet. Den Beginn des chron. Alkoholismus gibt die Pat. mit 1996 an, allerdings geht aus dem Aufnahmebefund v. OA Bieber v. Pav. 5 hervor, dass die Pat, bereits vor 1997 mehrere Jahre an einer Alkoholproblematik litt. Im Februar 1997 war die Pat. auf Pav. 5 vorstellig, dort auch stat. aufgenommen, wurde dann allerdings wegen Verdachts auf Enc.diss. im Rahmen des stat, Aufenthaltes auf die Neurol, Abteilung transferiert. Im Aufnahmestatus läßt sich erheben, dass eine Gangstörung u. ein gestörtes Gleichgewicht schon seit dem Jahre 1992 bestehen. Seit 1994 besteht ein grobschlägiger Tremor, wobei eine Betonung der rechten Halbseite vorliegt. Auch schildert die Pat. immer wieder Parästhesien im Bereich der re Hand u, der beiden OE [oberen Extremitäten] distal. Eine damals durchgeführte MRT u. evozierte Potentiale gaben keinen sicheren Hinweis auf Enc.diss. Ein EMG/ENG ergab eine diskret sens, betont gemischt axonal demyelinisierende Polyneuropathie. Im Vergleich zum Vorbefund 94 war keine Befundänderung erhebbar. Wegen einer makrozetären Anämie wurde die Pat, damals auf Folsan eingestellt, bezüglich des Tremors, der als cerebellarer rechtsbetonter Tremor bei Alkoholkrankheit eingestuft wurde, erhielt die Pat. Delpral 3x täglich. Weitere Diagnose lauteten diskrete sensible Polyneuropathie, toxische Hepatopathie, Lumbago bei medianen Diskusprolaps L5/S1.

Seit der Entlassung am 28.3, ist die Pat. It. Anamnese ein 3/4 Jahr völlig trocken gewesen u. hat dann bis Ostern dieses Jahres mäßig (des Öfteren 1 Gespritzter) getrunken. Im Aufnahmegespräch ist die Pat. verzweifelt, auch weinerlich u, möchte v. Alkohol wieder loskommen, sie meint, sie würde sonst alles zerstören, es wird ihr nichts bringen, wenn sie weiter Alk konsumiert."

Bezüglich des Zeitpunkts des Eintritts der Behinderung, GdB und Zeitpunkts des Eintritts des Verlustes der Selbsterhaltungsfähigkeit kommt das zweite Gutachten zu demselben Ergebnis wie das erste. Darüber hinaus enthält es zur Beschwerderüge und als Begründung, betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, folgende Ausführungen:

"Die [Bf] ist nach dem Ertrinkungsunfall unfähig, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen. Auch aus den neu vorgelegten Befunden, kann keine eindeutige Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18. bzw.21.Lebensjahr nachgewiesen werden. In einem Arztbrief aus dem Jahr 2004 wurde zwar im Aufnahmestatus ein Selbstmordversuch vor 23 Jahren erwähnt, dies beweist aber nicht, dass deswegen eine dauerhafte Unfähigkeit, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, vorgelegen hat. Aus den Befunden geht weiters hervor, dass eine Gangstörung und Gleichgewichtsstörung erst seit dem Jahr 1992 besteht, seit 1994/95 sei die Antragstellerin in Invaliditätspension.

Eine Shuntoperation ist nicht wie im Beschwerdeschreiben erwähnt eine Operation, die nur im Kindesalter durchgeführt wird. Wegen fehlender Befunde und bei beschriebener Gangstörung und Gleichgewichtsstörung ab 1992, ist anzunehmen, dass die Shuntversorgung erst im Erwachsenenalter durchgeführt wurde. Auch wenn diese Operation im Kindesalter stattgefunden hat, bedeutet dies rückblickend nicht zwingend, dass eine Selbsterhaltungsfähigkeit deswegen nicht erreicht werden konnte. Davor sei sie als Serviererin und Textilarbeiterin tätig gewesen. Sie selbst gibt an, dass ein problematischer Alkoholkonsum seit dem Jahr 1996 vorgelegen hat, es wird aber in einem Arztbrief aus dem Jahr 1997 vermutet, dass die Alkoholabhängigkeit schon länger vorgelegen hat. Wie schon im Vorgutachten beschrieben ist keine Erkrankung oder Funktionseinschränkung dokumentiert, die eine Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 21.Lebensjahr nachvollziehbar macht."

Mit ON 13 liegt dem elektronischen Verwaltungsakt der ärztliche Entlassungsbrief des Universitätsklinikum Krems vom wegen eines epileptischen Anfalls, welcher der belangten Behörde per Fax vom übermittelt wurde, ein. Unter Aufnahmegrund wird darin ausgeführt, dass die Bf "mit einem Ventrikel-Shunt bei Hydrocephalus internus seit 2003 versorgt [sei]". Es wird festgestellt, dass die Shuntoperation im Jahr 2003, also im Alter der Bf von 43 Jahren, stattgefunden hat.

Mit ON 15 liegt dem elektronischen Verwaltungsakt der Arztbrief der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten vom , welcher der belangten Behörde per Fax vom übermittelt wurde, ein. Demgemäß wurde die Bf am mit folgender Diagnose entlassen:

"[Die Bf] wurde zur Durchuntersuchung bei Verdacht auf Enc.diss. am 17.3. von Pav. 5 aufgenommen. Auffällig im Status war ein cerebellärer rechts-betonter Tremor, der sich bei geschlossenen Augen verstärkte. Parästhesien bestanden mit fluktuierender Lokalisation. Überprüfung von Romberg, Unterberger und Gangbild ergaben Ataxie und Unsicherheit besonders mit geschlossenen Augen, FNV mit Intentionstremor, KHV ataktisch bds.

Im Bereich der UE war der Lasegue rechts endlagig positiv, das Vorfußheben, das Heben der Großzehe waren vermindert im Vergleich zur Gegenseite, PSR rechts konnte in der Aufnahmesituation nicht ausgelöst werden (aufgrund hoher psychischer Anspannung). Bei der Durchuntersuchung konnte der Verdacht einer Enc.diss. nicht bestätigt werden. Die makrozytäre Anämie wurde weiter mit Folsan 5 mg 1-0-1 behandelt, der cerebelläre rechts-betonte Tremor wurde mit Delpral 3x1 therapiert und zur psychischen Stabilisierung Gladem 1-0-0 gegeben. Diese Medikation sollte auch weitergeführt werden. Ein Gespräch mit Hern OA Dr. Bieber bezüglich des weiteren psychotherapeutischen Procedere wurde vor der Entlassung durchgeführt."

Therapievorschlag und erhobener Blutbefund werden nicht widergegeben.

"Magnetresonanztomographie (Cerebrum) vom

Deutlich erweiterte asymmetrische Seitenventrikel mit wandständiger Gliose vor allem im Hinterhornbereich links. Für eine Enc. diss. typische Veränderungen finden sich in der vorliegenden MR-Studie nicht.

EMG / ENG vom

Diskret sens, betont gemischt axonal demyelinisierende Polyneuropathie. Im Vergleich zum Vorbefund 1994 keine Befundänderung.

(Evozierte Potentiale vom

Medianus

o.B.

Tibialis

o.B.

Visuell

W-Konfiguration bds., kein sicher pathologischer Behind."

Es wird festgestellt, dass die mit ON 13 und ON 15 nach Einbringung des Vorlageantrages ohne Ergänzungsschriftsatz kommentarlos vorgelegten Befunde keinen Eingang in die Begutachtung gefunden haben.

Beweiswürdigung

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich aufgrund der dem Verwaltungsakt einliegenden Beweismittel. Im Übrigen beruht die Sachverhaltsfeststellung auf folgenden Überlegungen.

Das Datum der Shunt-Operation ergibt sich zweifelsfrei aus dem Entlassungsbrief des Universitätsklinikum Krems vom , Aufnahmegrund, ON 13.

Der der belangten Behörde am per Fax übermittelte ärztliche Entlassungsbrief vom wurde erst nach Erstellung des zweiten Gutachtens vom vorgelegt.

Rechtsgrundlagen

Gemäß des ersten Satzes des Artikel 7 Abs 1 B-VG sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich.

Gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl I 111/2010 (Budgetbegleitgesetz 2011) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in der bis gültigen Stammfassung des Bundesgesetzes vom , BGBl 376/1967, bestand Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande waren, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

§ 5 Abs 2 FLAG 1967 lautet:

"Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist."

§ 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 lauten:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]."

Rechtstandpunkte:

Beschwerdeführerin:

In der Beschwerde wurde folgende Unvollständigkeit und damit Unrichtigkeit des Gutachtens eingewendet und der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom sowie der Befundbericht der NÖ Landesnervenklinik Mauer, Psychiatrie der Erwachsenen, vom dem Schriftsatz beigelegt:

Das Sachverständigengutachten […] "nehme keinen Bezug auf den beiliegenden Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom , wo […] im Rahmen des psychischen Aufnahmestaus ein Selbstmordversuch vor 23 Jahren festgestellt [worden sei]. [Im Zeitpunkt des Selbstmordversuchs muss die Bf daher 21 Jahre alt gewesen sein.] Es [müsse] davor ein - rechtsrelevantes Leiden gegeben haben, das [die Bf] zu diesem Selbstmordversuch bewog[en habe]. Auch sei das im selben Befund erwähnte, liegende Shuntsystem nicht richtig beurteilt worden. Liegende Shuntsysteme werden normalerweise im Kindesalter gesetzt. Das liegende Shuntsystem müsse im Kindesalter gesetzt worden sein, weil in den Befunden kein Ereignis beschrieben wird, das das Setzen des liegenden Shuntsystems nach Vollendung des 21. LJ notwendig gemacht hätte. Im Ergebnis liege daher eine rechtsrelevante Erkrankung, die den Anspruch rechtfertigt, vor."

Im Vorlageantrag wird vorgetragen: Die erstinstanzliche Behörde habe von ihrer Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht im Wege der freien Überzeugung zur Beurteilung des Sachverhalts ein Ergänzungsgutachten im Lichte des schlüssigen Vorbringens der [Bf] von Amts wegen einzuholen. Dieses Ergänzungsgutachten werde ausdrücklich beantragt. Die Ausführungen, dass "die ärztliche Bescheinigung jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung bildet, ob eine erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen" und das "eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen [sei]", widersprächen dem Recht auf ein faires Verfahren und würden das Recht auf Parteiengehör, wenn lediglich das Sachverständigengutachten per se als Grundlage für die Entscheidung herangezogen [werde], vereltzen. Die von der Bf umfangreich vorgelegten älteren Gutachten und Befunde seien auch Teil des Verfahrens.

Belangte Behörde:

Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da keine vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit bestehe. Beide Gutachten hätten zum selben Ergebnis geführt.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 sei der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die ärztliche Bescheinigung bilde jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zustehe, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen. Eine andere Form der Beweisführung sei nicht zugelassen. Was ein ärztliches Zeugnis, betreffend das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des FLAG, anlange, so habe ein solches Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (). Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht, aber unbegründet.

Wie aus dem Befund der Psychiatrie Mauer vom hervorgeht, ist die Bf verheiratet. Für den Anspruch auf den Eigentrag an Familienbeihilfe ist Voraussetzung, dass der Ehemann der Antragstellerin nicht in der Lage ist, den Ehegattenunterhalt zu leisten. Dazu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Im angefochtenen Bescheid wurde § 6 (2) d FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung herangezogen. Entgegen der belangten Behörde ist das BFG der Auffassung, dass für die im Jahr 1960 geborene Bf § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 in seiner Stammfassung heranzuziehen ist. Aus dem dem Art 7 Abs 1 S 1 B-VG innewohnenden Sachlichkeitsgebot ergibt sich, dass die 1960 geborene Bf mit einer Antragstellerin gleichzustellen ist, die- nach der Stammfassung des § 8 leg.cit. - zeitgerecht den Grundbetrag der Familienbeihilfe wegen mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit beantragt hatte. Hätte sich diese historische Antragstellerin in einer späteren Berufsausbildung befunden, so wäre ihr die längere Frist bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zur Verfügung gestanden ()

In diesem Sinn wird die Rechtslage auch dem Verwaltungsgerichtshof gesehen, wenn er ausführt: "Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildungvor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen" (zB , und Erkenntnisse , , mwN, Hervorhebung durch BFG). Die belangte Behörde hat daher nicht nur die Rechtslage verkannt, sondern auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht gelassen (BFG RV/7100557/2019).

Welche Fassung des § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 (§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967) und damit welche Frist für den Einzelfall maßgeblich ist, ist eine Rechtfrage, die von der Beihilfenbehörde zu beantworten ist. Die Sachverständigengutachten iSd § 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 haben zum Gegenstand, ob nach medizinischem Fachwissen erweisen werden kann, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem von der Beihilfenbehörde anhand der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Fassung des § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 (§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967) zu bestimmenden Zeitpunkt verloren gegangen ist oder nicht. Es obliegt somit den Beihilfenbehörden, dem BASB den maßgeblichen Zeitpunkt anlässlich der Gutachtensanforderung mitzuteilen. Nach keiner der oben dargestellten Fassungen des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 kam es auf die Vollendung des 18. Lebensjahres an (BFG RV/7100557/2019).

Sachverhaltsbezogen ist angesichts der von der Bf ausgeübten Tätigkeiten als Serviererin und Textilarbeiterin nicht von einer über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinausgehende Berufsausbildung auszugehen, zumal solches auch nicht vorgetragen wurde. Das Familienbeihilfenverfahren ist ein Antragsverfahren und demnach ist der Behilfenwerber behautungs- und beweispflichtig. Dennoch hat die Beihilfenbehörde die ausdrücklich herangezogene Rechtslage in der zutreffenden Fassung anzuführen bzw ist die EDV, die die Einspielung der Rechtsgrundlagen in Bescheide steuert, rechtskonform zu programmieren.

Die Beschwerde rügt zunächst Unvollständigkeit des ersten Sachverständigengutachtens. Laut obig festgestelltem Sachverhalt wurde mit dem zweiten Sachverständigengutachten ausführlich auf das Beschwerdevorbringen eingegangen und die Unvollständigkeit beseitigt. Der Vorlageantrag enthält kein Vorbringen mehr zur Shunt-Operation und zum Selbstmordversuch im Alter von 21 Jahren.

Zum zweiten Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass die mit ON 13 und ON 15 vorgelegten Befunden darin keinen Eingang gefunden haben, weil sie erst nach Einbringung des Vorlageantrages - und nach dem vorgelegten Verwaltungsakt - weiters kommentarlos nachreicht wurden.

Die Einholung eines dritten Sachverständigengutachtens wird als nicht erforderlich angesehen, weil der Entlassungsbrief (ON 13) ausschließlich auf den tragischen Zustand der Bf Bezug nimmt, den die Bf seit ihrem Beinahe-Ertrinken im Jahr 2017 hat, und der mit ON 15 vorgelegte Arztbrief der NÖ Landesnervenklinik Mauer/Amstetten vom , keinerlei Hinweis auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Jahr 1981 enthält. Der darin erwähnte Befund zur MRT (Cerebrum) vom bestätigt die Feststellung, dass der Bf das Shunt-System erst im Jahr 2003 gesetzt wurde, sodass die schlüssigen Ausführungen im zweiten Sachverständigengutachten erhärtet werden. Im CT-Cerebrum vom ist das Shunt-System bereits erwähnt und festgestellt worden, dass kein Hydrocephalus vorliegt, worauf der Befundbericht des Ostarrichiklinkums Mauer vom Bezug nimmt.

Ob der seit Geburt bestandene hydrocephalus internus zu gesundheitlichen Problemen in der körperlichen und geistigen Entwicklung der Bf geführt hat bzw ob diese Erkrankung kausal für den Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres war, ist weder durch zeitnahe noch durch zeitferne medizinisch-diagnostische Unterlagen, allenfalls durch Rückschluss, belegt. Für die Bf wurden keine Fakten - und sei es erzählend aus ihrer Vergangenheit - vorgetragen, die auf eine verzögerte oder eingeschränkte geistige Entwicklung in der Kindheit und Jugend hinweisen. Vielfach gehen mit einem hydorcephalus internus Lernschwächen, Verminderung der Intelligenz- und Gedächtnisleistung, Schwierigkeit bei der Orientierung und Logik, Schwäche der Feinmotorik, Reduzierung der Arbeitsgeschwindigkeit einher (vgl BVwG , W1732185403-1/11E). Auch in diesem Punkt ist auf den bereits oben erwähnten Grundsatz iZm einem antragsgebundenen Hoheitsakt und die damit verbundene Verpflichtung hinzuweisen.

Zu dem Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens und dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel ist auf , hinzuweisen, wo Folgendes ausgeführt wird:

"Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte de[s] in Rede stehenden [§ 8 Abs 6 FLAG] ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt hat, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden kann. Damit kann auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden. Der Gesetzgeber hat daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen ist. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen. Ob der zeitweilige Einkommensbezug zum - zeitweiligen - Entfall der Familienbeihilfe führt, ist eine davon zu unterscheidende Frage, die nach den allgemeinen Regeln des FLAG zu lösen ist." Dieser Rechtsansicht hat sich sodann der VwGH angeschlossen ().

Die Bindung der Behilfenbehörden ist daher keinesfalls eine absolute, sondern lediglich eine relative, weil eine entsprechend qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten ein Abgehen davon zulässt. Im Ergebnis ist auch das Sachverständigengutachten des BSAB wie andere als Beweismittel vorgelegte Gutachten zu beurteilen. Die Abgabenbehörde wird ihren Bescheid bei Nichtbefolgung eines vollständigen und schlüssigen Gutachtens ohne ausführliche Begründung mit demselben mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, was den Bescheid anfechtbar macht. Da die Beihilfenbehörden nicht über das notwendige medizinische Fachwissen verfügen, sind sie nicht befugt, medizinische Befunde etc, abgesehen von der von der Rechtsprechung der Beihilfebehörde auferlegten Verpflichtung der Vollständigkeitsprüfung und der Schlüssigkeitskontrolle, selbstständig zu beurteilen.

Selbst wenn der Ehemann der Bf den Ehegattenunterhalt nicht geleistet haben sollte, so wäre der Beschwerde wegen Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs 5 und 6 FLAG 1967 nicht stattzugeben, weil sämtliche Merkmale kumulativ zu erfüllen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 7 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102681.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at