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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 19.08.2021, RV/7100037/2017

Verfahrenseinstellung bei überschuldeter Verlassenschaft (Überlassung an Zahlungs statt)

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBE in der Beschwerdesache ***Bf1***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2007 - 2013 sowie Einkommensteuer 2008 - 2012, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Beschwerdeführer (Bf) ist nach Einbringung einer Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2007 bis 2013 sowie Einkommensteuer 2008 bis 2012 am ***1*** verstorben.

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Bf wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom ***2***, Zl. ***3***, festgestellt, dass die Verlassenschaft nach dem Bf mit einem Betrag von 2.451,43 Euro überschuldet ist. Die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft in Summe vom 441,27 Euro wurden der erblichen Witwe gegen Bezahlung der Passiva (Bestattungskosten und Nebenkosten) in Höhe von 2.892,70 Euro gemäß § 154 AußStrG an Zahlungs statt überlassen. Die Begründung enthielt die Feststellungen, dass sämtliche von den §§ 154 und 155 AußStrG für eine Überlassung an Zahlungs statt geforderten Voraussetzungen gegeben sind, da die Verlassenschaft überschuldet ist, ein Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt gestellt wurde, keine unbedingte Erbantrittserklärung und kein Antrag auf Überlassung der Verlassenschaft als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftskonkurs eröffnet wurde.

Rechtliche Würdigung:

Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können gem. § 272 Abs. 4 BAO idF des AbgÄG 2016, BGBl. I 117/2016 die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen (§ 85 Abs. 2) und von Aufträgen gemäß § 86a Abs. 1 sowie Zurückweisungen (§ 260), Zurücknahmeerklärungen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1), Gegenstandsloserklärungen (§ 256 Abs. 3, § 261), Verfügungen der Aussetzung der Entscheidung (§ 271 Abs. 1) und Beschlüsse gemäß § 300 Abs. 1 lit. b.

Diese Gesetzesänderung ist gemäß § 323 Abs. 51 BAO am in Kraft getreten und wurde in der Regierungsvorlage (ErlRV 1352 BlgNR XXV. GP, 17) wie folgt erläutert: Die Erweiterung der Fälle, in denen dem Berichterstatter die Befugnis zur Erlassung von verfahrensleitenden bzw. verfahrensbeendenden Beschlüssen zukommt, soll aus verfahrensökonomischen Gründen erfolgen.

Die Novellierung des § 272 Abs. 4 BAO zielt somit insbesondere auf die Übertragung der Zuständigkeit zur Erlassung von verfahrensbeendenden Formalbeschlüssen auf den Berichterstatter aus verfahrensökonomischen Gründen ab (vgl. ).

Im Beschwerdefall war daher der verfahrensbeendende Beschluss ungeachtet des entsprechenden Antrages ohne Befassung des Senates zu erlassen. Da keine inhaltliche Entscheidung in der Sache erfolgt, ist auch von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen (§ 274 Abs. 5 iVm Abs. 3 BAO).

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, haben nach Abs. 2 leg. cit. die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

Gemäß § 82 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen, wenn gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, soll.

Nach § 82 Abs. 2 BAO gilt Abs. 1 sinngemäß, wenn zweifelhaft ist, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist.

Im gegenständlichen Fall ist das Nachlassvermögen der Witwe an Zahlungs statt überlassen worden (§ 154 AußStrG). Es ist daher mangels Einantwortung zu keiner Gesamtrechtsnachfolge gekommen.

Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Einantwortung besteht der ruhende Nachlass, der als anerkannte juristische Person eines Vertreters bedarf. Die Vertretung des ruhenden Nachlasses hat entweder durch einen Kurator oder durch den/die erbantrittserklärten Erben (§ 173 AußStrG, § 810 ABGB) zu erfolgen. Es ist nicht ersichtlich, dass im gegenständlichen Fall ein Verlassenschaftskurator bestellt worden wäre.

Die Vollmacht der steuerlichen Vertretung, die namens des Bf die Beschwerde eingebracht hatte, gilt gemäß § 1022 ABGB als mit dem Tod des Vollmachtgebers erloschen.

Im Beschwerdefall ist somit niemand befugt, das Beschwerdeverfahren fortzuführen.

Von einem Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators wird vom Bundesfinanzgericht mangels Erforderlichkeit abgesehen. Da die strittigen Abgaben bislang nicht entrichtet wurden, könnte sich im Fall der Stattgabe der Beschwerde kein Guthaben ergeben und im Fall der Abweisung der Beschwerde könnte das Finanzamt eine Forderung mangels vorhandener Aktiva nicht durchsetzen. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators würde daher nur vermeidbare Kosten und hohen Verwaltungsaufwand verursachen.

Wegen der fehlenden Möglichkeit, eine Rechtsmittelentscheidung an die vertretungslose Verlassenschaft zuzustellen, kann eine solche durch das Gericht auch nicht wirksam erlassen werden. Das Beschwerdeverfahren ist daher einzustellen.

Dieser Beschluss kann rechtswirksam nur an die Amtspartei ergehen, weil aus den bereits genannten Gründen an die Verlassenschaft ohne Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht zugestellt werden könnte und das Bundesfinanzgericht eine derartige Bestellung als nicht geboten erachtet.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Absehen von der Bestellung eines Verlassenschaftskurators keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100037.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at