Die Festsetzung eines Säumniszuschlages ist auch dann rechtmäßig, wenn der Stammabgabenbescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten und nicht rechtskräftig ist.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH, Stockwinkl 18, 4865 Nußdorf am Attersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt:
Mit Bescheid vom wurden gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf) nachstehende erste Säumniszuschläge festgesetzt, weil er die angeführten Abgabenschulden nicht innerhalb nachstehender Fristen entrichtet hatte:
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Abgabe | Frist | Betrag | Säumniszuschlag |
Einkommensteuer 2010 | 9.537,29 | 190,75 | |
Einkommensteuer 2011 | 84.426,00 | 1.688,52 | |
Anspruchszinsen 2011 | 6.419,16 | 128,38 | |
Einkommensteuer 2013 | 38.079,00 | 761,58 | |
Summe | 2.769,23 |
Die Festsetzungen seien erforderlich gewesen, weil der Bf die angeführten Abgabenschulden nicht innerhalb der obenstehenden Fristen entrichtet habe.
Mit Schreiben vom , welches dem Finanzamt per Telefax am übermittelt wurde, erhob der Bf durch die ihn vertretende Rechtsanwalts GmbH Beschwerde gegen die Festsetzung dieser Säumniszuschläge und beantragte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Die belangte Behörde habe die Steuer- sowie Anspruchszinsenvorschreibungen zum Anlass für die Festsetzung von Säumniszuschlägen genommen.
Gegen die zugrundeliegenden Bescheide vom sei nur aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses, nämlich eines technischen Übermittlungsproblems bei Übersendung der Bescheide durch den Bf an die rechtliche Vertretung, bislang keine Beschwerden erhoben worden.
Diese Beschwerden seien nunmehr gemeinsam mit Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhoben worden und seien die Bescheide somit nicht rechtskräftig. Damit seien wiederum auch die Säumniszuschläge nicht berechtigt.
Insgesamt stehe daher fest, dass der Beschwerde Folge zu geben sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 217 Abs. 1, 2 und 4 BAO verwies es in seiner Begründung darauf, dass die Säumniszuschlagsverpflichtung Formalschuldcharakter habe. Für das Entstehen der Säumniszuschlagspflicht sei allein maßgeblich, ob die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Vorausgesetzt werde nur die formelle Abgabenzahlungsschuld. Weder die Rechtskraft des Stammabgabenbescheides noch die sachliche Richtigkeit der zugrundeliegenden Abgabenfestsetzung sei nötig. Säumniszuschläge fielen grundsätzlich immer dann an, wenn Abgaben nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet würden und keine im Gesetz taxativ aufgezählten Aufschiebungsgründe oder Ausnahmetatbestände vorlägen.
Im Falle einer späteren Abänderung oder Aufhebung der Grundlagenbescheide (etwa im Zuge der Erledigung des Vorlageantrages) seien die davon abgeleiteten Säumniszuschläge nach § 217 Abs. 8 BAO entsprechend zu berichtigen und an die allenfalls geänderten Bemessungsgrundlagen anzupassen oder im Falle der Aufhebung ebenfalls aufzuheben.
Im vorliegenden Fall seien die am gebuchten Abgabennachforderungen betreffend Einkommensteuer 2010 mit einem Teilbetrag von 9.537,29 €, Einkommensteuer 2011 mit einem Betrag von 84.426,00 €, Einkommensteuer 2013 mit einem Betrag von 38.079,00 € und Anspruchszinsen 2011 mit einem Betrag von 6.419,16 € am fällig gewesen. Da diese Beträge nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden seien und der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO nicht bis zum Fälligkeitstag, sondern erst am eingebracht worden sei, sei die Vorschreibung von Säumniszuschlägen verwirkt gewesen.
Es werde darauf hingewiesen, dass die angefochtenen, mit Bescheid vom festgesetzten Säumniszuschläge mit Bescheid vom ausgesetzt worden seien. Im Fall einer nachträglichen Herabsetzung der betreffenden Grundlagenbescheide (Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013, Anspruchszinsen 2011) habe die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der Herabsetzungsbeträge von Amts wegen gemäß § 217 Abs. 8 BAO zu erfolgen.
Mit Schreiben vom stellte der Bf durch die ihn vertretende Rechtsanwalts GmbH einen Vorlageantrag. Ein ergänzendes Sachvorbringen wurde nicht erstattet.
Beweiswürdigung:
Der unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen des Bf sowie dessen Abgabenkonto und Abfragen der Finanzamtsdatenbanken.
Rechtslage:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, ist ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht getilgten Abgabenbetrages zu entrichten (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO).
Der Säumniszuschlag stellt grundsätzlich eine objektive, vom Verschulden unabhängige Säumnisfolge bei Nichtentrichtung der Abgabe am Fälligkeitstag dar (vgl. aber die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO).
Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht (bzw. nicht rechtzeitig) entrichtete Abgabenschuld; dies unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe (im vorliegenden Fall der Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013 sowie der Anspruchszinsen 2011) rechtmäßig, rechtskräftig oder mit Bescheidbeschwerde angefochten ist (Ritz, BAO6, § 217 Tz 4, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur).
Das hat zur Folge, dass ein Säumniszuschlagsbescheid auch dann rechtmäßig ist, wenn die zugrundeliegende Abgabenfestsetzung unrichtig ist. Bei festgesetzten Abgaben besteht daher eine allfällige Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Vorschreibung ().
Nach § 217 Abs. 8 BAO hat aber im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung des Säumniszuschlages unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Da im Beschwerdeverfahren gegen einen Säumniszuschlagsbescheid die Richtigkeit des zugrundeliegenden Abgabenbescheides (im vorliegenden Fall der Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2013 sowie des Anspruchszinsenbescheides 2011) nicht zu prüfen ist, bestehen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken, wenn über die Beschwerde gegen einen Säumniszuschlagsbescheid entschieden wird, obwohl über den der Säumniszuschlagsfestsetzung zugrundeliegenden Abgabenbescheid noch nicht abgesprochen worden ist.
Sollte sich nämlich der Umfang der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers infolge Erledigung der gegen den Abgabenbescheid gerichteten Beschwerde ändern, sieht § 217 Abs. 8 BAO ohnedies eine nachträgliche Herabsetzung des Säumniszuschlages vor ().
Nach § 217 Abs. 4 BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschulden insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.
Nach § 230 Abs. 2 BAO dürfen während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.
§ 230 Abs. 3 und Abs. 5 BAO betreffen Regelungen im Zusammenhang mit Ansuchen um Zahlungserleichterung.
Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6 BAO). Diese Hemmung der Einbringung besteht unabhängig davon, ob ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung zeigerecht (insbesondere vor Fälligkeit) gestellt wird oder nicht (Ritz, BAO6, § 230 Tz 11).
Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages schiebt nur ein zeitgerecht im Sinne des § 212a Abs. 7 zweiter Satz BAO, nämlich vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinne des § 212 Abs. 2 zweiter Satz BAO, gestellter Aussetzungsantrag hinaus.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht die mit einem Antrag auf Aussetzung verbundene Wirkung der Hemmung der Einbringung nach § 230 Abs. 6 BAO erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass durch einen Aussetzungsantrag Rechtsfolgen, die bereits vor Antragstellung durch die nicht zeitgerechte Entrichtung einer Abgabe eingetreten sind, rückgängig gemacht werden sollten. Auch wenn ein Aussetzungsantrag zur Hemmung der Einbringung führe, bedeute dies nicht, dass der bereits (mit Nichtentrichtung spätestens zum Fälligkeitstag) entstandene Säumniszuschlagsanspruch durch einen später gestellten Aussetzungsantrag beseitigt würde ().
Erwägungen:
Im vorliegenden Fall waren die Nachforderungen aus den Einkommensteuerbescheiden 2010, 2011 und 2013 sowie aus dem Anspruchszinsenbescheid 2011, alle Bescheide vom , am fällig und Grundlage für die angefochtenen Säumniszuschlagsfestsetzungen.
Die Verpflichtung zur Entrichtung der Säumniszuschläge trat - unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Einkommensteuerbescheide und des Anspruchszinsenbescheides und ungeachtet des Umstandes, dass diese am mit Beschwerde angefochten wurden - bereits zur Fälligkeit am ein.
Der erst nach Eintritt der Fälligkeit am gestellte Antrag auf Aussetzung der Einhebung hatte keine Auswirkung mehr auf die bereits zuvor entstandenen Säumniszuschlagsansprüche und konnte diese nicht mehr beseitigen.
Das Finanzamt führte zutreffend aus, dass die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages unabhängig davon eintritt, ob die Stammabgabe rechtmäßig, rechtskräftig oder mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.
Der ausführlich begründeten Beschwerdevorentscheidung, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltecharakter zukommt, trat der Bf nicht entgegen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die entscheidenden Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die vorliegende Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100983.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at