zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.08.2021, RV/2100788/2017

Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterDr. Martin Wittmann in der Beschwerdesache [...], [...], vertreten durch Styria Treuhand- und Revisions GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Brockmanngasse 75, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** jeweils vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Energieabgabenvergütung 2011 -2015 zu Recht erkannt:

  • Der Bescheid vom betreffend Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz für das Kalenderjahr 2011 wird abgeändert.

Der Vergütungsbetrag wird mit 107,07 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (im Folgenden: Bf.) ist eine GmbH, die im Bereich des Tourismus im Dienstleistungssektor tätig ist.

Mit Anträgen jeweils vom beantragte die Bf. die Vergütung von Energieabgaben nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz (im Folgenden: EAVG) für die Kalenderjahre 2011-2015.

Mit Bescheiden jeweils vom wies die belangte Behörde die Anträge der Bf. vom ab und setzte den Vergütungsbetrag nach dem EAVG jeweils mit 0,- Euro fest. Sie qualifizierte die Tätigkeit der Bf. als Dienstleistungsbetrieb. Begründend führte sie - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, dass der VfGH mit Erk. vom , B 321/12-12, die Beschwerde eines Hotelbetriebes, der die Verfassungswidrigkeit des durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111 (im Folgenden: BudBG), vorgesehenen Ausschlusses von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung (im Folgenden: ENAV) eingewendet hatte, abgewiesen und diese einschränkende Regelung als verfassungskonform beurteilt habe. Zur Frage, ob Dienstleistungsbetriebe nach dem EAVG idF BudBG für Zeiträume nach dem einen Anspruch auf ENAV haben, habe der VwGH mit Erk. vom , 2012/17/0175, entscheiden, dass Dienstleistungsbetrieben die ENAV für den Monat Jänner 2011 noch zustehe. Da die ENAV für Jänner 2011 bereits am gewährt und zur Auszahlung gelangt sei, seien die Anträge auf ENAV für die Jahre 2011-2015 allesamt abzuweisen gewesen.

Gegen die Bescheide vom wandte die Bf. mittels Beschwerde vom ein, dass aufgrund des EuGH-Vorabentscheidungsverfahrens über den Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe von der ENAV ( C- 493/14, Dilly's WellnesshotelGmbH) das BFG, Außenstelle Linz, am , RV/5100360/2013, entschieden habe, dass die ENAV für 2011 dem beschwerdeführenden Dienstleistungsbetrieb in Beachtung des Durchführungsverbots und der unionsrechtskonformen Auslegung zur Gänze (und nicht nur für den Monat Januar 2011) zustehe. Die Bf. beantragte daher, ihren Anträgen vom auf Vergütung von Energieabgaben für die Jahre 2011-2015 über 5.753,85 Euro stattzugeben.

Mittels Beschwerdevorentscheidungen jeweils vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom ab, berichtigte den am erlassenen Erstbescheid betreffend ENAV 2011, gab dem Antrag der Bf. vom teilweise statt und setzte den (der Bf. bereits vergüteten) Betrag für Jänner 2011 iHv Euro 107,07 fest. Sie wiederholte im Wesentlichen ihre bereits in den Bescheiden vom vorgebrachte Argumentation, wonach für Zeiträume ab Februar 2011 aufgrund der gültigen Gesetzeslage des EAVG eine Berücksichtigung für einen Dienstleistungsbetrieb nicht möglich gewesen sei und deshalb die Anträge abzuweisen seien.

Am stellte die Bf. einen Vorlageantrag und brachte begründend vor, dass das BFG, Außenstelle Linz, am , RV/5100360/2013, aufgrund eines Vorabentscheidungsverfahrens des EuGH, Rs C-493/14, Dilly's Wellnesshotel GmbH, über den Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der ENAV entschieden habe, dass die ENAV für 2011 dem beschwerdeführenden Dienstleitungsbetrieb nicht für Jänner 2011 zustehe. Daher beantragte die Bf., ihren Anträgen auf Vergütung von Energieabgaben für die Jahre 2011-2015 über Euro 5.753,85 stattzugeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist wie im Verfahrensgang beschrieben aktenkundig und wurde von keiner Partei bestritten und kann daher als erwiesen angenommen werden.

Die Bf. betreibt unbestrittenerweise einen Dienstleistungsbetrieb, dessen Schwerpunkt nicht in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, und hat die Vergütung von Energieabgaben für die Kalenderjahre 2011 bis 2015 beantragt.

2. Rechtslage

Das Bundesgesetz über die Vergütung von Energieabgaben (Energieabgabenvergütungsgesetz) idF BudBG (BGBl I 2010/111) lautet auszugsweise:

"§ 2

(1) Ein Anspruch auf Vergütung besteht nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

§ 4

(…)

(7) Die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sind vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen."

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Vergütung für Dienstleistungsbetriebe

Streitpunkt des Rechtsmittelverfahrens ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob und wann die Änderung des ENAVG durch das BudBG, nämlich die Einschränkung des Vergütungsanspruches auf Produktionsbetriebe, wirksam in Kraft getreten ist.

Die Bf. beruft sich im Vorlageantrag auf das Erk. des . Der VwGH hat dieses Erk. des BFG mit Erk. vom , Ro 2016/15/0041, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend führt der VwGH aus, dass zunächst darauf zu verweisen ist, dass nach der VwGH-Rsp gegen die Vergütung von Energieabgaben nach dem EAVG idF BGBl I 2004/92 keine Bedenken im Hinblick auf das Durchführungsverbot des Art 108 Abs 3 AEUV bestehen (vgl , mwN; , 2012/17/0469; vgl insb die unbefristete Bestätigung durch die Entscheidung der Europäischen Kommission vom , 2005/565/EG, ABl 2005 L 190/13, Art 3 und Rn 72).

Betreffend der EU-beihilfenrechtlichen Problematik (Art 107 ff AEUV, VO [EG] 994/98 vom , VO [EG] 659/1999 vom , VO [EG] 800/2008 vom ) judizierte der VwGH bereits in seinem Erk. vom , 2012/17/0469, dass diese dem Gesetzgeber bewusst war und der in § 4 Abs 7 EAVG angeführte Vorbehalt dahingehend zu verstehen ist, dass es für das Inkrafttreten des § 2 leg cit nur auf das Vorliegen einer "Genehmigung" ankommt. Auf ein förmliches Anmeldeverfahren nach Art 108 Abs 3 AEUV kann es dem Gesetzgeber nach dieser VwGH-Entscheidung vom nicht angekommen sein. In der Veröffentlichung einer Beihilfenregelung durch die Kommission - in concreto der Kurzbeschreibung der neuen Regelung der Energieabgabenrückvergütung im Amtsblatt der EU 2011 C 288/21 - kann der VwGH eine Art der "Genehmigung" iSd § 4 Abs 7 EAVG durch diese erblicken.

Wenn in § 4 Abs 7 EAVG (und in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hiezu) nämlich nur eine "Genehmigung", "Zustimmung" oder "Nicht-Genehmigung" angeführt ist, so wird nach Ansicht des VwGH damit die Vielfalt der möglichen Entscheidungen der Kommission nicht abgebildet, die im Übrigen - entgegen der Annahme des von der Bf. zitierten BFG-Erk - auch nicht (explizit) als "Genehmigung" oder "Nicht-Genehmigung" bezeichnet werden. Der VwGH nimmt an, dass § 4 Abs 7 EAVG somit nur eine typische Erledigungsart - und dies mit einer "untechnischen" (nicht den normativen Bezeichnungen des Unionsrechts entsprechenden) Bezeichnung - hervorgehoben hat, ohne aber andere mögliche Erledigungsarten auszuschließen.

Wie die belangte Behörde bereits in der BVE entschieden hat, liegt für Jänner 2011 die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten vorausgesetzte Genehmigung jedenfalls nicht vor, sodass § 2 Abs 1 EAVG idF BudBG (Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe) für diesen Monat nicht zur Anwendung gelangt (vgl die st Rsp des mwN; hiezu bereits ).

Entgegen dem Vorbringen der Bf. und des von ihr zitierten und vom VwGH aufgehobenen Erk des , besteht für den VwGH (, Ro 2016/15/0041) kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber des BudBG die Möglichkeit des Inkrafttretens der Regelung im Wege des Freistellungsverfahrens nach der Gruppenfreistellungs-VO (EG) 800/2008 hätte ausschließen wollen. Der VwGH nimmt auch anders als die Bf. bzw im zitierten BFG-Judikat nicht an, dass dem Gesetzgeber diese Möglichkeit unbekannt gewesen wäre.

Voraussetzung für das Inkrafttreten war eine "Genehmigung" durch die Kommission. Jedoch bewirkte auch eine Entscheidung der Kommission nach Art 7 VO (EG) 659/1999 keine (absolute) Rechtssicherheit, unterlag eine derartige Entscheidung doch einer allfälligen Bekämpfung mittels Nichtigkeitsklage (durch einen anderen Mitgliedstaat oder allenfalls auch durch benachteiligte Konkurrenten). Nach dem Wortlaut des EAVG trat die Neuregelung aber bereits mit der "Genehmigung" ein; absolute Rechtssicherheit wurde damit vom Gesetzgeber nicht angestrebt, was im Hinblick auf möglicherweise langwierige Verfahren nach dieser Genehmigung wohl auch nicht sinnvoll erreichbar wäre, zumal eine Inkrafttretensbestimmung auch einen klaren Anknüpfungspunkt erfordert. Dafür, dass im Falle einer erfolgreichen Bekämpfung der "Genehmigung" der Kommission die Einschränkung des Kreises der Empfänger der Beihilfe wieder außer Kraft treten oder sogar rückwirkend das Inkrafttreten dieser Einschränkung entfallen sollte, bestehen nach dem VwGH weder aus dem Wortlaut des § 4 Abs 7 EAVG noch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage Anhaltspunkte. Ein Freistellungsverfahren erzielt verglichen mit dem Anmeldeverfahren nur graduell eine geringere Rechtssicherheit; auch ein solches ist daher an sich als geeignet anzusehen, eine "Genehmigung" iSd § 4 Abs 7 EAVG zu erreichen.

Nach der Inkrafttretensregelung des § 4 Abs 7 EAVG reicht daher - aus der Sicht des nationalen Rechts - die in der VO (EG) 800/2008 vorgesehene Mitteilung an die Kommission samt der entsprechenden Veröffentlichung durch die Kommission. Daran ändert nach dem VwGH auch nichts, wenn die VO nicht vollständig erfüllt worden ist (vgl. neuerlich ).

Der VwGH hält daher in seinem Erk , Ro 2016/15/0041, die in der bisherigen, ständigen Rsp vertretene Rechtsansicht bezogen auf die innerstaatliche Vorschrift des § 4 Abs 7 EAVG aufrecht, wonach in der Veröffentlichung der Beihilferegelung durch die Kommission die "Genehmigung durch die Europäische Kommission" iSd § 4 Abs 7 EAVG zu erblicken und daher die Regelung des BudBG - aus der Sicht des nationalen Rechts - mit in Kraft getreten ist.

Im Folgeurteil zu jenem, das von der Bf. in ihrer Beschwerde ins Treffen geführt wurde (Rs C- 493/14, Dilly's Wellnesshotel GmbH), nämlich jenem vom , C-585/17, Dilly's Wellnesshotel (II), kommt der EuGH zwar zum Ergebnis, dass die Einschränkung des Begünstigtenkreises einer Beihilferegelung zwar grundsätzlich einer Anmeldepflicht iSd Art 108 Abs 3 AEUV unterliegt, die Übergangsbestimmung in der VO 651/2014 (Nachfolge-VO zur Freistellungs-VO 800/2008) jedoch dahin auszulegen ist, dass einerseits Beihilfen wie die ENAV, die vor Inkrafttreten der VO 651/2014 gewährt wurden, von der Anmeldepflicht iSd Art 108 Abs 3 AEUV freigestellt werden können und dass andererseits die Übergangsbestimmung grundsätzlich die Gewährung von Beihilfen bei Verstoß gegen Veröffentlichungs- und Informationspflichten erlaubt.

Zuletzt hat der VfGH am , E 1743/2020 ua, auch festgehalten, dass die Beschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe (und damit der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben) in Hinblick auf die Unterschiede zwischen diesen Arten von Betrieben in der Wettbewerbssituation im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Bundesgesetzgebers liegt (vgl auch VfSlg 16.771/2002, 19.678/2012) und auch das Rechtsstaatsprinzip durch die ausreichend determinierte Regelung im BudBG nicht verletzt ist, wonach nur Betrieben die vorwiegend körperliche Wirtschaftsgüter herstellen, eine ENAV zu gewähren ist.

Auch der VfGH geht davon aus, dass durch das von der Bf. ins Treffen geführte C- 493/14, Dilly's Wellnesshotel GmbH, lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass die in einem weiten Sinn verstandene Genehmigung durch die Kommission in Form der Veröffentlichung der Mitteilung im Amtsblatt der EU nicht den Vorgaben des Unionsrechts entsprochen hat, und das Gruppenfreistellungsverfahren nach dem Zweck der Regelung des § 4 Abs 7 EAVG einer Genehmigung durch die Kommission gleichzuhalten ist. Der VfGH folgert daraus, dass mit der Durchführung dieses Verfahrens die Bedingung für die Anwendbarkeit der Beihilferegelung eingetreten ist. Dass die Anwendung dieses Verfahrens im Zeitpunkt seiner Durchführung nicht den Vorgaben des Unionsrechts entsprach (der Gerichtshof verweist dabei auch auf die EuGH-Folgeentscheidung Rs C-585/17, Dilly's Wellnesshotel [II], wonach die Übergangsbestimmung der VO 651/2014 diesen Mangel rückwirkend heilen kann), ändert auch für ihn nichts an der Tatsache, dass mit der Veröffentlichung der Mitteilung die "Genehmigung" durch die Kommission vorlag und damit die in § 4 Abs 7 EAVG geregelte Bedingung für die Anwendung des § 2 Abs 1 EAVG eingetreten war (der VfGH verweist auch auf ).

Der VfGH hat auch keine Bedenken, dass die Mitteilung an die Kommission im Amtsblatt der EU erst am veröffentlicht wurde und insofern ein für die Zeit bis zur Mitteilung angewachsener Vergütungsanspruch gleichsam rückwirkend für die Zeit ab ausgeschlossen wurde. Er erkennt nämlich vor dem Hintergrund der VfGH-Rsp zur rückwirkenden Inkraftsetzung von Abgabenbelastungen (vgl VfSlg 12.186/1989) nicht, dass diese mit der Veröffentlichung der Mitteilung durch die Kommission allenfalls eingetretene Verschlechterung der Rechtsposition der beschwerdeführenden Partei gegen den Gleichheitssatz verstoßen hätte.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig, da das BFG mit der ggst Entscheidung in der Frage des Inkrafttretens der Änderung des EAVG durch das BudBG der dargestellten Judikatur des VwGH folgt (). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in casu somit nicht vor.

Graz, am

[...]

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100788.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at