Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 13.08.2021, RV/5101716/2018

Ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichteter Haftungsbescheid ist unwirksam.

Beachte

Revision eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom wegen Klaglosstellung (§ 289 Abs. 1 lit. c BAO). Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/5100885/2021 erledigt.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraße 49, 4020 Linz, betreffend die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***1***, beschlossen

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt:

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) als Haftungspflichtigen gemäß § 11 BAO für nachstehende aushaftende Abgabenschulden der Fa. ***2*** GmbH (in der Folge: Primärschuldnerin) im Ausmaß von 7.719,36 € in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
10-12/2016
483,37
Umsatzsteuer
01-04/2017
5.686,24
Kraftfahrzeugsteuer
01-12/2016
1.058,51
Kraftfahrzeugsteuer
01-09/2017
491,24
Summe
7.719,39

In der Begründung verwies das Finanzamt auf die gesetzliche Bestimmung des § 11 BAO sowie darauf, dass das ***FA*** als Finanzstrafbehörde den Bf am wegen der Finanzvergehen nach §§ 33 Abs. 2 lit. a und 49 Abs. 1 lit. a FinStrG verurteilt habe und über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss des ***3*** vom ein Konkursverfahren eröffnet worden sei.

Das Finanzamt veranlasste die Zustellung des Haftungsbescheides an den Bf.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf durch die ihn vertretende Rechtsanwälte GmbH am fristgerecht Beschwerde. Gleichzeitig erhob der Bf auch Beschwerde gegen die Abgabenansprüche.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab. Die Beschwerdevorentscheidung wurde dem Bf, zu Handen der Fa. ***4*** GmbH, welcher der Bf zwischenzeitig Zustellvollmacht erteilt hatte, zugestellt.

Am stellte der Bf durch seine anwaltliche Vertretung einen Vorlageantrag und - wie bereits in der Beschwerde - abermals einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Aktenteilen, dem Parteienvorbringen, der Ediktsdatei, dem Firmenbuch und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung.

Rechtslage:

Nach § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Nach § 2 Abs. 2 Insolvenzordnung (IO) wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen.

Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs. 1 IO).

Nach § 114 Abs. 1 IO hat der Insolvenzverwalter das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zu verwalten und zu verwerten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Insolvenzverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinn des § 80 BAO. Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind demzufolge während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen.

Die Geltendmachung der Haftung des Gemeinschuldners für Abgaben betrifft die Insolvenzmasse (vgl. ).

Während des Insolvenzverfahrens dürfen weder Abgabenbescheide noch Haftungsbescheide, mit welchen der Gemeinschuldner zur Haftung herangezogen werden soll, an den Gemeinschuldner gerichtet werden. Eine nach Insolvenzeröffnung an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht auch dann ins Leere, wenn sie an den Gemeinschuldner, zu Handen des Insolvenzverwalters gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Gemeinschuldner noch für den Insolvenzverwalter ().

Erhebt ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde, hat die Rechtsmittelbehörde zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen. Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung entfaltender Abgabenbescheid vorangegangen ist (vgl. ).

Das Beschwerderecht des Haftungspflichtigen gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch (§ 248 BAO) setzt daher voraus, dass der Haftungsbescheid ihm gegenüber wirksam ergangen ist (Ritz, BAO6; § 248 Tz 10).

Nach § 274 Abs. 1 Z 1 lit. a und b BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird.

Nach Abs. 3 Z 1 dieser Gesetzesbestimmung kann der Senat ungeachtet eines Antrages nach Abs. 1 Z 1 von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260).

Obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter und hat nach Abs. 1 eine mündliche Verhandlung stattzufinden, so ist Abs. 3 sinngemäß anzuwenden (§ 274 Abs. 5 BAO).

Erwägungen:

Im vorliegenden Fall wurde laut Firmenbuch die ursprünglich unter einer anderen Firma im Firmenbuch eingetragene Primärschuldnerin mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet.

Der Bf war seit bis zur Konkurseröffnung am selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Seit ist der bestellte Insolvenzverwalter vertretungsbefugt.

Laut Ediktsdatei ist der Konkurs bis dato nicht aufgehoben.

Dem letzten vorliegenden Bericht des Insolvenzverwalters (7. Bericht vom ) ist im letzten Absatz zu entnehmen, dass sowohl die Quotenerwartung als auch die Insolvenzdauer derzeit schwer bis nicht prognostizierbar seien.

Der angefochtene Haftungsbescheid erging nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und war an den Bf als Gemeinschuldner (anstatt richtig an den Masseverwalter) adressiert. Vor dem o.a. rechtlichen Hintergrund wurde dieser Haftungsbescheid nicht wirksam erlassen und vermochte daher keine Rechtswirkungen zu entfalten.

Da der Haftungsbescheid des Finanzamtes nicht wirksam geworden ist, ging die dagegen gerichtete Beschwerde ins Leere und war diese als unzulässig zurückzuweisen.

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Wurde, wie im vorliegenden Fall, der Haftungsbescheid nicht rechtswirksam erlassen, war der Bf auch nicht befugt, gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde zu erheben; die diesbezügliche Beschwerde wäre gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ebenfalls zurückzuweisen (Ritz, BAO6, § 260 Tz 7).

Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall erfolgte die Lösung der zu klärenden Rechtsfragen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG lag somit nicht vor, weshalb eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101716.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at