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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2021, RV/2100435/2021

Nachweis der Krankendiätverpflegung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Berechnung der Einkommensteuer:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Bezugsauszahlende Stelle ................ stpfl. Bezüge (245)
BVAEB Pensionsservice …………………………… 14.846,54 € ………………….. 14.846,54 €

Gesamtbetrag der Einkünfte …………………………………………………………. 14.846,54 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen,
Wohnraumschaffung und -Sanierung (Topf-Sonderausgaben) ………….… - 137,70 €
Zuwendungen gem. § 18 (1) Z. 7 EStG 1988 ............................................ - 356,00 €
Kirchenbeitrag ............................................................................................ - 50,00 €

Außergewöhnliche Belastungen:
Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§34 (4) EStG 1988) ......... - 633,18 €
Selbstbehalt …………..................................................................................... 633,18 €

Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der
Verordnung über außergewöhnliche Belastungen .................................. - 608,15 €
Krankendiätverpflegung ………………………………………………………………….…… - 840,00 €

Einkommen ...................................................................................... 12.854,69 €

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0 % für die ersten 11.000,00 .............................................................................. 0,00 €
20 % für die restlichen 1.854,69 .................................................................... 370,94 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge ........................................................ 370,94 €

Pensionistenabsetzbetrag ........................................................................... - 600,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge …………………………………..………………. - 229,06 €

Erstattung:
SV-Beiträge in Höhe von 300,00 €
Davon erstattungsfähig gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988……………………………... - 229,06 €
Erstattungsbetrag gesamt............................................................................. - 229,06 €

Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0 % für die ersten 620,00 .................................................................................... 0,00 €
6 % für die restlichen 1.867,94 ....................................................................... 112,08 €

Einkommensteuer .......................................................................................... -116,98 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260) ................................................................... - 269,40 €

Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988 …………………………………………………………… - 0,38 €

Festgesetzte Einkommensteuer..................................................................... - 386,00 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Bf ist Pensionistin und beantragte in der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung Aufwendungen in Höhe von € 1.327,25 als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt zu berücksichtigen. Weiters beantragte sie den Freibetrag für Behinderung für einen Grad der Behinderung von 80%, den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen Zuckerkrankheit und gab an, Pflegegeld der Stufe 1 für das ganze Jahr 2020 erhalten zu haben.

Das Finanzamt führte im angefochtenen Bescheid vom begründend aus, dass die Zuckerdiät nicht gewährt hätte werden können, da diese Diät nicht vom Bundessozialamt bestätigt worden sei. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen hätten nicht berücksichtigt werden können, da die Aufwendungen niedriger als der gültige Selbstbehalt in Höhe von € 1.679,08 seien.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte die Bf ein, dass sie viel zu wenig Abgabengutschrift bekommen habe (97 €). Sie ersuche um Berücksichtigung ihrer Zuckerdiät (seit ca. 5 Jahren), Langzeitzucker 9,6, und ihre BVA-Rechnungen € 458,59 und Apothekenrechnungen € 868,72. Sie habe 80% Behinderung wegen ihrer Leukämie und sei jeden Monat in der Zuckerambulanz im Krankenhaus ***1***. Sie habe leider momentan keinen ärztlichen Auszug. Sie komme jetzt auf Reha. Sie bitte um positive Erledigung.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf ersucht, die Kosten der Heilbehandlung in Höhe von € 1.327,31 nachzuweisen. Es liege kein Bescheid des Sozialministeriumservice auf, aus dem hervorgehen würde, dass eine Diätverpflegung erforderlich sei. Auch aus diesem Grund werde der Bescheid des Sozialministeriumservice benötigt.

Aus einem Vermerk des Finanzamtes ist ersichtlich, dass in der Folge Aufwendungen in Höhe von insgesamt € 1.161,55 nachgewiesen wurden (Medikamente € 868,72, Blutdruckmessgerät € 70, Schuheinlagen € 34,80, Zuzahlung BVAEB 188,03).

Mit der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung setzte das Finanzamt unter Berücksichtigung der Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen vor Abzug des Selbstbehalts iHv € 633,18 und nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen iHv € 528,38 die Einkommensteuer mit einer Gutschrift in Höhe von - 202,00 € fest. In der Begründung wurde ausgeführt, dass das Finanzamt trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe. Es seien trotz Aufforderung kein Bescheid und kein Gutachten des Sozialministeriumservice vorgelegt worden. Es hätte daher der Freibetrag wegen Diätverpflegung für Zucker nicht berücksichtigt werden können.

Wenn jemand eine pflegebedingte Geldleistung wie z.B. das Pflegegeld ganzjährig erhalten würde, stehe kein Freibetrag zu (§ 35 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988). Die pflegebedingten Kosten seien bereits durch diese Geldleistung abgegolten worden. Gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom könnten ab dem Veranlagungsjahr 1998 neben dem Pauschbetrag für Behinderung auch die Kosten für Heilbehandlung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes anerkannt werden. Grundsätzliche Voraussetzung sei jedoch, dass die Aufwendungen in ursächlichem Zusammenhang zu der die Behinderung begründenden Krankheit (bzw. dem Leiden) stehen würden ().

Laut den Angaben der Bf sei die Behinderung aufgrund einer Krebserkrankung bescheinigt worden. Da die geltend gemachten Kosten für das Blutdruckmessgerät und Schuheinlagen in keinem Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung stehen würden, seien diese Aufwendungen nicht zusätzlich, sondern mit Abzug eines Selbstbehaltes anzusetzen gewesen. Die Medikamente und Zuzahlung BVAEB seien zu je 50% als Heilbehandlungskosten und als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt worden, da nicht ersichtlich sei, um welche Medikamente es sich handeln würde bzw. sei kein Nachweis erbracht worden, dass die Kosten iZm der Behinderung der Bf stehen würden. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen seien nicht berücksichtigt worden, da die Aufwendungen niedriger als der Selbstbehalt in Höhe von € 1.626,24 seien.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag verwies die Bf darauf, dass sie jetzt den Bescheid beigelegt habe. Es wurde eine Einzahlungsbestätigung über € 189,64 betreffend die Zuzahlung für den Reha-Aufenthalt im Jahr 2020 und ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. vorgelegt.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Beurteilung der Zuckerdiät und die Kosten für den Reha-Aufenthalt abzüglich der Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu gewähren.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Im Jahr 2015 wurde bei der Bf ein Gesamtgrad der Behinderung von 80% mit folgenden Gesundheitsschädigungen festgestellt:

  • Allgemeine Leistungsminderung bei Zustand nach Chemotherapie und Fremdstammzellentransplantation 10/2012 wegen akuter myeloischer Leukämie - 70%

  • Chronische Wirbelsäulenbeschwerden bei Rundrückenbildung und Osteoporose - 20%

  • Wiederkehrende Gelenksbeschwerden - 10%

Im Jahr 2021 wurde auf Grund eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung eine Folgebewertung durchgeführt. Mit Sachverständigengutachten vom stellte ein Allgemeinmediziner wiederum einen Gesamtgrad der Behinderung von 80% mit folgenden Gesundheitsschädigungen fest:

  • Zustand nach akuter myeloischer Leukämie mit Chemotherapie und Fremdstammzellentransplantation 10/2012, unterer RSW bei langjährigem stabilen Verlauf, jedoch verbliebener allgemeiner Leistungsminderung - 50%

  • Depressives Erschöpfungssyndrom, unterer RSW entspricht der affektiven und somatischen Störung mit ernsthafter Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche - 50%

  • Sekundärinsulinpflichtiger Diabetes mellitus, unterer RSW entspricht der kombinierten oralen Medikation mit Langzeitinsulin (BOT) - 30%

  • Chronische Wirbelsäulenbeschwerden bei Rundrückenbildung und Osteoporose, degenerative Bandscheibenschäden, unterer RSW entspricht den Rückenschmerzen mit eingeschränkter Rumpfbeweglichkeit ohne periphere Lähmungszeichen - 30%

  • Gefäßsklerose bei Bluthochdruck und Diabetes mit peripheren und zentralen Durchblutungsstörungen, mittlerer RSW entspricht dem Befundausmaß mit pAVK und Stentung der Kniearterie rechts - 30%

  • Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades, oberer RSW entspricht den wiederkehrenden Gelenksbeschwerden mit mäßigem Aufbrauch vieler Gelenke ohne maßgebliche Bewegungseinschränkungen, inkludiert Z. n. Verkehrsunfall 7/2018 mit persistierendem Schmerzsyndrom - 20%

In den im Sachverständigengutachten vom aufgezählten aktuellen Befunden ist unter anderem ein Interner Ambulanzbefund des Krankenhauses ***1*** vom über Diabetes mellitus Typ II, Hb Ale 9,6%, Erstdiagnose ca. 2016, Metformin-Unverträglichkeit, genannt.

In der Zeit vom bis absolvierte die Bf einen Rehabilitationsaufenthalt. Diesbezüglich sind ihr Aufwendungen in Höhe von € 189,64 entstanden.

Die Bf hat über das gesamte Jahr 2021 ein Bundespflegegeld der Pflegestufe 1 in Höhe von € 1.819,80 bezogen.

Beweiswürdigung

Der Inhalt des vorgelegten Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom ist nicht anzuzweifeln. Die Bf gibt in der Beschwerde bezüglich ihrer Zuckererkrankung an, dass sie jeden Monat in der Zuckerambulanz im Krankenhaus ***1*** mit Langzeitzucker 9,6 sei. Damit stimmen die Angaben der Bf mit dem im Sachverständigengutachten genannten Befund überein.

Bezüglich des Reha-Aufenthaltes wurde eine Aufenthaltsbestätigung und eine Einzahlungsbestätigung über die Zuzahlung in Höhe von € 189,64 vorgelegt.

Die von der Bf an das Finanzamt übermittelten Belege wurde offensichtlich wieder an die Bf retourniert. Da gegen die Aufteilung der Aufwendungen keine Einwendungen im Vorlageantrag vorgebracht bzw. keine weiteren Nachweise vorgelegt wurden, geht das BFG davon aus, dass die durch das Finanzamt im Schätzungsweg vorgenommene Aufteilung der Aufwendungen mit 50% als Heilbehandlungskosten und mit 50% als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt den tatsächlichen Verhältnissen weitestgehend entsprochen hat.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 EStG 1988).

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt, dass die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7.300 Euro 6%
mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8%
mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10%
mehr als 36.400 Euro 12%.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm ein Freibetrag (Abs. 3) zu (§ 35 Abs. 1 EStG 1988).

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in den Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für eine Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
-Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern
-In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Aus § 35 Abs. 2 EStG 1988 ist ableitbar, dass die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Person behindert ist, nicht von der Abgabenbehörde zu treffen ist. Ein Antragsteller hat nur dann Anspruch auf einen Freibetrag, wenn eine amtliche Bescheinigung einer hierfür vorgesehenen Stelle vorgelegt wird. Der vom Antragsteller vorzulegenden amtlichen Bescheinigung kommt feststellende, die Abgabenbehörden bindende Wirkung zu (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer § 35 Rz 2).

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen. Diese Verordnungsermächtigungen berechtigen den Bundesminister für Finanzen die gesetzlichen Bestimmungen betreffend behinderte Personen durch Verordnung zu konkretisieren.

Auf Grundlage dieser Verordnungsermächtigungen hat der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, erlassen. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung sind, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, in der hier maßgebenden Fassung lautet auszugsweise:

"Auf Grund der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, wird verordnet:

§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, ... ...so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2. (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei
- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids: 70 Euro
- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit: 51 Euro
- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit: 42 Euro
pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.
(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß
§ 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Rechtliche Beurteilung

Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei Zuckerkrankheit:

Bezüglich der von der Bf vorgebrachten Zuckerkrankheit wurden in der Vorbewertung des Bundessozialamtes aus dem Jahr 2015 keine Feststellungen getroffen. Allgemein ist bezüglich der Gültigkeit der Bescheinigungen festzuhalten, dass solche nur bis zur Ausstellung einer neuen Bescheinigung gültig sind. Die Abgabenbehörde hat ihrer Entscheidung die jeweils vorliegende amtliche Bescheinigung zugrunde zu legen ().

Das Erfordernis der Einhaltung einer Diät (Vorliegen von Mehraufwendungen dem Grunde nach) ist auf geeignete Weise nachzuweisen, z.B. durch eine ärztliche Bestätigung über Art und Beginn der Diät (Jakom14, EStG, Rz 23 zu § 35 mit weiteren Hinweisen). Der Nachweis der Notwendigkeit zur Einhaltung einer Krankendiätverpflegung im Sinne des § 2 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen kann neben der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auch durch eine ärztliche Bestätigung erfolgen.

Nach dem im Sachverständigengutachten vom unter anderem genannten Internen Befund des Krankenhauses ***1*** vom war die Erstdiagnose des Diabetes mellitus Typ II ca. im Jahr 2016.

Obwohl die Gesundheitsschädigung der Krankendiätverpflegung wegen Zuckerkrankheit vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erst mit Gutachten vom festgestellt wurde, ist es auf Grund des Befundes des Krankenhauses ***1*** vom als erwiesen anzusehen, dass die Gesundheitsschädigung Zuckerkrankheit im strittigen Jahr 2020 bereits bestanden hat und die damit verbundenen Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung angefallen sind. Es sind daher gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen die Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Zuckerkrankheit in Höhe von 70 Euro pro Kalendermonat (840 Euro jährlich) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Zuzahlung für den Reha-Aufenthalt:

Die Bf hat erst im Zuge des Vorlageantrages einen Zahlungsnachweis für die Zuzahlung in Höhe von € 189,64 für den Reha-Aufenthalt vom bis vorgelegt. Das Finanzamt beantragte im Vorlagebericht die Kosten für den Reha-Aufenthalt abzüglich der Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu gewähren.

Hierzu ist auszuführen, dass auch Ausgaben für Verpflegung im Rahmen eines Aufenthalts in einem Spital oder in einer Rehabilitationseinrichtung gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 keine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn sie nicht höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse bzw. gleicher Vermögensverhältnisse erwachsen (; ). Dass höhere Verpflegskosten angefallen wären, ist aus dem Vorbringen der Bf nicht zu erkennen.

Nach der Verwaltungsübung wird für Verpflegungskosten, die auf Grund des Reha-Aufenthaltes zu Hause nicht angefallen sind, eine Haushaltsersparnis von 8/10 des Wertes der vollen freien Station gem. § 1 SachbezugswerteVO, BGBl II 2001/416, abgezogen. Die Bf hat laut Aufenthaltsbestätigung der BVAEB vom in der Zeit vom bis , das sind 21 volle Tage, einen Rehabilitationsaufenthalt absolviert.

Gemäß § 1 Abs. 1 der SachbezugswerteVO beträgt der Wert der vollen freien Station € 196,20 pro Monat.

8/10 von 196,20 € = 156,96 € pro Monat : 30 Tage x 21 Tage = 109,87 €

Die von der Bf nach dem Einkommen gestaffelt zu entrichtende Zuzahlung nach dem ASVG (vgl. die Ausführungen in BFG, RV/5100003/2021) zu ihrem Reha-Aufenthalt betrug € 189,64. Abzüglich der Haushaltsersparnis von € 109,87 ergibt sich ein als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigender Betrag in Höhe von € 79,77.

Freibetrag wegen Behinderung:

Wie bereits das Finanzamt zutreffend in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt hat, steht gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 dann nicht zu, wenn eine pflegebedingte Geldleistung, z.B. Pflegegeld, bezogen wird. Da die Bf im strittigen Jahr 2020 ganzjährig Bundespflegegeld der Pflegestufe 1 in Höhe von € 1.819,80 erhalten hat, gelten die pflegebedingten Kosten bereits durch das Pflegegeld als abgegolten.

Zusammenfassend waren die nachgewiesenen Kosten aus der Behinderung der Bf in Höhe von € 528,38 um € 79,77 auf € 608,15 zu erhöhen und weiters der Freibetrag für die Mehraufwendungen für eine Zuckerdiät in Höhe von € 840 steuermindernd zu berücksichtigen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierten Literaturmeinungen die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Jakom14 EStG, Rz 23 zu § 35
Fuchs in Hofstätter/Reichel EStG Rz 2 zu § 35


BFG, RV/5100003/2021
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100435.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at