Vorschreibung der Gebrauchsabgabe an die Mieter des Geschäftslokals
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Lukas Leszkovics, LL.M., Gusshausstraße 14/5, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien MA 46 Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten vom betreffend Gebrauchsabgabe zu Recht erkannt:
I. 1. Der Bescheid wird hinsichtlich der Festsetzung einer jährlichen Gebrauchsabgabe in Höhe von 810,90 € für das Jahr 2020 für die Nutzung des öffentlichen Grundes ersatzlos aufgehoben.
I.2. Der Bescheid wird insoweit abgeändert, als für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis in den Jahren 2015 bis 2019 die Gebrauchsabgabe herabgesetzt wird.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerderführer ist Inhaber des an der Adresse ***Bf1-Adr***, befindlichen Geschäfts "A***B***".
Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 1 GAG die Erlaubnis erteilt, öffentlichen Grund bzw. den darüber befindlichen Luftraum für
a) ein beleuchtetes Vordach (11,66m lang, 1,52m Vorsprung, Bodenabstand 2,60m),
b) ein Portal (3,65m lang, 2,20m hoch, 0,27m Vorsprung),
c) ein Portal (5,90m lang, 2,20m hoch, 0,27m Vorsprung),
d) ein am Vordach platziertes Klimagerät und
e) eine Warenausräumung links und rechts vom Geschäftseingang (0,40m lang, 0,50m tief, 1,25m hoch)
benützen zu dürfen und eine jährliche Gebrauchsabgabe gemäß §§ 9 und 10 GAG in Höhe von 810,90 € festgesetzt.
Außerdem wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Bescheid für die Gebrauchnahme der unter lit a bis lit c angeführten Gegenstände für den Zeitraum vom bis die Gebrauchsabgabe nachbemessen und eine Einmalabgabe in Höhe von 3.505,60 € vorgeschrieben.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Höhe der jährlichen Gebrauchsabgabe in Höhe von 810,90 € ergebe sich aus Tarif B Post 3, 5, 22 und 24 des GAG im bewilligten Umfang. Da in der Zeit vom bis ein Gebrauch der Portale und des Vordaches (Gegenstände laut lit. a bis lit. c) ohne Gebrauchserlaubnis gegeben gewesen sei, sei die Gebrauchsabgabe gemäß § 9 Abs. 1a GAG für diesen Zeitraum in Höhe von 3.505,60 € nachzubemessen gewesen.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, der Beschwerdeführer sei lediglich Mieter und nicht Eigentümer des Geschäftslokals in ***Bf1-Adr***. Seit das Mietverhältnis bestehe, seien vom Beschwerdeführer keine wie immer gearteten Veränderungen vorgenommen worden. Er hätte daher davon ausgehen können, dass sowohl das Vordach als auch die Vorsprünge der Schaufenster baurechtlich genehmigt worden seien und somit anfallende Gebrauchsabgaben bereits entrichtet worden oder gar nicht angefallen seien. Auch der Vermieter des Beschwerdeführers und die Rechtsvorgänger hätten keine derartigen Abgaben zu leisten gehabt. Die Behörde hätte feststellen müssen, dass das Vordach bereits seit Jahrzehnten zum Bestand des Gebäudes gehöre und nicht vom Beschwerdeführer errichtet worden sei.
Unklar sei auch, welche Portale die Behörde meine. Mit Ausnahme des einzigen Zuganges zum Geschäftslokal bestünden keine weiteren Zugänge oder Portale. Sollten damit die Schaufenster oder die Schaufensterabschattungen gemeint sein, sei festzuhalten, dass auch diese zum Bestand des Gebäudes gehörten und nicht vom Beschwerdeführer errichtet worden seien.
Weiters sei unrichtig, dass das Vordach beleuchtet sei und der Beschwerdeführer ein Klimagerät am Vordach platziert habe. Dieses Klimagerät gehöre zum Nachbarlokal, das vom Eigentümer des Geschäftslokals geführt werde. Die Vorschreibungen betreffend das Klimagerät seien daher nicht an den Beschwerdeführer, sondern an dessen Nachbarn zu richten.
Darüber hinaus würden die im Bescheid angeführten Maße nicht der Realität entsprechen. Addiere man die Längen des Vordaches und der beiden Schaufensterabschattungen mit den im Bescheid angeführten Werten, so ergebe sich eine Gesamtlänge von 21,21m. Das Geschäftslokal weise jedoch nur eine Gesamtlänge von 14,67m auf. Außerdem würden die Schaufensterabschattungen und die Portale nicht 1,52m, sondern lediglich 1,35m über den Gegensteig ragen.
Mit Ausnahme der Warenausräumungen seien dem Beschwerdeführer keine der im Bescheid genannten Umstände zuzurechnen.
Die Aufnahme des Sachverhaltes sei ohne Beisein des Beschwerdeführers erfolgt. Er sei auch nicht über das Ergebnis der Befundaufnahme vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kenntnis gesetzt worden.
Die Behörde habe es auch unterlassen, Feststellungen gemäß § 15a GAG zu treffen. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer von den Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation massiv betroffen, da es ihm über mehrere Wochen nicht gestattet gewesen sei, sein Geschäft offen zu halten. Er habe massive Umsatzverluste erlitten.
Auch wenn § 15a GAG der Behörde ein Ermessen hinsichtlich der Herabsetzung von Abgaben einräume, hätte die Behörde diesbezügliche Ermittlungen durchführen müssen. Wenn die Behörde derartige Ermittlungen durchgeführt hätte, hätte jedenfalls die pauschal für ein Jahr festgelegte Gebrauchsabgabe entsprechend reduziert werden müssen.
Unter dem Titel "Unrichtige rechtliche Beurteilung" brachte der rechtsfreundliche Vertreter vor, die gebrauchsabgabenrechtlich relevante Nutzung von öffentlichem Gut könne nur demjenigen zum Vorwurf gemacht werden, der sowohl die faktische als auch die rechtliche Möglichkeit habe, die Einrichtungen zu beseitigen, durch die die (widerrechtliche) Inanspruchnahme des öffentlichen Grundes stattfinde.
Der Beschwerdeführer sei nicht derjenige, der im Hinblick auf die Bewilligungsgegenstände öffentlichen Grund nutze, ohne davor eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben. Dieser Vorwurf sei an den Liegenschaftseigentümer bzw. an den Vermieter des Beschwerdeführers zu richten, weil der Beschwerdeführer selbst keine Möglichkeit habe, diese Anbauten und Einrichtungen zu beseitigen, ohne damit in fremdes Eigentum einzugreifen.
Dem Beschwerdeführer hätte daher lediglich für Warenausräumungen eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben werden dürfen. Da die Vorschreibung pauschal erfolgt sei, könne jener Teil, der auf die Warenausräumung entfalle, nicht ermittelt werden, weshalb die ganze Festsetzung rechtswidrig sei.
Unzulässig sei auch die rückwirkende Festsetzung einer Gebrauchsabgabe, zumal der Beschwerdeführer die Inanspruchnahme des öffentlichen Guts nicht rückwirkend beseitigen könne. Die Behörde hätte den Beschwerdeführer zunächst auffordern müssen, die Inanspruchnahme zu beenden; dies sei aber unterlassen worden.
Außerdem stellte der rechtsfreundliche Vertreter einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einen "Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung".
Mit Beschwerdevorentscheidung hob die belangte Behörde den Bescheid, mit welchen dem Beschwerdeführer in ***Bf1-Adr***,
a) ein beleuchtetes Vordach 11,66m lang, 1,52m Vorsprung, Bodenabstand 2,60m,
b) ein Portal 3,65m lang, 2,20m hoch, Vorsprung 0,27m,
c) ein Portal 5,90m lang, 2,20m hoch, Vorsprung 0,27m,
d) ein Klimagerät am Vordach und
e) eine Warenausräumung links und rechts vom Geschäftseingang mit je 0,40m lang, 0,50m tief und 1,25m hoch
bewilligt worden sind, hinsichtlich der in den lit. a bis lit. d angeführten Gegenständen mangels eines Antrages als unzulässig und hinsichtlich der in lit. e angeführten Warenausräumung mangels Gebrauchnahme von GAG-Grund ersatzlos auf.
Außerdem wurde der Bescheid, mit dem für den Beschwerdeführer für die oben angeführten Gebrauchserlaubnisse für die Nutzung des öffentlichen Grundes gemäß §§ 9 und 10 GAG eine jährliche Gebrauchsabgabe in Höhe 810,90 € festgesetzt worden ist, nach Aufhebung der Gebrauchserlaubnisse ersatzlos aufgehoben.
Hinsichtlich der Vorschreibung der einmaligen Gebrauchsabgabe in Höhe von 3.505,60 € für die Jahre 2015 bis 2019 für den Gebrauch der in lit. a bis lit. c angeführten Gegenstände ohne Gebrauchserlaubnis wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben, weil es sich im streitgegenständlichen Fall um ein unbeleuchtetes Vordach gehandelt habe und die verminderte einmalige Gebrauchsabgabe 2.159,20 € betrage.
Begründend wurde ausgeführt, die Gebrauchserlaubnis gemäß § 1 iVm § 2 Abs. 1 GAG sei antragsgebunden; Bewilligungen dürften ohne Antrag nicht erteilt werden. Da feststehe, dass weder für die Portale, noch für das Vordach und das Klimagerät eine Gerauchserlaubnis beantragt worden sei, sei die Gebrauchserlaubnis und die Festsetzung der Gebrauchsabgaben ersatzlos aufzuheben gewesen. Die Bewilligung der Warenausräumungen sei aufzuheben gewesen, weil diese im Eingangsbereich hinter die Baulinie zurückgerückt und daher zum Teil nicht auf GAG-Grund gewesen seien.
Zur Festsetzung der Abgabe für den Zeitraum 2015 bis 2019 führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe zugestanden, Mieter des Geschäftslokals zu sein; als solcher habe er aus den Portalen und dem Vordach im öffentlichen GAG-Grund Nutzen gezogen. Die einmalige Gebrauchsabgabe für diesen Zeitraum sei daher zu Recht festgesetzt worden, sie sei aber - dem Einwand des Beschwerdeführers folgend, dass es sich um ein unbeleuchtetes Vordach gehandelt habe, - zu vermindern gewesen.
Im fristgerecht dagegen eingebrachten Vorlageantrag brachte der rechtsfreundliche Vertreter vor, die belangte Behörde habe rückwirkend für die Jahre 2015 bis 2019 eine einmalige Gebrauchsabgabe von insgesamt 2.159,20 € vorgeschrieben, obwohl der Beschwerdeführer nie einen Antrag auf Bewilligung der Straßenbenützung gestellt noch die Portale und das Vordach errichtet habe.
Der Beschwerdeführer sei Mieter des Geschäftslokals. Dies bedeute aber nicht, dass er selbst die Benützung des öffentlichen Grundes durch die Portale und das Vordach vornehme. Als Mieter verfüge er nur über ein Nutzungsrecht für das Innere des Geschäftslokals, nicht aber hinsichtlich der Portale, des Vordaches und generell der Außenhaut des Gebäudes. Die Portale und das Vordach seien schon bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden gewesen und vom Beschwerdeführer nicht verändert worden. Er verfüge auch nicht über die Möglichkeit, die Portale und das Vordach zu entfernen, weil er dann in fremdes Eigentum eingreifen würde. Der Beschwerdeführer ziehe auch keinen Vorteil aus diesen Vorbauten, Gegenteiliges müsse die Behörde beweisen.
Es bleibe unerklärlich, warum dennoch für die Jahre 2015 bis 2019 eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben werde. Dass die Behörde den Zeitraum 2015 bis 2019 und jenen ab 2020 unterschiedlich behandle, obwohl der Sachverhalt und auch die Rechtslage für beide Zeiträume ident seien, sei nicht nachvollziehbar. Sie stütze sich auf § 9 Abs. 1a GAG, wonach derjenige, der öffentlichen Grund und den darüber befindlichen Luftraum benutze, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, eine Gebrauchsabgabe zu entrichten habe. Diese Bestimmung habe aber schon vor der letzten Gesetzesnovelle gegolten und sei nach dieser unverändert geblieben.
Adressat dieser Bestimmung sei nicht der Beschwerdeführer, sondern die Eigentümer des Hauses. Bei den Portalen und dem Vordach handle es sich wohnungseigentumsrechtlich um allgemeine Teile des Hauses, weshalb die Behörde allenfalls der Wohnungseigentümergemeinschaft oder den einzelnen Wohnungseigentümern anteilig eine Gebrauchsabgabe vorschreiben könne.
Im Vorlagebericht vom führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer irre, wenn er meine, dass es für die Nachverrechnung der Gebrauchsabgabe eines Antrags bedurft hätte. Der seit 2013 neu eingeführte § 9 Abs. 1a GAG gelange gerade dann zur Anwendung, wenn ein Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis, also ohne Antrag, festgestellt werde.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er sei nur Nutzer des Lokals, gehe ins Leere, weil das Vordach und die Portale so ausgestaltet seien, dass Betrachter und Betrachterinnen des Schaufensters vor den Witterungsverhältnissen und die Waren in den Auslagen vor zu starker Sonneneinstrahlung geschützt würden. Die Portale seien in den öffentlichen Grund gebaut, wodurch das vom Beschwerdeführer genutzte Lokal vergrößert werde.
Der Unterschied zwischen 2019 und 2020 ergebe sich aus einer Änderung des § 3 Abs. 1 GAG, wonach ab 2020 Eigentümer von Liegenschaften die Entrichtung der Gebrauchsabgabe für Gegenstände der Tarifpost B3 GAG zukomme.
Entsprechend der ständigen Praxis der Behörde, bei verpachteten/vermieteten Lokalen den Pächter /Mieter in Anspruch zu nehmen, sei der Beschwerdeführer in pflichtgemäßem Ermessen in Anspruch genommen worden. Nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn z.B. der Mieter/Pächter insolvent sei, werde auf die Wohnungseigentümer zurückgegriffen.
Über Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht legte der rechtsfreundliche Vertreter die Mietverträge betreffend das Geschäftslokal vor.
In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, laut den vorgelegten Mietverträgen sei Gegenstand des Mietvertrages nur das Innere des Lokales, nicht aber das Vordach und die Portale. Der Mieter brauche das Vordach auch nicht zum Schutz seiner Waren, es wäre auch möglich, innenliegende Jalousien anzubringen. Außerdem handle es sich um kein geschlossenes Vordach, das einen Wetterschutz darstelle, sondern es bestehe aus Lamellen, die sehr wohl jeden Regen durchließen. Hinsichtlich der Praxis, die Gebrauchsabgabe dem Mieter vorzuschreiben, stelle sich die Frage, ob diese Praxis rechtmäßig sei. Nach den vom Beschwerdeführer durchgeführten Messungen betrage die Gesamtlänge des Vordaches 14,67 Meter, springe 1,35 Meter vor und weise eine Höhe von 42 cm auf.
Zum Vorbringen gemäß §15a Gebrauchsabgabengesetz merkte die belangte Behörde an, die streitgegenständliche Gebrauchsabgabe sei für einen Zeitraum vor Covid 19 nachbemessen worden. Es bestehe aber die Möglichkeit, bei der MA 6 einen Antrag auf Zahlungsaufschub bzw. Teilzahlung zu stellen.
Wem die Gegenstände zivilrechtlich zuzuordnen seien, sei im Gebrauchsabgabegesetz nicht entscheidend. Das Vordach und die Portale würden eine erhöhte Aufmerksamkeit bewirken, außerdem werde dadurch die Ausstellungsfläche vergrößert. Das Vordach biete zudem die Möglichkeit, eventuelle Werbungen und Firmenzeichen anzubringen. Der Mieter sei der unmittelbarste Nutznießer des Vordaches und der Portale und laut Mietvertrag auch für deren Erhaltung zuständig.
Die Höchstgerichte hätten die Vorschreibung der Gebrauchsabgabe an den Mieter bzw. den Pächter bestätigt. Darauf, wer sie errichtet habe, komme es nicht an. Sollte eine Beseitigung dieser Gegenstände angeordnet werden, hätte der Mieter die Möglichkeit, dies gegenüber dem Eigentümer durchzusetzen.
Die Vertreterin der belangten Behörde verwiese auf das Erkenntnis des , sowie auf das Erkenntnis des .
Zur Gesamtschuldnerschaft verwies die Vertreterin der belangten Behörde ebenfalls auf die Judikatur der Höchstgerichte; es liege im Ermessen der Behörde, den Verpflichteten zu bestimmen. Den Pächter heranzuziehen, sei ständige Praxis und daher auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz angebracht gewesen.
Hinsichtlich der Maße wies sie darauf hin, dass diese in archivierten Vorakten aufgeschrieben und von dort übernommen worden seien. Außerdem gebe es ein internes System "Kapazunder", mit welchem die Straßen vermessen würden. Dort würden Koordinaten aufscheinen, anhand derer die Behörde die Maße ermittle. Wenn es sich nicht um ein geschlossenes Vordach handle, sondern um Lamellen, komme es nicht auf das Ausmaß des Vorsprunges an, sondern auf die vom Beschwerdeführer mit 42 cm ermittelte Höhe. Es handle sich dann um einen sogenannten Portalkopf, der nicht unter B5, sondern unter B3 zu subumieren sei. Ausgenommen sei der Eingangsbereich von 2,11 Meter, in diesem Bereich liegt sehr wohl ein geschlossenes Vordach vor. Der Vorsprung dieses Vordaches sei mit 1,52 Meter festgestellt, ob das Vordach beleuchtet sei, sei aus den Fotos nicht eindeutig erkennbar. Sie werde diesbezüglich einen Ortsaugenschein vornehmen.
Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers stellte die von der belangten Behörde mit 11,66 Meter ermittelte Gesamtlänge des Vordaches außer Streit. Im Übrigen würden die von der Behörde angenommenen Prämissen, wie z. B. dass der Beschwerdeführer Schuldner sei, ihn eine Erhaltungspflicht für das Vordach und die Portale treffe, das Vordach mehr Aufmerksamkeit errege, nicht zutreffen.
Dem Vorbringen der Behörde, sie könne einen Verpflichteten bestimmen, sei entgegenzuhalten, dass nur eine Person bestimmt werden könne, die über die Gegenstände verfügungsberechtigt sei.
Im Zuge eines am durchgeführten Ortsaugenscheins durch die Vertreterin der belangten Behörde stellte diese fest, dass das Vordach tatsächlich unbeleuchtet sei und das rechts und links vom Vordach Lamellen eingebaut seien und diese Teile daher Portalköpfe nach Tarif B3 GAG seien.
Der Vertreter des Beschwerdeführers wurde in Wahrung des Parteiengehörs vom Ergebnis des Ortsaugenscheins in Kenntnis gesetzt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer nutzte in der Zeit vom bis als Mieter das Geschäftslokal in ***Bf1-Adr***. Dieses Lokal befindet sich in einem mehrgeschossigen Gebäude, dessen Fassade durch einen Gehsteig, der dem öffentlichen Verkehr dient, begrenzt wird. Im Mietvertrag vom wurde die Gebrauchserlaubnis nicht erwähnt.
Dieses Geschäftslokal weist eine Frontgesamtlänge von 11,66m auf und verfügt über links und rechts vom Eingang angebrachte "Portale", die mit 0,27m in den öffentlichen Raum ragen und folgende Maße aufweisen:
Linkes Portal: 3,65m lang und 2,20m hoch
Rechtes Portal: 5,90 m lang und 2,20m hoch
Die linke Schaufläche beträgt 8,03m2, die rechte 12,98m2.
Über den links und rechts befindlichen Portalen befindet sich eine aus Lamellen bestehende, nicht regendichte Sonnenschutzvorrichtung mit einer Länge von 3,65m auf der linken Seite, 5,90m auf der rechten Seite und einer Höhe von 0,42m.
Außerdem besitzt dieses Geschäftslokal über dem 2,11m breiten Eingangsbereich ein regendichtes Vordach, das mit 1,35m in den Luftraum über den Gehsteig hineinragt und unbeleuchtet ist. Die Grundrissfläche des Vordaches beträgt 2,85m2.
Für den Zeitraum bis war keine Gebrauchsabgabe entrichtet worden.
Der Beschwerdeführer stellte keinen Antrag auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis für die beiden Portale, das Vordach und das am Vordach platzierte Klimagerät. Dennoch wurde mit Bescheid vom für diese Gegenstände eine Gebrauchserlaubnis erteilt. Mit Mail vom stellte der Beschwerdeführer lediglich einen Antrag auf Nutzung des öffentlichen Grundes für drei Warenausräumungen, dem er ein Foto der Warenausräumungen mit deren Abmessungen anschloss; die Warenausräumungen, die links und rechts vom Geschäftseingang platziert waren, und mit Bescheid vom bewilligt worden sind, waren hinter die Baulinie zurückgerückt und befanden sich nicht zur Gänze auf öffentlichem Grund. Der Antrag betreffend die dritte Warenausräumung ist noch unerledigt.
Beweiswürdigung
Die im Akt befindlichen Fotos und auch das vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Foto zeigen, dass es sich bei den links und rechts vom Eingang angebrachten Vorrichtungen um lamellenartige Einrichtungen handelt, die laut der glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers nicht regendicht sind. Dies wurde von der Vertreterin der belangten Behörde nach ihrem Ortsaugenschein auch bestätigt. Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass es sich bei diesen Vorrichtungen um einen aus Lamellen bestehenden Sonnenschutz und nicht um Portalköpfe handelt.
Die Länge der gesamten Geschäftsfront wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter in der mündlichen Verhandlung mit 11,66m außer Streit gestellt. Die Länge der Portale ist auf den im Akt erliegenden Fotos mit 3,65m bzw. mit 5,90m angegeben. Dass diese Maße mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen, wird durch das im Zuge der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgelegte Foto nicht widerlegt, da die Länge und Höhe der beidseitigen Portale vom Beschwerdeführer nicht mit Maßen versehen worden sind. Ausgehend davon und von der Gesamtlänge der Geschäftsfront von 11,66m wurde das Ausmaß des verbleibenden Eingangsbereiches, über welchem sich ein regendichtes Vordach befindet, im Wege einer Differenzrechnung mit 2,11m ermittelt.
Hinsichtlich der Frage, wie weit das über dem Eingangsbereich befindliche Vordach in den öffentlichen Raum hineinragt, folgte das Bundesfinanzgericht den Angaben des Beschwerdeführers. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, das Ausmaß des Vorsprunges mit 1,35m durch eigenhändige Messung ermittelt zu haben. Jene Koordinaten, anhand derer der Vorsprung laut belangter Behörde angeblich 1,52m beträgt, wurden dem Bundesfinanzgericht nicht zur Verfügung gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Rechtsgrundlagen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966 - GAG) lauten auszugsweise:
"§ 1
Gebrauchserlaubnis
(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt. ...
(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsflächen nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin."
§ 2
Erteilung der Gebrauchserlaubnis
(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig. ...
….
§ 9
Abgabepflicht, Anzeigepflicht und Haftung
…..
(1a) Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.
…."
§ 10
Form und Höhe der Abgabe
…
(2) Form und Höhe der Gebrauchsabgabe richtet sich nach dem angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Gesetzes bildenden Tarif. ….
…
Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben
…..
B. Jahresabgaben je begonnenem Abgabenjahr
….
2. für Rollbalkenkasten und einziehbare oder lamellenartige Sonnenschutzvorrichtungen - ausgenommen für Räume, die ausschließlich oder überwiegend Wohnzwecken dienen - für den ersten begonnenen auf die Frontlänge projizierten Längenmeter 14,50 Euro (bis 2016), 15,10 Euro (2017 und 2018), 15,60 Euro (ab 2019), für jeden weiteren begonnenen auf die Frontlänge projizierten Löngenmeter 2,50 Euro (bis 2015), 2,60 Euro (2017 und 2018), 2,70 Euro (ab (2019);
3 .für Ladenvorbauten, portalartige Verkleidungen, aus welchem Material auch immer, Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sowie für Portalköpfe und Schaukästen für den ersten begonnenen m2 der Schaufläche 15,50 Euro (bis 2016), 15,10 Euro (2017 und 2018), 15,60 Euro (seit 2019), für jeden weiteren begonnenen m2 6,00 Euro (bis 2016), 6,30 Euro (2017 und 2018), 6,50 Euro (seit 2019); portalartige Verkleidungen oder Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sind abgabenfrei, wenn sie entweder mit dem übrigen Mauerputz in einer Ebene liegen oder nicht mehr als 7cm über die Baulinie vorragen;
….
5. für Wetterschutz und Vordächer 22,50 Euro (bis 2016), 23,40 Euro (für 2017 und 2018), 24,20 Euro (ab 2019) für den ersten begonnenen m2 der Grundrissfläche, für jeden weiteren begonnenen m2 14,50 Euro (bis 2016), 15,10 Euro (für 2017 und 2018), 15,60 Euro (ab 2019);
….."
3.1.1. Gebrauchserlaubnis für die Portale, das Vordach und das Klimagerät und Festsetzung der jährlichen Gebrauchsabgabe
Diesbezüglich schließt sich das Bundesfinanzgericht der Rechtsansicht der belangten Behörde an, dass die Gebrauchserlaubnis nach § 1 Abs. 1 GAG antragsgebunden ist und ohne Antrag solche Bewilligungen nicht erteilt werden dürfen. Da im vorliegenden Fall feststeht, dass weder hinsichtlich der Portale, noch hinsichtlich des Vordaches und des auf dem Vordach platzierten Klimagerätes ein Antrag gestellt worden ist, war der angefochtene Bescheid, mit dem die Gebrauchserlaubnis gemäß § 1 GAG erteilt und eine jährliche Gebrauchsabgabe festgesetzt worden ist, ersatzlos aufzuheben.
3.1.2. Jährliche Gebrauchsabgabe für die Warenausräumungen, links und rechts vom Eingang
Auch diesbezüglich folgt das Bundesfinanzgericht der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass für die Warenausräumungen im Eingangsbereich die Bewilligung ersatzlos aufzuheben war, weil diese teilweise hinter die Baulinie zurückgerückt waren und insofern öffentlicher Grund vom Beschwerdeführer nicht benutzt worden ist.
3.1.3. Einmalige Gebrauchsabgabe für die Jahre 2015 bis 2019
In den erläuternden Bemerkungen zum LGBl 11/2013, mit dem die Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG eingeführt wurde, wird dazu ausgeführt:
"In Zukunft soll die Abgabepflicht auch an den bloßen Gebrauch von öffentlichem Grund der Gemeinde anknüpfen. Wie in anderen Bereichen üblich (z.B. Parkometerabgabe) soll die Abgabe auch für den Zeitraum, in welchem öffentlicher Grund ohne Gebrauchserlaubnis benützt wird, vorgeschrieben werden. Festgestellt wird auch, dass wenn für ein und denselben Gebrauch in ein und demselben Zeitraum ein Antrag auf Gebrauchserlaubnis gestellt und bewilligt wird, die vom Antragsteller bereits nach diesem Absatz entrichtete Gebrauchsabgabe anzurechnen ist."
Die Einführung dieser Bestimmung sollte dazu dienen, auch für den Gebrauch einer Verkehrsfläche ohne Gebrauchserlaubnis eine Abgabepflicht zu begründen, die bis dahin nur für den Gebrauch von Verkehrsflächen mit Gebrauchserlaubnis bestand.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Nach der Bestimmung des § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 schuldet jeder, der öffentlichen Raum benutzt, die Gebrauchsabgabe. Benutzen ist dabei dahingehend zu verstehen, dass es nicht darauf ankommt, ob der Betreffende den öffentlichen Raum tatsächlich zu seinem Vorteil in Anspruch nimmt, sondern lediglich darauf, dass ihm die Nutzung durch vorhandene, untrennbare Vorrichtungen, die den öffentlichen Raum in Anspruch nehmen, jederzeit möglich ist.
Für die unbestritten vorhandenen Portale, die lamellenartigen Sonnenschutzvorrichtungen und das Vordach steht fest, dass sie den öffentlichen Raum in Anspruch nehmen und dem Beschwerdeführer zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung standen und stehen. Selbst wenn der Beschwerdeführer diese Gegenstände tatsächlich im Einzelnen nicht benutzt hat, standen sie ihm zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung und beanspruchten öffentlichen Raum. Der Einwand, der Beschwerdeführer hätte zum Schutz seiner Waren auch innenliegende Jalousien anbringen können, ist daher nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Dass der Beschwerdeführer bloß Mieter des Geschäftslokals sei, die Gegenstände bereits vorhanden gewesen und nicht vom Beschwerdeführer errichtet worden seien, dieser keine wie immer gearteten Veränderungen daran vorgenommen habe und laut Mietvertrag vom nur das Innere des Mietgegenstandes vermietet sei, vermag angesichts der Tatsache, dass die vorhandenen Portale, der lamellenartige Sonnenschutz und das Vordach dem Beschwerdeführer zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung standen, daran nichts zu ändern, weil einzig und allein auf die Möglichkeit der Nutzung und nicht auf die tatsächliche Nutzung abzustellen ist. Außerdem werden die Kunden des Beschwerdeführers durch diese Bauteile beim Betrachten der Schaufenster vor Witterungseinflüssen und die in den Auslagen präsentierten Waren vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt.
Auch die Unkenntnis darüber, dass eine Gebrauchsabgabe zu leisten ist, ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der vorgeschriebenen Gebrauchsabgabe. In § 2 ABGB wird klargestellt, dass, sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, sich niemand damit entschuldigen kann, dass ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei. Niemand kann sich allein mit Gesetzesunkenntnis entschuldigen.
Die Portale, die lamellenartigen Sonnenschutzeinrichtungen und das Vordach nützten dem Beschwerdeführer im oben beschriebenen Sinn und beanspruchten unzweifelhaft öffentlichen Raum. Aus diesem Grunde schuldet der Beschwerdeführer als Mieter der mit dem Mietgegenstand untrennbar verbundenen streitgegenständlichen Aufbauten die Gebrauchsabgabe.
Dass auch der Vermieter den gleichen Tatbestand erfüllt und daher auch die Gebrauchsabgabe schuldet, vermag den Beschwerdeführer nicht zu befreien. In diesem Falle schulden, wie in § 6 BAO geregelt, beide Abgabepflichtige die gleiche Abgabe und werden dadurch für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.
Wer nun im Innenverhältnis verpflichtet ist, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, ist eine Frage, die im Rahmen des privatrechtlichen Schuldverhältnisses zu klären ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens.
Dass dem Beschwerdeführer im Verfahren keine Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden ist, mag zutreffen, wurde aber im Beschwerdeverfahren im Rahmen der mündlichen Verhandlung saniert (vgl. Ritz, BAO6, § 115 Tz 21, mwN).
Wenn der Beschwerdeführer im Vorlageantrag ausführt, die Vorschreibung einer Gebrauchsabgabe für die Jahre 2015 bis 2019 sei nicht nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer nie einen Antrag auf Bewilligung der Straßenbenützung gestellt habe, so ist ihm die oben zitierte Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG entgegenzuhalten. Diese Bestimmung setzt gerade voraus, dass öffentlicher Grund benutzt wird, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben.
Die vom rechtsfreundlichen Vertreter im Vorlageantrag angesprochene unterschiedliche Behandlung des Zeitraumes 2015 bis 2019 und des Jahres 2020 resultiert aus der Tatsache, dass die Behörde hinsichtlich der Portale und des Vordaches bei Bewilligung derselben mit Bescheid vom irrtümlich von einem Antrag des Beschwerdeführers ausgegangen, ein solcher aber tatsächlich hinsichtlich der Portale, der lamellenartigen Sonnenschutzvorrichtungen und des Vordaches nicht bei der Behörde gestellt worden ist. Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist aber gemäß § 2 Abs. 1 GAG nur auf Antrag zulässig. Demgegenüber regelt § 9 Abs. 1a GAG die Vorgangsweise für den Fall, dass öffentlicher Grund benutzt wird, ohne dass vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt wurde.
Zum Beschwerdevorbringen, die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen durchzuführen, ob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit COVID-19 für eine Herabsetzung der Gebrauchsabgabe in Frage komme, ist anzumerken, dass § 15a Abs. 1 GAG voraussetzt, dass eine Gebrauchserlaubnis erteilt wurde und
a) diese infolge von erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation nicht oder nicht zur Gänze ausgeübt werden kann, oder
b) der Träger einer Gebrauchserlaubnis sonst von der COVID-19 Krisensituation betroffen ist (durch Ertragseinbußen und Liquiditätsengpässe), oder
c) auf die Gebrauchserlaubnis infolge von erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation nach Eintritt der Fälligkeit der Abgabe verzichtet wird.
Da jedoch unstrittig feststeht, dass die dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom erteilte Gebrauchserlaubnis mit der Beschwerdevorentscheidung vom ersatzlos aufgehoben worden ist, kommt eine Anwendung der Bestimmung des § 15a GAG nicht in Betracht. Auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Teilzahlung bzw. Zahlungsaufschub zu stellen, wies die Vertreterin der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung hin.
Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB).
Wesen der Gesamtschuld ist, dass der Gläubiger die Mitschuldner nicht nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen darf, sondern dass er auch die gesamte Schuld nur einem einzigen (einigen, allen) der Gesamtschuldner gegenüber geltend machen darf. Dem Gläubiger steht insgesamt jedoch nur einmal die Befriedigung seiner Ansprüche zu. Ist die gesamte Schuld (zB durch einen der Gesamtschuldner) entrichtet, so erlischt das Gesamtschuldverhältnis.
Im Abgabenrecht liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Ermessen (§ 20) des Abgabengläubigers.
Es liegt im Ermessen der Behörde,
• ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner und an welchen Gesamtschuldner oder an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will,
• weiters ob die Inanspruchnahme mit einem Teil oder dem gesamten offenen Betrag erfolgt sowie
• der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner.
Bei der Ermessensübung sind das Wesen und der Zweck von Gesamtschuldverhältnissen zu beachten. Insbesondere werden daher von Bedeutung sein: die Intensität der Bindung und Gemeinsamkeit, die in der Folge zur Gesamtschuld führte; die jeweilige Situation, die das Gemeinschuldverhältnis auslöste; die Besonderheiten der Tatbestandsverwirklichung (etwa Zufall, Versehen, Irrtum oder Absicht usw.); ferner das Ausmaß der Verantwortlichkeit des einzelnen, aber auch das Ausmaß der Vorteile (Bereicherung), die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen geschöpft werden.
Das vertragliche Innenverhältnis ist bei der Ermessensübung von Bedeutung. Bei Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei einem Gesamtschuldner bleibt für die Inanspruchnahme des verbleibenden Gesamtschuldners kein Spielraum für die Ermessensübung.
Die Ausübung des Ermessens ist entsprechend zu begründen. Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.
Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses steht es dem Abgabengläubiger frei, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen möchte. Jedoch muss er diese Entscheidung im Rahmen des Ermessens treffen und seine Ermessensübung begründen.
Ermessensentscheidungen müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO).
Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben.
Im vorliegenden Fall hat die Abgabenbehörde der Anforderung der Zweckmäßigkeit entsprochen, indem sie alle Abgabepflichtigen gleich behandelt. Sie hat auch im vorliegenden Fall so wie in allen anderen Fällen grundsätzlich den Beschwerdeführer als Mieter in erster Linie als Schuldner der Gebrauchsabgabe in Anspruch genommen.
Die Inanspruchnahme war auch zweckmäßig, da der Beschwerdeführer als Mieter des Geschäftslokales der potentielle Nutzer des öffentlichen Grundes war.
Darüber hinaus war beim Beschwerdeführer keine Uneinbringlichkeit der Abgabe gegeben. Das Interesse der Behörde an der Abgabeneinbringung wurde damit gewahrt.
Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers, die sich aus den angeführten Gründen als zweckmäßig erwies, verstieß auch nicht gegen die Billigkeit. Da im Mietvertrag die Gebrauchserlaubnis nicht erwähnt wurde und auch keine Regelung getroffen wurde, wer im Innenverhältnis der Vertragsbeziehung die Gebrauchsabgabe zu tragen habe, konnte der Beschwerdeführer nicht auf das Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis vertrauen und auch nicht vorbehaltlos davon ausgehen, dass der Vermieter diese Abgabe tragen würde.
Die Ermessensübung ist nachvollziehbar. Eine Überschreitung des Ermessens zum Nachteil des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich.
Hinsichtlich Höhe der Abgabe stellte sich im Zuge des Verfahrens heraus, dass die Behörde bei ihrem Erstbescheid zu Unrecht von einem beleuchteten Vordach ausgegangen ist. Außerdem war nicht von einem sich über die gesamte Geschäftsfront von 11,66m erstreckenden regendichten Vordach auszugehen, sondern waren die links und rechts an das 2,11m breite und 1,35m vorspringende regendichte Vordach (B5) angrenzenden lamellenartigen Sonnenschutzvorrichtungen von einer Frontlänge von 3,65m bzw. 5,90m unter die Tarifpost B2 zu subsumieren. Die Abgabe für die Jahre 2015 bis 2019 war daher wie folgt neu zu berechnen:
1. B 3 Portale
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Jahr | Länge | Höhe | Fläche | Berechnungsfläche | 1.m2 | Weitere m2 | Betrag für weitere m2 | Summe |
2015 | 3,65 | 2,2 | 8,03 | 9 | 14,50 | 8*6,50 | 48,00 | 62,50 |
2015 | 5,90 | 2,2 | 12,98 | 13 | 14,50 | 12*6,50 | 72,00 | 86,50 |
2016 | 3,65 | 2,2 | 8,03 | 9 | 14,50 | 8*6,50 | 48,00 | 62,50 |
2016 | 5,90 | 2,2 | 12,98 | 13 | 14,50 | 12*6,50 | 72,00 | 86,50 |
2017 | 3,65 | 2,2 | 8,03 | 9 | 15,10 | 8*6,30 | 50,40 | 65,50 |
2017 | 5,90 | 2,2 | 12,98 | 13 | 15,10 | 12*6,30 | 75,60 | 90,70 |
2018 | 3,65 | 2,2 | 8,03 | 9 | 15,10 | 8*6,30 | 50,40 | 65,50 |
2018 | 5,90 | 2,2 | 12,98 | 13 | 15,10 | 12*6,30 | 75,60 | 90,70 |
2019 | 3,65 | 2,2 | 8,03 | 9 | 15,60 | 8*6,50 | 52,00 | 67,60 |
2019 | 5,90 | 2,2 | 12,98 | 13 | 15,60 | 12*6,50 | 78,00 | 93,60 |
Gesamtsumme | 771,60 |
2. B 5 Vordach (ohne Beleuchtung)
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Jahr | Länge | Höhe | Fläche | Berechnungsfläche | 1.m2 | Weitere m2 | Betrag für weitere m2 | Summe |
2015 | 2,11 | 1,35 | 2,85 | 3 | 22,50 | 2*14,50 | 29,00 | 51,50 |
2016 | 2,11 | 1,35 | 2,85 | 3 | 22,50 | 2*14,50 | 29,00 | 51,50 |
2017 | 2,11 | 1,35 | 2,85 | 3 | 23,40 | 2*15,10 | 30,20 | 53,60 |
2018 | 2,11 | 1,35 | 2,85 | 3 | 23,40 | 2*15,10 | 30,20 | 53,60 |
2019 | 2,11 | 1,35 | 2,85 | 3 | 24,20 | 2*15,60 | 31,20 | 55,40 |
Gesamtsumme | 265,60 |
3. B 2 Lamellenartige Sonnenschutzeinrichtungen
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Jahr | Länge | Berechnungslänge | 1. Längenmeter | Weitere Längenmeter | Betrag für weitere Längenmeter | Summe |
2015 | 3,65 | 4 | 14,50 | 3*2,50 | 7,50 | 22,00 |
2015 | 5,90 | 6 | 14,50 | 5*2,50 | 12,50 | 27,00 |
2016 | 3,65 | 4 | 14,50 | 3*2,50 | 7,50 | 22,00 |
2016 | 5,90 | 6 | 14,50 | 5*2,50 | 12,50 | 27,00 |
2017 | 3,65 | 4 | 15,10 | 3*2,60 | 7,80 | 22,90 |
2017 | 5,90 | 6 | 15,10 | 5*2,60 | 13,00 | 28,10 |
2018 | 3,65 | 4 | 15,10 | 3*2,60 | 7,80 | 22,90 |
2018 | 5,90 | 6 | 15,10 | 5*2,60 | 13,00 | 28,10 |
2019 | 3,65 | 4 | 15,60 | 3*2,70 | 8,10 | 23,70 |
2019 | 5,90 | 6 | 15,60 | 5*2,70 | 13,50 | 29,10 |
Gesamtsumme | 252,80 |
Die Höhe der Gebrauchsabgabe beträgt für die Kalenderjahre 2015 bis 2019 daher 1.290,00 €
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage des Ausmaßes des Vordaches und die Subsumtion unter die Tarifposten B 2, B 3 und B 5 waren in freier Beweiswürdigung zu beantworten; im Übrigen erfolgte die Entscheidung auf Grund des klaren Gesetzeswortlauts. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen und die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 2 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400049.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at