Vortragsfähige Verluste
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertr*** Steuerberatung KG, ***VertrAdr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom betreffend Körperschaftsteuer 2014 Steuernummer zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
II. a) Der vortragsfähige Verlust des Jahres 2014 wird mit € 194.641,33 festgestellt.
II. b) Die vortragsfähigen Verluste der Jahre 2006 bis 2013 betragen: für 2006: € 2.289,50, für 2007: € 15.717,80, für 2008: € 3.151,60, für 2009: € 2.625,27, für 2010: € 1.186,48, für 2011: € 3.602,48, für 2012: € 1.668,93 und für 2013: € 2.145,86
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
Im Jahr 2016 fand bei der BF (idF der BF) eine Betriebsprüfung u.a. betreffend die Umsatzsteuer und die Körperschaftsteuer der Jahre 2012-2014 statt. Dabei versagte die Prüferin den Verlusten der Jahre 2006 bis (anteilig) 2014 im Gesamtausmaß von € 62.695,49 die Vortragsfähigkeit, da im Jahr 2014 ein Mantelkauf im Sinn des § 8 Abs. 4 KStG erfolgt sei.
Unbestrittenermaßen sei im Jahr 2014 eine wirtschaftliche und organisatorische Änderung des Geschäftszweckes bzw. der Geschäftsführung der BF erfolgt. Die Gesellschaftsstruktur der BF habe sich zwar formal nur um 10 % de facto aber zur Gänze verändert, weswegen wirtschaftlich gesehen die Voraussetzungen eines Mantelkaufes erfüllt seien.
In weiterer Folge erließ das FA nach Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Körperschaftsteuer 2014 einen neuen Sachbescheid betreffend die Körperschaftsteuer 2014.
Gegen den Sachbescheid erhob die BF durch ihre ausgewiesene Vertreterin binnen verlängerter offener Frist Beschwerde und begründete dies neben der Darstellung, dass aus Sicht der BF keine Änderung der wirtschaftlichen Struktur erfolgt sei und die Änderung der organisatorischen Struktur erst im Jahr 2016 umgesetzt worden sei, im Wesentlichen damit, dass keine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage erfolgt sei, da dem Gesetzestext nicht zu entnehmen sei, dass eine de facto Änderung der Gesellschafterstruktur ausreichend sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab, stellte dar warum aus seiner Sicht eine Änderung der wirtschaftlichen und organisatorischen Struktur bereits im Jahr 2014 erfolgt sei und führte zur Änderung der Gesellschafterstruktur aus, dass ein an der BF wirtschaftlich beteiligter österreichischer Rechtsanwalt im Jahr 2015 mit dem damals wirtschaftlich berechtigten deutschen Staatsbürger vereinbart habe, dass ihm die wirtschaftliche Einheit (die Struktur) bestehend aus der liechtensteinischen Anstalt, der Privatstiftung und der BF übertragen werde. Der Rechtsanwalt habe diese Struktur in der Folge auch genutzt und habe die Anstalt an eine andere liechtensteinische Anstalt mit einer anderen wirtschaftlich Berechtigten verkauft.
Darauf beantragte die BF durch ihre ausgewiesene Vertreterin fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG.
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des wurden die gegenständlichen Rechtsmittel der damit belasteten Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.
2. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Das BFG legt seiner Entscheidung den im folgenden dargestellten Sachverhalt zugrunde, der sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens, den Unterlagen der Betriebsprüfung sowie dem Vorbringen der Parteien im gegenständlichen Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren ergibt. Dieser Sachverhalt ist - soweit aus den Akten des Verwaltungsverfahrens nachvollziehbar - von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
Zur Organisationsstruktur der BF:
Geschäftsführer der BF war von bis der Wirtschaftstreuhänder.
Vom bis zum war ***1*** selbstständig vertretungsbefugter Alleingeschäftsführer; bis zum vertrat er gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer.
Vom bis zum war RA ***2*** selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer.
Seit ist ***3*** selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin.
Zur wirtschaftlichen Struktur der BF:
In den Jahren 2010 bis 2014 hielt die BF eine 50% Beteiligung an der ***4*** in ***X***.
Am wurde von der BF ein Lieferantenvertrag mit ***5*** Deutschland über die Lieferung von Kosmetikartikeln (Eigenmarke) abgeschlossen, der ab 2015 zu entsprechenden Einnahmen der BF führte.
Zur Gesellschafterstruktur der BF:
Seit der Gründung 2006 bis zum März 2015 hielt die Privatstiftung 100% des Stammkapitals der BF.
Mit März 2015 erwarb die ***6*** 10% des Stammkapitals der BF von der Privatstiftung.
Die österreichische Privatstiftung wurde im Jahr 2006 von der liechtensteinischen Anstalt mit einem Anteil von € 69.000,00 und RA ***2*** mit einem Anteil von € 1.000,00 gegründet. Im Jahr 2014 wurde die Anstalt von der liechtensteinischen ***7*** Anstalt gekauft, hinter der als wirtschaftlich Berechtigte ***3*** steht.
Am wurde eine Vereinbarung zwischen ***1*** und ***2*** getroffen, nach der die "wirtschaftliche Einheit" bestehend aus der liechtensteinischen Anstalt, der Privatstiftung und der BF ihm unentgeltlich übertragen wurden.
2. Rechtliche Beurteilung
1. Zur Zuständigkeit der Gerichtsabteilung:
Gemäß § 9 Abs. 9 BFGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Auf Grund des im Verfahrensgang dargestellten Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses ist sohin die nun zur Entscheidung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens berufene Gerichtsabteilung zuständig.
2. Zur belangten Behörde ab :
Gemäß § 323b Abs.1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.
Gemäß § 323b Abs. 2 BAO werden die am bei einem Finanzamt … anhängigen Verfahren von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 BAO ist das FA für Großbetriebe zuständig für Abgabepflichtige, die einen Gewerbebetrieb …. unterhalten und entweder die beiden zuletzt gemäß Abs. 5 bekannt gegebenen Umsatzerlöse (§ 189a Z 5 des Unternehmensgesetzbuches - UGB, dRGBl. S. 219/1897) oder die in den beiden zuletzt abgegebenen Steuererklärungen gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994 erklärten Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 jeweils mehr als 10 Millionen Euro überschritten haben;
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, das vom FA ***FA*** dem BFG vorgelegt worden war, ist ab das FA für Großbetriebe zuständig.
3. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 KStG ist bei der Ermittlung des Einkommens der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 nach Maßgabe folgender Bestimmungen als Sonderausgaben abzuziehen, soweit er nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellt:
Gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. a KStG steht der Verlustabzug nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte zu. Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung dieser Grenze abzuziehen.
Gemäß § 18 Abs. 6 EStG sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.
Über die Höhe des abzugsfähigen Verlusts wird für das Jahr abgesprochen, in dem der Verlust entstanden ist (). Der Ausspruch des Verlustes bzw eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte wird iSd § 92 Abs 1 lit b BAO für ein späteres Abzugsverfahren betragsmäßig verbindlich und zwar auch bei einem fehlerhaften Bescheid (; , 2006/15/0026; , 94/13/0011; ).
Gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen.
Gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lt. c KStG steht der Verlustabzug ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.
Diese Einschränkung des Verlustabzuges setzt den Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft voraus, der sich (kumulativ) in einer organisatorischen Strukturänderung, einer wirtschaftlichen Strukturänderung und einer Änderung der Gesellschafterstruktur äußern muss.
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren letztlich, ob nach dem oben dargestellten, unstrittigen Sachverhalt nicht nur eine organisatorische Strukturänderung sowie eine wirtschaftliche Strukturänderung der BF erfolgt ist, sondern auch eine Änderung der Gesellschafterstruktur, die nach § 8 Abs. 4 KStG relevant wäre. Dies sei aus Sicht des FA dadurch verwirklicht worden, dass die Privatstiftung, die seit 2006 durchgängig als Alleingesellschafterin bzw. ab 2015 als 90% Gesellschafterin der BF im Firmenbuch aufscheint, neue Eigentümer bzw. neue wirtschaftlich Berechtigte erhalten habe.
Dieser, von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht hat sich der VwGH mit der Entscheidung Ro 2015/13/0007 nicht angeschlossen. Er hat dazu ausgeführt, dass mit dem Element der Änderung der Gesellschafterstruktur die Übertragung von Gesellschaftsanteilen angesprochen wird. Eine Durchgriffsbetrachtung ist dabei nicht vorgesehen.
Damit ist aber das gegenständliche Verfahren unabhängig davon, ob die übrigen Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Z. 2 lit.b KStG im gegenständlichen Fall im Jahr 2014 vorliegen, entschieden.
Da die Gesellschafter der BF unverändert geblieben sind, bzw. nur 10% der Stammeinlage an einen neuen Gesellschafter abgetreten wurden, liegt keine beachtliche Änderung der Gesellschafterstruktur im Sinne des § 8 Abs. 4 Z. 2 lit. c KStG vor. Damit liegen die kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für eine Einschränkung des Verlustvortrages bei Körperschaften wegen des Vorliegens eines Mantelkaufes im Jahr 2014 nicht vor.
Der Beschwerde war sohin stattzugeben, der Verlust aus Vorjahren 2006 bis 2013 im Ausmaß von gesamt € 32.387,92 bleiben auch im Jahr 2014 vortragsfähig, der Verlust für 2014 ist in der vollen Höhe von € 194.641,33 vortragsfähig.
4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis beruht zur Frage des Mantelkaufes auf den im Begründungsteil zitierten gesetzlichen Bestimmungen und hinsichtlich der Änderung der Gesellschafterstruktur bei zwischengeschalteten auf dem Erkenntnis des VwGH Ro 2015/13/0007.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100686.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at