Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2017, RV/7102827/2017

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe mangels Eigenschaft als Pflegekind nach Erreichen der Volljährigkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102827/2017-RS1
Ist die Tochter der Lebensgefährtin bereits volljährig und trägt der Bf. während ihres Studiums an der Universität zu ihrem Unterhalt bei, so gebührt dennoch keine Familienbeihilfe, weil es sich dabei nicht um ein Kind des Bf. im Sinne des FLAG handelt. Volljährige Personen sind auch dann nicht als Pflegekinder zu betrachten, wenn im übrigen ein familienähnliches Verhältnis zwischen ihnen und den Lebensgefährten eines leiblichen Elternteils besteht. Durch die erbrachten finanziellen Leistungen im Rahmen eines gemeinsamen Haushaltes wird keine Eigenschaft als Pflegekind begründet (vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. XX in der Beschwerdesache VN NN, Adressbez, PLZ Stadt, Slowakei, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Ausgleichszahlung für NN-LG VN-T-LG ab Jänner 2012 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Im Dezember 2015 stellte NN VN, in der Folge mit Bf. bezeichnet, einen Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung für die am GebDat geborene NN-LG VN-T-LG, die Tochter seiner Lebensgefährtin NN-LG VN-M.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, VN-T-LG sei das Kind der Lebensgefährtin des Bf. und könne nicht als Stiefkind im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 betrachtet werden.

Der Bf. erhob dagegen Beschwerde und bestätigte, dass VN-T-LG NN-LG die leibliche Tochter seiner Lebensgefährtin und nicht seine Stieftochter im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes sei. Bei der Entscheidung seien jedoch folgende Punkte nicht berücksichtigt worden:

a) dass der Bf. seit 2004 auch für den notwendigen Unterhalt von VN-T-LG in jenem Umfang aufkomme, wie dies in einer Familie üblich sei;
b) dass er mit seiner Lebensgefährtin, ihrer Tochter und ihrer gemeinsamen Tochter ein normales Familienleben führe;
c) dass ihre gemeinsame Tochter die Schwester von VN-T-LG sei;
d) dass er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin die Erziehung von VN-T-LG über habe;
e) dass VN-T-LG erst durch seine finanzielle Unterstützung das Studium ermöglicht werde;
f) dass es für ihr Familienleben - auch ohne förmliche Ehe - harmonisch verlaufe und es für ihn keinen Unterschied zwischen seiner leiblichen Tochter und VN-T-LG gebe;
g) dass er bisher für VN-T-LG die Ausgleichszahlung nicht beantragt habe, weil er nicht gewusst habe, dass dies nach österreichischem Recht möglich sei;
h) dass er bis Ende Mai 2011 einen doppelten Wohnsitz (Wien und Stadt) gehabt und eine zusätzliche Belastung zum Wohle seiner beiden Kinder auf sich genommen habe, da es aus beruflichen Gründen notwendig gewesen sei, während der Arbeitszeit oftmals in Österreich zu nächtigen;
i) dass er ab Juni 2011 nur mehr am gemeinsamen Wohnort in Stadt mit seiner Familie wohne, da er für seine beiden Kinder mehr Zeit haben wolle und ein geordnetes Familienleben leichter zu handhaben sei;
j) dass VN-T-LG für ihn die gleichen Rechte (und Pflichten) in der Familie habe, wie seine leibliche Tochter;
k) dass seine Beziehung zu VN-T-LG und ihre zu ihm wie die zu einer leiblichen Tochter sei
l) dass er VN-T-LG in der Schule (speziell beim Erlernen der deutschen Sprache) intensiv unterstützt habe;
m) dass sich die beiden Kinder - wie "normale" Schwestern - verhielten und sehr gut verständen.

Rechtlich sei davon auszugehen, dass VN-T-LG als sein Pflegekind im Sinne des
§ 2 Abs. 3 Z d Familienlastenausgleichsgesetz zu beurteilen sei und der Anspruch auf Ausgleichszahlung (Differenzzahlung) zu Recht bestehe (der Verweis in Z d auf
§§ 186 und 186a ABGB sei überholt; richtig sollte seit auf §§ 184 und 185 ABGB verwiesen werden).

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte begründend aus, unter Stiefkindern einer Person seien die aus einer früheren Ehe stammenden Kinder des Ehegatten dieser Person und die unehelichen Kinder dieses Ehegatten zu verstehen. Da der Bf. mit der Kindesmutter nicht verheiratet sei, bestehe für VN-T-LG auch kein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich.

Der Bf. stellte einen Vorlageantrag und erklärte, es sei nicht berücksichtigt worden, dass VN-T-LG rechtlich sein Pflegekind sei.

Dem Finanzamt wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

  • eine Familienstandsbescheinigung E 401, in welcher die Tochter der Lebensgefährtin als Familienangehörige bezeichnet wurde,

  • ein Formular E 411, in welchem die für VN-T-LGNN-LG in den Jahren 2012 bis 2014 monatlich ausbezahlten slowakischen Familienleistungen angeführt sind,

  • Bestätigungen über die in der Slowakei durch die Mutter bezogenen Familienleistungen für die Jahre 2012 bis 2014 (darin enthalten die Leistungen für die gemeinsame Tochter),

  • eine eidesstattliche Erklärung der Kindesmutter in slowakischer Sprache betreffend die gemeinsame Tochter VN-gTNN ohne Übersetzung

  • eine Bestätigung E 402, wonach VN-T-LGNN-LG an der FAKULT Fakultät der UNIVERSI Universität studiert samt Beilage.

Weiters erliegt im Akt ein Versicherungsdatenauszug, gemäß welchem der Bf. von bis laufend als Arbeiter bei der ARBEITGEBER GmbH in Stadt-Ö beschäftigt ist.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt und Streitpunkte:

Der Bf. lebt im gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin, NN-LG VN-M und dem gemeinsamen Kind VN-gT NN, sowie der Tochter der Lebensgefährtin, NN-LG VN-T-LG, welche am GebDat geboren wurde und 2011 das 18. Lebensjahr vollendet hat.

Strittig ist, ob der Bf. Anspruch auf Gewährung der Ausgleichszahlung für die im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter seiner Lebensgefährtin hat, welche nicht das leibliche Kind des Bf. ist.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige und unter gewissen Voraussetzungen für volljährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. sind im Sinne dieses Abschnittes Kinder einer Person
a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Während das Finanzamt den Anspruch deshalb abgelehnt hat, weil der Bf. nicht Stiefvater von NN-LG VN-T-LG ist, hat der Bf. erklärt, der Anspruch bestehe, weil er Pflegevater der Tochter seiner Lebensgefährtin sei. Das Finanzamt erklärte in der Stellungnahme im Vorlageantrag dazu, es habe diesbezügliche Ermittlungen verabsäumt und beantragte, über die Beschwerde zu entscheiden.

NN-LG VN-T-LG ist unstrittig weder eine leibliche Tochter des Bf. noch dessen Wahlkind (Adoptivkind) oder Stiefkind. Der Bf. stützt seinen Anspruch darauf, dass sie sein Pflegekind sei.

Das Familienlastenausgleichsgesetz verweist hinsichtlich der Eigenschaft als Pflegekind auf §§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Der Bf. verweist darauf, dass die diesbezüglichen Bestimmungen sich nunmehr in den
§§ 184 und 185 ABGB befinden. Diese Paragraphen sind jedoch erst seit anwendbar. Im Hinblick darauf, dass im FLAG keine Anpassung erfolgt ist, und weil während eines Teilzeitraumes, für welchen die gegenständliche Ausgleichszahlung gewährt wurde, die Bezeichnungen ohnehin zutreffen, wird in der Folge weiterhin auf §§ 186 und 186a ABGB verwiesen, welche inhaltlich den nunmehrigen §§ 184 und 185 ABGB entsprechen, abgesehen von einer geringfügigen legistischen Anpassung in § 185 ABGB neu.

Die §§ 186 und 186a ABGB sind eingebettet in das Dritte Hauptstück des ABGB, welches die Überschrift trägt "Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern".

Unter der Überschrift "Obsorge" wird in § 144 ABGB (alt, nunmehr: § 158 ABGB) festgelegt, dass die Eltern das minderjährige Kind zu pflegen und zu erziehen haben, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten haben; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen. Bei Erfüllung dieser Pflichten und Ausübung dieser Rechte sollen die Eltern einvernehmlich vorgehen.

Pflege und Erziehung sind also Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder.

Gemäß § 172 Abs. 1 ABGB (alt, nunmehr: § 183 Abs. 1 ABGB) erlischt die Obsorge für das Kind mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit.

In §§ 179 ff ABGB (alt) finden sich Vorschriften unter dem Titel "Dem Rechtsverhältnisse zwischen Aeltern und Kindern ähnliche Verbindungen". Während unter dem ersten Untertitel die Annahme an Kindesstatt geregelt wird, finden sich unter dem zweiten Untertitel in den §§ 186 und 186 a die Vorschriften betreffend Pflegeeltern. Aktuell finden sich die Bestimmungen der §§ 184 und 185 über die Pflegeeltern im vierten Abschnitt unter dem Titel "Obsorge".

Gemäß § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

Gemäß § 186 a Abs. 1 ABGB hat das Gericht einem Pflegeelternehepaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil). Da Pflege und Erziehung Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder betreffen und die Obsorge mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt, liegt im gegenständlichen Fall kein Pflegeverhältnis gemäß §§ 186 und 186 a ABGB vor.

NN-LG VN-T-LG hat 2011 das 18. Lebensjahr vollendet, ist also in den Jahren 2012 bis 2014 bereits volljährig gewesen. Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 3 lit. d) FLAG ausdrücklich auf die §§ 186 und 186 a ABGB verweist, welche voraussetzen, dass der Betreffende die Obsorge über ein Kind hat, kann NN-LG VN-T-LG nach Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr als Pflegekind des Bf. angesehen werden. Eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Personen, die sonst für den Unterhalt von volljährigen Studenten sorgen, ist im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht möglich (vgl. ).

Weitergehende Ermittlungen durch das Finanzamt waren daher nicht erforderlich.

Aus den genannten Gründen konnte der Beschwerde keine Folge gegeben werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage und das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Lebensgemeinschaft
Pflegekind
Volljährigkeit
Tochter
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7102827.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at