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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.08.2021, RV/5100358/2016

Sicherheitszuschlag aufgrund mangelhafter Kassabuchführung; Voraussetzungen der Bekämpfbarkeit des berichtigten Bescheides im Rahmen einer gegen den Berichtigungsbescheid gerichteten Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ulrich Petrag in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LBG Oberösterreich Steuerberatung GmbH, Hasnerstraße 2, 4021 Linz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2009 sowie die Beschwerde vom gegen die Berichtigungsbescheide des Finanzamtes ***1*** gemäß § 293 BAO betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 vom Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2006 bis 2008 sowie Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO 2006 bis 2008 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 wird teilweise Folge gegeben.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
» 2006
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Umsätze, Eigenverbrauch und steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe
» 85.608,06 €
Umsatzsteuer und Erwerbsteuer

» 11.616,37 €
abziehbare Vorsteuer und Einfuhrumsatz-steuer


-» 10.299,98 €
festgesetzte Umsatzsteuer (Zahllast)
» 1.316,39 €


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
» 2007
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Umsätze, Eigenverbrauch und steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe
» 122.268,06 €
Umsatzsteuer und Erwerbsteuer

» 14.630,14 €
abziehbare Vorsteuer und Einfuhrumsatz-steuer


-» 11.713,32 €
festgesetzte Umsatzsteuer (Zahllast)
» 2.916,82 €


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
» 2008
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Umsätze, Eigenverbrauch und steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe
» 124.746,40 €
Umsatzsteuer und Erwerbsteuer

» 13.999,57 €
abziehbare Vorsteuer und Einfuhrumsatz-steuer


-» 11.828,11 €
festgesetzte Umsatzsteuer (Zahllast)
» 2.171,46 €


  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer 2006 bis 2008 sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Den Beschluss gefasst: Die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 jeweils für das Jahr 2009 wird gemäß
    § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Hinweis: Dieses Erkenntnis bzw. dieser Beschluss wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Mit der Zustellung dieses Bescheides an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO).

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) fand im Zeitraum bis eine Außenprüfung zu AB.Nr. ***2*** für die Jahre 2006 bis 2009 unter anderem betreffend Umsatzsteuer und einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung statt, bei der folgende Feststellungen getroffen wurden (vgl. die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ):

Tz. 1 Losungsermittlung
Sachverhalt:
Die Tätigkeit der Bf. würde sich zum einen in einen Pizza-Zustelldienst und zum anderen in den Verkauf im Geschäftslokal (insbesondere Laufkundschaft) gliedern.
Im Prüfungszeitraum 2006 bis 2009 wären die Erlöse wie folgt ermittelt worden:
a) Zustelldienst: Die Losungsermittlung wäre durch Einzelaufzeichnungen der Geschäftsfälle in einem Rechnungsausgangsbuch erfolgt.
b) Laufkundschaft: Im Lokal wäre die Losungsermittlung in vereinfachter Form durch Kassasturz bzw. Rückrechnung erfolgt. Die dafür notwendigen Kassaberichte wären in folgender Form geführt worden:
Bargeldbestand am Schluss des Tages: € 72,67 (auf jedem Kassabericht bereits vorgedruckt)
Bargeldbestand zu Beginn des Tages: € 72,67 (ebenfalls immer schon vorgedruckt)
ausbezahlte Barrechnungen (jede Rechnung gesondert)
Summe Erlöse Lieferdienst (stimmt mit dem Rechnungsausgangsbuch überein)
Summe Erlöse Laufkundschaft (täglich gezählte Bareinnahmen im Lokal)
Privateinlage (immer genau in Höhe der Gesamtsumme der an diesem Tag bezahlten Barrechnungen)
Tageslosung (Addition der Erlöse Zustelldienst plus Erlöse Laufkundschaft)

Im Zuge einer Nachschau am im Lokal ***3*** wäre festgestellt worden, dass die Kassaberichte der letzten 7 Tage noch nicht erstellt waren (letzter vorhandener Bericht vom ). Der tatsächliche Bargeldbestand laut Geldtasche des Unternehmers habe zwischen € 3.000,-- und € 4.000,-- betragen was laut Angabe des Unternehmers in etwa den durchschnittlichen Stand an jedem Tag darstellen würde. Im Zuge der Schlussbesprechung wäre von der Bf. bzw. vom steuerlichen Vertreter diese Kassa (Umhängegeldtasche des Unternehmers) als "private Geldtasche" bezeichnet worden. Eine zweite betriebliche Kassa (Ladenkassa) wäre diejenige, auf die sich die Kassenberichte beziehen würden.

Prüfungsfeststellung:
Im Falle der Losungsermittlung durch Rückrechnung aus End- und Anfangsbestand (Kassasturz) würde ein Unternehmer einen vollständigen Kassabericht benötigen, in welchem Endbestand, Anfangsbestand, sämtliche Einnahmen und Ausgaben eines Tages sowie die Entnahmen und Einlagen (sowohl betrieblich als auch privat) festzuhalten wären. Dieser täglich zu führende Kassabericht würde dazu dienen, den so rechnerisch ermittelten Kassastand jederzeit mit dem tatsächlichen Kassastand abstimmen zu können.
Im vorliegenden Fall würde die tägliche Losungsaufzeichnung Angaben enthalten, die mit den tatsächlichen Verhältnissen in keiner Weise übereinstimmen würden. Der angegebene Anfangsbestand von € 72,67 wäre ebenso frei erfunden wie die angebliche Privateinlage immer in Höhe der verausgabten Barrechnungen sowie die ausgezählten Barerlöse im Lokal.
Die Kassenberichte wären überdies täglich zu führen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen wäre. Auch Zählprotokolle, Rechenstreifen oder sonstige Aufzeichnungen, die für die Glaubwürdigkeit der erklärten Barerlöse im Lokal sprechen würden, hätten nicht vorgelegt werden können.

Tz. 2 Losungsanalysen
Die erklärten Tageslosungen der Jahre 2006 - 2009 wären nach mathematischen Grundsätzen auf ihre Plausibilität geprüft worden.
Dabei hätten sich bei den Erlösen Laufkundschaft (im Lokal) folgende Unregelmäßigkeiten ergeben:
a) Lückenstruktur:
Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung würden sich bei derartigem Zahlenmaterial die größten Lücken in den Randbereichen ergeben (Minimum- und Maximumwerte) und bei den Durschnittswerten wären die Lücken erfahrungsgemäß am kleinsten.
Laut beiliegenden Grafiken (Anhang 1 a-d) unten würden die Auswertungen der Jahre 2006 bis 2009 ungewöhnlich große Lücken im Bereich der Durchschnittswerte ergeben, was für die Abgabenbehörde einen Hinweis auf ein nicht zufälliges Zustandekommen der Tageslosungen bedeuten würde.

b) Endziffern:
Die Ziffernstruktur der Losungen würde ein unplausibles Bild ergeben: Die Endziffern der (bar vereinnahmten) Losungen würden eine solch ungleichmäßige Verteilung aufweisen, dass die zufällige Entstehung der Losungen (aus den tatsächlichen Geschäftsfällen des jeweiligen Tages) zu verneinen sei.
Im Regelfall sollten die Endziffern (Einer- bzw. Zehnerstellen, evtl. 10-Cent-, 1-Centstellen) jeweils annähernd gleich verteilt sein, da statistisch gesehen aus der großen Menge an Einflussfaktoren jede Ziffer die gleiche Chance hätte, vorzukommen.
Im konkreten Fall wäre auch mittels Chi2-Test die Verteilung untersucht worden. Dieser würde die zufällige Entstehung der Endziffern als unwahrscheinlich bewerten.
Besonders auffällig wäre das vollständige bzw. nahezu vollständige Fehlen von Nullen bei den Zehntel- bzw. Einer-Stellen im gesamten Prüfungszeitraum 2006 bis 2009. Die Wahrscheinlichkeit für ein zufälliges Entstehen von Beträgen mit diesen beiden Endziffer-Stellen würde in allen vier Prüfungsjahren exakt 0,00 Prozent betragen.

Siehe hierzu die beiliegenden Aufstellungen und Diagramme (Anhänge 2 a-e).

In Verbindung mit ordnungsmäßigen Kassenberichten bzw. Losungshilfsaufzeichnungen wie z.B. Zählprotokollen wäre möglicherweise eine Ursache dafür zu finden. Da diese jedoch nicht vorgelegt worden wären bzw. solche formellen und materiellen Mängel aufweisen würden, dass sie nicht mehr geeignet wären, die Grundlagen für die Abgabenerhebung darzustellen, könne die Behörde ihrer diesbezüglichen Prüfverpflichtung nicht mehr nachkommen. Es würde daher ein begründeter Anlass vorliegen, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen (§ 163 BAO).

Es würde daher die begründete Vermutung bestehen, dass die aufgezeichneten Losungen nicht die tatsächlich erzielten Losungen wären, sondern verkürzte und/oder frei erfundene Beträge.

Die aufgezeichneten Losungen wären deshalb nicht als Basisdaten der Buchhaltung geeignet, die materielle Richtigkeit der Buchhaltung würde damit in Frage stehen (§ 163 BAO).

b) Mehrfachbeträge:
Im vorliegenden Fall wären von 1043 Losungsbeträgen der Jahre 2006 bis 2008 insgesamt 195 Beträge öfter als einmal aufgetreten. Nämlich 117 2-fach, 51 3-fach, 14 4-fach, 7 5-fach, 4 6-fach und jeweils einer sogar 7- bzw. 8-fach.

Durch das Vorkommen einer Vielzahl von Preisen und einer Vielzahl von täglichen Geschäftsfällen, die sich üblicherweise aus mehreren Einzelpositionen (Speisen, Getränke) zusammensetzen würden, wäre statistisch gesehen das Vorkommen gleicher Losungsbeträge innerhalb eines Jahres eher unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit würde sehr stark für das 3- oder mehrfache Vorkommen desselben Losungsbetrages innerhalb eines Jahres sinken bzw. wenn mehr als nur einige wenige Losungsbeträge mehrmals vorkommen.

Die Analyse der aufgezeichneten Losungen würde das Auftreten von sehr vielen, nicht mehr mit Zufälligkeiten erklärbaren Losungsbeträgen ergeben, die zwei- oder mehrmals im Jahr vorkommen würden.

Die Details wären aus der beiliegenden Aufstellung (Anhänge 3 a-d) zu entnehmen.

Auch im Jahr 2009 (Abgabe der Erklärungen während des Prüfungsverfahrens) würde sich ein ähnliches Bild ergeben:

Von 344 Losungen hätte es 51 Beträge öfter als einmal gegeben. Und zwar 43 2-fach, 6 3-fach, 1 4-fach und 1 5-fach (Anhang 3 e).

Die grafische Darstellung würde die Mehrfachlosungen dadurch sichtbar machen, dass die Losungen nach der Losungshöhe sortiert und die Lücken ausgewertet würden (Lücke = 0). Die Striche im Diagramm würden sich durch die Darstellung mit Abszisse bei Wert 1 ergeben und würden auf die mehrfach vorkommenden Beträge hinweisen.

Es bestünde daher die begründete Vermutung, dass die aufgezeichneten Losungen nicht die tatsächlich erzielten Losungen wären, sondern verkürzte und/oder frei erfundene Beträge.

Die aufgezeichneten Losungen wären deshalb nicht als Basisdaten der Buchhaltung geeignet, die materielle Richtigkeit der Buchhaltung würde damit in Frage stehen (§ 163 BAO).

Tz.3 Schätzung
Wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen könne, weil diesbezügliche Grundaufzeichnungen nicht vorgelegt wurden, wäre sie
gemäß § 184 (1) BAO verpflichtet, diese im Schätzungsweg zu ermitteln.

Da im vorliegenden Fall Details für die Überprüfung der erklärten Erlöse nicht vorgelegt worden wären oder die Aufzeichnungen derartige Mängel aufweisen würden, dass sie nicht mehr geeignet wären, die Grundlagen für die Abgabenberechnung darzustellen, hätte die Behörde ihrer Verpflichtung, die Einnahmen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, nur sehr eingeschränkt nachkommen können.

Aufgrund der in Tz.1 und 2 angeführten Aufzeichnungs-Mängel würden sich für die Behörde Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen ergeben.

Die Bemessungsgrundlagen für die Abgabenerhebung wären somit im Schätzungsweg zu ermitteln. Die Höhe der Schätzung würde sich nach dem Ausmaß der festgestellten formellen und materiellen Buchführungsmängel im Bereich der Erlösgrundaufzeichnungen richten.

Dieses Ausmaß werde von der Behörde als überaus gravierend bewertet, was die Zurechnung eines Sicherheitszuschlages in Höhe von 20 % zur Folge hätte.

Tz.4 Berechnung

[...]

Berechnung USt

10% USt: 88% Anteil am Umsatz
20% USt: 12% Anteil am Umsatz

Zu diesen Prüfungsfeststellungen hat die Bf. im Prüfungsverfahren folgende Stellungnahme abgegeben:

Zu der TZ 1 "Prüfungsfeststellungen" wäre zu entgegnen, dass die Behauptung, dass der angegebene Anfangs-und Endbestand von Euro 72,67 "frei erfunden" wäre, nicht den Tatsachen entsprechen würde.
Ebenso wenig wären die Privateinlagen oder die ausgezählten Barerlöse in irgendeiner Weise "erfunden".
Vielmehr würde der in TZ 1 "Losungsermittlung" von den Prüfern festgestellte "Sachverhalt" den Tatsachen entsprechen. Es würde sich in der Tat so verhalten, wie es die Betriebsprüfung beschreiben würde:
Der Unternehmer würde in der Geschäftskasse im Geschäft seit vielen Jahren immer einen Betrag von Euro 72,67 (vormals ATS 1.000) als "Wechselgeld" lassen. Die Geschäftskasse würde sich in einer Tischlade befinden, welche unter dem Ausgabepult angebracht wäre. Diese Lade sei für die Aufbewahrung von Münzen und Geldscheinen bereits fabrikmäßig vorgesehen.

Den restlichen Geldbetrag würde die private "Geldtasche des Unternehmers" als Privatentnahme nehmen.

Der Geldfluss und die Ermittlung der Losung wären völlig logisch und nachvollziehbar.

Im Geschäft (Lokal) würde zu Beginn des Tages das immer gleiche Wechselgeld in Höhe von
€ 72,67 liegen. Wenn Kunden im Geschäftslokal kaufen würden, werde das Geld dazugelegt.

Am Abend werde das Geld gezählt, das Wechselgeld in Höhe von Euro 72,67 werde wieder beiseitegelegt, der verbleibende Geldbetrag werde als "private Entnahme" eingetragen.

Die Einnahmen aus dem Zustelldienst würden sofort vom Unternehmer kassiert und in seine private "Geldtasche des Unternehmers" gegeben. Wenn der Unternehmer Ausgaben tätigen würde, würde er diese der privaten "Geldtasche des Unternehmers" entnehmen.

Dementsprechend wäre das Kassentagesberichtsformular gestaltet:

Bargeldbestand am Schluss des Tages
- Bargeldbestand am Beginn des Tages
+ ausbezahlte Barrechnungen
+ private Entnahmen (1) (würde der Losung im Geschäftslokal entsprechen)
+ private Entnahmen (2) (würde den Einnahmen aus Zustellung entsprechen)
- private Einlagen (würde den ausbezahlten Barrechnungen entsprechen)
= TAGESLOSUNG (würde private Entnahmen (1)+private Entnahmen(2) entsprechen)

Diese Form der Kassenführung würde vollständig den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung entsprechen und würde die Ermittlung Grundlagen der Abgabenermittlung zweifelsfrei zulassen.

Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass dieser Bericht täglich geführt wird.

Dies wäre auch bis Ende April 2010 jedenfalls der Fall gewesen.

Am wäre eine (unangekündigte) KlAB Kontrolle durchgeführt worden, dabei wären die entsprechenden Kassenberichte nach dem o.a. Schema bis zum letzten Tag auch vollständig vorhanden gewesen. Dies wäre aus dem KIAB-Protokoll klar ersichtlich.

Allerdings wäre bei der Kontrolle dem Unternehmer mitgeteilt worden, dass die bisherige Kassenführung nicht ordnungsgemäß wäre. Dies wäre auch im Protokoll zum Ausdruck gebracht worden, indem angemerkt worden wäre:
"Losung nicht nachvollziehbar"

Danach hätte der Unternehmer zusätzlich auch die Verkäufe im Geschäftslokal aufgezeichnet. Dies wäre bei der neuerlichen unangekündigten Nachschau vom auch so festgestellt worden. Es würde eine entsprechende Aufzeichnung dem Aktenvermerk des Betriebsprüfers ***4*** beiliegen.

Dabei wäre festgestellt worden, dass der letzte Kassenbericht erst per erstellt wurde.

Es wären also zu diesem Zeitpunkt die Kassenberichte gerade nicht täglich erstellt worden.

Dies wäre aber zu diesem Zeitpunkt, nämlich ab Mai 2010 auch nicht mehr unbedingt erforderlich gewesen, da ab diesem Zeitpunkt bereits auch für die Umsätze der Laufkundschaft im Geschäftslokal ebenfalls eine Einzelaufzeichnung bestanden hätte, und damit die Bareinnahmen und Barausgaben einzeln festgehalten worden wären.

Dies würde dann ebenfalls wiederum den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung entsprechen.

zu TZ 3

Die in TZ 1 angeführten Mängel würden überhaupt nicht bestehen.

Die in TZ 2 angeführten Überlegungen und Berechnungen würden sich im Bereich der Mutmaßungen bewegen. Die statistisch mathematischen Grundlagen der Berechnungen und auch die zugrunde gelegten Annahmen wären auch nicht ausreichend nachvollziehbar um aus diesen die Richtigkeit der gesetzlich ordnungsgemäßen Aufzeichnungen zu widerlegen.

Zu den statistischen Annahmen werde vorerst einmal folgendes zu bedenken gegeben:

Die Annahmen hinsichtlich der Gleichverteilung von Endziffern wären von einigen Grundannahmen geprägt. Diese Grundannahme wäre etwa diejenige, dass eine große Menge von Einflussfaktoren bestehen würde, nämlich viele verschiedene Preise und viele verschiedene Kunden.

Diese Annahme werde auch hinsichtlich möglicher Mehrfachlosungen oder der "Lückenstruktur" zugrunde gelegt. Nun könne zugestimmt werden, dass es statistische Wahrscheinlichkeiten über die Verteilung von Zahlen bei einer großen Anzahl von sogenannten "Zufallsereignissen" geben würde. Dabei wäre in der statistischen Wissenschaft wiederum zwischen sogenannten "unabhängigen" und "abhängigen" Ereignissen zu unterscheiden. So wäre etwa das Ergebnis eines Wurfes mit einem Würfel welcher Augenzahlen von 1 bis 6 aufweist, jeder einzelne Wurf als "unabhängiges Zufallsereignis" anzusehen, dabei werde davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit eine Zahl zwischen 1 bis 6 zu würfeln gleich hoch wäre. Tatsächlich werde sich bei einer sehr hohen Anzahl an Würfen mit einem Würfel etwa die gleich hohe Anzahl von Zahlen zwischen 1 und 6 ergeben.

Dabei würde die Betonung auf sehr hohe Anzahl liegen.

Nun wäre aber bei den von der Betriebsprüfung vorgelegten Auswertungen nicht ersichtlich, welche Berechnungsannahmen getroffen worden wären.

Tatsächlich hätte der Betrieb der Bf. keine hohe Anzahl an verschiedenen Preisen. Weiters hätte der Betrieb der Bf. auch tatsächlich keine hohe Anzahl an verschiedenen Kunden. Vielmehr wären etwa bei der am abgehalten Nachschau für den nur 51 Kunden als Laufkundschaften festgestellt worden. Weiters würden pro Tag etwa 10 Zustellkunden festgestellt. Dabei würden bereits bei den Laufkundschaften 26 Kunden mit nur einem Preis, nämlich mit Euro 3 festgestellt.

Weiters wäre die Preisbildung beim Umsatz bei der Bf. nicht mit den Methoden der statistischen Wissenschaft über unabhängige Zufallsereignisse zu untersuchen, da die Preisbildung tatsächlich durch regelmäßige Sonderangebote stark beeinflusst werde. So wären etwa häufig Kombinationen einer bestimmten Pizzasorte mit einem bestimmten Getränk dazu angeboten worden, etwa zum Beispiel Pizza ***5*** plus Cola um Euro 6,80 Euro oder Kebab plus Cola um Euro 3,--. Dementsprechend würden nicht unabhängig und nicht zufällig häufiger Preis/zahlen-Kombinationen aus Vielfachen von 80 Cent oder etwa das Vielfache der Zahl 3 häufiger vorkommen, als andere Zahlenkombinationen. Und wichtig wäre in diesem Zusammenhang vor allem festzuhalten, dass die Anwendung statistischer Rechenmodelle, welche für unabhängige Zufallsereignisse unter den Umständen von sehr hohen Anzahlen von Ereignissen gelten, als unter drei Voraussetzungen (Unabhängig, zufällig, hohe Anzahl von Ereignissen) nicht auf Daten angewendet werden könne, die weder unabhängig wären, noch zufällig wären noch eine hohe Anzahl von gleichartigen Ereignissen repräsentieren würden. Genau dies wäre bei der Bf. der Fall.

Die gesetzlichen ordnungsmäßigen Aufzeichnungen würden einen gesetzlichen Anspruch auf Zugrundelegung dieser Aufzeichnungen für die Abgabenermittlung vermitteln. Ausgenommen davon wären durch die Behörde nachzuweisende schwerwiegende sachliche Mängel, welche ein Abweichen von den gesetzeskonform einstanden Aufzeichnungen rechtfertigen würden.

Es würde sich daher aus den von der Betriebsprüfung angeführten Gründen keine Grundlage für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ergeben.

Vielmehr wären die bisherigen Besteuerungsgrundlagen beizubehalten.

Mit Bescheiden vom wurden die Verfahren betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2008 sowie Umsatzsteuer 2006 bis 2008 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen und in der Begründung auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen.

Ebenfalls am wurden neue Sachbescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2008 sowie Umsatzsteuer 2006 bis 2008 erlassen, die den getroffenen Feststellungen der Außenprüfung zu AB.Nr. ***2*** entsprochen haben.

Schließlich wurden am Erstbescheide betreffend Umsatzsteuer 2009 sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO erlassen, die ebenfalls den getroffenen Feststellungen der Außenprüfung zu AB.Nr. ***2*** gefolgt sind. In der Begründung wurde ausgesprochen, dass die Veranlagung unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt wäre, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen wären.

Mit über Finanzonline gestellten Anbringen vom wurde sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß
§ 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2009 sowie Umsatzsteuer 2006 bis 2009 als auch gegen die Sachbescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006 bis 2008 sowie Umsatzsteuer 2006 bis 2008 vom Berufung erhoben und diese Berufungen wie folgt begründet:

Die Wiederaufnahme der Bescheide (Anmerkung: gemeint wohl: der Verfahren) wäre unbegründet erfolgt. Die ursprünglichen Bescheide wären aufgrund ordnungsgemäßer Aufzeichnungen erstellt worden und wären inhaltlich richtig. Die Feststellungen der Betriebsprüfung hätten keinen begründeten Anlass gegeben, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Es werde auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung und den darin enthaltenen Schriftsatz mit Stellungnahme der Bf. verwiesen.
Es werde beantragt, die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide aufzuheben und damit die ursprünglichen Bescheide unverändert in der ursprünglichen Fassung zu belassen.

Die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2009 bzw. gegen den Einkünftefeststellungsbescheid für 2009 wurde damit begründet, dass die Abweichung der Umsätze bzw. der Einkünfte von der Erklärung unbegründet erfolgt wäre. Die Erklärung wäre aufgrund der ordnungsgemäßen Aufzeichnungen erstellt worden und wäre inhaltlich richtig. Die Feststellungen der Betriebsprüfung hätten keinen begründeten Anlass gegeben, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Es werde daher beantragt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie erklärt mit ***6*** statt mit ***7*** festzusetzen.

Diese Berufungen wurden - ohne vorher Berufungsvorentscheidungen zu erlassen - vom Finanzamt ***1*** mit Vorlagebericht vom dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom zu RV/5100922/2011 hat das gemäß § 323 Abs. 38 BAO zuständig gewordene Bundesfinanzgericht über die nunmehr als Beschwerden zu wertenden Berufungen vom dahingehend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben werden.

Dieser Beschluss wurde wie folgt begründet:

Bei genauer Prüfung des Sachverhaltes um den Punkt "Privatentnahmen" hätte die Betriebsprüfung feststellen können, dass es sich um die Tageslosung (neutralisiert um Wechselgeld / 72,67 €) handeln würde.
Bei genauer Prüfung des Sachverhaltes um den Punkt Anfangs- und Endbestand 72,67 € hätte die Betriebsprüfung feststellen können, dass es sich um Wechselgeld handeln würde und damit nicht die Tageslosung = Einnahmen des Tages gemeint wären. Bei Beachtung der geübten Rückrechnung im Zeitraum bis 4/2010 hätte die so bestehende Divergenz zum KIAB-Protokoll "keine Einzelaufzeichnung" einer Klärung bedurft.
Nach Vorliegen eines einwandfrei zu beurteilenden Sachverhaltes wäre nicht auszuschließen, dass die Erlassung der Wiederaufnahmebescheide unterbleiben hätte können bzw. anders lautende Sachbescheide hätten erlassen werden können.

Mit Bescheiden vom wurden die Verfahren betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO und Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 gemäß § 303 Abs. 1 BAO neuerlich wiederaufgenommen und in der Begründung auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen.

Ebenfalls am wurden neue Sachbescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO und Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 erlassen.

Schließlich wurden für 2009 am (nach Aufhebung der Bescheide vom durch das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom ) Erstbescheide betreffend Umsatzsteuer 2009 und Einkünftefeststellung 2009 erlassen.

Diese neuen Sachbescheide vom wurden wie folgt begründet:

Auf den BP Bericht vom (Anmerkung: richtig wohl: ) werde hingewiesen und ergänzend ausgeführt: Die vom Unternehmer bzw. steuerlichen Vertreter behauptete (nicht glaubwürdige) Vorgangsweise, dass es sich bei den Privatentnahmen um die tatsächlichen Tageslosungen (neutralisiert um das Wechselgeld am Tagesbeginn) handeln würde, wäre seitens der Betriebsprüfung niemals als Entscheidungsgrund für die gegenständliche Zuschätzung herangezogen worden. Ebenso wenig die Tatsache, dass besagte € 76,67 (vormals ATS 1.000,--) immer das Wechselgeld und nicht die Tageslosung darstellen sollten.
Die Betriebsprüfung hätte die Sachverhalte und die Punkte "Privatentnahmen" sowie "Anfangs- und Endbestand von € 72,67" im Betriebsprüfungsverfahren genauestens geprüft und auch eine Divergenz zum "KIAB" Protokoll ("keine Einzelaufzeichnungen") könne nicht bestehen, da im Prüfungszeitraum gar keine gesetzliche Verpflichtung zur Führung von Einzelaufzeichnungen bestanden hätte.

Die Analyse der Tageslosungen des Zustelldienstes hätte keine gravierenden Unregelmäßigkeiten ergeben, im Gegenteil (Anmerkung: gemeint wohl: Gegensatz) zum Ergebnis der Losungen der Laufkundschaft.

Im Spruch dieser Bescheide für die Jahre 2006 bis 2008 wurden allerdings die Umsätze bzw. Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Bescheiden vor Durchführung der Betriebsprüfung angesetzt, dh. es wurden folgende Umsätze bzw. Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt:

[...]

Mit Bescheiden vom wurden die Sachbescheide Feststellung gemäß § 188 BAO und Umsatzsteuer 2006 bis 2008 vom gemäß § 293 BAO dahingehend berichtigt, dass nunmehr die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. die Umsätze laut den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht festgestellt bzw. festgesetzt wurden. Betreffend Umsatzsteuer wurde die Berichtigung wie folgt angegeben:

Gesamtbetrag der Entgelte

Betreffend Einkünftefeststellung wurde die Berichtigung hinsichtlich des Punktes Einkünfte aus Gewerbebetrieb angegeben.

Diese Bescheide wurden wie folgt begründet:

In den Bescheiden vom wären Schreiben- und Rechenfehler unterlaufen. Es wäre auf den BP-Bericht hingewiesen worden, tatsächlich wären jedoch andere Zahlen als im BP-Bericht angeführt in die EDV eingegeben worden. Diese Unrichtigkeiten würden gemäß § 293 BAO berichtigt werden.

Mit über Finanzonline eingebrachtem Anbringen vom wurde Beschwerde gehen die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2006 bis 2009 erhoben.

Diese Beschwerden wurden wie folgt begründet:

Die Wiederaufnahme der Bescheide (Anmerkung: gemeint wohl: der Verfahren) wäre unbegründet erfolgt. Die ursprünglichen Bescheide wären aufgrund der ordnungsgemäßen Aufzeichnungen erstellt worden und wären inhaltlich richtig. Die Feststellungen der Betriebsprüfung hätten keinen begründeten Anlass gegeben, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Es werde auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung und den darin enthaltenen Schriftsatz mit Stellungnahme der Bf. verwiesen.

Es werde daher beantragt, die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide aufzuheben und damit die ursprünglichen Bescheide unverändert in der ursprünglichen Fassung zu belassen. Außerdem wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragt.

Mit Anbringen vom , das ebenfalls über Finanzonline gestellt wurde, wurde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom also gegen die Berichtigungsbescheide Beschwerde erhoben und diese damit begründet, dass die Bescheide unbegründet geändert worden wären. Die Berichtigung der Bescheide wäre unbegründet, da die ursprünglichen Bescheide aus den Jahren 2007 bis 2009 in Kraft wären. Die Berichtigungen würden sich auf Bescheide beziehen, die nicht rechtskräftig wären. Auch diesbezüglich wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt ***1*** die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften
(§ 188 BAO) für die Jahre 2006 bis 2008 als unbegründet ab und die Beschwerden betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) für das Jahr 2009 zurück.

Begründend führte das Finanzamt ***1*** betreffend die Abweisung für die Jahre 2006 bis 2008 aus, dass gemäß § 303 Abs. 1 BAO eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem in allen Fällen zulässig sei, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach herrschender Ansicht (Ritz, BAO5, § 303 Tz 21) und ständiger Rechtsprechung wären Tatsachen ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten.

Maßgebend sei nach ständiger Rechtsprechung, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können
(; , 2001/13/0135).

Dabei sei das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens (betreffend die konkrete Abgabe und einen bestimmten Zeitraum) zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen würde sich auf den Wissensstand auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen des jeweiligen Verfahrens und des jeweiligen Veranlagungsjahres beziehen.

Aus den Abgabenerklärungen und Bilanzen der Bf. wäre nicht zu entnehmen, wie die Erlöse aufgezeichnet und ermittelt wurden. Erst im Zuge der Betriebsprüfung wären dem Finanzamt jene Umstände und Modalitäten der Losungsermittlung bekannt geworden, die eine ausreichende und abschließende Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit und Richtigkeit derselben ermöglicht hätten. Es wären wesentliche Aufzeichnungen einer Prüfung nicht zugänglich gemacht worden. Im Rahmen der Prüfung wäre festgestellt worden, dass Kassenberichte nicht täglich geführt worden wären, der tatsächliche Kassastand nicht mit dem Kassastand laut Kassabericht übergestimmt habe, ein rechnerischer Abgleich zwischen tatsächlichem und laut Kassabericht errechnetem Kassastand zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen wäre und Nebenaufzeichnungen wie Bankeinzahlungsbelege, Rechenstreifen oder Zählprotokolle nicht aufbewahrt worden wären.

Im Zuge der Betriebsprüfung wäre zudem erstmals bekannt geworden, dass vom Unternehmer zwei Geldtaschen verwendet worden wären. In der Stellungnahme der Bf. vom werde eine davon als "private Geldtasche des Unternehmers" bezeichnet in die aber die Einnahmen aus dem Zustelldienst eingelegt und aus der Barausgaben für das Unternehmen getätigt worden wären. Für diese Kassa (Geldtasche) wäre ein gesonderter täglicher Kassabericht nicht erstellt worden.

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei jedenfalls gerechtfertigt, wenn hervorkommt, dass ein Abgabepflichtiger der ausschließlich Bareinnahmen erzielt, diesbezüglich keinerlei einer Überprüfung zugängliche Unterlagen beibringt. Es würde sich dabei um Tatsachen und Beweismittel handeln, die einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Die Wiederaufnahme wäre unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten behördlichen Ermittlungen und der sich daraus ergebenden steuerlichen Auswirkung erfolgt. Ziel der Wiederaufnahme des Verfahrens wäre ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis
(zB ). Im gegenständlichen Fall wären die steuerlichen Auswirkungen nicht geringfügig, sodass eine Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf die gebotene Verwaltungsökonomie auch zweckmäßig gewesen wäre. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung wäre daher dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) einzuräumen.

Es würden keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Wiederaufnahme als unbillig erscheinen lassen. Weder würde ein Missverhältnis der steuerlichen Gesamtauswirkung gegenüber der steuerlichen Auswirkung, welche sich allein aus dem Wiederaufnahmegrund ergibt, vorliegen, noch würden besondere Umstände vorliegen, welche ein derartiges Gewicht hätten, die geeignet wären, einer Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens im Wege zu stehen.

Zur Zurückweisung betreffend die Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2009 wurde ausgeführt, dass gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen wäre, wenn sie nicht zulässig ist.

Mit Beschwerde anfechtbar wären nur Bescheide. Mit Schreiben vom wäre auch gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 Beschwerde erhoben worden.

Für das Jahr 2009 wäre jedoch weder hinsichtlich Umsatzsteuer noch hinsichtlich Feststellung der Einkünfte ein Wiederaufnahmebescheid ergangen.

Die diesbezügliche Beschwerde wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Die Beschwerden betreffend die Berichtigungsbescheide Umsatzsteuer 2006 bis 2008 wurden mit Beschwerdevorentscheidung vom mit nachstehend wiedergegebener Begründung als unbegründet abgewiesen:

Aufgrund der Feststellungen im Rahmen einer Betriebsprüfung wäre am die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 erfolgt. Mit gleichem Datum wären im wiederaufgenommenen Verfahren neue, den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprechende, Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2008 ergangen.

Nach einer Beschwerde wären mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom sämtliche Bescheide vom unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben worden.

Am wären sodann neue Wiederaufnahmebescheide und Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 ergangen. In der Begründung dieser Umsatzsteuerbescheide wäre auf die Feststellungen im BP-Bericht vom verwiesen sowie die Begründung im Hinblick auf den Beschluss des BFG ergänzt worden.

Entgegen der Bescheidbegründung wären bei den Bescheiden vom irrtümlich jedoch nicht die Ergebnisse der BP, sondern die Bemessungsgrundlagen vor BP in die EDV eingegeben worden. Die Umsatzsteuerbescheide wären daher am gemäß § 293 BAO berichtigt worden. Begründend wäre darauf verwiesen worden, dass im Bescheid vom Schreib- und Rechenfehler unterlaufen seien. Es sei auf den BP-Bericht hingewiesen worden, tatsächlich seien jedoch andere Zahlen als im BP-Bericht angeführt in die EDV eingegeben worden. Diese Unrichtigkeiten würden gem. § 293 BAO berichtigt.

Mit Schreiben vom wäre gegen die berichtigten Umsatzsteuerbescheide vom Beschwerde erhoben worden. Begründend werde darin ausgeführt, dass die Berichtigung der Bescheide unbegründet sei, da die ursprünglichen Bescheide aus den Jahren 2007 bis 2009 in Kraft seien. Die Berichtigungen würden sich auf Bescheide beziehen, die nicht rechtskräftig seien.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 293 BAO könne die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.
§ 293 solle die Möglichkeit schaffen, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen (zB ; , 2008/15/0205; , 2010/15/0076). Die Einrichtung des § 293 BAO würde der Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens dienen. Dabei würde die Bestimmung unter anderem dem Umstand Rechnung tragen, dass auch bei der Verwendung einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt werde, dass der Bescheid anders lautet, als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat. Alle Fehler, die bei händischen Ausfertigungen zu solchen führen, die als offenkundige Unrichtigkeit zu bezeichnen sind, wären auch dann Unrichtigkeiten im Sinne des § 293 BAO, wenn sich die Behörde beim technischen Vorgang der Erstellung und Ausfertigung der Bescheide einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage bedient habe. Darüber hinaus würde die Bestimmung auch solche Mängel erfassen, die ihre Wurzel in der Unkenntnis über den Programmablauf hätten, der insbesondere durch Eintragungen im Eingabebogen in Gang gesetzt wird (zB. ).

Das Finanzamt hätte bereits am Umsatzsteuerbescheide für 2006-2008 mit den von der BP festgestellten höheren Bemessungsgrundlagen erlassen. Nach Aufhebung dieser Bescheide durch das Bundesfinanzgericht wäre es erforderlich gewesen neue Bescheide zu erlassen. In den am ergangenen Umsatzsteuerbescheiden für 2006-2008 hätte das Finanzamt in der Begründung wiederum ausdrücklich auf den BP-Bericht verwiesen und diese im Hinblick auf die Entscheidung des BFG noch ergänzt. Der Bescheidwille wäre daher unzweifelhaft auf die Erlassung von den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprechenden Bescheiden betreffend Umsatzsteuer für 2006-2008 gerichtet gewesen. Diesem Bescheidwillen würde dessen formelle Erklärung entsprechen insofern nicht als durch einen Abschreibfehler versehentlich falsche Zahlen in die EDV eingegeben worden wären.

Fehler wären mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu beseitigen (; , 2008/16/0055, 2008/16/0086); dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit wäre gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen (zB ).

Im gegenständlichen Fall wären die steuerlichen Auswirkungen nicht geringfügig, sodass eine Berichtigung der Bescheide im Hinblick auf die gebotene Verwaltungsökonomie zweckmäßig gewesen wäre.

Es würden auch keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Berichtigung als unbillig erscheinen ließen.

Nicht nachvollziehbar wäre das Beschwerdevorbringen die Berichtigungen würden sich auf Bescheide beziehen, die nicht rechtskräftig seien.

Die Umsatzsteuerbescheide 2006-2008 wären nach Wiederaufnahme des Verfahrens am ergangen. Rechtsmittel gegen diese Bescheide wäre nicht erhoben worden. Die Umsatzsteuerbescheide wären daher in Rechtskraft erwachsen. Dass gegen die vorgelagerten Wiederaufnahmebescheide eine Beschwerde eingebracht worden sei vermöge daran nichts zu ändern, da es sich bei den Wiederaufnahmebescheiden um eigenständige Bescheide handeln würde.

Abgesehen davon wäre eine Berichtigung auch bei noch nicht (formell) rechtskräftigen Bescheiden zulässig (Ritz, BAO5 2014, § 293, Tz 17).

Mit Vorlageantrag vom wurde die Vorlage der Beschwerden betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 (gegen die Berichtigungsbescheide vom ) sowie betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2006 bis 2009 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung beantragt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht wurde im Vorlageantrag wiederholt.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2006 bis 2009 sowie die Beschwerden vom betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 (Berichtigungen gemäß § 293 BAO) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und brachte in der Stellungnahme gemäß § 265 Abs. 3 BAO vor, dass hinsichtlich der Zulässigkeit der Wiederaufnahme bzw. der Berichtigung gemäß § 293 BAO auf die Ausführungen in den Beschwerdevorentscheidungen vom verwiesen werde.

Zur Frage der Zuschätzung werde, im Hinblick auf den Beschluss des BFG, ergänzend zum BP-Bericht ausgeführt:

Die vom Unternehmer bzw. steuerlichen Vertreter behauptete (für die Abgabenbehörde nicht glaubwürdige) Vorgangsweise, dass es sich bei den Privatentnahmen um die tatsächlichen Tageslosungen (neutralisiert um das Wechselgeld am Tagesbeginn) handeln würde, wäre seitens der Betriebsprüfung niemals als Entscheidungsgrund für die gegenständliche Zuschätzung herangezogen worden. Ebenso wenig die Tatsache, dass besagte € 72,67 (vormals ATS 1.000,-) immer das Wechselgeld und nicht die Tageslosung darstellen sollten.

Diese Umstände wären von der Betriebsprüfung deshalb in Zweifel gezogen worden, da keinerlei Nachweise wie z.B. Bankeinzahlungen, Rechenstreifen oder Zählprotokolle, die für die Glaubwürdigkeit sprechen würden, vorgelegt werden konnten.

Diese Vorgangsweise und auch die behaupteten Privateinlagen immer in exakt derselben Höhe wie die Summe der an diesem Tag bezahlten Barausgaben aus einer "privaten" Geldtasche würden die gesetzlich vorgeschriebene Führung eines täglichen Kassaberichtes völlig ad absurdum führen. Ein rechnerischer Abgleich des durch den Kassabericht ermittelten Kassastandes mit dem tatsächlichen Kassastand wäre dann unbestritten zu keinem Zeitpunkt möglich. Der Gesetzgeber hätte mit der Verpflichtung zur Führung eines täglichen Kassenberichtes aber genau diese Möglichkeit eines Abgleiches beabsichtigt. Falls wirklich eine zweite Kassa (Geldtasche) für die betrieblichen Bargeldflüsse verwendet werde, könne sie wohl keinesfalls mehr als "privat" bezeichnet werden, und es müsste auch für diese Kassa ein gesonderter täglicher Kassabericht erstellt werden - was im gegenständlichen Fall nicht geschehen sei.

Die Glaubwürdigkeit aller dieser Behauptungen werde aber vor allem durch die im BP-Bericht ausführlich begründeten Losungsanalysen laut Tz. 2 (Lückenstruktur, Endziffernanalysen, Mehrfachbeträge) massiv erschüttert.

Es sei beispielsweise nur noch einmal darauf hingewiesen, dass bei den erklärten Tageslosungen im Lokal im Zeitraum 2006 - 2008 bei 1043 Summen nicht ein einziges Mal eine Losung auf volle Euro zustande gekommen sein sollte. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit hätte aber im Durchschnitt jede zehnte Losung auf volle Euro lauten müssen. (Siehe dazu Anhang 2a der Niederschrift über die Schlussbesprechung).

Tatsächlich nachgewiesene Aufzeichnungsmängel:

  • Die Kassenberichte wären nicht täglich geführt worden (Nachschau vom )

  • Der tatsächliche Kassastand würde nicht mit dem Kassastand laut Kassabericht übereinstimmen (Differenz € 3.000,-- bis 4.000,--)

  • Ein rechnerischer Abgleich zwischen tatsächlichem und laut Kassabericht errechnetem Kassastand wäre zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen.

  • Nebenaufzeichnungen wie Bankeinzahlungsbelege, Rechenstreifen oder Zählprotokolle hätten nicht vorgelegt werden können.

Die Betriebsprüfung hätte die Sachverhalte um die Punkte "Privatentnahmen" sowie "Anfangs- und Endbestand von € 72,67" im Betriebsprüfungsverfahren genauestens geprüft und auch eine Divergenz zum "KIAB"-Protokoll ("keine Einzelaufzeichnungen") könne nicht bestehen, da im Prüfungszeitraum gar keine gesetzliche Verpflichtung zur Führung von Einzelaufzeichnungen bestanden hätte.

Am wurde in gegenständlicher Beschwerdesache ein Erörterungstermin gemäß § 269 Abs. 3 BAO abgehalten bei dem die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert wurde. Bezüglich des Verlaufes wird auf die Niederschrift vom verwiesen. Bei diesem Erörterungstermin wurde von der Bf. der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1.Sachverhalt

Die Bf., eine Kommanditgesellschaft, wurde am zu FN ***8*** des Landesgerichts ***1*** in das Firmenbuch eingetragen. Betriebsgegenstand ist das Gastgewerbe in Form einer Pizzeria. Vom bis zum war ***9*** unbeschränkt haftender Gesellschafter der Bf. und danach war dies ***10***, wobei ***10*** vorher Kommanditist mit einer Haftsumme von € 100,00 war. Ab bis war ***9*** Kommanditist mit einer Haftsumme von € 100,00. Die Bf. ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988.

Aus den für die Jahre 2006 bis 2008 eingereichten Abgabenerklärungen sowie den Jahresabschlüssen für diese Jahre war nicht ersichtlich wie die aus dem Gastronomiebetrieb am Standort ***11***, ***12***, erzielten Erlöse aufgezeichnet und ermittelt bzw. welche Aufzeichnungen geführt wurden.

Der Gastronomiebetrieb der Bf. unterteilt sich zum einen in einen Pizza-Zustelldienst und zum anderen in den Verkauf im Geschäftslokal (insbesondere Laufkundschaft).

Im Zeitraum 2006 bis zumindest April 2010 sind die Erlöse der Bf. wie folgt ermittelt worden:

Zustelldienst: Die Losungsermittlung ist durch Einzelaufzeichnungen der Geschäftsfälle in einem Rechnungsausgangsbuch erfolgt.

Verkauf im Geschäftslokal: Im Lokal ist die Losungsermittlung in vereinfachter Form durch Kassasturz bzw. Rückrechnung erfolgt. Die dafür notwendigen Kassaberichte sind in folgender Form geführt worden:

Bargeldbestand am Schluss des Tages: € 72,67 (auf jedem Kassabericht bereits vorgedruckt)
Bargeldbestand zu Beginn des Tages: € 72,67 (ebenfalls immer schon vorgedruckt)
ausbezahlte Barrechnungen an Lieferanten (jede Rechnung gesondert)
Summe Erlöse Zustelldienst (der im Kassabericht angeführte Betrag stimmt mit jenen des Rechnungsausgangsbuches überein)
Summe Erlöse Verkauf im Geschäftslokal
Privateinlage
Tageslosung (Addition der Erlöse Zustelldienst plus Erlöse Laufkundschaft)

Vergleiche dazu den Kassabericht vom :

Daraus ergibt sich, dass die privaten Einlagen immer in jener Höhe ausgewiesen wurden als an diesen Tag Barrechnungen bezahlt wurden.

Andere Aufzeichnungen über die erzielte Tageslosung aus dem Verkauf im Lokal sowie der Höhe der Privateinlagen wie Bankeinzahlungen, Rechenstreifen oder Zählprotokolle wurden anlässlich der im Zeitraum August 2010 bis durchgeführten Außenprüfung sowie auch bei einer am erfolgten Nachschau nicht vorgelegt. Bei dieser Nachschau waren zum einen Organe des Finanzamtes ***1*** im Lokal der Bf., die die Losungsermittlung geprüft haben, und zum anderen Organe der KIAB (des Zollamtes ***1***), die eine Kontrolle nach dem AuslBG durchgeführt haben. Diese Feststellung ergibt sich daraus, dass über die Nachschau betreffend Losungsermittlung eine eigene Niederschrift von Organen des Finanzamtes ***1*** und über die Kontrolle nach dem AuslBG ebenfalls eine gesonderte Niederschrift von der KIAB angefertigt wurde.

Eine von der Betriebsprüfung durchgeführte Endziffernanalyse der Tageslosungen aus dem Verkauf im Lokal hat ergeben, dass bei den erklärten Tageslosungen der Jahre 2006 bis 2009 nicht ein einziges Mal eine Tageslosung auf volle Euro vorgekommen ist. Bei 1043 Losungsbeträgen der Jahre 2006 bis 2008 traten insgesamt 195 Beträge öfter als einmal, dh. bei mehr als 18,5% der gesamten Losungen, auf. Konkret kam es in folgendem Ausmaß zu einem mehrfachen Auftreten:

2-fach: 117 mal
3-fach: 51 mal
4-fach: 14 mal
5-fach: 7 mal
6-fach: 4 mal
7-fach und 8-fach: jeweils einmal

2.Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Firmenbuch sowie dem Betriebsprüfungsbericht und wird diesen Feststellungen weder in den Beschwerden noch in der Stellungnahme der Bf. im Betriebsprüfungsverfahren widersprochen.

Das Vorbringen in der Stellungnahme vom wonach im Unternehmen der Bf. zwei Geldtaschen Verwendung gefunden hätten und zwar eine "Geschäftskasse" und eine "private Geldtasche", aus der die Geldbeträge für die Bezahlung der Barrechnungen entnommen würden, ist im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu behandeln.

3.Rechtliche Beurteilung

3.1.Zu Spruchpunkt I.

Abweisung betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2006 bis 2008

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein Verfahren unter anderem von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen, nämlich dass es darauf ankommt, ob der Behörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO bezieht sich damit auf den Wissenstand der Behörde auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen etc. des jeweiligen Verfahrens und des jeweiligen Veranlagungszeitraumes.

Allfälliges Verschulden an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen schließt die amtswegige Wiederaufnahme nicht aus.

Daraus folgt, dass das Neuhervorkommen erheblicher Sachverhaltselemente durch Gegenüberstellung des Wissenstandes der Behörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Grund der Erklärungen samt Jahresabschlüssen 2006 bis 2008 und dem Wissenstand der Behörde nach der erfolgten abgabenbehördlichen Prüfung zu beurteilen ist.

Im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide Einkünftefeststellung und Umsatzsteuer 2006 bis 2008 vor der Wiederaufnahme war dem Finanzamt die Gesamtheit der Umstände und Gegebenheiten betreffend die Art und Weise Ermittlung der Tageslosung und welche Aufzeichnungen vorhanden waren nicht bekannt.

Bei der Art und Weise der Losungsermittlung bei Barumsätzen handelt es sich um eine Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 1 BAO, weil es sich um Sachverhaltselemente handelt, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, da die Art der Losungsermittlung für die Verkäufe im Lokal tatsächlich einen Abgleich des Kassenstandes laut Kassabericht mit dem tatsächlichen Kassenstand nicht ermöglicht (vgl. , zu fehlenden Grundaufzeichnungen und Inventurmängeln).

Die bei der Betriebsprüfung festgestellte Art und Weise der Losungsermittlung bezüglich des Verkaufes im Lokal der Bf. ist aus den nachstehend angeführten Gründen geeignet den Spruch der aufgrund der Wiederaufnahme zu erlassenen Sachbescheide zu beeinflussen (vgl. zur Notwendigkeit, dass die neue Tatsache entscheidungswesentlich sein muss zB ):

Gemäß § 126 Abs. 1 BAO haben die Abgabepflichtigen jene Aufzeichnungen zu führen, die nach Maßgabe der einzelnen Abgabenvorschriften zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände dienen.

§ 131 Abs. 1 Z 2 BAO in der für die Beschwerdejahre geltenden Fassung bestimmt folgendes:

Die gemäß den §§ 124 oder 125 zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie die ohne gesetzliche Verpflichtung geführten Bücher sind so zu führen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle vermitteln können. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Dabei gelten insbesondere die folgenden Vorschriften:

2. Die Eintragungen sollen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden. Die Vornahme von Eintragungen für einen Kalendermonat in die für Zwecke der Erhebung der Abgaben vom Umsatz, Einkommen und Ertrag, ausgenommen Abzugssteuern, zu führenden Bücher und Aufzeichnungen ist zeitgerecht, wenn sie spätestens einen Monat und 15 Tage nach Ablauf des Kalendermonats erfolgt. An die Stelle des Kalendermonats tritt das Kalendervierteljahr, wenn dieses auf Grund umsatzsteuerrechtlicher Vorschriften für den Abgabenpflichtigen Voranmeldungszeitraum ist. Soweit nach den §§ 124 oder 125 eine Verpflichtung zur Führung von Büchern besteht oder soweit ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt werden, sollen alle Bareingänge und Barausgänge in den Büchern oder in den Büchern zu Grunde liegenden Grundaufzeichnungen täglich einzeln festgehalten werden. Abgabepflichtige, die gemäß § 126 Abs. 2 verpflichtet sind, ihre Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzuzeichnen, sollen alle Bareinnahmen und Barausgaben einzeln festhalten. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung Erleichterungen bei den Büchern und Aufzeichnungen festlegen, wenn das Festhalten der einzelnen Bareingänge und Barausgänge unzumutbar wäre, sofern die ordnungsgemäße Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung dadurch nicht gefährdet wird.

§ 3 der Barbewegungs-VO, BGBl II 441/2006, die auf Grund der in § 131 Abs. 1 Z 2 letzter Satz BAO enthaltenen Verordnungsermächtigung erlassen wurde, bestimmt, dass bei Vorliegen der Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung die gesamten Bareingänge eines Tages durch Rückrechnung aus dem ausgezählten End- und Anfangsbestand ermittelt werden können. Die Ermittlung der Tageslosung durch Rückrechnung muss nachvollziehbar sein (Kassabericht) und hat spätestens zu Beginn des nächstfolgenden Arbeitstages zu erfolgen. Die Rückrechnung hat für jede Kassa gesondert zu erfolgen.

Die von der Bf. erstellten Kassaberichte erfüllen diese Anforderungen nicht. Einerseits wurde der Anfangs- und Endbestand für jeden Tag jeweils mit € 72,67 bereits vorweg durch einen entsprechenden Vordruck auf dem Kassabericht fixiert ohne dass aus dem Kassabericht hervorgeht, dass der tatsächliche Kassaanfangs- und Endbestand mit den vorgedruckten Beträgen verglichen worden wäre. Bereits aus diesem Grund können die erstellten Kassaberichte nicht als alleinige Grundlage für die Ermittlung der Tageslosungen der Barverkäufe im Lokal als geeignet angesehen werden. Auch erscheint ein so geringer Wechselgeldbestand zum Zeitpunkt der Öffnung des Lokals unglaubwürdig, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass die ersten Kunden mit größeren Geldscheinen (€ 100,00- oder € 50,00-Papiergeld) bezahlen und daher zu Geschäftsbeginn - mangels noch nicht ausreichend erzielter Barumsätze - kein ausreichendes Wechselgeld vorhanden ist.

Überdies hätte der gesamte Kassenbestand am Ende des Tages gezählt werden müssen - eben durch Vornahme eines Kassasturzes - und nicht ein Bargeldbestand am Schluss des Tages jeweils vorgedruckt mit € 72,67 im Kassabericht ausgewiesen werden dürfen.

Vielmehr hätte ein ordnungsgemäßer Kassabericht beispielhaft folgendermaßen durchgeführt werden müssen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kassabericht vom …..
KASSASTAND bei Geschäftsschluss (Kassasturz)
+
xxxx €
Abzüglich KASSASTAND des Vortages (Kassasturz)
-
yyyy €
Zuzüglich Ausgaben
Lieferantenzahlungen
+
_____ €
Sonstige Ausgaben
+
______ €
Privatentnahmen
+
______ €
Abzüglich Eingänge
Privateinlagen
-
_______ €
Tageslosung
=
_______ €

Dazu kommt der Umstand, dass die Barrechnungen von Lieferanten nicht aus jener Kassa bezahlt wurden, die Gegenstand des Kassaberichts war, weil sich dieser nur auf jene Kassa bezogen hat, die sich in einer Tischlade unter dem Ausgabepult befunden hat. Vielmehr wurden die Barrechnungen der Lieferanten aus einer laut Stellungnahme im Betriebsprüfungsverfahren "privaten Geldtasche" des Unternehmers bezahlt. Laut § 3 letzter Satz der Barumsatz-VO hat aber für jede Kassa eine Rückrechnung zu erfolgen. Da sich die sogenannte "private Geldtasche" im Betrieb der Bf. befunden hat und über diese Geldtasche betriebliche Vorgänge, nämlich die Bezahlung der Lieferanten abgewickelt wurden, hätte auch für diese Geldtasche ein Kassabericht erstellt werden müssen, in dem der jeweilige Anfangs- und Endbestand ausgewiesen ist. Laut Angaben der Bf. im Rahmen der Betriebsprüfung haben sich in dieser Geldtasche nämlich zwischen € 3.000,00 und € 4.000,00 befunden, weswegen ohne Kassabericht für diese Geldtasche bzw. anderer Aufzeichnungen wie Zählstreifen, Paragons, Stricherllisten eine Nachprüfbarkeit der Bareinnahmen aus dem Lokalverkauf nicht gegeben ist (vgl. ).

Es ist daher nicht zulässig - wie offenbar von der Bf. vertreten - die Entnahmen aus der "privaten" Geldtasche der Bf. für die Bezahlung der Lieferanten als Einlage in die Kassa, die sich unter dem Ausgabepult befindet, zu erfassen, sondern wäre der jeweilige Anfangs- und Endbestand der "privaten" Geldtasche ebenfalls täglich zu erfassen gewesen zumal ja am Beginn jedes Tages der Wille der Bf. bestanden hat, den sich in der privaten Geldtasche befindlichen Geldbetrag für betriebliche Zwecke zu verwenden.

In den angefochtenen Bescheiden wurde zulässigerweise (vgl. zB ) auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen, in dem die festgestellte Art der Losungsermittlung für Barumsätze im Zusammenhang mit Verkäufen im Lokal sowie nicht vorhandener Zählprotokolle, Rechenstreifen und sonstiger Aufzeichnungen, die eine Überprüfbarkeit der erklärten Barerlöse im Lokal ermöglicht hätten, im Einzelnen dargestellt werden.

Im Hinblick auf die gebotene Ermessensübung spricht für die Wiederaufnahme das Prinzip der Rechtsrichtigkeit, dem grundsätzlich der Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen ist.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist auch die Abwägung zu treffen, ob die steuerlichen Auswirkungen des konkreten Wiederaufnahmegrundes nicht bloß geringfügig sind. Die steuerliche Auswirkung des konkreten Wiederaufnahmegrundes ist im Hinblick auf die Höhe der zugeschätzten Umsätze und der daraus resultierenden Gewinnerhöhung für die Jahre 2006 bis 2008 nicht geringfügig (vgl. dazu zB ). Überdies sind bei mehreren Verfahren die steuerlichen Auswirkungen nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen (vgl. zB ; ).

Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2006 bis 2008 war daher abzuweisen.

3.1.1. Zurückweisung Wiederaufnahme Umsatzsteuer und Einkünftefeststellung 2009

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Da für das Jahr 2009 weder eine Wiederaufnahme der Umsatzsteuer noch der Einkünftefeststellung erfolgt ist, waren die diesbezüglichen Beschwerden mangels Vorliegens entsprechender Bescheide, gegen die sich die Beschwerde richten könnte, als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, Tz 8 zu § 260 BAO).

3.1.2.Teilweise Stattgabe Umsatzsteuer 2006 bis 2008

Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.

Die in § 293 BAO getroffene Regelung dient der Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens (vgl. zB ; ).

Dadurch dass das Finanzamt ***1*** in der Begründung der Umsatzsteuerbescheide vom auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen und zu den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts ergänzende Ausführungen gemacht hat, ist der klare Wille der Abgabenbehörde zu erkennen, dass mit diesen Bescheiden die Ergebnisse der Betriebsprüfung bescheidmäßig umgesetzt werden sollten.

Diese Umsetzung ist aufgrund eines Eingabefehlers aber irrtümlich nicht erfolgt. Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen auch Eingabefehler bei automationsunterstützt erfolgten Erfassung der Bescheidgrundlagen in das Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung unter die im § 293 BAO genannten Schreib- und Rechenfehler bzw. anderen auf einem ähnlichen Versehen beruhenden tatsächlichen Unrichtigkeiten (; vgl. auch ), weswegen die Berichtigung der Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom mit Bescheiden vom zulässig war.

Ein Berichtigungsbescheid tritt zum berichtigten Bescheid hinzu und bildet mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit (vgl. ). Auch der Berichtigungsbescheid - nicht nur der berichtigte Bescheid - ist mit Beschwerde anfechtbar. Diese kann sich in der Regel aber nur gegen die Zulässigkeit der Berichtigung und nicht auch gegen den berichtigten Bescheid richten (vgl. zB Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) § 293 Rz 7). Das Beschwerdevorbringen, dass die Berichtigung der Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom mit Bescheiden vom unbegründet wäre, da die ursprünglichen Bescheiden aus den Jahren 2007 bis 2009 in Kraft wären, wobei daraus offenbar eine Unzulässigkeit der Berichtigung wegen Ablaufes der Frist gemäß § 302 Abs. 2 lit. a BAO abgeleitet wird, ist deswegen nicht zutreffend, weil diese Bescheide durch die Wiederaufnahme der Verfahren mit Bescheiden vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind (vgl. zB Fischerlehner/Brennsteiner, aaO, § 307 Rz 3 mwN).

Allerdings wird vom Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass ausnahmsweise im Rahmen eines Rechtsmittels gegen den Berichtigungsbescheid auch die Möglichkeit besteht, die Überprüfung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung zu begehren. Voraussetzung, dass eine Überprüfung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung aufgrund einer gegen den Berichtigungsbescheid erhobenen Beschwerde zulässig ist, ist, dass erst aus der berichtigten Fassung des Bescheids zu erkennen ist, dass oder in welchem Ausmaß dieser einen Eingriff in die Rechte oder rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers bedeutet (; ; ).

Nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts liegt im gegenständlichen Fall eine solche Konstellation vor, weil die ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom zu keinen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen gegenüber den Erstbescheiden geführt haben, die aufgrund der von der Bf. eingereichten Umsatzsteuererklärungen ergangen sind. Da aber nur der Spruch eines Bescheides der Rechtskraft fähig ist und daher nur die Begründung eines Bescheides kein taugliches Anfechtungsobjekt ist (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 250 Tz 7; sowie ), ist durch die Bescheide vom noch kein Eingriff in die Rechte des Beschwerdeführers erfolgt, sodass auch die Umsatzsteuerbescheide vom in der berichtigten Fassung laut Bescheiden vom im Rahmen der gegen die Berichtigungsbescheide erhobenen Beschwerde Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Schätzungsberechtigung besteht für die Behörde sowohl bei materiellen als auch bei formellen Unzulänglichkeiten der Aufzeichnungen, wobei formelle Mängel von Büchern und Aufzeichnungen nur dann zu einer Schätzung berechtigen, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass das Ergebnis der Bücher bzw. Aufzeichnungen nicht mehr glaubwürdig erscheint.

Wie bereits dargestellt erfüllen die von der Bf. erstellten Kassaberichte die gesetzlichen Anforderungen, die an eine Losungsermittlung mittels Kassasturzes (Rückrechnung der Bareingänge aus dem ausgezählten End- und Anfangsbestand) gestellt werden, nicht. Einerseits wurde der Anfangs- und Endbestand für jeden Tag jeweils mit € 72,67 bereits vorweg durch einen entsprechenden Vordruck auf dem Kassabericht fixiert ohne dass aus dem Kassabericht hervorgeht, dass der tatsächliche Kassaanfangs- und Endbestand mit den vorgedruckten Beträgen verglichen worden wäre. Bereits aus diesem Grund können die erstellten Kassaberichte nicht als alleinige Grundlage für die Ermittlung der Tageslosungen der Barverkäufe im Lokal als geeignet angesehen werden. Auch erscheint ein so geringer Wechselgeldbestand zum Zeitpunkt der Öffnung des Lokals unglaubwürdig, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass die ersten Kunden mit größeren Geldscheinen (€ 100,00- oder € 50,00-Papiergeld) bezahlen und daher zu Geschäftsbeginn - mangels noch nicht ausreichend erzielter Barumsätze - kein ausreichendes Wechselgeld vorhanden ist.

Überdies hätte der gesamte Kassenbestand am Ende des Tages gezählt werden müssen - eben durch Vornahme eines Kassasturzes - und nicht ein Bargeldbestand am Schluss des Tages jeweils vorgedruckt mit € 72,67 im Kassabericht ausgewiesen werden dürfen.

Dazu kommt der Umstand, dass die Barrechnungen von Lieferanten nicht aus jener Kassa bezahlt wurden, die Gegenstand des Kassaberichts war, weil sich dieser nur auf jene Kassa bezogen hat, die sich in einer Tischlade unter dem Ausgabepult befunden hat. Vielmehr wurden die Barrechnungen der Lieferanten aus einer laut Stellungnahme im Betriebsprüfungsverfahren "privaten Geldtasche" des Unternehmers bezahlt. Laut § 3 letzter Satz der Barumsatz-VO hat aber für jede Kassa eine Rückrechnung zu erfolgen. Da sich die sogenannte "private Geldtasche" im Betrieb der Bf. befunden hat und über diese Geldtasche betriebliche Vorgänge, nämlich die Bezahlung der Lieferanten abgewickelt wurden, hätte auch für diese Geldtasche ein Kassabericht erstellt werden müssen, in dem der jeweilige Anfangs- und Endbestand ausgewiesen ist. Laut Angaben der Bf. im Rahmen der Betriebsprüfung haben sich in dieser Geldtasche nämlich zwischen € 3.000,00 und € 4.000,00 befunden, weswegen ohne Kassabericht für diese Geldtasche bzw. anderer Aufzeichnungen wie Zählstreifen, Paragons, Stricherllisten eine Nachprüfbarkeit der Bareinnahmen aus dem Lokalverkauf nicht gegeben ist (vgl. ).

Da ein Hauptteil der von der Bf. erzielten Umsätze (zwischen 59% und 77% der erklärten Gesamtumsätze in den Jahren 2006 bis 2009) aus den Barverkäufen im Lokal der Bf. erzielt wurde, stellt die nicht nachprüfbare Losungsermittlung einen schwerwiegenden Mangel dar, der die Abgabenbehörde zur Schätzung verpflichtet.

Zwar können die von der Betriebsprüfung festgestellten statistischen Auffälligkeiten bei den Tageslosungen - wie insbesondere eine signifikante Anzahl von Zwei- bzw. Mehrfachlosungen sowie, dass in den Jahren 2006 bis 2008 keine einzige Tageslosung auf einen vollen Eurobetrag lautet (Endziffernanalyse) für sich betrachtet nicht zu einer Bejahung der Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen führen (vgl. ). Sie können aber hilfsweise zur Stützung der Gravität der aus anderen Umständen folgenden formellen Mangelhaftigkeit von Aufzeichnungen herangezogen werden (vgl. zB ).

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (zB ).

In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, ist auch die Anwendung eines Sicherheitszuschlages eine zulässige Schätzungsmethode (vgl. zB ; ; ). Bei mangelhaften Büchern und Aufzeichnungen ist die Verhängung eines Sicherheitszuschlages gerechtfertigt (vgl. zB ).

Es liegt im Wesen eines Sicherheitszuschlages, dass er nicht "berechnet" wird, sondern pauschal dem Umstand Rechnung trägt, dass das durchgeführten Abgabenverfahren zur Annahme berechtigt, der Abgabepflichtige habe nicht sämtliche Einnahmen erklärt.

Es kann auch die griffweise Festsetzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen, wenn nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Hinzuschätzung nicht zu gewinnen sind. Diese Sicherheitszuschläge können sich (beispielsweise) an den Gesamteinnahmen orientieren (vgl. zB ; ; ).

Die Höhe des Sicherheitszuschlages hat sich an Anhaltspunkten für eine gebotene Schätzung zu orientieren, welche aus dem zu beurteilenden Sachverhalt zu gewinnen sind ().

Nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts ist aufgrund der festgestellten Mängel der Losungsermittlung bei den Verkäufen im Lokal die Festsetzung eines griffweise ermittelten Sicherheitszuschlages gerechtfertigt, der sich an den erklärten Umsätzen aus den Verkäufen im Lokal orientiert.

Allerdings erscheint die Höhe des festgesetzten Sicherheitszuschlages mit 20% als überhöht, weil die Judikatur einen 10%-igen Sicherheitszuschlag bei Vorliegen von mehreren Buchführungsmängeln als gerechtfertigt ansieht (zB ; ; ).

Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2008 war daher teilweise stattzugeben als der Sicherheitszuschlag auf 10% der erklärten Umsätze aus den Verkäufen im Lokal reduziert wird:

[...]

Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständliche Beschwerdefall hängt von der Lösung von Tatfragen auf Sachverhaltsebene ab und steht die Entscheidung hinsichtlich der Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde sowie der Höhe des Sicherheitszuschlages mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang weswegen eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 131 Abs. 1 Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100358.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at