Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.08.2021, RV/7103119/2020

Keine Rückgängigmachung iSd § 17 GrEStG wenn bereits vor Abschluss des Auflösungsvertrages Willenseinigung über Verkauf der Liegenschaft an Schwester

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH, Stiegengasse 8, 3430 Tulln über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend 1. Wiederaufnahme und 2. Abweisung des Antrages vom auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer zu ErfNr***1***, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Kaufvertrag vom

Mit Kaufvertrag vom verkaufte Herr ***2*** ***3*** die Liegenschaft ***1*** samt dem darauf errichteten Einfamilienhaus zu einem Kaufpreis iHv 400.000,00 an die ***Bf1*** (in der Folge kurz Bf.).

Grunderwerbsteuerbescheid vom

Mit Bescheid vom setzte das (damalige) Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten, kurz FA) für den Kaufvertrag vom zu ErfNr***1*** die Grunderwerbsteuer ausgehend vom Kaufpreis mit € 14.000,00 fest.

Antrag auf Rückerstattung der GrESt vom

Mit Antrag vom beantragte die Bf. die Rückerstattung der Grunderwerbsteuer, da der Kaufvertrag mit Aufhebungsvertrag vom aufgehoben worden sei. Der Kaufvertrag sei grundbücherlich noch nicht durchgeführt, sodass im Grundbuch nach wie vor Herr ***2*** ***3*** aufscheine.

Dazu wurde dem FA der Kaufvertrag vom und der Dissolutionsvertrag vom vorgelegt.

Mit Email vom wurde der Antrag samt den beiden Beilagen nochmals ans FA übermittelt.

Bescheid gemäß § 17 GrEStG vom

Mit Bescheid vom gab das FA dem Antrag auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG statt und setzte die Grunderbsteuer für den Kaufvertrag vom mit € 0,00 fest.

Zuvor hatte das FA am und am Abfragen im Grundbuch getätigt.

Aus den Grundbuchsauszügen ist ersichtlich, dass Herr ***2*** ***3*** nach wie vor im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war und dass eine Rangordnung für eine Veräußerung bis eingetragen war.

Wiederaufnahme und neue Sachentscheidung über den Antrag gemäß §17 GrEStG

Mit Bescheid vom nahm das FA das Verfahren von Amts wegen gemäß § 303 (1) lit. b BAO wieder auf und hob den Grunderwerbsteuerbescheid vom auf. Gleichzeitig erging eine neuerliche Sachentscheidung und wurde der Antrag vom auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG abgewiesen.

Die Begründung hat folgenden Inhalt:

"Aufgrund des am angezeigten Kaufvertrages zwischen ***2*** ***3*** und ***4*** ***3*** erlangte das Finanzamt davon Kenntnis, dass der ursprüngliche Kaufvertrag vom nicht tatsächlich rückgängig gemacht wurde, sondern vielmehr eine Weitergabe der Liegenschaft seitens der ***Bf1*** an Frau ***4*** ***3*** vorliegt. Der Abschluss des Dissolutionsvertrages zum ursprünglichen Kaufvertrag sowie des neuen Kaufvertrages erfolgte am selben Tag. Somit war der neue Käufer bereits im vorhinein bestimmt und erlangte Herr ***2*** ***3*** nicht wieder die volle Verfügungsgewalt an der Liegenschaft retour. Diese Tatsache stellt eine neu hervorgekommene Tatsache dar, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens begründet.

Dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) war der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen."

Beschwerde

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom beantragte die Bf.,
1. den Bescheid dahin gehend abändern, dass dieser ersatzlos behoben und demzufolge sowohl von der Wiederaufnahme des Verfahrens Abstand genommen wie auch der Antrag auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer bestätigt werde;
2. Allenfalls wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückverwiesen werden.

Begründend führte sie ua. aus:

"Diesem Bescheid zu Grunde liegt, dass die Beschwerdeführerin mittels Kaufvertrages vom von Herrn ***2*** ***3*** die Liegenschaft ***6*** käuflich erworben hat, dieser Kaufvertrag jedoch vor grundbücherlicher Durchführung des Kaufvertrages zu einem Zeitpunkt aufgelöst wurde, zu dem gemäß Punkt II. des Dissolutionsvertrages die Übergabe und die Rückübertragung des Kaufobjektes bereits erfolgt ist.

Noch am selben Tage hat ***2*** ***3*** einen Kaufvertrag zur Weiterveräußerung derselben Liegenschaft an Frau ***4*** ***3***, seine Schwester, unterfertigt.

Die Annahme dieses Kaufanbotes, sohin die Gegenzeichnung durch die Käuferin, ist allerdings erst rund 2 Jahre später, nämlich am erfolgt.

Aufgrund dieser Rechtsvorgänge schließt die Behörde - im Ergebnis rechtlich unrichtig - dass ***2*** ***3*** nicht wieder die volle Verfügungsgewalt an der Liegenschaft erhalten habe und demzufolge der Tatbestand der Grunderwerbsteuerbefreiung nicht zu Recht bestünde.

Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen:

Gemäß § 17 Abs 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz, wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von 3 Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird.

Genau dieser Sachverhalt liegt im hier gegenständlichen Fall jedoch vor.

Es kann kein wie immer gearteter Zweifel bestehen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang, nämlich der Kaufvertrag vom zwischen ***2*** ***3*** und der Beschwerdeführerin durch Dissolutionsvertrag vom , also innerhalb der 3-jährigen Frist der zitierten Bestimmung rückgängig gemacht wurde.

Ein Dissolutionsvertrag stellt zivilrechtlich immer eine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges dar.

Im Übrigen wird im letzten Abs. im 2. Abs. des Punktes II. des Dissolutionsvertrages bereits festgehalten, dass die Rückübertragung bereits erfolgt ist und die Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes bereits vor Unterfertigung des gegenständlichen Auflösungsvertrages erfolgt ist.

Es besteht insoweit kein wie immer gearteter Zweifel, dass zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Dissolutionsvertrages aufgrund der verbindlichen Bestimmung in dieser Vereinbarung Herr ***2*** ***3*** bereits wieder die Verfügungsgewalt über die kaufgegenständliche Liegenschaft hatte.

Es ist schier unerklärlich, wie die Erstbehörde im Rahmen einer sehr großzügigen Interpretation zu Gunsten der Abgabenbehörde zu der durch nichts zurechtfertigenden Auffassung kommt, die Liegenschaft sei nicht wieder in die Verfügungsgewalt des Verkäufers ***2*** ***3*** gelangt.

Dementsprechend hat die Erstbehörde antragsgemäß und auch rechtskräftig dem Antrag auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer am Folge gegeben.

Angesichts des tatsächlichen Sachverhaltes vermögen aber auch die übrigen Ausführungen der Behörde nicht zu überzeugen:

Es entspricht zwar den Tatsachen, dass ***2*** ***3*** bereits am selben Tage wieder einen Kaufvertrag unterfertigt hat, mit dem er dieselbe Liegenschaft an seine Schwester veräußert. Ein solcher Kaufvertrag ist aber nur dann möglich, wenn der Verkäufer die volle rechtliche und auch tatsächliche Verfügungsgewalt über die Liegenschaft hat.

Dementsprechend wird hier auch im Kaufvertrag bestätigt dass die Übergabe der Liegenschaft durch den Verkäufer ***2*** ***3*** und nicht durch die Beschwerdeführerin erfolgt ist. Zweifellos hatte ***2*** ***3*** demzufolge wieder die volle Verfügungsgewalt über die Liegenschaft widrigenfalls der Kaufvertrag unwirksam wäre.

Hinzu kommt jedoch, wie oben bereits ausgeführt, dass die Käuferin ***4*** ***3*** diesen Kaufvertrag, was die Erstbehörde bezeichnender Weise unerwähnt lässt, erst am gegengefertigt hat.

Der gegenständliche Kaufvertrag ist demzufolge erst am also nahezu erst 2 Jahre nach Dissolution rechtswirksam geworden. Die verbindliche Willensübereinstimmung ist demzufolge erst mit dem erfolgt und liegt erst ab diesem Zeitpunkt durch beiderseits Willensübereinstimmung der zur Wirksamkeit des Kaufgeschäftes notwendige Titelakt vor.

Damit bricht jedoch die Argumentation der Erstbehörde, wonach ***2*** ***3*** nicht mehr die Verfügungsgewalt erlangt hätte, in sich zusammen und entbehrt der angefochtene Bescheid jedweder rechtlichen Grundlage.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre demzufolge schon von der Wiederaufnahme des Verfahrens Abstand zu nehmen und demnach auch keinesfalls der Antrag auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer abzuweisen gewesen."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Die Begründung hat folgenden Inhalt:

"Nach Ansicht des Finanzamtes, liegt eine echte Rückgängigmachung im gegenständlichen Fall nicht vor. Offensichtlich war bereits vor Auflösung des Kaufvertrages vereinbart, die Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** zu übertragen. Dies ist eindeutig daran zu erkennen, dass am selben Tag der Unterfertigung des Dissolutionsvertrages auch der Kaufvertrag zwischen ***2*** und ***4*** ***3*** errichtet, von Herrn ***3*** unterfertigt und dessen Unterschrift auch bereits beglaubigt wurde. Dass Frau ***4*** ***3*** ihre Unterschrift erst zwei Jahre später unter diesen Vertrag setzte, begründet keine Zweifel an der beabsichtigten Weiterübertragung."

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ein weiteres Vorbringen wurde dabei nicht erstattet.

Vorlage der Beschwerde ans BFG

Mit Vorlagebericht vom legte das FA die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei gab das FA noch eine Stellungnahme (die auch der Bf. übermittelt wurde) mit folgendem Inhalt ab:

"Zum Einwand, es läge lediglich ein Kaufanbot vor, das die Käuferin ***4*** ***3*** erst mit Unterfertigung des Kaufvertrages am angenommen hätte, ist zu bemerken, dass aus der Urkunde nicht hervorgeht, dass es sich um ein Anbot handle.

Ein Anbot, in welchem die Hauptpunkte des Kaufvertrages, nämlich Kaufobjekt und Kaufpreis, fixiert sind und über welches zwischen den Vertragsparteien Willensübereinstimmung besteht, ist als Kaufvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG anzusehen (VwGH vom 14. November 974, 671673/74).

Zum Einwand, der Kaufvertrag sei durch Dissolutionsvertrag aufgehoben worden und stelle ein Dissolutionsvertrag die zivilrechtliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges dar, ist zu sagen:

Nach den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang dann nicht rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechts erlaubt - der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt (, je vom , 88/16/0153, und 89/16/0146, je vom , 90/16/0009, und 90/16/0087, je vom , 89/16/0186, und 94/16/0139, vom , 94/16/0074, vom , 97/16/0024, vom , 97/16/0390, 0391, und vom , 99/16/0481).

Erfolgte die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgten, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück anderweitig frei zu verfügen (vgl. , 0098, 0099, vom , 97/16/0390, 0391, vom , 2001/16/0184, 0190, vom ,2001/16/0489, vom , 2002/16/0258, vom ,2007/16/0066, und vom , 2008/16/0141).

Ob ein Erwerbsvorgang verwirklicht wurde, ist ausschließlich nach den steuerrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach § 1 GrEStG, zu beurteilen. Dass zur "Verwirklichung des Erwerbsvorganges" auch ein zivil oder verwaltungsrechtlich wirksames Rechtsgeschäft vorliegen muss, lässt sich aus dem Grunderwerbsteuergesetz nicht entnehmen (, und je vom , 89/16/0061, und 89/16/0167).

Ein Erwerbsvorgang ist bereits durch das Verpflichtungsgeschäft verwirklicht ().

Der Grunderwerbsteuer unterliegt nicht die Beurkundung des Kaufvertrages über eine Liegenschaft, sondern das mit der Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand zu Stande gekommene Rechtsgeschäft selbst. Dass das Rechtsgeschäft jedenfalls (erst) im Zeitpunkt seiner Beurkundung zu Stande gekommen ist, kann nicht von vornherein angenommen werden ().

Nach Ansicht des Finanzamtes wurde mit dem vom Verkäufer am unterfertigten Kaufvertrag bereits eine Willenseinigung mit der Käuferin erzielt, wurden doch in diesem Vertrag über Kaufgegenstand und Kaufpreis Einigung erzielt. Für die Willenseinigung spricht ferner

• die Tatsache, dass der Verkäufer für die beabsichtigte Veräußerung bereits eine Rangordnung unterfertigt hat

• dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes bereits vor Vertragsunterfertigung erfolgte

• dass die Käuferin das auf der Liegenschaft befindliche Wohnhaus besichtigt hat

• und dass die Käuferin sämtliche Informationen über das Vorliegen allfälliger Bewilligungen und Auflagen

eingeholt hat."

Beweisaufnahme durch das BFG

Von der zuständigen Richterin des BFG wurde Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr***1***. Daraus ergibt sich der oben dargestellte Ablauf des Verfahrens vor dem Finanzamt.

Weiters wurde eine Grundbuchsabfrage zu ***1*** (samt Einsicht in die Urkundensammlung), eine Firmenbuchabfrage zu FN ***5*** sowie Abfragen über FinanzOnline zu ErFNr***2*** und ErFNr***2*** durchgeführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Herr ***2*** ***3*** ist seit der Gründung im Jahr 2013 der Alleingesellschafter und einzige Geschäftsführer der im Firmenbuch zu FN ***5*** eingetragenen ***Bf1*** (kurz Bf.).

Frau ***4*** ***3*** ist die Schwester des Herrn ***2*** ***3***.

Mit Kaufvertrag vom verkaufte Herr ***2*** ***3*** die Liegenschaft ***1*** samt dem darauf errichteten Einfamilienhaus zu einem Kaufpreis iHv 400.000,00 an die Bf.

Im Zeitpunkt des Abschlusses der Dissolutionsvereinbarung am war Herr ***2*** ***3*** nach wie vor im Grundbuch als Eigentümer eingetragen und eine Rangordnung für eine Veräußerung bis eingetragen.

Gleichzeitig mit der Errichtung des Dissolutionsvertrages wurde ein Kaufvertrag über den Verkauf der Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** errichtet, da bereits feststand, dass Herr ***2*** ***3*** die Liegenschaft an statt an die Bf., zu den im wesentlichen selben Konditionen wie im Kaufvertrag vom an seine Schwester verkauft.

Die Unterzeichnung des Dissolutionsvertrages durch die Bf. und Herrn ***2*** ***3*** erfolgte gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch Herrn ***2*** ***3*** am (notarielle Beglaubigung der Unterschrift am Dissolutionsvertrag zu B.R.Z. 1415/2017, am Kaufvertrag unter B.R.Z. 1417/2017), nur Frau ***4*** ***3*** unterzeichnete den Kaufvertrage erst am .

Im Punkt II. des Dissolutionsvertrages wurde festgehalten, dass die Übergabe und Übernahme des Kaufobjekts bereits vor Unterfertigung des Auflösungsvertrages erfolgt ist.

Im Punkt VI. des Kaufvertrages mit Frau ***4*** ***3*** wurde festgehalten, dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes bereits vor Vertragsunterfertigung durch Betreten und Begehen der Liegenschaft sowie durch Übergabe der bezughabenden Urkunden und Schlüssel erfolgt ist.

Der Kaufvertrag mit Frau ***4*** ***3*** wurde vom Vertragserrichter am über FinanzOnline zur ErFNr***2*** beim FA angezeigt (Anmerkung: Laut dem Vermerk des Vertragserrichters am Kaufvertrag erfolgte die Abgabenerklärung zu ErfNr***3***, tatsächlich ist die Gz aber ErFNr***2***). Erst dadurch erlangte das FA Kenntnis davon, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Dissolutionsvertrages bereits ein Kaufvertrag über den Weiterverkauf der Liegenschaft an ***4*** ***3*** errichtet war und dass die Unterzeichnung des Dissolutionsvertrages und des "neuen" Kaufvertrages durch Herrn ***2*** ***3*** gleichzeitig am erfolgte.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den eingesehen Unterlagen und durchgeführten Abfragen und werden daher als erwiesen angenommen. Sie stehen auch im Einklang mit dem Vorbringen der Bf. in ihren Schriftsätzen.

Dass bei Abschluss des Dissolutionsvertrages bereits feststand, dass die Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** verkauft wird, wird nicht nur aus der gleichzeitigen Unterzeichnung der beiden Vertragsurkunden durch Herrn ***2*** ***3*** geschlossen, sondern spricht dafür insbesondere auch die Tatsache, dass im Kaufvertrag bereits festgehalten wurde, dass die Liegenschaft bereits an Frau ***4*** ***3*** übergeben wurde. Den vom FA im Vorlagebericht angeführten Argumenten, die für eine Willenseinigung mit Frau ***4*** ***3*** noch vor Abschluss der Dissolutionsvereinbarung sprechen, ist die Bf. nicht entgegen getreten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage:

§ 17 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG), BGBl 1987/309, idgF bestimmt Folgendes:

"(1) Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt,

1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,

......

(2) Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs. 1 Z 1, 2 und 4 sinngemäß.

.........................

(4) Ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer bereits festgesetzt, so ist auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern. Bei Selbstberechnung ist in den Fällen der Abs.1 bis 3 die Steuer entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.

(5) Anträge nach Abs. 1 bis 4 sind bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Frist endet keinesfalls jedoch vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Festsetzung."

§ 303 Abs. 1 BAO lautetet in der ab anzuwenden Fassung auszugsweise wie Folgt:

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

1. Erwägungen zur Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. ).

Nach der ständigen VwGH-Rechtsprechung ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Bezogen auf die im Bereich der Grunderwerbsteuer vorliegende Einzelbesteuerung des jeweiligen grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorganges kommt es somit für die Beurteilung, ob neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittelvorliegen, auf den Wissensstand der abgabenfestsetzenden Stelle (insbesondere aus der Abgabenerklärung und ihrer Beilagen) im konkreten Grunderwerbsteuerverfahren an (vgl. mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Unstrittig ist, dass vor Erlassung des Bescheides vom im Verfahren zu ErfNr***1*** (Stattgabe des Antrages auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG und Festsetzung der Grunderbsteuer für den Kaufvertrag vom mit € 0,00) dem FA nicht bekannt war, dass gleichzeitig mit dem Abschluss des Dissolutionsvertrages bereits ein Kaufvertrag über den Weiterverkauf der Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** errichtet und durch Herrn ***2*** ***3*** unterzeichnet worden war.

Die Kenntnis dieser Tatsache ist entscheidungswesentlich und hätte dieser den Spruch des Bescheides, mit dem über den Antrag nach § 17 GrEStG abgesprochen wurde, beeinflusst (es wäre eine Abweisung des Antrages nach § 17 GrEStG statt einer Stattgabe erfolgt - siehe dazu die Ausführungen zur neuen Sachentscheidung unter 2.)

Die Wiederaufnahme liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Gemäߧ 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind die Entscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter Billigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessender Partei" zu verstehen. Unter Zweckmäßigkeit ist das "öffentliche Interesse" u.a im Hinblick auf das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung zu verstehen.

Dem FA ist beizupflichten, dass dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) grundsätzlich der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen ist und wurde von der Bf. im Beschwerdeverfahren keine besondere Unbilligkeit aufgezeigt.

Die Wiederaufnahme ist daher zu Recht erfolgt.

2. (keine) Rückgängigmachung iSd § 17 GrEStG

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass betreffend Fälle, in denen die Auflösung eines Vertrages vereinbart wird, um den Verkauf des Objektes an einen im voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten unter Abschluss des neuen Vertrages gleichsam uno actu erfolgen, davon auszugehen ist, dass der Verkäufer dadurch nicht die Möglichkeit wieder erlangt hat, über das Grundstück anderweitig frei zu verfügen (vgl. mit weiteren Hinweisen).

Im Rahmen des Begünstigungstatbestandes gemäß §17 GrEStG tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht in den Hintergrund und ist es Pflicht des Antragstellers, die Voraussetzungen für die Abgabenbegünstigung nachzuweisen (vgl. ua. ).

Bei der rechtlichen Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal einer Rückgängigmachung iS des § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 vorliegt, kommt es nur darauf an, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt hatte, durch einen der in § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist somit nicht iS des § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt - der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmacht aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt (, verstärkter Senat, zu § 20 GrEStG 1955).

War Zweck des Dissolutionsvertrages nicht die Rückgängigmachung des Geschäftes, sondern nur die Ermöglichung der Weiterveräußerung der Liegenschaft unter Vermeidung einer neuerlichen Grunderwerbsteuerpflicht, so ist § 17 GrEStG nicht anzuwenden (vgl ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt die Aufeinanderfolge der im Zuge der Beglaubigung vom Notar vergebenen BRZ-Zahlen den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Vertragsaufhebung einerseits und dem Abschluss des neuen Kaufvertrages andererseits ().

Dass hier die neue Käuferin bereits im Vorhinein bestimmt war und somit Herr ***2*** ***3*** nicht wieder die volle Verfügungsgewalt an der Liegenschaft retour erhielt, zeigt sich nicht nur dadurch, dass gleichzeitig mit dem Abschluss des Dissolutionsvertrages bereits ein Kaufvertrag über den Weiterverkauf der Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** errichtet und durch Herrn ***2*** ***3*** unterzeichnet worden war, sondern ist nach Punkt VI. des "neuen" Kaufvertrages bereits vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages - und damit auch vor Unterzeichnung des Dissolutionsvertrages - die Übergabe der Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** erfolgt.

Der Verkauf der Liegenschaft an Frau ***3*** erfolgte zu den im Wesentlichen gleichen Konditionen (Kaufpreis iHv € 400.000,00) wie sie im Kaufvertrag mit der Bf. vom vereinbart waren.

Es entspricht den Lebenserfahrungen, dass bereits vor der Vertragserrichtung durch einen Rechtsanwalt und Unterfertigung durch eine Vertragspartei eine mündliche Einigung aller Vertragspartner erfolgt ist. Hier kommt auch noch das Naheverhältnis der Vertragspartner (Herr ***2*** ***3*** ist der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer der Bf., Frau ***4*** ***3*** ist seine Schwester) dazu. Auch Frau ***4*** hat durch ihre Unterschrift die Vertragsbestimmungen des Punktes VI. bestätigt, wonach bereits vor der Vertragsunterzeichnung eine Übergabe der Liegenschaft an sie erfolgt ist und spricht auch dies dafür, dass bei Auflösung des Kaufvertrages mit der Bf. bereits eine Willenseinigung über den Verkauf der Liegenschaft an Frau ***4*** ***3*** bestand.

Aus all diesen Erwägungen ist vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur nicht davon auszugehen, dass der Verkäufer ***2*** ***3*** seine ursprüngliche Verfügungsmacht wieder vollständig zurückerlangt hat und er die Liegenschaft auch an einen Dritten oder gar nicht verkaufen hätten können.

Es liegt daher keine Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges vom im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG vor und wurde somit der Antrag vom vom FA zu Recht abgewiesen.

Die sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den neuen Sachbescheid gerichtete Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständlich strittige Frage der Erstattung der Grunderwerbsteuer kann bereits anhand der gesetzlichen Bestimmung nach § 17 GrEStG und dort genannter Voraussetzungen in Anwendung obgenannter VwGH-Judikatur gelöst werden. Der zugrundeliegenden Rechtsfrage kommt demnach keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103119.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at